Читать книгу Juwelennächte - Karin Joachim - Страница 11

5. Kapitel:
Sonntagabend

Оглавление

Sie hatte gemerkt, dass es ihrem Körper besser ging, wenn sie sich im warmen Thermalwasser treiben ließ, selbst wenn die Lufttemperatur beinahe ebenso hoch war. Dieser Zustand der vollkommenen Entspannung wirkte sich derart positiv auf ihre Psyche aus, dass sie sich danach wie neu geboren fühlte. Heute Abend allerdings herrschte reger Betrieb in den Ahr-Thermen, anders als unter der Woche. Zum Nachdenken kam sie deshalb kaum, was sie aber auch als wohltuend empfand, denn sie neigte sehr zum Grübeln. Und wenn sie ein Fall beschäftigte, gelang es ihr normalerweise nicht abzuschalten. Die Schwimmmeister, die heute Dienst hatten, hatte sie bislang hier noch nicht gesehen. Trotz der Nähe des Fundortes von Daniel Benders Leiche und den auf dem Gelände erst gestern durchgeführten Ermittlungen stellte sich unerwartet so etwas wie Urlaubsstimmung ein. Und Unternehmungslust. Deshalb holte sie beim Verlassen des Geländes ihr Handy hervor und wählte Meikes Nummer, um sich spontan mit ihr zu verabreden. Doch Meike befand sich bereits auf dem Weg nach Köln ins Theater. Auf Clemens konnte Jana heute vermutlich auch nicht mehr bauen. Langweilig würde Jana zu Hause jedoch nicht werden. So schwang sie sich auf ihr Fahrrad und machte einen kurzen Umweg zu einer Eisdiele auf der gegenüberliegenden Ahrseite im Zentrum der Kurstadt. Mit dem Eis in der einen Hand schob sie ihr Rad durch die Straßen, studierte die Neuerscheinungen, die im Schaufenster der Buchhandlung auslagen, und kam schließlich an einem Antiquitätenladen vorbei, dessen Name ihr etwas sagte. Sie erinnerte sich an eine Visitenkarte, die an der Pinnwand in der Küche von Daniel Bender und Katrin Anders hing. »Antiquitäten Corvinius«. Der Name klang für sie äußerst verstaubt, nach einem Dozenten für Latein oder einem Renaissance-Gelehrten. Jana dachte, dass der Sekretär, den sie in Benders Wohnzimmer bewundert hatte, möglicherweise bei diesem Antiquar erworben worden war. Sie wollte sich gerade das Schaufenster ansehen, denn sie mochte alte Gegenstände, die Geschichten erzählten, als ihr Handy den Eingang einer Nachricht ankündigte. Sie war von Clemens, der sein Kommen ankündigte.

Wenn sie sich beeilte, blieb ihr noch Zeit, um sich zu duschen. Also radelte sie noch ein wenig schneller als gewöhnlich.

Jana hatte außer ihrem Handtuch, das sie umgelegt hatte, nichts an, als der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Usti war nun, da die Hitze des Tages allmählich wich, auch wieder wacher und stand mit wedelnder Rute vor der sich langsam öffnenden Tür.

»Hallo, schöne Frau«, sagte Clemens und gab Jana einen Kuss auf ihre freie Schulter. »Hättest du etwas dagegen, wenn ich auch rasch unter die Dusche springe?«, fragte er. Manchmal lag diese merkwürdige unsichtbare Barriere zwischen ihnen und ein anderes Mal fühlte sich alles wieder so harmonisch an. Wie jetzt, als es Jana so vorkam, als wohnten sie zusammen und Clemens wäre gerade vom Einkaufen zurückgekehrt. Nur die Umhängetasche, in der er für gewöhnlich seine Akten aufbewahrte, passte nicht ins Bild.

»Nur zu«, sagte sie und folgte ihm ins Bad, wo sie sich schminkte, während Clemens leise pfeifend duschte.

Sie zog sich eines ihrer zwei Sommerkleider an und arrangierte ein gemütliches Abendessen auf der Dachterrasse.

»Oh.« Clemens schien ihr Outfit zu gefallen.

Jana reichte ihm ein Glas mit gekühltem Roséwein. »Bist du mit deinen Vorbereitungen für die Hochschule schon fertig?«

Clemens nickte zögerlich.

