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Erste Reise Oktober 2009

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Unsere kleine Reisegruppe, bestehend aus vier Frauen einer Malgruppe, hat sich Großes vorgenommen: Wir wollen Istanbul auf eigene Faust erkunden. Keine Pauschalreise, kein Reiseleiter, keine Teppiche und keine Lederjacken. Nur Stadt, Sonne, Licht, essen, trinken, kaufen und genießen. Im Reisebüro buchen wir den Flug von Hannover nach Istanbul und ein Hotel. Es ist nicht die billigste Reise, dafür individuell. In der Nacht zum 5.Oktober 2009 fliegen wir los. Es ist der erste Tag der Herbstferien. Daran hätten wir denken müssen. Viele türkische Familien besuchen jetzt Oma in der Türkei. Der Flieger ist nicht nur eng und voll besetzt, sondern auch laut von vielen übermüdeten Kleinkindern.

Mit in unserer Reihe sitzt Suat, sechzehn Jahre alt. Er fragt uns, ob wir auch in die Türkei fliegen.

Ja, nach Istanbul.

A l l e i n e ??

Nein, wir sind vier Frauen.

Vier Frauen allein in Istanbul ??? Haben Sie da keine Angst??

Nein, vor Istanbul haben wir keine Angst. Das Einzige, was wir langsam bekommen, ist Platzangst. Die Sitzreihen stehen so eng, dass wir nicht wissen, wo unsere Knie bleiben sollen. Für norddeutsche Riesenfrauen sind die türkischen Airlines nicht gemacht. Suat erzählt derweil, dass seine Familie in Lebenstedt wohnt. Seine Eltern kommen aus der Türkei, aus einem Dorf in der Nähe von Ankara. Na ja, vielleicht zweihundert Kilometer weg. Dort sind sie auch nur wenige Jahre zur Schule gegangen und sprechen nur einfaches Türkisch. Er selbst hat auch nicht viel Türkisch gelernt. Es reicht zum Verständigen, aber mehr auch nicht. In der Schule in Deutschland ist Suat erst einmal nicht so gut gewesen, weil seine Eltern gemeint haben, das sei nicht so wichtig. Aber dann hat er den Hauptschulabschluss doch noch ganz gut geschafft.

Danach hatte er Lust, noch weiter zu machen und hat jetzt auch schon seinen Realschulabschluss. Seit den Sommerferien macht er ein Praktikum bei seinem Bruder im Laden. Später will er vielleicht noch seinen erweiterten Realschulabschluss dranhängen und dann eine Ausbildung als Kaufmann machen. Na denn, viel Glück. Jetzt fliegt Suat aber erst mal mit seiner ganzen Familie zu Oma. In der Nebenreihe sitzen seine Schwestern, alle schön mit Kopftüchern. Und dahinter noch mehr Familie. Auf die Frage, ob es in Omas Dorf schön ist und er sich freut, zieht er ein etwas schräges Gesicht. Naja, geht so ..... Nicht viel los eben. In Istanbul muss die Familie umsteigen in den Flieger nach Ankara. Von dort werden sie abgeholt und fahren die letzten zweihundert Kilometer mit dem Auto. Viel Vergnügen! Dann schläft Suat ein. Der Glückliche. Wir können nicht schlafen. Die Knie drücken und der Kapitän hat ständig etwas anzusagen, was man nicht versteht. Kaum ist er still, kommen die Flugbegleiterinnen mit Wagen. Keine Chance, in dieser Nacht bleiben wir wach.

Irgendwann fällt uns ein, dass wir noch gar nicht über den Transfer vom Flughafen zum Hotel nachgedacht haben. Typisch Pauschaltouristen. Sonst wird man immer von einem freundlichen Menschen mit Hotelschild abgeholt oder der Reiseleiter winkt mit seinem Schirm und geleitet die Gruppe zu den bereitstehenden Bussen. Dieses Mal wohl nicht. Wir sind auf uns allein gestellt. Aber wie man in unserem Reiseführer aus dem Reisebüro nachlesen kann, ist der Flughafen Atatürk an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen.Kann also kein großes Problem sein.

