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I. Die Beziehung zu mir selbst

Der Mensch ist dazu berufen, in seinem Innersten zu leben […] Bei all dem durchschaut er sein Innerstes niemals ganz. Es ist ein Geheimnis Gottes, das Er allein entschleiern kann, so weit es ihm gefällt. Dennoch ist ihm sein Innerstes in die Hand gegeben; er kann in vollkommener Freiheit darüber verfügen, aber er hat auch die Pflicht, es als ein kostbares anvertrautes Gut zu bewahren. (Edith Stein) 6

Die Beziehung zu sich selbst ist eng verknüpft mit der Frage bzw. mit der Antwort auf die Frage: Wer bin ich? „Die großen Lehrmeister sagen uns, dass dies die wichtigste Frage der Welt sei.“7 Viele Heilige haben diese Frage bildhaft beantwortet: „Ich bin ein Tropfen des göttlichen Ozeans“ (Teresa von Ávila), ich bin eine „Flamme des göttlichen Feuers“ (Johannes vom Kreuz), ein „Funke Gottes“ (Meister Eckhart). Paulus nennt uns schlicht „Kinder Gottes“ (vgl. 1 Joh 3,1, Röm 8,16). Und da wir Kinder Gottes sind, ist Gott unser Vater. Diese Selbstverständlichkeit kommt im Vater-Unser zum Ausdruck, indem wir Gott schlicht als Vater ansprechen. Die göttliche Kindschaft ist unsere tiefste Identität. Gott hat uns mit großer Würde ausgestattet! Sie ist ein Schatz, den jeder ohne Ausnahme besitzt. Aus diesem Grund hat Jesus gesagt: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,14). Jesus sagte nicht, jene sind das Licht der Welt, die alles richtig machen. Und er sagte auch nicht, ihr werdet vielleicht eines Tages das Licht der Welt werden, wenn ihr euch nur richtig anstrengt. Das Licht der göttlichen Kindschaft ist bereits jetzt in uns gegenwärtig. Dieser Schatz kann jedoch in Vergessenheit geraten. Denn vieles wissen wir auf einer intellektuellen, abstrakten Ebene, vieles vergessen wir wieder auf dieser Ebene und nur weniges ist uns wirklich bewusst. So schlummert der Schatz der göttlichen Kindschaft als ‚kostbares, anvertrautes Gut‘ auf dem Grund unseres Daseins und wartet darauf, entdeckt und erfahren zu werden.

Unser Dasein ist von positiven Beziehungserfahrungen getragen, denn kein Säugling würde ohne positive Zuwendung überleben. Doch jeder weiß auch von schmerzhaften Erfahrungen zu berichten, von fehlender oder nicht genügender Liebe oder von einer Liebe, die an Bedingungen geknüpft war. Man erhielt zum Beispiel Zuwendung nicht immer dann, wenn man sie gebraucht hätte, oder bekam sie vielleicht erst dann, wenn man die Erwartungen anderer erfüllte oder gute Leistungen vorweisen konnte. So legen das Leben und auch wir selbst die unterschiedlichsten Schleier auf unseren innersten Schatz, wodurch der unmittelbare und direkte Zugang zu ihm erschwert wird. Doch was Gott in uns begonnen hat, das wird er auch vollenden (Phil 1,6; Phil 2,13); denn „unser einmaliger, unantastbarer Wesenskern ist frei und unablässig in uns am Werk“8. Unsere Aufgabe ist es, im Laufe unseres Lebens allem, was sich auf diesen Wesenskern gelegt hat, im Namen Jesu zu begegnen. Nach und nach werden so all die Schleier entfernt, die ihn verdecken. Dies ist ernüchternd und zugleich zutiefst befreiend und lässt uns immer tiefer erfahren: Wir sind Kinder Gottes und genau so, wie wir sind, bereits jetzt, zutiefst von Gott geliebt (Kol 3,12).

Im Nachfolgenden geht es um die Beziehung zu uns selbst. Sie ist die Grundlage, auf der unsere Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen aufbaut.

Zum Einklang finden mit sich und den anderen

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