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WAS WILL UND BRAUCHT MEIN SENIOR?

3. BUCH MOSE, 19,3, BIBEL

„VOR DEM GRAUEN HAUPT SOLLST DU AUFSTEHEN UND DIE ALTEN EHREN.“

Die Bedürfnisse unserer Pferde ändern sich mit fortschreitendem Alter in vielerlei Hinsicht. Daher kann das, was vor zehn Jahren noch sehr gut für das Pferd war – beispielsweise eine getreidereiche Ernährung und Offenstallhaltung in einer großen Gruppe –, nun zum körperlichen und geistigen Stressfaktor werden.

Wesens- und Verhaltensänderung im Alter

Kennen Sie das auch, wenn ein lieber Mensch mit fortschreitendem Alter irgendwie immer „wunderlicher“ und verdrehter wird? Da ist es auf einmal unverzeihlich, wenn man zum verabredeten Sonntagsnachmittagstee nicht Punkt 15 Uhr erscheint, sondern drei Minuten später. Da darf es beim Einkaufen nicht mehr irgendein Mineralwasser sein, sondern es muss eine spezielle Marke sein. Auch ältere Pferde zeigen mitunter solche Verhaltensmuster.

Mit voranschreitendem Alter scheint auch unseren Pferden ein strukturierter Tagesablauf sehr wichtig zu sein. Rituale geben Sicherheit – und das Gefühl von Sicherheit ist gerade für ein älteres Pferd, das bei Anzeichen von Gefahr nicht mehr so leichtfüßig wegrennen kann wie ein Dreijähriger, enorm wichtig. Das Gefühl, dass auch heute alles so ist wie gestern, vorgestern und das komplette letzte Jahr, beruhigt den Senior meist schon ungemein.

Das bedeutet jedoch nicht, dass man sich jetzt zum Sklaven seines Pferdes machen muss. Beispiel: der 15-Uhr-Tee. Der kann und darf und sollte auch mal eine halbe Stunde vorher oder später serviert werden. Pferde haben zwar eine enorm gute innere Uhr, aber mir ist nicht bekannt, dass sie Minuten zählen können.

Anstatt den Tag in Stunden und Minuten einzuteilen, leben sie in gewissen Rhythmen, die sich auch am Lauf der Sonne orientieren.

Das kann in sonnenarmen Wintern gerade bei den Senioren für etwas Verwirrung sorgen, sodass sie – da es ja draußen schon dunkel ist – auch mal nachmittags um 16 Uhr vehement ihr Abendessen einfordern. Diskutieren Sie nicht mit Ihrem alten Pferd. Glauben Sie mir – es bringt nichts. Wenn der Senior an einem Winternachmittag um 16 Uhr sein Abendessen will, dann geben Sie ihm ein paar Handvoll, das wird ihn beruhigen. Und abends wird er sich noch mal riesig freuen, wenn es seiner Ansicht nach eine Extraportion gibt.

Die Seniorenresidenz

Pferde sind Herdentiere. Die Herde bietet ihnen Sicherheit für Körper und Geist. Wohlgemerkt gilt dies nur für eine natürlich gewachsene Generationenherde, die es fast in keinem Stall mehr gibt.

Daher kann das Herdenleben mit all seinen Rangeleien für ein älteres Pferd auch schnell stressig werden. Insbesondere wenn neue, jüngere Pferde in die Herde kommen, die sich ihren Platz erst erarbeiten müssen. Dem Senior werden sie überlegen sein und notfalls ihre Wut, es nicht weiter nach oben geschafft zu haben, am Senior auslassen, der sich jetzt nicht mehr so wehren kann wie noch zu seinen Jugendzeiten.

Daher sollten Seniorenpferde in einer Gruppe leben, die stabil ist und vornehmlich auch aus Seniorenpferden besteht. Ein paar besonders „erziehungsresistente“ Absetzer und Jährlinge können mal dazukommen. In einer intakten Seniorengruppe werden diese aufmüpfigen Junioren schnell lernen, wie der Hase läuft, und werden schnell und fair erzogen. Auch Shadow hatte immer mal wieder ein Ziehkind in seiner Seniorengruppe. Humphrey, zwei Jahre alt, und die frisch abgesetzte Wilde Hilde wichen ihrem „Ziehonkel“ nicht von der Seite.