Nach ungefähr dreieinhalb Stunden kommen wir in Istanbul an. Atatürk ist ein großer internationaler Flughafen, der nicht weit entfernt von Wasser und Stadt liegt. Beim Blick nach unten während des Landeanfluges kommt uns die Stadt ein wenig dünn besiedelt vor. Auch Wasser können wir nirgendwo entdecken. „Aber Atatürk ist das hier doch?“ fragen wir unsere netten türkischen Sitznachbarn. „Nein nein“ lächeln sie freundlich, „das hier Sabiha Gökcen, Flugplatz auf asiatischer Seite. Heißt von türkische Pilotin aus Weltkrieg!“

A s i a t i s c h e S e i t e !!?? Was heißt das? Schnell noch einen Blick in den Reiseführer: „.....der Flughafen Sabiha Gökcen ist ein Flughafen auf dem asiatischen Teil Istanbuls und wird überwiegend für Inlandflüge genutzt. Er ist benannt nach der türkischen Kriegspilotin Sabiha Gökcen.“ Auf dem abgebildeten Stadtplan sieht man ihn weit weit entfernt von Istanbuls Innenstadt in einem eher dünn besiedelten Gelände liegen. Uns wird es unbehaglich. Es ist mitten in der Nacht. Die Mitreisenden sehen nicht so aus, als wollten sie nach Istanbul hineinfahren. Eher scheinen sie sich weiter in das so genannte Inland begeben zu wollen. Wir haben keine Zeit mehr, über unsere Situation nachzudenken, denn das Flugzeug landet und die Passagiere drängeln zum Ausgang. Die Schlangen an den Passkontrollen sind überschaubar und verkürzen sich schnell. Einzig die Infrarot-Kamera, die die Grippekranken aufspüren soll, macht ein bisschen nervös. Darf man mit Schweinegrippe nicht in die Türkei einreisen? Kann die Kamera eine gewöhnliche Erkältung von einer Schweinegrippe unterscheiden?

Der Vorteil des Schlange-Stehens ist immer, dass man die Gelegenheit zu Gesprächen hat und die nutzen wir jetzt unerbittlich. Mit hilflosem Blick und schreckgeweiteten Augen fragen wir unsere nebenstehenden

Mitreisenden, ob sie wissen, wie man von hier nach Istanbul kommt. „Ja, doch, es gibt einen Shuttle-Bus“ weiß jemand. Aber Genaueres kann man uns da auch nicht sagen. Jede Stunde soll der fahren. Na gut, immerhin ein Ansatz. Am Schalter versteht man uns nicht, hinter dem Schalter ist niemand mehr, den wir fragen könnten. Der Flughafen selbst ist schön klein und überschaubar, die Toiletten sauber und Cafes gibt es auch. Aber wie kommen wir hier weg??? Der Shuttlebus! Ja, Aber wo?

Vor dem Flughafengebäude stehen Busse in langer Reihe, a l l e mit laufendem Motor. Dazu unzählige gelbe Taxen. Zwischen dem Gewühl geht ein Polizist hin und her und pfeift unablässig auf seiner Trillerpfeife, ohne dass erkennbar wäre, warum. Es ist laut, es stinkt und wir sind müde. Es hilft nichts, wir müssen eine Lösung finden. Eine von uns muss beim Gepäck bleiben, die anderen Drei gehen auf Erkundigung nach einer Fahrgelegenheit.

Erster Versuch:

Ein Fahrkartenschalter mit der Aufschrift "Otobüsü". Das klingt wie Autobus, also wird man dort vielleicht wissen, wo und wann ein Bus in die Stadt fährt. Vielleicht hätten wir ein paar Wörter Türkisch lernen sollen, denn der Herr am Schalter versteht kein Deutsch, kein Englisch und auch sonst nichts von dem, was wir sagen. Aber irgendwie müssen wir herausfinden, wo der Bus fährt.

Also: "Otobüsü????" Antwort: Nicken.

"Otobüsü Istanbul???" Nicken.

„Wo?“ Fragender Blick.

