Читать книгу Juwelennächte - Karin Joachim - Страница 10
4. Kapitel:
Sonntagnachmittag
ОглавлениеDie Ermittlungen gestalteten sich zäh. Üblicherweise hatten sie am Anfang eines Falls schnell eine Spur, der sie nachgehen konnten, manchmal sogar zu viele Informationen. Die Auswertung des Handys von Daniel Bender ließ auf sich warten, das Bewegungsprofil des Opfers zu erstellen, gestaltete sich komplizierter als gedacht, lediglich seine Aufenthalte in den Ahr-Thermen während der vergangenen Tage waren gut zu dokumentieren. Es schien so, als habe Daniel Bender den tatrelevanten Zeitraum vorwiegend in Bad Neuenahr verbracht. Sein Auto hatte er kaum bewegt. Auch wenn es nicht Daniel Benders Gewohnheit entsprach, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, hatte man die Überwachungsvideos der Stationen der Ahrtalbahn, die das Tal mit der Rheinschiene verband, angefordert. Auch die örtlichen Taxiunternehmen waren befragt worden, ob jemand Daniel Bender befördert hatte. Mit wem er während der letzten Tage beruflichen Kontakt gehabt hatte, hatten Clemens’ Kollegen ebenfalls noch nicht herausgefunden. Katrin Anders war kurzfristig in einer Klinik aufgenommen worden, sodass man sie zunächst nicht mehr befragen konnte. All das wusste Jana von Clemens, der gestern Abend noch kurz bei ihr war, bevor er nach Koblenz gefahren war. Dort wohnte er unter der Woche, die Wochenenden hingegen verbrachte er zumeist bei Jana. Er entschuldigte sein Wegbleiben damit, dass er sein Seminar in der Polizeischule vorzubereiten habe und wegen des aktuellen Mordfalls dafür nachts arbeiten müsse und sie nicht stören wolle.
»Bitte dieses Mal wirklich keine Alleingänge, Jana, solange wir nicht wissen, von welchem Tatmotiv auszugehen ist«, hatte er Jana inständig gebeten. Sie verstand, dass ihn die Umstände des Falls beunruhigten.
Den Samstagabend hatte Jana für einen ausgiebigen Spaziergang mit Usti genutzt, hatte danach zur Ablenkung einen Rotweinkuchen gebacken und war dann recht früh schlafen gegangen. Da es keinen Grund dafür gab, früh aufzustehen, war sie am Sonntagmorgen länger als gewöhnlich im Bett liegen geblieben. Erst der Stups von Ustis kalter Nase gegen ihren Oberarm konnte sie zum Aufstehen bewegen. Spaziergang und Frühstück lagen hinter ihr, als sie sich den Aufnahmen von gestern widmete. Sie hatte nicht nur mit der großen Kamera fotografiert, sondern auch mit ihrem Handy. Jana schickte einige der Aufnahmen an ihre Mailadresse, sodass sie diese auf ihrem Laptop ansehen konnte. Vergrößerte Ausschnitte, stellte Vergleiche zu ihrem ersten Eindruck vom Arbeitszimmer des Opfers an, dachte nach, machte sich weitere Notizen. Doch sie fand nichts Auffälliges. Vielleicht ja doch: Der Mann, der sich unberechtigterweise Zutritt verschafft hatte, hatte keine Unordnung hinterlassen. Es wirkte vielmehr so, als habe er nicht lange nach dem suchen müssen, worauf er es abgesehen hatte. Was hatte sich nur auf Daniel Benders Laptop befunden, woran hatte er gearbeitet? Was war so brisant, dass man nach seinem Leben trachtete? Oder hatte ein Dritter die Rechercheergebnisse gestohlen, um damit jemanden zu erpressen? Das würde bedeuten, dass eine weitere Person über die Recherchen Bescheid wusste. Wie dem es auch sei, alles lief auf eines heraus: Sie musste unbedingt in Erfahrung bringen, woran Daniel Bender gearbeitet hatte.
Jana hatte über ihre Gedanken hinweg die Zeit aus den Augen verloren. Sie machte sich ein Sandwich und schnitt sich ein Stück vom Rotweinkuchen ab. Die kleinen Schokoladenstückchen, die sie hineingegeben hatte, schmolzen langsam im Mund. Usti war müde und hatte kein Interesse an einem Spaziergang durch die nachmittägliche Sommerhitze. Jana gab Daniel Benders Namen in die Suchmaschine ihres Browsers ein und hoffte, so zu erfahren, zu welchen Themen er bevorzugt journalistisch tätig gewesen war. Frühe Artikel hatte er vorwiegend in den Lokalzeitungen zwischen Rhein und Ahr veröffentlicht. Er benutzte das Kürzel »bend«. Diese umfassten das typische Spektrum vom Polizeibericht, über Vereinssitzungen bis hin zu Kulturveranstaltungen. Im letzten Jahr hatte er sich entweder anderen Themen zugewandt oder er hatte begonnen, für andere Zeitungen zu arbeiten, jedenfalls fehlten Artikel mit seinem Kürzel oder seinem vollständigen Namen in den lokalen Zeitungsausgaben. Oder war er nicht mehr als Journalist tätig? Zu gerne hätte Jana Katrin Anders befragt, ob vor etwa einem Jahr etwas geschehen war, was das Leben von Daniel Bender in eine neue Richtung gelenkt hatte, oder er sich aus eigenem Antrieb neu orientiert hatte. Aber wenn sie sich richtig erinnerte, ging Katrin Anders immer noch davon aus, dass ihr verstorbener Freund bis zu seinem Tod als Journalist gearbeitet hatte. Dazu passte, dass das Ausstelldatum seines Presseausweises recht aktuell war. Sie schrieb ein kurzes Memo über ihre Auswertungsergebnisse und leitete es als verschlüsselte Mail an Clemens weiter. Da sie nicht so recht wusste, was sie mit sich anfangen sollte und Usti nicht hinauswollte, entschloss sie sich, mit dem Fahrrad nach Bad Neuenahr zu fahren und in den Ahr-Thermen den Tag ausklingen zu lassen. Vielleicht wirkte die Umgebung inspirierend auf sie.