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Dienstag, 06.10.2009

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Hagia Sophia, Großer Basar

Das Frühstück genießen wir bei herrlicher Sonne auf der Dachterrasse und machen uns anschließend zu Fuß auf zur Hagia Sophia (Ayasofia), die natürlich für jeden Istanbul-Reisenden zum Pflichtprogramm gehört.

Vor dem Eingang steht gerade eine etwas längere Schlange, die die gleiche Idee hat und wartet, dass sie in die Moschee gelassen wird. Das kann länger dauern, denn das Ende der Schlange verliert sich irgendwo hinter der nächsten Straßenecke. Wir ändern unseren Plan und beschließen, erst einmal eine Stadtrundfahrt mit einem Hop-on-hop-off Bus zu machen, denn der Abfahrtplatz ist ganz in der Nähe vor der Sultanahmet Moschee.

Für den Fall, dass jemand nicht weiß, wo er hingehen muss, stehen überall nette junge Männer und preisen mit Faltblättern in der Hand die Busfahrten an. Sie bringen die Touristen auch direkt zum Bus, wenn es sein muss. Zuerst zum Tickethäuschen und warten. Auch hier steht eine nette kleine Schlange. Als wir endlich dran sind, erklärt uns der freundliche Mann am Schalter etwas.

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Wir lächeln, er nicht. Was haben wir falsch gemacht? Er wedelt mit dem Zeigefinger. „NoTickets today!“ Ratlos sehen wir in die Runde. Ein junger Mann eilt sofort hilfsbereit herbei und klärt uns auf, dass gerade eine Demo stattfindet gegen den Internationalen Währungsfond oder so ähnlich. Darum können die Busse nicht fahren, weil die Straßen um den Taksim Platz abgesperrt sind. Na so was.

Ein Blick zurück zur Hagia Sophia zeigt uns, dass die Schlange sich ein bisschen verkürzt hat. Und Bärbel möchte so so so gerne in die Moschee, die eigentlich ein Museum ist, dass wir beschließen, uns jetzt doch dort anzustellen. Es wird ja wahrscheinlich sowieso niemals ohne Schlange gehen. Der Eintritt kostet für Erwachsene (Tam) 20 Türkische Lire (TL). Das Ticket ist nur gültig am Tag, an dem es bezahlt wurde (Bilet alindigi gun bir kez gecerlidir).

Die Hagia Sophia muss man mögen. Bärbel findet sie ganz wunderbar, ich grusele mich dort ein wenig. Ich finde sie düster und unheimlich.

Man sieht ihr schon von außen an, dass sie ursprünglich keine Moschee war. Die vier Minarette, die sie umgeben, passen nicht zu dem wuchtigen Bau, der wie eine fette Henne auf seinem Hügel sitzt. Geht man den ehemaligen „Reitweg“, einen grob befestigten Rundweg hoch, kommt man in die erste Etage auf eine Empore, auf der sich damals die Frauen aufgehalten haben. Von hier aus kann man durch die Gitterfenster nach unten in die Moschee schauen. Wenn man schwindelfrei ist! Man bestaunt den großen Innenraum mit den bemalten Kuppeln, der ebenfalls an eine christliche Kirche erinnert. Nur die riesigen Schilde mit arabischen Schriftzeichen zeigen an, dass man es hier heute mit einem islamischen Haus zu tun hat. Sehenswert sind natürlich die vielen Mosaike, die die Wände schmücken und alle möglichen Heiligen- und Christusbilder zeigen. Und Gold gibt es! Hier müssen sich die Vergolder tatsächlich eine goldene Nase verdienen.

Durch ein kleines Fensterchen im umlaufenden Rundgang kann man hinübersehen zur Blauen Moschee und sieht gerade noch die Kuppeln und die Spitzen der Minarette. Im Gegenlicht entsteht ein wunderschönes Foto, das unbedingt als Motiv für den Malkurs herhalten muss. Nachdem wir die Hagia Sophia oder auch rote Moschee (weil sie tatsächlich rot ist), die als christliche Basilika gebaut und erst später zur Moschee umfunktioniert wurde, ausgiebig besichtigt haben, suchen wir uns einen Essplatz und finden in einer Seitenstraße ein nettes kleines Restaurant. Man sitzt ein bisschen schief, das liegt aber nur an der Steigung der Straße, der das Restaurant folgt. Der Autoverkehr drängelt sich an uns vorbei und wir beobachten interessiert, wie es möglich ist, auf so wenig Platz mit so vielen Autos zu rangieren. Aber mit einem kräftigem Hupen lässt sich am Ende jede noch so vertrackte Situation meistern. Während wir uns anhand der ausgehängten Bilder das Essen aussuchen, erklärt Rike uns die Grundlagen der türkischen Sprache:

Seker (Scheker) = Zucker , bir = 1, cay = Tee. Also: bir cay für Rike und Brigitta, bir Efes für Bärbel und bir für mich. Der Restaurantbesitzer freut sich.