Wir zeigen mit ausholender Geste in die Runde. Wo? Lächeln. Mh, geht nicht. Wie viel kostet das? (Reiben der Finger aneinander). Der Mann schreibt auf: 12 TL. Also zwölf Türkische Lire. "Otobüsü Istanbul zwölf (Finger) Lire?" Nicken.

Aha. Danke. Weiter zum Taxistand. Die Taxifahrer verstehen jede Sprache. Eine Fahrt bis in die Innenstadt von Istanbul kostet 100 Türkische Lire, das sind 50 Euro. Bei vier Personen kostet der Bus also 48 Lire, das ist die Hälfte des Taxipreises. Lohnt es sich, dafür das Wagnis einzugehen? Und ist ein Taxi nicht bequemer? Ja, vielleicht,aber spannender ist doch die Geschichte mit dem Bus. Wir klappern nach und nach alle Busse mit laufendem Motor ab und fragen "Istanbul???"

Nein, Rumänien, Rundreise.....Alles ist dabei, nur Istanbul nicht. Aber schließlich erklärt uns ein Busfahrer, dort an der Haltestelle fährt der Linienbus nach Istanbul. Der kostet pro Person 12 Lire und man bezahlt beim Kassierer im Bus. Man fährt direkt in die Innenstadt und braucht dafür ca. zwei Stunden. Und der Bus fährt in einer halben Stunde. Das nennen wir mal eine Auskunft! Der Bus kommt auch gleich danach an, so dass wir unser Gepäck verladen können und noch Zeit haben, schnell zur Toilette zu flitzen. Die Toilette befindet sich im Flughafengebäude. Aber eben mal schnell zurück in den Flughafen zur Toilette geht leider nicht. Dazu muss man erst einmal wieder komplett durch eine Kontrolle mit Tasche abgeben, Jacke ausziehen, durch das Piepsgerät, alles wieder

anziehen, Tasche nehmen – und jetzt aber schnell. Die Blase drängt und der Bus auch. Um diese Zeit fahren nicht sehr viele Leute mit, so dass wir die hintere Bank für uns haben und uns ausstrecken können. Kurz vor der Abfahrt kommt der Kassierer in den Bus und sammelt das Geld ein. Die Fahrt ist lang, aber wir sind so müde, dass wir sowieso alles verschlafen. Am frühen Morgen mit der aufgehenden Sonne erreichen wir schließlich den Taksim Platz im Herzen von Istanbul. Hier ist Endstation. Die erste Hürde ist geschafft. Geht doch !

Viele Menschen sind zu dieser Zeit noch nicht unterwegs, aber in einem kleinen Cafe bekommen wir schon mal ein heißes Getränk. Etwas übernächtigt sind wir jetzt doch und auf weitere Busfahrten hat niemand mehr Lust. Wir beschließen, von hier aus ein Taxi bis zum Hotel im Bezirk Sultanahmet zu nehmen. Wir wissen, dass das Hotel in der Piyerloti Straße liegt und es von dort nicht weit bis zur blauen Moschee und zur Hagia Sofia ist. Dem Taxifahrer zeigen wir auf der Karte, wo wir hin wollen. Ja, alles verstanden. Für zwanzig Lire ist er bereit, uns zum Hotel zu fahren. Das Geld bekommt er vorab, damit er seine Meinung unterwegs nicht ändern muss. Die Fahrt geht los. Von weitem sehen wir schon die Moschee und die Hagia Sofia. Der Taxifahrer zeigt auch noch hin, damit wir sie auch wirklich sehen. Dann biegt er nach rechts ab und fährt und fährt und fährt und die Moscheen verschwinden hinter uns. Vielleicht ist die Straße zu unserem Hotel gesperrt? Oder vielleicht kann man gar nicht direkt dorthin fahren? Wir fahren durch abenteuerliche Straßen. Es regnet inzwischen, die Straßen stehen noch voller Wasser von den Unwettern mit Überschwemmungen der letzten Wochen und das Taxi klettert mit atemberaubender Geschwindigkeit schlecht gepflasterte Gassen rauf und runter, dass uns Angst und Bange wird. Hier soll unser Hotel sein?? Endlich – wir biegen in eine schöne, ruhige grüne Straße mit einer Anlage aus neuen Holzhäusern ein. Das sieht doch gut aus! Der Taxifahrer steigt aus und fragt ein paar Männer, ob er hier richtig ist. Piyerloti ist schon richtig, aber hier ist nicht Sultanahmet. Und die Straße heißt auch anders. Nur das Hotel hat den Namen. So was auch. Wer hatte die schlaue Idee, vorab zu zahlen??

