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Kapitel eins

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Ich hatte nicht erwartet, dass das Bett so groß sein würde. Und ich hatte nicht gewusst, dass es nur ein Bett geben würde. Tanner hatte mir das Strandhaus im Detail beschrieben. Fünf Schlafzimmer, direkt am Strand, alt und verwittert, aber immer noch in gutem Zustand. Es sah genau so aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Graue Schindeln. Sandige Einfahrt. Knarrende Holztreppe. Er hatte mir sogar erzählt und dafür gesorgt, dass wir das eine Zimmer im obersten Stockwerk für zusätzliche Privatsphäre bekommen würden.

Aber ich hatte nicht gewusst, dass dieses Zimmer nur ein Bett haben würde. Ein großes Doppelbett. Verglichen mit den Betten in unserem Schlafsaal, sah es enorm groß aus. Dekadent. Ich konnte es kaum erwarten, mich mit Tanner darin auszubreiten und es voll auszunutzen. Ich kam auch nicht umhin, daran zu denken, dass jeder im Haus wissen würde, dass wir uns ein Bett teilten.

Mein Herzschlag beschleunigte sich und das hatte nichts mit den zwei Treppen zu tun, die wir gerade hinaufgestiegen waren. Wir waren seit drei Monaten zusammen, aber trotzdem wusste fast niemand, dass wir ein Paar waren. Meine Familie, eine Katastrophe, die mich immer noch zusammenzucken ließ, wenn ich daran dachte. Seine Familie, die nicht netter hätte sein können – seine Mutter hatte uns für die Woche zwischen dem Auszug aus dem Wohnheim und dem Umzug an den Strand bei ihr übernachten lassen und sein Vater hatte uns Karten für zwei Vorstellungen besorgt und uns zu einem teuren Abendessen eingeladen. Und Wendy, die sich selbst leise als unsere persönliche Tuntenmutter bezeichnete.

Tanner ließ seinen Seesack vor dem großen Fenster auf den Boden fallen und riss an der Schnur, um die Jalousien hochzuziehen. Die Aussicht raubte mir den Atem. Ich wusste, dass es nur ein kurzer Spaziergang zum Strand war, aber ich hatte nicht bemerkt, dass uns nur Sand und hohes Gras vom Ozean trennten.

»Wow.«

»Ich hab’s dir gesagt. Ziemlich fantastisch, was?«

»Das kann man wohl sagen.«

Tanner öffnete den Riegel und schob das Fenster auf. Es quietschte, als er es ein wenig absenkte, dann hakte er seine Finger unter das Holz und hob es höher. Die Muskeln in seinen Armen und in seinem Rücken zogen sich zusammen und ließen meinen Puls aus einem anderen Grund rasen. Er drehte sich um und erwischte mich beim Starren. Sein sexy Mund wölbte sich zu einem verruchten Lächeln.

»Weißt du«, sagte er und sah mich auf eine Weise an, die mir das Gefühl gab, als würde ich vor mehr als nur der Sommerhitze schmelzen, »man sagt, am Strand schmeckt alles besser.«

»Ach ja, wirklich?«

Er zog mich in einen Kuss. Heiß. Hungrig. Seine Zunge strich um meine, aber sie hätte genauso gut den Kopf meines Schwanzes umkreisen können. Ich schmiegte mich an ihn, seufzte in seinen Mund und drückte meine Hüfte gegen seine.

Tanners Mutter hätte nicht herzlicher sein können, aber sie war auch die ganze Zeit zu Hause, und ich hatte mich in ihrer kleinen Wohnung nicht wohl genug gefühlt, um mehr zu tun, als ihm einen Gutenachtkuss zu geben. Die Woche des Zölibats hatte mich so geil gemacht, dass ich kaum noch geradeaus sehen konnte.

Als ich ihn tiefer küsste, versenkte ich meine Finger in seinem Haar. Ich hatte das seidige Gefühl vermisst. Die feuchte Luft füllte sich mit dem Kokosnuss-Limetten-Duft seines Shampoos. Ich atmete ihn ein und genoss ihn – seinen Geruch, seinen Geschmack, seine Härte. Ich zog mich gerade so weit zurück, um sein Hemd hoch und über seinen Kopf zu ziehen.

Tanner schnappte sich den Saum meines T-Shirts, schlüpfte rückwärts auf das riesige Bett und zog mich mit sich. Eine ganze Woche lang hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als seinen Körper an meinem zu spüren. Durch das Reiben an ihm tanzten die Sterne hinter meinen Augen. Ich hätte sofort kommen können. Nur davon, ihn neben mir zu spüren. Einfach nur, weil ich wusste, dass er genauso hart war wie ich, dass er das genauso sehr wollte wie ich.

Ich zwang mich, zu atmen, und rollte mich von ihm herunter, ohne zu wissen, was ich zuerst ausziehen wollte, mein Hemd oder seine Hose. So oder so wollte ich weniger Kleider, die uns trennten, je früher, desto besser. Bevor mein sexbesessenes Gehirn herausfinden konnte, was zu tun war, schlug eine Tür zu.