Mein Hengst Starlight hatte im Alter von zwei bis drei Jahren die tolle Möglichkeit, mit seinem damals auch schon etwas älteren Onkel „Mocha Dun It“ aufzuwachsen. Beide hatten Paddocks nebeneinander und konnten sogar bis zu Starlights voller Geschlechtsreife zusammen auf die Weide. Mocha brachte Starlight alles bei, was ein „richtiger Hengst“ seiner Ansicht nach können musste, spielte mit ihm, kratzte ihm den Rücken und passte wie ein richtig guter Onkel auf ihn auf. Erst als Starlight die Geschlechtsreife erreichte und eines Tages auf Mochas Haufen auf der Weide äppelte, war der „Welpenschutz“ sozusagen vorbei. Die beiden standen jahrelang nebeneinander im Stall, nur durch einen dünnen E-Zaun getrennt, und krabbelten sich weiterhin die Mähne. Sich eine Weide zu teilen, ging bei zwei Hengsten im Deckeinsatz nicht mehr, was ein natürlicher Prozess war. Dieses „Abnabeln“ jedoch war ein wichtiger Schritt für Starlight auf dem Weg zum Erwachsenwerden und wäre ihm als Pferd in freier Wildbahn ebenso passiert.


Alt und Jung gemischt ist die natürlichste Form der Herdenhaltung, muss aber gut überlegt sein. (Foto: Christiane Slawik)

Ab einem gewissen Alter haben manche Senioren aber auch schlichtweg nicht mehr den Nerv, sich mit der täglichen Soap-Opera einer Herde, in der stets ein Kommen und Gehen herrscht, auseinanderzusetzen.

Während sie immer noch die Sicherheit der Herde suchen, kann man auch öfter sehen, dass sie zu gewissen Tageszeiten versuchen, sich ein wenig zu separieren – vielleicht, um in Ruhe zu fressen oder auch eine kleine Siesta zu machen. Wenn jetzt ein übereifriges Jungpferd angetrollt kommt und spielen will oder ein Newcomer, der seinen Rang abchecken will, so hat der Senior Stress. Dieser Stress wird sich auch darin äußern, dass der Senior auf der Weide kaum noch fressen wird, weil er immer damit beschäftigt ist, sich ein ruhiges Plätzchen zu suchen. Wenn er mit dieser Gruppe in einem Offenstall lebt, kann es sogar sein, dass er nicht einmal mehr nachts zur Ruhe kommt. Das muss nicht heißen, dass ihn die anderen Pferde piesacken. Es kann sein, dass er vom Tag noch so aufgewühlt ist, dass er wie ein angespannter Mensch lange keine Ruhe findet. Und am nächsten Tag geht es so weiter und weiter und weiter. Der Senior wird immer schlapper, vielleicht auch etwas gereizt, und verliert, wenn es schlimm kommt, sogar an Gewicht, was in höherem Alter ein wesentlich größeres Problem ist als in jungen Jahren.

Den Senior aus der Gruppe herauszunehmen, in der er vielleicht schon ein Jahrzehnt lebt, wird auch nicht zur gewünschten „Entstressung“ führen. Dann fehlt ihm die Sicherheit der vertrauten Herde und er wird seine Kumpel sehr vermissen. Wenn es machbar ist, so sollte man in einer Offenstallhaltung versuchen, dem Senior zumindest für die Nacht eine eigene Ruhezone zu schaffen. Dies kann beispielsweise ein abgetrennter Bereich in der Schutzhütte der Herde sein, in der der Senior im vertrauten Umfeld seiner Herde – und dennoch ungestört – schlafen, fressen und sich erholen kann. Bis es am nächsten Morgen – nach seinem Seniorenfrühstück, das er hier ganz in Ruhe einnehmen kann – wieder zusammen mit allen auf die Weide geht.

Ist diese Zwischenlösung entweder nicht möglich oder führt nicht zur Entstressung des Seniors, sollte man doch überlegen, ihn in eine Seniorenpferdegruppe zu stellen. Im Idealfall finden sich im heimischen Stall noch andere Ü16-Pferde, deren Besitzer mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind und die bereit wären, einen kleinen Seniorenweidetrupp zusammenzustellen.

Manch einer kommt auch auf die Idee, seinen Senior auf einen Gnadenhof zu stellen oder auf eine spezielle Seniorenweide, die es nun neben den Aufzuchtweiden immer öfter gibt. Solch eine Veränderung, also ein kompletter Stallwechsel, kann für den Senior großen Stress bedeuten – und auch große Trauer. Es fehlen die lebenslangen Kumpel und vielleicht auch der vertraute Mensch, wenn er nur noch sporadisch und irgendwann vielleicht gar nicht mehr vorbeischaut. Hier fühlt sich ein altes Pferd zu Recht abgeschoben, ungeliebt und ungebraucht.

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