Zurück geht es in halsbrecherischer Fahrt durch die engen, steilen Straßen. Jetzt regnet es richtig. Wir sind inzwischen ganz still geworden.

Wird das noch was? Ungefähr zwanzig Minuten später kommen wir tatsächlich vor unserem Hotel an. Alles stimmt: die Straße, der Hotelname und die Moscheen kann man auch sehen. Wir sind glücklich!! Zweite Hürde geschafft! Weil wir so gute Menschen sind, geben wir dem Taxifahrer noch 15 Lire drauf. „Dumm stellen kann auch reich machen“, wird der sich gedacht haben. Ein heißes Getränk wäre jetzt das Richtige. Die Zimmer sind leider so früh am Morgen noch nicht frei, aber der freundliche Herr an der Rezeption bietet uns an, dass wir doch erst einmal nach oben in den siebten Stock fahren sollen, um dort schön zu frühstücken. Dafür könnten wir ihn küssen!

Oben angekommen, bietet sich uns ein herrlicher Ausblick: Wir schauen genau auf das Marmarameer mit allen seinen kleinen und großen Schiffen. Der Regen hat aufgehört, die Sonne kommt heraus. Das Meer glitzert so wunderschön. Es ist ein Traum!!! Wir setzen uns in das helle Restaurant mit Rundumblick und bunten Blumen auf der Terrasse und entspannen uns bei ganz viel Tee, Kaffee, heißer Schokolade, Toastbrot, Hörnchen, Schafskäse, Oliven, Rührei und so weiter. Und immer dieser herrliche Blick über das blaue blaue Meer! Nach dem Frühstück sind sogar die Zimmer schon fertig, so dass wir einziehen können.

Geschafft! Istanbul wartet. Obwohl wir eine Nacht nicht geschlafen haben, sind wir jetzt trotzdem so fit, dass wir erst einmal hinausgehen wollen zu einem ersten Orientierungsgang. Mit dem Stadtplan in der Hand machen wir uns auf in Richtung Sultanahmet Moschee, der „blauen Moschee“. Die ist ausgeschildert, und man sieht auch die Minarette immer mal zwischen den Häusern durchgucken. Auf dem Weg vom Hotel zur Moschee kommen wir durch viele hügelige Straßen, auf denen man teilweise ganz schön klettern muss. Und immer nach unten schauen!! Plötzlich ist das Stück Bürgersteig zu Ende, auf dem man eben noch gehen konnte. Rechts fällt urplötzlich eine steile Treppe ab. Ein neues Stück Bürgersteig kommt, aber höher als der alte. Und die Pflastersteine auf der Straße liegen nur grob in den Sand gedrückt da, jederzeit bereit, herauszubrechen und ein Loch zu hinterlassen.

Aber schließlich kommen wir unversehrt vor dem sogenannten Hippodrom an, das sich an der Seite der Moschee entlangzieht. Das Hippodrom war einstmals eine Pferderennbahn, als Istanbul noch Konstantinopel hieß. Davor hieß es Byzantion und war nur eine mittlere Provinzstadt.In diesem Byzantion wurde das erste Hippodrom gebaut.