»Woop-woop! Wir sind da!«

Stimmen dröhnten von unten, gefolgt von dem dumpfen Geräusch von Koffern, die ins Haus rollten, und Schritten, die die Treppe hinauftrampelten.

Mein Körper erstarrte und zwar nicht auf eine gute Art und Weise. Ich setzte mich so schnell auf, dass ich fast vom Bett fiel.

Tanner setzte sich neben mir auf und rieb mir den Rücken. Seine Hand fühlte sich warm und tröstlich an, aber das reichte nicht aus, um mich zu beruhigen.

»Collin, es ist okay. Alle, die hier wohnen, sind total cool. Mit allem.«

Das hatte er schon einmal gesagt, aber ich war zu aufgeregt, um zu fragen, was das bedeutete. »Kennst du die alle?«

»Ja.«

»Und sie wissen … über mich Bescheid?«

»Sie wissen, dass du mein Zimmergenosse von der Uni bist. Und ja, sie wissen, dass du mein Freund bist. Vertrau mir. Es interessiert niemanden einen Scheiß. Außerdem werden sie dich mögen.«

Meine Augen blickten in seine. Er sah verständnisvoll, aber zugleich amüsiert aus. Seine Finger kneteten meine Schulter und ich wollte ihn auf das Bett schieben und beenden, was wir angefangen hatten, doch ich hörte erneut Stimmen.

»Tanner? Bist du da oben?«, rief ein Typ.

»Bin in einer Sekunde unten. Wir sind auch gerade erst gekommen.« Er streichelte mir mit der Hand über die Haare, legte sie an meine Wange und zwang mich, ihn anzusehen. »Du wirst dich besser fühlen, wenn du sie kennengelernt hast. Es sei denn, du willst hier oben bleiben, bis wir fertig sind …«

Verführerisch. So verdammt verführerisch. Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann mir einen besseren ersten Eindruck vorstellen als das Stöhnen, das sie von mir hören würden.«

»Glaubst du, du würdest stöhnen, hm?«

»Ich bin seit vier Tagen nicht mehr gekommen.«

Tanner lachte. »Wir waren sieben Tage bei meiner Mutter.«

»Ich habe mir eines Morgens unter der Dusche einen runtergeholt.«

»Ich wäre mit dir mitgekommen.« Er zwinkerte mir zu. Seine Augen funkelten wie gottverdammte Edelsteine. Als ob sie dachten, sein Witz sei das Witzigste, was sie je gehört hatten.

»Ich weiß, dass du mit mir gekommen wärst. Deshalb bin ich an dem Morgen so früh aufgestanden.«

»Aber nur das eine Mal? Die ganze Zeit, die wir dort waren?«

Ich schaute wieder auf den Boden und nickte.

»Nun, das werden wir wiedergutmachen. Und du wirst dich hier nicht so fühlen müssen. Das ist unser Haus, den ganzen Sommer lang. Und wir sind ganz sicher nicht die einzigen Menschen, die darin Sex haben werden.«

Schon der Gedanke, dass wir Sex haben würden, brachte mich zum Lächeln. »Sag mir noch einmal, wer hier wohnt.«

Meine neuen Mitbewohner mit einer heftigen Erektion zu treffen, gehörte nicht zu meinem Plan, also musste ich mich auf etwas anderes als Tanner konzentrieren.

»Suzanne und Bill besitzen das Haus. Sie sind Ende zwanzig, verheiratet seit etwa fünf Jahren, glaube ich. Mein Vater kennt sie aus der Theaterszene. Bill ist Bühnenbildner und Suzanne ist Schriftstellerin. Sie können sich dieses Haus und ihre Wohnung in der Stadt nicht leisten, es sei denn, sie vermieten die anderen Zimmer.«

»So hast du letzten Sommer hier gewohnt?«

»Ja. Die letzten beiden Sommer. Mein Dad hat gehört, dass sie Mieter suchten, also nahmen Wendy und ich jeweils ein Zimmer. So kam Wendy mit Dex zusammen, der auch wieder hier wohnt.«

»Sie sind also seit zwei Jahren zusammen?«

»Fast auf den Tag genau. Letzten Sommer haben sie sich dieses Zimmer geteilt, aber dieses Jahr haben sie eines der kleineren Zimmer unten, da Wendy nur an den Wochenenden hier sein kann.«

Sie hatte mir gesagt, dass sie deswegen enttäuscht war, aber sie hatte ein Praktikum bei einem Modemagazin bekommen – ihr Traumjob – und das konnte sie nicht ablehnen. »Arbeitet Dex mit uns im Restaurant?«

»Nein. Er ist eine Treuhandfonds-Göre. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er nur an seiner Bräune arbeiten wird. Ich glaube, ich habe ihn noch nie etwas anderes tun sehen als lesen und Gitarre spielen, und ich habe zwei Sommer bei ihm gelebt.«

