Читать книгу Genial lernen und lehren (E-Book) - Karin Holenstein - Страница 4
Vorwort von Prof. Dr. Michaela Brohm-Badry
ОглавлениеSie war großartig. Innovativ. Kreativ und lustig. Sie liebte das Lernen, die Entwicklung. Vera F. Birkenbihl war wohl einer der klügsten deutschsprachigen Köpfe in der Vermittlung innovativen Lernens. Ihre Bücher verkauften sich millionenfach, ihre Vorträge kursieren auch heute noch, sieben Jahre nach ihrem Tod, in den sozialen Netzwerken und ernten hunderttausende von Klicks. Sie brachte die internationalen Befunde zu Lernforschung und Motivation in Wirtschaftsunternehmen, Schulen, Weiterbildungen und Universitäten und war die erste Frau, die als Keynote-Speaker in Deutschland den Durchbruch schaffte. Wie gerne hätte ich Vera F. Birkenbihl persönlich gekannt; vielleicht hätten wir uns verstanden.
Und was für ein Buch uns Karin Holenstein hier vorlegt! Ebenso innovativ, kreativ und leidenschaftlich das Lernen liebend. Sie kannte sie persönlich. Birkenbihl bezeichnete Karin Holenstein und ihren Mann Stefan gegen Ende ihres Lebens als ihre «Freunde». Und das, obwohl sie in sozialen Belangen nicht besonders zugänglich war.
Holensteins haben Birkenbihl in einem ihrer Seminare kennengelernt und per Internet einen Kontakt zu ihr aufgebaut, der sich im Laufe der Jahre vertiefte. Oft übernachtete sie auf der Durchreise in ihrem Wohnmobil vor Holensteins Haus und hielt die Familie mit ihren drei Kindern wohl ganz schön auf Trab, denn aus sicheren Quellen wissen wir, wie wir uns die Sache vorstellen müssen: Birkenbihl buchte auf Reisen nie Hotels, sondern war immer mit ihrem Wohnmobil unterwegs, in dem sie lebte, arbeitete, literweise Kaffee und Tee trank und für welches sie von jedem Veranstalter das Gleiche verlangte: einen sicheren Stellplatz mit Stromanschluss. War man dann in ihren Dunstkreis gelangt, lud sie spontan zu jeder erdenklichen Tages- oder Nachtzeit zum Tee bei sich ein und erklärte den erschöpften Besuchern stundenlang die Gehirnwelten. Und nicht nur diese, denn ihr Allgemeinwissen war groß, sehr groß.
Mit Vera F. Birkenbihl konnte es aber auch anstrengend sein. Holensteins zeigten sich anscheinend heldenhaft, denn Vera F. Birkenbihl zertifizierte sie und suchte sie aus, um ab 2005 ihre Seminare in der Schweiz zu organisieren und ihrem Inner Circle in Odelzhausen anzugehören.
Karin Holenstein tauchte im Laufe der Jahre immer tiefer in die Birkenbihl-Methoden gehirn-gerechten Lernens ein, testete sie im Selbstversuch und kombinierte sie mit den Schullehrmitteln an ihrer Primarschule in bis zu fünf Klassen gleichzeitig. Es ist wohl schwerlich jemand zu finden, der mehr Erfahrungen in der schulischen Praxis mit dem gehirn-gerechten Lernen gesammelt hat als die Autorin dieses Bandes.
«2011 war Vera gesundheitlich nicht mehr in der Lage, für ein Seminar in die Schweiz zu fahren», schildert Karin Holenstein in einem Brief an mich, «sie verstarb am 3. Dezember 2011. Wir können sie in keiner Weise ersetzen, sie hat sich über 40 Jahre lang 365 Tage im Jahr für ihre Themen eingesetzt und nur dafür gelebt. Sie hatte keinerlei Familie mehr und war ganz allein. Dass sie uns zuletzt als ‹Freunde› bezeichnet hat, war schon etwas ganz Besonderes. Es war nicht immer leicht mir ihr. Asperger-geplagt hat sie Leute oft auch vor den Kopf gestoßen. Aber irgendwie haben wir uns immer wieder zusammengerauft, denn sie war auch ein ganz besonderer Mensch und fehlt uns heute immer noch sehr.» Sie trauerten um sie wie um ein Mitglied der Familie.
Seither tragen Holensteins das gehirn-gerechte Lernen in die Schulen und Weiterbildungen. Und diese Lebensaufgabe «erfüllt mich», so Karin Holenstein, «mit großer Freude und einer sinnvollen Arbeit obendrein».
Birkenbihl sind viele Keynote-Speaker und Autoren nachgefolgt, wie Gerald Hüther, Gerhard Roth oder Manfred Spitzer. Keiner aber entfaltete je wieder diese bannende Faszination für lernende Entwicklung wie Vera F. Birkenbihl. Karin Holensteins Band knüpft daran an, bleibt aber nicht stehen beim Lehren der damaligen Techniken.
Vielmehr gelingt Karin Holenstein in diesem Band ein frischer Zugang zu den von Vera F. Birkenbihl angestoßenen Lernmethoden:
– Sie verbreitert das Material, indem sie es von dem ursprünglich für das Sprachenlernen gedachten Kontext auf alle Lernzusammenhänge weitet – was sich als wunderbare Bereicherung herausstellt, und
– sie befruchtet es durch die neuesten Erkenntnisse aus Hirn- und Kognitionsforschung. Spannend ist hier, dass es Karin Holenstein gelingt, zu zeigen, wie fundiert und auch aus aktueller wissenschaftlicher Perspektive richtig Birkenbihls Methoden sind.
Der eigentliche Gewinn dieses Bandes für die Lehr-Lern-Praxis aber liegt wohl in der stringenten und systematischen Darstellung der Lerntechniken, die gehirn-gerecht das kognitive, soziale und emotionale Wachstum des ganzen Menschen stimulieren.
Deshalb wünsche ich diesem Band, dass er viele Leserinnen und Leser findet, damit den Lernenden die Flügel wachsen, die zum tiefen Selbst- und Weltverstehen so wichtig sind. Denn nur Wissen und Können schützen uns vor der plumpen Banalität primitiver Lösungen einer Welt, die sich aktuell nicht den seit der Antike wertgeschätzten Tugenden von Weisheit und Wissen verschrieben zu haben scheint. Derzeit scheint häufig eher das Gegenteil der Fall – und das ausgerechnet beim Blick Richtung USA, wo Vera F. Birkenbihl lange gelebt hat.
Lernen ist unsere schärfste Waffe, Humanismus unsere inne liegende Kraft. Und wenn Karin Holenstein überzeugend ausführt, dass mit diesen Methoden auch die langsamen Lerner mitgenommen werden, so können wir angesichts solcher Ziele an Schulen und Hochschulen stolz sein, unseren bildungspolitischen Beitrag zu leisten. Denn wir als Pädagoginnen und Pädagogen machen Menschen schlau, stark und resilient gegen alle primitiven Anfeindungen.
Auch wenn ich Vera F. Birkenbihl nicht persönlich kannte, so erahne ich doch, dass sie auch aus diesem Grund sicher unbändige Freude an dem vorliegenden Buch gefunden hätte. Diese Freude beim Lesen wünsche ich allen Leserinnen und Lesern.
Mit schwungvollem Gruß
Michaela Brohm-Badry
Trier, im März 2018