Nachdem römische Kaiser Konstantin 324 n.Chr. die Hauptstadt von Rom nach Byzanz verlegt hatte, bekam Byzanz den neuen Namen Konstantinopel und das Hippodrom wurde erweitert. Es ist heute ein länglicher Platz mit einem Obelisken und einer Säule darauf, die als eine Art „Reiseandenken“ aus anderen Ländern mitgebracht wurden und heute etwa zwei Meter unter Straßenniveau stehen. An der von uns aus gesehen linken Seite steht der sog. „Deutsche Brunnen“, der ein Geschenk Deutschlands als Andenken an den Besuch von Kaiser Wilhelm II im Jahr 1898 ist. Nachdem wir die Säule, den Obelisken und den Brunnen ausführlich besichtigt haben, überqueren wir die Straße und gelangen zum Seiteneingang der Sultanahmet Moschee, die auch „blaue Moschee“ genannt wird. Direkt neben dem Eingang haben verschiedene Händler ihre Geschäfte. So muss es damals in Jerusalem ausgesehen haben, als Jesus so böse wurde und die Händler aus dem Moscheebereich vertrieben hat. Nun ja, vielleicht hat er ja Recht gehabt, aber einen kleinen Blick können wir doch mal hineinwerfen...

Alles gibt es: Jacken, Taschen, Kissen, Schals, Brillen, Skulpturen und Plastikmoscheen. Wer hier nichts findet, dem ist nicht zu helfen. Die freundlichen Verkäufer helfen gern, teilen uns und beraten getrennt, damit wir das wunderbare türkische Handwerk und die günstigen, aber absolut echten Markenprodukte zu würdigen lernen. Zwei von uns sind absolut beratungsresistent, die anderen Beiden kaufsüchtig. Und eine Sonnenbrille braucht man bei der unerwarteten Intensität der Istanbuler Sonne. Ein warmer Wollumhang für den Abend kann auch nicht schaden. Wir haben Oktober! Und günstig sind die Sachen in der Tat. Fünf Türkische Lire für die Brille und zehn für den gewebten Umhang aus garantiert echter Schafwolle aus dem Taurus-Gebirge mit garantiert alten überlieferten Mustern darauf. Nein, da kann man nicht zögern. Die Sachen müssen mit!

Nach erfolgreichen Geschäften verlassen wir unter den ständigen Verbeugungen unserer beiden netten Berater den Laden und betreten den großen Moscheengarten durch das steinerne Tor in der umlaufenden Mauer. Es ist eine schöne Atmosphäre in diesem Garten. Voller Menschen, aber dennoch ruhig. Man kann durch einen weiteren Tordurchgang schon in den Innenhof der Moschee blicken. Aber wir gehen erst einmal am Gebäude entlang bis zum Leichenwaschplatz am Ende des Gartens. Der besteht aus zwei Marmorliegen für die Leichen und einem kleinen Marmorblock zum Abstellen des Sarges. Gleich dahinter befindet sich die Mauer, durch die hindurch man ein wenig vom Meer sehen kann. Von hier aus betreten wir das Innere der Moschee. Natürlich müssen wir uns die Schuhe ausziehen und in einer Plastiktüte mitnehmen. Frauen, die nicht allzu viel anhaben, bekommen auch Tücher für den Kopf. Aber so ganz ernst wird das doch nicht genommen. Die meisten gehen in die Moschee, wie sie gerade sind. Wir auch. Und dann sehen wir auch, warum die Sultanahmet Moschee „blaue Moschee“ heißt: Sie ist über und über mit türkisfarbenen bemalten Kacheln gefliest. Von oben fällt soeben das Sonnenlicht durch die vielen Fenster und lässt die Fliesen wunderschön leuchten.

Der Innenraum ist riesig groß und wirkt durch das Licht auf den Fliesen ein bisschen wie ein Aquarium. Die Moschee ist tatsächlich blau - oder eher türkis-blau. Sie ist voller Menschen, die überall stehen, gehen, schauen und reden. Von der flüsternden Atmosphäre in einer katholischen Kirche ist das hier ganz weit entfernt. Reisegruppen werden in verschiedenen Sprachen über Geschichte und Bauweise informiert, Kameras klicken, Malfrauen diskutieren über Licht und Farben und einige wenige Männer in Strümpfen knien auf dem Teppich und beten. Wir interessieren uns natürlich speziell für die Kacheln mit ihren schönen Mustern. Viele Tulpen kommen vor und Girlanden aller Art. Und die Türen sind schön! Große Holztüren mit Perlmutteinlagen. Leider fehlen schon recht viele Perlmuttstückchen, besonders dort, wo man gerade mit dem ausgestreckten Arm noch hinreicht. Wir schlendern langsam durch die Moschee und lassen sie auf uns wirken.