Hinter uns kommt gerade ein Lastenträger mit einem riesigen Holzgestell auf dem Rücken die Straße hoch. Das Holzgestell ist bis über seinen Kopf hinweg vollgestapelt mit zugeschnittenen Anzughosen.

Die werden von dem Träger nebenan in die Schneiderei getragen. Kaum ist der eine Träger im Haus verschwunden, kommt der nächste aus der Tür heraus und bringt zusammengenähte Hosen zur nächsten Näherei.

Wahrscheinlich werden dort die Reißverschlüsse eingesetzt usw. Auch eine Art von Fließband. Gut gestärkt wollen wir jetzt den Großen Basar suchen, von dem wir schon so viel gehört haben. Bärbel braucht eine Decke und ich brauche eine Lampe. Auf unserem Weg fällt uns rechts ein Gebäude auf, dass aussieht wie zwei Kuppeln mit „Weckgläsern“ oben auf dem Dach. Was kann das sein?

Da steht es am Eingang: Cemberlitas Hammami. Ein Hammam also.

Oh, das sieht ja gut aus auf den Fotos. Der Eintritt kostet hier 95 Lire und alles ist dabei. Soll auch alles ganz neu und super sauber sein. Das werden wir uns unbedingt merken. Während wir noch so stehen und unsere „Flyer“ einstecken, erklingt der Muezzin von der Blauen Moschee. Allllaaaaaaahhhh.....ch. Er singt ein Stück und macht Pause. In die Pause fällt ein anderer Muezzin von rechts ein und singt das gleiche Stück. Alllllaaaaaahhhhhh.......ch. Pause. Weiter von links – Pause – von rechts ..................Das klingt genial, wie die beiden Stimmen immer abwechselnd erklingen. Das müssen wir festhalten.

Brigitta ruft ihre Tochter an und hält das Handy in die Luft. So etwas Schönes kann man gar nicht richtig beschreiben. Da stehen uns doch ein bisschen die Haare hoch. Nachdem diese wunderbare Musik abgeklungen ist, wandern wir weiter zum Großen Basar, der eigentlich der überdachte Basar heißt. Er besteht aus vielen vielen Straßen und Gassen rund um die Moschee in Beyazit. Die Straßen und Gassen hat man früher mit Zeltleinen überspannt, später mit Holz überdacht. Auf diese Weise ist ein Gewirr von Straßen, Sträßchen und Gassen entstanden, in dem man sich ganz wunderbar verlaufen kann. In den verschiedenen Häusern befinden sich Geschäfte, die zum Teil schon seit Generationen im Besitz der gleichen Familie sind. Der Basar ist prächtig, voll, zunächst ein bisschen unübersichtlich, bunt, lebhaft, schön und auch anstrengend, weil man seinen Mund auf Dauerlächeln stellen muss und ununterbrochen „No, thank you“ vor sich hinbrabbelt.

Jeder Geschäftsinhaber hat mindestens einen jungen Freund, der vor dem Geschäft die Touristen anspricht und erzählt, wer alles schon bei ihm im Laden war, von Toni Blair bis George Bush alles schon da gewesen, Scheichs auch schon, andere Berühmtheiten auch schon, und jetzt wir!! Jetzt kommen wir und wir sind etwas ganz ganz Besonderes. „Bitte kommen Sie doch rein, meine Damen. Kommen Sie, nichts kaufen, einfach nur ein Glas Tee trinken. Sind wir Türken und immer gastfreundlich. Yussuf, bring apple cay, nehmen Sie Platz meine Damen, hier, habe ich extra ein Sofa für Sie, können Sie bei der Gelegenheit einen Blick auf unser türkisches Kunsthandwerk werfen, alles handgemacht, alles echte Farben, geht nichts kaputt, ist nicht billig, aber säääähhrr gute Qualität, ah Yussuf, stell den Tee dahin, woher kommen Sie, meine Damen, ja, Stuttgart kenne ich auch, einen Onkel habe ich auch in Berlin, schauen Sie, schauen Sie, nur schauen, nicht kaufen, diese wunderschöne Decke hier, nur schauen, kein Preis, Preis ist später, können wir über alles reden, meine Damen.........“ Das passiert uns kein zweites Mal!

Das nächste Mal gehen wir freundlich lächelnd am Deckengeschäft vorbei und linsen nur ganz beiläufig auf die Waren. Niemals stehen bleiben und sagen „Oh, guck mal, schön....“. Schon verloren. Wenn man es aber im Basar lange genug aushält und sich in die hinteren Ecken wagt, dann kann man auch richtig einkaufen. Wir finden schließlich ganz am Rand ein Geschäft mit gewebten Decken. Die sind wirklich schön und wir einigen uns auf anständige Preise. Eine Decke für Bärbel, eine für Rike und ein gewebtes Laken für mich.