»Magst du ihn nicht?«

»Er ist nett genug. Wir haben nur nichts gemeinsam.«

Abgesehen davon, dass ihr beide mit Wendy geschlafen habt. Ich behielt den Kommentar für mich. »Ist das alles? WG-mäßig, mein ich?«

»Nein. Da ist Bryan. Er ist Suzannes jüngerer Bruder. Ziemlich sicher ist er in unserem Alter. Er geht auf die NYU. Er studiert Fotografie, aber er ist auch ein klasse Musiker. Seine Band spielt überall, aber im Sommer bucht er eine Reihe von Auftritten hier draußen. Er wird also hier sein, wenn er nicht gerade auf Tournee ist.« Tanner hielt inne, ein Lächeln spielte auf seinen Lippen. »Oh, ja. Und er ist schwul.«

Meine Augen wurden groß. »Wirklich?«

»Ja. Und sehr out. Als ich sagte, niemand hier würde zweimal über uns nachdenken, meinte ich es ernst.«

Das klang zu schön, um wahr zu sein, aber ich hoffte wirklich, dass es so war. »War es das?«

»Nein.« Da war ein Unterton in Tanners Stimme, die ich noch nie zuvor gehört hatte. »Da ist Maggie.«

Irgendetwas an seinem Tonfall ließ mich an »Ex-Freundin« denken. War es das? Gab es zwei Frauen in dem Haus, mit denen Tanner geschlafen hatte? »Wie ist sie denn so?«

»Maggie ist …«

Ein Kichern hallte durch das Treppenhaus. »Maggie ist was?«

Ein Elfenmädchen mit schwerer schwarzer Ponyfrisur und einem hohen Pferdeschwanz auf dem Kopf spähte um die Ecke unserer Tür.

Tanner rollte mit den Augen.

Das Elfenmädchen flatterte mit ihren langen, falschen Wimpern und gab ihm ein übertrieben unschuldiges Gesicht. »Maggie ist was, Tanner? Und wer ist dein Freund? Er ist süß.«

Tanner warf mir einen Blick zu, den ich nicht ganz lesen konnte – eine Mischung aus Ärger und Besorgnis. Er holte tief Luft. »Maggie ist Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin und spielt in vielen Produktionen meines Vaters mit.«

Maggie grinste. »Ich bevorzuge den Begriff Ingénue.«

Nichts an ihr sah für mich auch nur im Geringsten unschuldig oder naiv aus.

Ein Muskel in Tanners Kiefer zuckte, aber er hielt seine Stimme gleichmäßig. »Und sie ist seine Ex-Freundin.«

Warte. Von der hatte er gesprochen, als er gesagt hatte, sein Vater würde mit einer in unserem Alter ausgehen? Heilige Scheiße.

»Siehst du?«, sagte sie und schaute mich mit ihren cartoonhaft großen, schwarz umrandeten Augen direkt an. »Ingénue. Die femme fatale hat ihn mir weggenommen.«

»Kein neuer Regisseur zum Verführen?«, stichelte Tanner, aber ich hörte den Hauch von Schneidigkeit in seinen Worten.

»Noch nicht. Ich stecke mitten in ... Projekten.« Ihr Blick huschte zwischen Tanner und mir hin und her. »Ich glaube, ich orientiere mich diesmal jünger. Vielleicht ein Schüler aus meiner Klasse.«

»Du unterrichtest?«, fragte ich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie etwas unterrichtete.

»Yoga und Tai Chi. Am Strand. Drei Morgen in der Woche. Du solltest kommen.« Die atemlose Pause, bevor sie das Wort »kommen« sagte, brachte Tanner ein weiteres Augenrollen ein.

Die Tür schlug wieder zu. »Jemand zu Hause?«

Maggies Augenbrauen hoben sich. »Wer ist da? Er klingt heiß.«

Tanner ging einen Schritt auf die Tür zu und führte Maggie in den Flur. »Es sind über dreißig Grad draußen und das Haus ist nicht klimatisiert. Allen ist heiß.«

»Zumindest jeder in diesem Raum.« Sie zwinkerte mir zu und trottete die Treppe hinunter.

»Das ist die Ex deines Vaters?« Ich hatte Tanners Dad kennengelernt. Er war wie eine ältere graue Version von Tanner. Unbekümmert. Schlau. Filmstar-attraktiv. Und eindeutig in der Lage, Mädchen zu kriegen, bei denen ich zu viel Angst für ein Gespräch gehabt hätte, selbst wenn ich auf sie gestanden hätte. Vor allem, wenn ich auf sie gestanden hätte.

»Ja. Bereit, den Rest des Hauses kennenzulernen?«

»Na, dann auf.« Nach Maggie würde wohl nichts mehr eine Überraschung sein.

Der Moment der Wahrheit

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