Elegant wirkt sie. Quadratisch und rund zugleich. Erhaben und großartig. Und lichtdurchflutet. „Die Quadaratur des Kreises, hier haben wir sie“, erklärt uns Bärbel, schon von Berufs wegen anerkannte Fachfrau für Bauen und Konstruktion. Ich kann beisteuern, ich habe mal bei einer Führung gehört, dass die großen runden Leuchter, in denen heute elektrische Lampen brennen, früher mit Öllampen bestückt waren.

Damit die Moschee nicht im Laufe der Zeit schwarz wird, hat der Architekt in die Mauern schmale Schlitze eingebaut und die Luftströme so berechnet, dass der gesamte Qualm der Öllämpchen aus diesen Schlitzen ausgetreten ist. Der Ruß, der sich dort gesammelt hat, wurde für die Herstellung von Tinte verwendet.

Wie wir beim Verlassen des Gebäudes feststellen, steht die Moschee -anders als der Obelisk auf dem tief liegenden Hippodrom - auf Straßenniveau. Das bedeutet, sie muss somit später als das Hippodrom gebaut worden sein. Schauen wir mal, was dazu im Reiseführer steht:

„...1609 wurde sie von Sultan Ahmet I in Auftrag gegeben und bis 1616 von Mehmet Aga gebaut. Der wiederum ist ein Schüler des berühmten Architekten Sinan gewesen.“ Haben wir doch genau richtig erkannt!

Nach dem Besuch der Moschee verlassen wir sie durch einen anderen Ausgang und sind auch prompt dort, wo wir nicht hin wollten. Wir wollten doch noch den schönen Innenhof sehen. Aber langes Herumsuchen ist jetzt auch nicht unser Ding und so schlendern wir langsam durch den Park Richtung Ausgang. Vor dem Haupteingang der Moschee stehen schön in Reih und Glied Unmengen von Holzbänken, auf denen man entspannt sitzen und den Blick auf das gesamte Gebäude genießen kann. Außerdem gibt es einen rollenden Imbissstand mit gegrilltem und gekochtem Mais. Den haben wir uns jetzt als Stärkung verdient. Da sitzen wir nun an unserem ersten Istanbul-Tag unter dem blauen Himmel in der Wärme und lassen die Moschee, den Springbrunnen und die vielen Menschen auf uns wirken. Und natürlich: die vielen Katzen, die in der Sonne auf den Bänken schlafen. Und wie gut, dass wir noch rechtzeitig die Sonnenbrille erstanden hatten...

Die nächste berühmte Moschee, die Hagia Sophia oder Ayasofia, die alte rote Moschee, ist gleich nebenan. Wo wir schon mal hier sind, können wir die eigentlich auch noch mitnehmen. Wir schlendern langsam durch die Blumenanlagen zwischen Sultanahmet und Hagia Sophia und bewundern die kitschigen steinernen Blumenmädchen, die Steinkörbe halten, in denen Blumen wachsen. Leider ist das berühmte Bauwerk heute geschlossen. Also spazieren wir weiter links an der Hagia Sophia vorbei die Straße hoch, die zum Topkape Palast hinaufführt. Es ist eine richtig schöne, relativ ruhige Straße mit grauem Straßenpflaster, in das weiße Muster eingelassen sind. Am Straßenrand sitzt ein älterer Herr mit einem verzierten Messing-Werkzeugkoffer, der allerlei Utensilien enthält, und putzt Schuhe. Vielleicht werden wir zu einer anderen Zeit seine Dienste in Anspruch nehmen, aber so schmutzig sind wir jetzt noch nicht.

