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Statt einer Einleitung eine persönliche Erinnerung

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Ich steckte in einer Krise, in einer Lebenskrise, weil ich meinen Platz im Leben noch nicht gefunden hatte. Dort, wo ich war, wollte ich nicht sein. Und wo ich hinwollte, wusste ich nicht. Ich steckte aber auch in einer Glaubenskrise. Ich erinnere mich noch gut, wie ich meiner Freundin mein Herz ausschüttete: „Ich weiß gar nicht, warum ich eigentlich noch in die Kirche gehe. Nur weil man sonntags in die Kirche geht? Das macht doch keinen Sinn. Ich weiß nicht mal, wer Jesus Christus eigentlich für mich ist. Wenn ich aufs Kreuz schaue, kommen mir nur wirre Gedanken.“ Meine Freundin meinte nur knapp: „Geh doch mal zum Franz!“ Er sei ein Jesuit, der in die Stille führt. Wir könnten ihn gemeinsam besuchen und ich könnte dann mit ihm sprechen. So kam es auch.

Bei der ersten Begegnung mit Franz Jalics war ich sehr aufgeregt. Ich war orientierungslos und unsicher. Mit wachem, wohlwollendem Blick hörte er mir aufmerksam zu. Es beeindruckte mich, dass er mich als katholischer Priester nicht fragte, ob ich katholisch oder evangelisch sei. Es war damals für mich wichtig, dass dies in der Beziehung zu ihm keine Rolle spielte. Ich fühlte mich als Suchende wahrgenommen. Ich fasste Vertrauen und ließ mich auf einen mir völlig unbekannten inneren Weg ein: den Weg der Kontemplation. Ich muss gestehen, dass mir damals das Wort „Kontemplation“ nicht viel sagte. Mit meinem ersten 10-tägigen Exerzitienkurs sprang ich einfach ins kalte Wasser, ohne zu wissen, wie tief mich dieser Sprung in mein Innerstes führen würde. Die intensive Begegnung in der Stille mit mir selbst und die Erfahrung, durchgängig mit anderen Menschen im Schweigen zu sein, waren für mich absolutes Neuland. Es faszinierte mich, Menschen im Schweigen kennenzulernen. Nach zehn Tagen in Stille hatte ich den Eindruck, sie tatsächlich besser kennengelernt zu haben und ihnen nähergekommen zu sein, als wenn ich mit ihnen gesprochen hätte. In diesen intensiven Tagen des Schweigens bin ich jedoch vor allem mir selbst nähergekommen. Ich hatte einen Weg kennengelernt, der mir zeigte, wie ich mich zu Gott wenden konnte mit meiner Unruhe, meiner Ungeduld, meiner Unsicherheit und mit meiner Hoffnung und Sehnsucht. Von Franz Jalics wurde ich ermutigt, in der Stille nicht vor mir selbst wegzulaufen, obwohl mir oftmals danach zumute war.

Ich glaube, es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass mich in meinem Leben nichts mehr gestärkt hat als das Vertrauen, das mir Franz Jalics damals als junge Frau entgegengebracht hat, und der kontemplative Weg, den er mir gezeigt hat. Obwohl ich ihm mein inneres Durcheinander offen mitteilte, traute er mir zu, dass ich in der Stille meinen Weg zu Gott finden würde. Sein Zutrauen und mein eigenes Bemühen, den Weg tatsächlich zu gehen, ließen langsam mein verlorenes Vertrauen zu mir selbst, den Mitmenschen und zu Gott wieder wachsen. Der kontemplative Weg wurde mir zum Kompass, der mir die Richtung zu meiner eigenen Mitte wies. Er gab mir die Orientierung, um mehr im Einklang mit mir und den anderen leben zu können. Viele der Begleitgespräche mit ihm beendete er oftmals mit dem schlichten Satz: „Gut, gehen wir weiter!“ Und ich bin weitergegangen. Inzwischen sind mehr als 30 Jahre vergangen. Diesen Weg, der mir Halt und Orientierung für mein Leben geworden ist, darf ich seit vielen Jahren in meinen Büchern und Exerzitienkursen (diesen Begriff verwende auch ich im Folgenden anstelle des sonst üblichen Begriffs „Meditationskurs“) weitergeben.

Der Weg der Kontemplation: einfach, aber nicht immer leicht

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