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Mittwoch, 07.10.2009

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Stadtrundfahrt, Fischereihafen, Gewürzbasar, Galatabrücke

Herrliche Sonne heute! Nach dem Frühstück werden wir einen zweiten Versuch zur Stadtrundfahrt unternehmen. Mal sehen, ob die Demonstranten heute Ruhe halten. Vor der Sultanahmet Moschee sind die Halteplätze für die vielen Busse. Dort fährt ein Bus nach dem anderen los. Hier ist megaviel Betrieb! Schließlich finden wir auch die Stadtrundfahrtbusse, schaffen es, gute Plätze in der oberen Etage zu besetzen und los geht’s. Ein Gefängnisbus kommt uns entgegen und macht scheinbar ebenfalls eine Stadtrundfahrt. Er ist gut gefüllt und aus den kleinen Fensterchen winken uns die Insassen zu. Wir sehen auch bald, woher sie kommen:

Als wir am Taksim-Platz vorbeifahren, sehen wir, dass hier sämtliche Zufahrtstraßen mit Gittern abgesperrt sind. Überall ist Polizei und dazwischen die Demonstranten. Hier sieht man auch schon eingeschlagene Scheiben an den Bankgebäuden. Etwas unheimlich das Ganze. Den Taksim können wir also nicht sehen und Aussteigen geht auch nicht, weil der Bus nicht anhält.. Dafür fahren wir ewig lange an der Stadtmauer entlang, durch die Außenbezirke, an einer gusseisernen österreichischen Kirche vorbei, die nach Angaben des Sprechers in den Ohrstöpseln an einem einzigen Tag aufgebaut wurde. Wir erfahren auch, woher unsere Straße ihren Namen hat: von einem Franzosen namens Pierre Loti, ein Schriftsteller, der in Istanbul gelebt hat.

Weiter geht es durch die alten Stadttore und an der Stadtmauer entlang bis ans Marmarameer. Der erste Halt ist erst am Fischmarkt. Da können wir das erste Mal offhoppen und das machen wir jetzt auch. Wir kommen direkt am Fischereihafen an, wo überall Stände mit Fischen und Meeresgetier aufgebaut sind. Alles wunderbar dekoriert. Die Fische nebeneinander, die nächste Reihe im Bogen darüber, die nächste Reihe schräg nach links und dann schräg nach rechts. Alle Fischlein zeigen brav ihre wunderschönen roten Kiemen, die ihnen dekorativ aus den Köpfen herausgezogen wurden. Die Kraken werden mit jeweils einem Arm an die Ecke einer Holzkiste genagelt, bis sie sich schön dekorativ in der Kiste räkeln. So ganz tot scheinen die noch nicht zu sein. Lieber woanders hinschauen. Die Verkäufer zeigen uns: Bonito = Thunfisch, Kefal = Meeräsche, Dil = Seezunge. Restaurants gibt es hier natürlich auch. Lasst uns essen gehen! Hier ist es schön. Und heiß ist es auch. Es gibt Vorspeisen und Obst. Alles wird fertig in einer mit Folie abgedeckten Schüssel vorgezeigt, so dass man aussuchen kann. Und um uns herum sind Katzen! Große, kleine, dünne, dicke, bunte, graue... So viele schöne Katzen! Alle sehen erstaunlich gepflegt aus und sind sehr, sehr schmusig. Eine kleine Katze hat sich schließlich in Brigittas Schuh eingenistet und möchte dort auch nicht mehr weg.

Nach dem Essen spazieren wir vom Restaurant aus direkt an der Uferpromenade entlang. Rechts haben wir das blaue Meer, links eine Schnellstraße, dahinter die Eisenbahn und dahinter die Reste der Stadtmauer. An der Promenade entlang zieht sich ein Park, in dem überall türkische Familien zusammensitzen und essen und trinken.

Teeverkäufer halten Kanister mit Wasser, Samoware, Teegläser und kleine Höckerchen bereit.