Außer dem Schuhputzer gibt es mehrere kleine Geschäfte mit Decken, Taschen, Schals und ähnlichen Dingen. Auch an einer Schmuckwerkstatt kommen wir vorbei und fühlen uns von den Ausstellungsstücken in den Fenstern angezogen. In diesem Laden gibt es keinen Klimbim, sondern Schmuck. Ringe im osmanischen Stil aus Silber, geformt wie Turbane mit eingelassenen bunten Steinchen. Und Ringe aus einem rosa Stein, der irgendwo aus den Bergen kommt, wie der Ladenbesitzer uns erklärt. Die Werkstatt ist hinten im Laden und natürlich dürfen wir einen Blick hineinwerfen. Ich entscheide mich schließlich, sowohl einen hellrosa Ring aus dem berühmten Stein, dessen Namen ich nicht behalten habe, als auch einen Ring nach osmanischem Vorbild zu erstehen. Bärbel kauft einen Ring mit einer Schildkröte. Wir sind schließlich nicht nur zum Schauen, sondern auch zum Kaufen in diese Stadt gekommen.

Ein Stück weiter die Straße hoch gelangen wir zu einem hübschen Cafe,

wo wir Tee = Cay trinken, Lemon Cake essen, unsere Beute begutachten, einem Gitarre-Spieler zuhören, die orientalischen Gerüche auf uns einwirken lassen wie auch das ewige Hupen der Autos und das gelegentliche Quietschen der Straßenbahn, das durch die rauschenden Blätter abgemildert zu uns dringt. Aach, so haben wir uns eine entspannte Reise vorgesellt. Schauen, riechen, hören, kaufen, Tee trinken – einfach Istanbul genießen!

Vom Cafe aus schlendern wir an der Straßenbahntrasse entlang, die, wie unser Reiseführer uns verrät, genau dort verläuft, wo in alten Zeiten die Prachtstraße durch Konstantinopel führte. Und damals wie heute gibt es hier alles, was das Touristenherz in einem orientalisch geprägten Land erwartet: Schöne Teppiche, schöne bemalte Schüsseln, schöne Lampen aus Glas, schöne gewebte Decken, schöne Kuchen....

Bei einem Straßenverkäufer erstehen wir ein leckeres Börek und lassen uns in einer Seitenstraße vor einem kleinen Restaurant auf ein leckeres Bier nieder. Efes gibt es, was sonst. Das bekannteste türkische Bier und seeehr empfehlenswert. So gestärkt laufen am späten Nachmittag den ganzen langen Weg bis zum Hotel zu Fuß wieder zurück. Nur wenige Meter vor dem Hotel sind mehrere Restaurants, deren Besitzer uns draußen schon mit großen Speisekarten in der Hand erwarten und uns zeigen, was sie alles Leckeres anzubieten haben. Auf verlockenden Bildern sind Gerichte abgebildet wie Corba = Suppe, Fisch, Überbackenes und Gemüse-Moussaka. Wir entscheiden uns schließlich für ein Restaurant mit dem Namen „Sultan“, vor dem wir in Blickweite des Hotels draußen unter Platanen sitzen können. Man kann auch mal eben schnell zur Hoteltoilette laufen, was nach einem Blick in die Restaurant“toilette“ ein wichtiges Entscheidungskriterium ist.

Gegenüber ist ein Fischrestaurant, und zwischen den Restaurants läuft immer ein junger freundlicher Hund hin und her, der gerne mit den Touristen schmust. Ein freundlicher junger Mann bringt uns Bier, schäkert ein wenig mit den Damen aus Deutschland und eilt davon, um den nächsten Schwarm potentieller Restaurantbesucher anzukobern. Und hier an diesem lauschigen Platz im Straßenrestaurant zeigt sich die Weitsichtigkeit schneller Kaufentscheidungen: Das Wolltuch vom Hippodrom kommt zum Einsatz, denn abends wird es schon ein wenig kühl. Und was haben wir heute gelernt? Niemals einem Kauf aus dem Weg gehen,denn in Istanbul ist alles schön und irgendwann braucht man es vielleicht auch mal. Und immer einen Blick auf die Toiletten werfen!

Bei einem (bzw. mehreren) leckeren Efes und überbackenem Gemüse lassen wir unseren ersten Istanbul-Tag gemütlich im „Sultan“ ausklingen.

Vier Frauen allein in Istanbul

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