Читать книгу Schüler mit geistiger Behinderung unterrichten - Karin Terfloth - Страница 6
ОглавлениеVorwort zur ersten Auflage
Unterricht mit Schülerinnen und Schülern mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung ist zunächst einmal Unterricht wie jeder andere auch: Die Unterrichtenden müssen spezifisch ausgebildet sein, der Unterricht muss geplant, strukturiert durchgeführt und an Kriterien orientiert ausgewertet werden. Unterrichtende an allgemeinen Schulen finden hierzu vielfältige Grundlagenliteratur und Unterrichtsmaterialien in Buchhandel und Internet. Für Unterrichtende in Klassen mit Schülerinnen und Schülern mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung sind dagegen einschlägige Hilfen rar und sie orientieren sich häufig an Vorgaben aus Therapie oder Pflege. Solche Orientierung kann dazu führen, dass der Unterricht mit dieser Schülergruppe seinen eigentlichen schulischen Auftrag der Bildung verfehlt.
Diese spürbar deutliche Lücke füllen Karin Terfloth und Sören Bauersfeld, indem sie Leitlinien auf der Basis elaborierter Theorie anbieten und, damit diese verständlich wird, mit praktischen Beispielen erläutern. Bildung auch auf hohem Anspruchsniveau an Schülerinnen und Schüler mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung in sorgfältig geplantem und strukturiertem Unterricht zu vermitteln ist ihr Anliegen.
Bildung und Unterricht bauen auf einem eng und möglichst widerspruchsfrei verwobenen Netz von Grundannahmen und Überzeugungen, von Theorien, auf. Als theoretische Basis dienen Wolfgang Klafkis Bildungstheorie und seine Kritische Didaktik, Georg Feusers Entwicklungslogische Didaktik und eine konstruktivistische Auffassung vom Menschen, die diesem möglichst umfassende Selbstständigkeit und seine Würde lässt. Gerade darauf ist die von beiden Autoren gemeinte Gruppe der Schülerinnen und Schüler mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung angewiesen: ihre Würde gewahrt zu wissen und so weit wie möglich selbstständig sein zu dürfen.
Die Schwierigkeiten der Unterrichtsplanung beginnen mit der Auswahl der Bildungsinhalte. Auswahl erfordert Kriterien zur Orientierung, die für die Schulpädagogik mit Schülerinnen und Schülern mit schwerer geistiger und mehrfacher Behinderung kaum zur Verfügung stehen. Besonders die Organisation des Unterrichts mit diesem Schülerkreis verlangt von Lehrkräften Kreativität bei gleichzeitiger Sorgfalt, auf die bislang Studium und Referendariat nur rudimentär vorbereiten. Höchste Anforderungen stellen die Auswahl der Bildungsinhalte wie deren methodische und mediale Vermittlung. Kategoriale Analyse, Sicherung der materialen wie formalen Unterrichtsinhalte wie deren Passung an ungewohnte und untypische Lernbedingungen werden in einem (abstrakten) Theorierahmen erörtert und am (praktischen) Beispiel einer Unterrichtsplanung konkretisiert. Kern dieser „Zubereitung“ der Unterrichtsinhalte ist deren Elementarisierung, die es ermöglicht, diese zur Aneignung auch auf elementarem Niveau anzubieten und dennoch deren essenziellen Kern zu erhalten. Insoweit leisten die beiden Autoren ein Stück von dem, was immer wieder beschworen und selten verstandenen wird: den Aufstieg vom Abstrakten zum Konkreten. Mögen viele Gewinn davon haben und manche sich beim Entwurf eigener Veröffentlichungen ein Beispiel nehmen.
Wadgassen-Differten, Februar 2012 Hans-Jürgen Pitsch