Sie bereiten frischen Tee, den man auf den Höckerchen für 1,5 TL mit Blick auf das Meer genießen kann. In den Felsen vor der Promenade sind Stöcker aufgestellt, dazwischen Seile gespannt und Luftballons daran aufgehängt. Für einen kleinen Obolus kann man mit einem Luftgewehr auf die Ballons schießen. Etwas weiter springen kleine Jungen ins Meer und werden immer verwegener, je länger man ihnen zuschaut. Das ist eine richtige türkische Familienidylle. . Erstaunlicherweise gibt es hier nicht einen einzigen Touristen, von den vier deutschen Damen einmal abgesehen. Schließlich endet die Promenade an einem Parkplatz für Touristenbusse, mit denen die Besucher in die großen Restaurants auf der anderen Straßenseite gebracht werden. Kein Wunder, dass man keine Touristen an der Promenade sieht. Sie werden vor dem Restaurant abgekippt und eine Stunde später wieder abgeholt. Da bleibt keine Zeit für Promenadenspaziergänge. Dafür hat man von den erhöht liegenden Restaurants einen traumhaften Blick auf das Wasser und teilt sich den mit gleichzeitig drei Busladungen. Wir verlassen die Promenade hier und wechseln über die stark befahrene Schnellstraße auf die andere Seite, wo wir durch einen Durchlass in der Stadtmauer wieder zurück in die Stadt gelangen. Kaum hat man die Mauer durchschritten, verschwindet der Schnellstraßenlärm und es wird friedlich.

Viele Holzhäuser, die einst hier standen und mit dem Rücken direkt an die Stadtmauer gebaut waren, sind weggerissen und durch Parkflächen ersetzt worden. Andere Häuser sind total verfallen, innen sieht man das Gebälk herunterfallen, die Fassaden sind alle dunkel und kaputt, die Häuser natürlich unbewohnt. Aber es gibt auch wieder aufgebaute Holzhäuser. Und die sehen dann ganz wunderbar aus mit ihren Schnitzereien und schön bunt bemalt.

Zu Fuß spazieren wir von hier aus weiter zum Gewürzbasar, wo uns langsam auch die Blase drückt von dem leckeren Tee unterwegs. Der Gewürz- oder auch Ägyptische Basar ist gebaut wie ein L und auf dem Platz innerhalb des L gibt es weitere Verkaufsstände, vor allem aber eine öffentliche Toilette. Mal sehen, ob das was für uns ist. Man bezahlt eine Lira und geht hinein. Im Innenraum sind mehrere Frauen dabei, sich ihre Gewänder auszuziehen und an Haken zu hängen. Dann erst gehen sie zu den Hocktoiletten. Puh, das ist jetzt nicht so ganz nach unserem Geschmack. Aber Gott sei Dank, es gibt auch eine „europäische“ Toilette, wo man nicht ganz so tief runter muss. Nach dem Pinkeln bekommt man Toilettenpapier zugeteilt, mit dem man sich die Hände trocknen kann. Und zum Abschluss gibt es Rosenwasser aus einer Plastikflasche auf die Hand. Auf diese Weise erleichtert und mit sauberen Händen können wir uns jetzt in das Getümmel des Gewürzbasars werfen.

Der Gewürzbasar unterscheidet sich vom Großen Basar doch ganz erheblich: Er ist viel viel kleiner und besteht eigentlich nur aus zwei Gängen. Es gibt tatsächlich überwiegend Gewürze und Süßigkeiten, aber hier und da auch typisch türkische Handwerkerkunst, wenn man den Anpreisern glauben darf. Wir interessieren uns für die Geschirrkunst. Wunderschön bemalte Schüsseln, Teller, Aschenbecher, Porzellaneier (in Form von Straußeneiern, denn die hängen in den Moscheen und sollen durch ihren Geruch die Ameisen vertreiben), Kelche und viele andere Dinge mehr gibt es zu sehen. Ob das nun typisch türkisches Handwerk ist, vermögen wir nicht zu beurteilen. Allerdings haben wir ja schon die bemalten Fliesen in der Blauen Moschee bewundert und genau die Muster finden sich auch auf dem Geschirr wieder. Wir decken uns erst einmal ein mit 6 bemalten Salatschüsseln für insgesamt 40 TL und einer Dessertschüssel. Am nächsten Stand kaufen wir Dreiecke aus Rosinen, Pistazien und Puderzucker und dazu noch getrocknete Datteln, nachdem wir natürlich erst einmal alles probieren durften. Und damit zu Hause der Tisch auch stilecht orientalisch gedeckt werden kann, kommen noch ein Tischläufer, ein Kissenbezug und ein grünes Tuch hinzu. Unsere Beutetaschen sind gut gefüllt, als wir den Basar durch den Vordereingang verlassen. Aber auch außerhalb gibt es noch Stände mit verlockenden Sachen wie Schafsköpfen, Gemüse, Nüssen und vieles mehr. Hier erstehen wir eine dicke Tüte mit dunklen getrockneten Aprikosen, die nicht geschwefelt wurden und daher ihre Farbe verändert haben, aber deutlich besser schmecken als die hellen Aprikosen. Es wird Zeit, dass wir uns von unseren Einkäufen erholen. In Sichtweite des Basars liegt die zweistöckige Galatabrücke, die das Goldene Horn überquert und von Eminönü zum Galataturm in Beyoglu führt. Oben befindet sich die Fahrbahn mit Fußgängerweg. Dort fahren die Autos und in der Mitte die Straßenbahn. Unten befinden sich Fischrestaurants und Lokale. Die Koberer kommen auch sogleich auf uns zugesprungen, um uns mit ihren großen Speisekarten in der Hand davon zu überzeugen, dass ihr Restaurant nicht nur das Allerbeste, sondern auch mit Abstand das Billigste ist. Und der Fisch ganz frisch und gerade erst aus dem Wasser gezogen. Gibt es auch Toilette, wenn die Ladys mal schauen möchten. Ganz sauber alles und geheizt. Finden Sie in ganz Instanbul nicht wieder so ein schönes Restaurant, meine Damen.....

