Читать книгу So war das nicht geplant - Karen Sommer - Страница 6

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Anna quälte sich nach einer unruhigen, kurzen Nacht aus dem Bett und erkannte sich im Spiegel fast nicht wieder. Die Haare standen wirr in alle Richtungen. Die Augenlider klebten förmlich aufeinander und sie sah noch müder aus, als sie sich fühlte.

In ihren wirren Träumen tanzte sie mit Matthias und Frank und spürte den Kuss überdeutlich. Eine Dusche frischte ihr Äußeres auf. Aber ihr Inneres blieb zerwühlt. Die Angst, die sie veranlasst hatte, wegzufahren, schlich sich wieder in ihre Gedanken. Und da war noch das Erlebnis vom Vorabend. Wieso hatte Matthias sie geküsst? Und warum konnte sie den Kuss nicht einfach vergessen? Er hatte etwas ausgelöst, das ihr so noch nie passiert war. Sie hatte schon einige Männer geküsst. Sie konnte sich jedoch nicht daran erinnern, dass je ein Kuss von Frank oder einem anderen Mann derartige Gefühle bei ihr ausgelöst hatte. Sie hatte die darin ungezügelte Leidenschaft und Lust körperlich gespürt. Bei Frank erinnerte Küssen an eine Pflichtübung.

„Guten Morgen oder besser Mahlzeit, Schlafmütze!“ Marie spähte durch die Tür. Marie sah so frisch und munter aus, dass man meinen könnte, sie käme geradewegs von einer Schönheitskur.

„Lust auf Frühstück und Mittagessen in einem?“ Lachend folgte Anna ihrer Freundin in die Küche.

„Erzähl‘ mal von gestern Abend. Wie ist es für dich gelaufen?“

Wusste Marie etwas? Unsicher spähte Anna zur Kochinsel. Doch Marie hantierte ruhig mit Töpfen und Tassen.

Nein, bestimmt nicht. Anna lächelte verträumt.

„Super, gut. Die Leute waren sehr nett zu mir und es hat mir sogar Spaß gemacht.“

Anna schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Was machte Matthias gerade? Warum dachte sie schon wieder an ihn? Sie kannte ihn ja doch nicht. Sie hatte kein Recht auf ihn. Und deshalb war es unerheblich, was er gerade so tat. Und eigentlich war er bestimmt ein eigenbrödlerischer, grantiger, grummeliger Mensch … und bestimmt auch ein zärtlicher, fürsorglicher und starker Mann. Wo kam dieser Gedanke plötzlich her?

„Du, Marie, wer war eigentlich der Riese an der Ausgabe. Matthias oder so?“

„Matthias. Ah ja. Hast du ein Auge auf ihn geworfen? Der ist aber auch wirklich eine Augenweide.“ Marie wackelte mit den Augenbrauen und observierte Anna.

„Nein, es war nur so eine Frage. Ich habe keine Frau bei ihm gesehen.“ Anna machte eine abwehrende Handbewegung.

„Ja, also. Das stimmt. Seine letzte und ich glaube auch seine einzige längere Beziehung, die ging nicht so gut zu Ende. Sie hat ihn betrogen und belogen. Und dann ist da noch seine persönliche Situation …“

Marie schaute gedankenverloren aus dem Fenster.

„Was meinst du mit `persönlicher Situation`?“

„Ach, ist nicht so wichtig. Er hat es halt nicht gerade leicht. Er wohnt gleich da hinter dem Hügel, ist Thomas‘ bester Freund und eigentlich bist du hier, damit du über dich erzählst. Möchtest du mir nun verraten, was in der Stadt los war?“, fragte Marie besorgt, als sie sich mit einer Tasse Tee an den Tisch setzte.

Anna seufzte. Es hatte keinen Sinn. Es war sicher das Beste, Marie alles zu erzählen. Vor ihr hatte sie keine Geheimnisse. Fast keine Geheimnisse.

„Ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll. Frank war nur mehr im Büro, zumindest hatte er das behauptet, bis mir eine Freundin ein Foto auf dem Handy gezeigt hat, die ihn händchenhaltend mit einer schwarzhaarigen Tussie beim Einkaufen gesehen hat.“

„Hast du ihn darauf angesprochen?“, fragte Marie teilnahmsvoll und entsetzt.

„Das war nicht nötig. Als ich dann am Mittwoch wegen Kopfschmerzen früher aus der Schule heimkam, räkelte sich die Dame gerade spärlich bekleidet in unserem gemeinsamen Bett.“

„Was?“ Marie verschüttete ihren Tee. „Zieh einen Schlussstrich, Anna! So geht das nicht! Ein Mann, der dir nicht treu ist und dich nicht schätzt, hat dich nicht verdient. Und er ist dir ja schon einmal fremdgegangen.“

„Ich weiß“, seufzte Anna wahrheitsgemäß, „aber ich habe keine Ahnung, wo ich dann wohnen soll. Ich habe ja keine eigene Wohnung und wegen meiner Arbeitsstelle muss ich ja weiter in der Stadt bleiben. Auf der anderen Seite wackelt auch der Job. Ich bin ja nur die Karenzvertretung.“

Sie erinnerte sich unschön an die erste Affäre gleich einige Monate, nachdem sie und Frank zusammengezogen waren. Frank absolvierte eine mehrmonatige Fortbildung in England. Und irgendwann hörte sie bei einem Telefongespräch im Hintergrund eine Frau eindeutige Aufforderungen stellen. Und obwohl ihr Freund beteuerte, dass dies ein einmaliger Ausrutscher gewesen war, blieb die Ungewissheit.

Anna hatte ihr Handy ausgeschaltet, nachdem sie aus der Wohnung geflohen war. Ihr graute schon jetzt davor, wenn sie es wieder einschaltete.

„Dann geh‘ einfach woanders hin. Es gibt viele Schulen, die eine gute Lehrerin brauchen.“ Die Freundin stellte ihre Position klar. Sie hatte Frank bisher noch nie so recht leiden können.

„Aber ich mag die Kinder meiner derzeitigen Klasse. Ach Marie, ich weiß ja auch nicht, momentan überschlägt sich alles.“ Anna verknotete nervös ihre Finger ineinander. Sie hatte selbst schon hunderte Ideen geboren und auch wieder verworfen. Sie wusste nur, dass sie noch heute wieder in die Stadt zurück musste, in die gemeinsame Wohnung. Frank hatte sie nicht das erste Mal belogen und sie wollte und konnte nicht mehr. Sie hatte nur keine Ahnung, wo sie wohnen sollte. Vielleicht konnte sie bei einer Kollegin unterkommen. Zumindest für einige Wochen. Obwohl sie schon viele Jahre in der Stadt wohnte, hatte sie kaum echte Freundinnen, da sie immer nur mit Frank unterwegs war.

„Anna, du bist jederzeit bei uns willkommen. In zwei Wochen beginnen die Ferien. Komm doch zu uns. Dann kannst du etwas Abstand nehmen und mal ordentlich über alles nachdenken.“

„Marie, das kann ich nicht annehmen. Ihr habt mit dem Bauernhof schon so viel Arbeit. Du bist schwanger, da kann ich euch nicht auch noch zur Last fallen“, argumentierte Anna.

„Eben deshalb. Wenn du da bist, kümmerst du dich sicher gerne einige Stunden um den Haushalt und so kann ich Thomas bei der Heuernte helfen. Oder du hilfst bei der Heuernte und ich bleibe zu Hause.“ Marie lachte. „Ich würde mich so freuen. Auch bei der Obst- und Gemüseernte könnte ich eine zusätzliche Hand gut gebrauchen. Mein Bauch wird immer runder und der Boden entfernt sich zunehmends von meinen Händen. Bitte, überleg‘ es dir wenigstens noch einmal.“ Marie drückte herzlich Annas Unterarm.

So war das nicht geplant

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