Ach ja, die Lampe fehlt noch. Nach der Deckenstraße kommt die Lampenstraße. So scheint hier alles organisiert zu sein: Gibt es ein Deckengeschäft, ist die ganze Straße voller Deckengeschäfte, gibt es ein Lampengeschäft, dann sind auch alle anderen Geschäfte in der Straße Lampengeschäfte, danach die Schuhstraße, die Restaurantstraße usw.

Vor dem ersten Lampengeschäft steht ein freundlicher junger Mann und lächelt mir zu: „Meine Dame, kommen Sie, schauen Sie, nur schauen...“

Jawoll, dieses Mal schaue ich. An die tausend bunte Lampen hängen an der Decke. Eine schöner als die nächste. Die da oben, die würde ich gerne einmal anschauen: „Kein Problem Madam“ erklärt der Ladenbesitzer und ruft nach Yussuf...

Yussuf holt einen Schemel, nimmt einen langen Stock mit Haken, klettert zwei Stufen hinauf auf den Schemel, hängt mit dem langen Stock die Lampe aus, klettert zwei Stufen wieder hinunter und hält mir die Lampe hin. Ah, wunderschön. Was soll die kosten?? „Ah, Madam, gnädige Frau, ist gut Qualität, können wir reden.........“. Endlich ein Preis. Na ja, da sollten wir tatsächlich noch einmal drüber reden. Aber da oben ist noch eine andere Lampe. Darf ich die auch mal sehen? „Aber natürlich, Madam. Yussuf.....“

Yussuf klettert, die Lampe kommt. Auch wunderschön. Alle sind wunderschön. Kann ich noch mal die Rote da oben???? Yussufffff....

Cirka zwanzig Lampen später ist Yussuf nicht mehr sehr amused. Aber alle Lampen sind ganz wunderbar. Vielen vielen Dank, dass wir mal schauen durften. Ja, gern geschehen, Madam. Kein Lächeln, Tee auch nicht. Kein Problem, nebenan wartet ja schon der nächste Yussuf mit der langen Stange in der Hand......

Wir schlendern durch den Basar, trinken hier Tee, essen dort eine feine Linsensuppe (lental soup oder auch mercimek corbasi, wobei die beiden „i“ keine „i“ sind, sondern „e“ wie bei brauche), schauen dies, entdecken das – und schließlich gehen wir noch einmal zurück zu den Lampen, um schließlich die weiße mitzunehmen. Yussuf stürmt schon auf uns zu – das Lächeln erstirbt, kein Madam, reinkommen müssen wir auch nicht unbedingt, und der Nachbar hat auch wirklich sehr schöne Lampen. Nein nein, ich möchte die weiße da oben. Nur über den Preis müssen wir noch reden. Klappt auch alles wunderbar und wir trennen uns sehr einvernehmlich und zufrieden, denn so bald will man uns h i e r nicht mehr wiedersehen.

Draußen ist es mittlerweile dunkel geworden. Vier Frauen allein in Istanbul! Wie kommen wir jetzt zu unserem Hotel? Mit dem Stadtplan in der Hand erst einmal ein Stück auf der Straßenbahntrasse, dann links in eine Straße, die sich Peykhane nennt und ein bisschen düster wirkt.

Dann rechts rum.......oder halb rechts??? Es wird immer düsterer und die Straßen sind nicht gerade eben. Man muss schon immer nach unten schauen, damit man nicht in Löcher tritt oder in einen tiefergelegten Geschäftseingang fällt. Sehr vertrauenerweckend sehen auch die vier jungen Männer nicht aus, die da vorne mit brennenden Zigaretten an der Straßenecke herumlungern. Wir kommen mit unserem ausgebreiteten Stadtplan näher und die jungen Männer auch.

„Wohin??“, fragt einer. Ein bisschen haben wir Angst. Es ist dunkel und niemand außer uns zu sehen. Bärbel nutzt die Gelegenheit und lässt sich von dem jungen Mann eine Zigarette anzünden. Dann erklärt sie, wir wollen zur Piyerloti Straße. Da ist das Hotel Aziyade. Ob man uns wohl weiterhelfen könne? Oh yes, alle lächeln, ein Arm zeigt nach vorn, der andere nach hinten, der dritte nach rechts und der vierte nach links.

„Oh yes, you are very kind“, verabschiedet Bärbel sich freundlich und wir entscheiden uns für geradeaus. Die Männer bleiben, wo sie sind. Puh, das war unheimlich. Aber ist nichts passiert den vier Frauen ganz allein im düsteren Istanbul. Wie auch immer, wir finden das Hotel und zum Abschluss finden wir uns wieder im Sultan ein, um Auberginen Moussaka mit Efes zu genießen.

Was für ein Tag! Alles gefunden, nichts passiert.

Vier Frauen allein in Istanbul

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