Wir gewöhnen uns zwar langsam an diese Art von Werbung, empfinden sie aber immer noch als lästig. Einfach weitergehen gehört sich nicht, stehenbleiben heißt verloren haben. Es hilft nichts, freundlich lächeln und thank you murmeln gehört hier zum Pflichtprogramm eines Touristen. Wir schaffen es, an den Restaurants vorbeizukommen und landen schließlich in einem netten, sehr gut besuchten Lokal, vor dem man auch draußen sitzen kann. Es ist ja noch angenehm warm und wir wollen etwas sehen von der Stadt. So lassen wir uns auf dicken Sitzsäcken nieder, trinken Efes und schauen der Sonne beim Untergehen zu. Oben auf der Brücke stehen Angler am Geländer und haben ihre Angeln ausgelegt. Ab und zu fangen sie auch wirklich mal einen kleinen silbernen Fisch. Manche Angler halten lange Schnüre mit mehreren Haken in das Wasser. Wenn sie sie herausziehen, hängen manchmal bis zu zehn Fischlein untereinander an der Strippe. Der Sonnenuntergang ist so schön, dass es fast kitschig ist. Und dazu singen alle Muezzine der Stadt. Kribbel! Wunderschön. Das ist das Istanbul, das wir uns vorgestellt haben: Die Kuppeln der Moscheen und die Minarette vor dem rosig angehauchten Abendhimmel, der immer goldener wird, die Geräusche der Stadt, das Brummen der Schiffe, das blaue Wasser, der Gesang der Muezzine, die Beute in der Tasche und ein prächtiges frisches Efes in der Hand. Mehr geht nicht! Nachdem die Sonne völlig vom Wasser verschluckt wurde, kommt uns noch eine Idee: Wir könnten doch noch mal eben schnell die Rüstem Pascha Moschee besichtigen, weil die gerade so schön nah dran ist und es dort besonders schöne Fliesen aus Iznik geben soll. Gesagt, getan. Die Moschee liegt in Sichtweite der Galata-Brücke. Es ist dunkel, die Gassen sind schon düster, ein bisschen unheimlich ist es auch inzwischen, aber unverdrossen erkämpfen wir uns den Weg zur Moschee. Wo es genau hineingeht, erkennt man nicht sofort. Gehen wir mal diesen Gang entlang? Alles düster hier, die Müllsammler mit ihren Karren fahren schon durch die Nacht. Wir klettern eine ausgetretene Steintreppe hoch - und siehe da, wir sind im Moscheen-Vorhof! Hier kommt auch gleich ein netter Herr auf uns zu und zeigt uns die Kacheln, die tatsächlich wunderschön sind. Andenken gibt es natürlich auch zu kaufen, egal wie spät es ist. Hat sich noch einmal gelohnt, dieser spontane Kurzbesuch.

Jetzt sind wir doch ein bisschen zu müde zum Laufen und nehmen die Straßenbahn bis Cemberlitas („Dschemberlitasch“ sagt die nette Stimme in der Straßenbahn mit gaanz weichem Dschhh). Von der Haltestelle aus ist es nicht mehr weit bis zum Hotel und zu unserem Restaurant. Unser neuer Freund, Mesut, wartet schon auf uns und freut sich, dass die vier Damen aus Deutschland wieder da sind. Bei leckerem Efes erzählt er uns ein bisschen aus seinem Leben, woher er kommt und dass er in der Nähe eine kleine Wohnung ganz alleine hat. Na denn, Mesut, du musst alleine bleiben, denn wir gehen zum Schlafen ins Hotel.

Vier Frauen allein in Istanbul

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