»Nicht?«

»Zumindest hatte ich nicht vor, noch mal mit dem Auto wegzufahren.«

Das hieß, dass er doch noch arbeiten wollte. Irgendwie wurde sie nicht ganz schlau aus seinen Bemerkungen.

Kaum hatten sie mit dem Essen begonnen, kam Clemens auf den Fall zu sprechen.

»Danke für deine Mail und das Memo. Deine Analyse deckt sich mit meinem Eindruck. Es gibt noch etwas, was darauf hindeutet, dass man hier von langer Hand etwas vorbereitet hat. Dass man Bender wohl schon länger im Visier hatte. Auf seinem Handy befand sich eine Schadsoftware, die die meisten Daten zerstört hat.«

»Aber nicht alle?«

»Nein, nicht alle. Oder besser gesagt, es konnte einiges rekonstruiert werden. Frag mich nicht, wie. Jedenfalls haben wir nun eine Kontaktliste mit den Namen verschiedener Zeitungs- und Online-Redaktionen. Ich vermute, dass Bender entweder für diese gearbeitet hat …«

»Oder er wollte ihnen eine Story anbieten.«

»Genau. Außerdem ist da etwas, das mich wirklich stutzig macht. Es finden sich etliche Namen von etablierten oder aufstrebenden Politikern darunter.«

»Jetzt wird es wirklich spannend«, sagte Jana. »Was meinst du genau damit? Kannst du Namen nennen?«

»Vornehmlich Spitzenpolitiker aus Mainz und Düsseldorf, aber auch die Pressesprecher von Regierungspolitikern. Und eine Person dürfte für uns besonders interessant sein, da es sich um einen Staatssekretär handelt, der in Bad Neuenahr-Ahrweiler wohnt. Wir werden ihn morgen früh noch vor seiner Fahrt nach Mainz treffen.«

»Wie heißt er denn?«

»Sennebusch.«

»Du nimmst sicherlich Melanie Siemer mit, oder?«

»Das hatte ich tatsächlich vor, aber ich halte es für sachdienlicher, wenn du mitkommst, denn deine Beobachtungsgabe ist einfach unersetzbar.«

»Das gibt doch nur wieder Ärger …«, gab Jana zu bedenken.

»Lass mich nur machen«, versuchte Clemens ihre Zweifel zu zerstreuen.

Doch Jana fand es allmählich zu anstrengend, dass er sich die Dinge hinbog, wie es ihm gerade dienlich war. Selbst wenn sie ihn damals so in Ahrweiler kennengelernt hatte: Er hatte sie in den Fall einbezogen, obwohl es schlichtweg nicht erlaubt war. Wenn sie sich gerade mit dem Gedanken abgefunden hatte, dass er sich den Vorschriften konform verhielt, schwenkte er wieder um. Konnte das auf Dauer gut gehen?

»Okay«, sagte sie zögerlich. »Noch mal zurück zur Schadsoftware auf dem Handy. Weiß man, wie sie auf Benders Handy kam?«

»Darüber haben wir gar nicht gesprochen. Vermutlich durch eine Nachricht, schätze ich.«

»Die dann aber sicherlich von einem unbekannten Absender stammt«, brummte Jana. »Aber haben die Mörder die Software verschickt oder jemand anderes?«

Clemens nippte an seinem Weinglas.

»Dass man seinen Laptop entwendet hat, ist aber trotzdem seltsam. Konnte man auf den keine Schadsoftware aufspielen? Warum nur aufs Handy? Haben wir es mit verschiedenen Tätern zu tun?«, überlegte Jana weiter.

»Gut möglich, dass der Mord und der Diebstahl nicht miteinander in Verbindung stehen.«

»Du meinst, jemand hat Angst gehabt, dass die Polizei bei den Mordermittlungen etwas in Benders Unterlagen entdeckt, das für ihn oder sie zum Problem werden könnte?«

Clemens nickte.

»Hat Bender vielleicht etwas Kompromittierendes über einen Politiker oder eine Politikerin herausgefunden?«

»Denkbar.«

Es gab noch eine andere Theorie, die Jana unbedingt ansprechen musste. »Und wenn er etwas über einen unserer Kollegen …«

»Behalte das bitte für dich, Jana.«

Jana blickte Clemens überrascht an. »Jetzt machst du mir aber doch ein wenig Angst.«

Juwelennächte

Подняться наверх