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I
Rechtliche Ausführung
II. Keiner besonderen Freigabe bedarf die reine Bewirkung der Euthanasie in richtiger Begrenzung

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Scheinbar und für eine rein kausale Betrachtung ganz zweifellos eine Tötung Dritter, welche bisher nach meiner Kenntnis strafrechtlich noch nicht verfolgt worden ist, bildet die Herbeiführung der sog. Euthanasie.

I. Der in der neueren Literatur aufgetauchte unschöne Name der »Sterbehilfe«29 ist zweideutig. Völlig außer Betracht muß hier das schmerzstillende Mittel bleiben, das die wirkende Todesursache der Krankheit in ihrer Wirkung beläßt. Allein bedeutsam wird für unsere Betrachtung die Verdrängung der schmerzhaften, vielleicht auch noch länger dauernden, in der Krankheit wurzelnden Todesursache durch eine schmerzlosere andere. Einem am Zungenkrebs furchtbar schwer Leidenden macht der Arzt oder ein anderer Hilfsreicher eine tödliche Morphiuminjektion, die schmerzlos, vielleicht auch rascher, vielleicht aber auch erst in etwas längerer Zeit den Tod herbeiführt.

II. Um die rechtliche Natur dieser Handlung, ihre Rechtswidrigkeit oder ihr Unverbotensein – denn von einem subjektiven Recht ihrer Vornahme kann unmöglich gesprochen werden – ist derselbe m. E. ganz unnötige Streit entstanden wie über die Natur des ärztlichen – richtiger des auf Heilung abzielenden – scheinbaren Eingriffs in die Gesundheit, besonders in die Körperintegrität eines anderen.30

Die Lage, in welcher diese Handlung der Bewirkung von Euthanasie vorgenommen wird, muß aber genau präzisirt werden: dem innerlich Kranken oder dem Verwundeten steht der Tod von der Krankheit oder der Wunde, die ihn quält, sicher und zwar alsbald bevor, so daß der Zeitunterschied zwischen dem infolge der Krankheit vorauszusehenden und dem durch das untergeschobene Mittel verursachten Tode nicht in Betracht fällt. Von einer spürbaren Verringerung der Lebenszeit der Verstorbenen kann dann überhaupt nicht oder höchstens nur von einem beschränkten Pedanten gesprochen werden.

Wer also einem Paralytiker am Anfang von dessen vielleicht auf die Dauer von Jahren zu berechnenden Krankheit auf dessen Bitte oder vielleicht sogar ohne diese die tödliche Morphiumeinspritzung macht – bei dem kann von reiner Bewirkung der Euthanasie keine Rede sein. Hier ist eine starke, auch für das Recht ins Gewicht fallende Lebensverkürzung vorgenommen worden, die ohne rechtliche Freigabe unzulässig ist.

III. In demselben Augenblick aber wird klar: die sichere Ursache qualvollen Todes war definitiv gesetzt, der baldige Tod stand in sichere Aussicht. An dieser toddrohenden Lage wird nichts geändert, als die Vertauschung der vorhandenen Todesursache durch eine andere von der gleichen Wirkung, welche die Schmerzlosigkeit vor ihr voraus hat. Das ist keine »Tötungshandlung im Rechtssinne«, sondern nur eine Abwandelung der schon unwiderruflich gesetzten Todesursache, deren Vernichtung nicht mehr gelingen kann: es ist in Wahrheit eine reine Heilhandlung. »Die Beseitigung der Qual ist auch Heilwerk.«31

Als verbotene Tötung könnte solch Verhalten nur betrachtet werden, wenn die Rechtsordnung barbarisch genug wäre zu verlangen, daß der Todkranke durchaus an seinen Qualen zugrunde gehen müsse. Davon kann doch zurzeit keine Rede mehr sein.

Es ist beschämend, daß man je daran hat denken, je danach hat handeln können!

IV. Daraus ergibt sich: es handelt sich hier gar nicht um eine statuirte Ausnahme von der Tötungsnorm, um eine rechtswidrige Tötung, falls von dieser nicht eine Ausnahme ausdrücklich anerkannt worden wäre, sondern um unverbotenes Heilwerk von segensreichster Wirkung für schwer gequälte Kranke, um eine Leidverringerung für noch Lebende, solange sie noch leben, und wahrlich nicht um ihre Tötung.

So muß die Handlung als unverboten betrachtet werden, auch wenn das Gesetz ihrer gar nicht im Sinne der Anerkennung Erwähnung tut.32

Und zwar kommt es dabei auf die Einwilligung des gequälten Kranken gar nicht an. Natürlich darf die Handlung nicht seinem Verbot zuwider vorgenommen werden, aber in sehr vielen Fällen werden momentan Bewußtlose Gegenstand dieses heilenden Eingriffes sein müssen.33

Aus der Natur dieser Handlung ergibt sich auch, daß die Beihilfe zu ihr und die Bestimmung dazu seitens eines Dritten gleichfalls durchaus unverboten sind.34

Die irrtümliche Annahme der Tödlichkeit der Lage kann den zur Bewirkung der Euthanasie Verschreitenden wegen fahrlässiger Tötung verantwortlich machen.35

29

S. Kaßler, DJZ. XX (1915) Sp. 203/4; Köhler, Lehrb. des Strafrechts, Allgem. Teil 1917 S. 400. An beiden Stellen ist sehr zu Unrecht von einem »Recht auf oder zur Sterbehilfe« die Rede: ersteres angeblich ein Recht des Sterbenden, letzteres ein Recht des Hilfreichen.

30

Ohne auf die außerordentlich große Literatur über diese Frage hier näher einzutreten, darf ich auf meine Ausführung in m. Lehrbuch I S. 53 ff. verweisen. In meinem Handbuch I S. 801 ff. hatte ich zu Unrecht von einem ärztlichen Berufsrecht gesprochen.

31

Mein Handbuch I S. 803. S. auch Hoche, Vom Sterben, S. 17: »Die Aufgabe des Arztes ist es, das Sterben derjenigen zu erleichtern, denen nach der Art ihrer Krankheit ein schweres Sterben beschieden ist. Es ist eine unerläßliche Forderung der ärztlichen Ethik, daß dieser Akt der Erleichterung keine Verkürzung des Lebens bedeuten darf.«

32

Ich selbst war 1885 im Handbuch I S. 803 noch viel zu ängstlich und habe gesagt: »Die Operation und die Anwendung innerer Mittel, an deren Folgen der dem qualvollen Tod Entgegenharrende sicher, aber schmerzlos zugrunde gehen würde, ist heute noch als verboten zu betrachten.« Energisch für die Zulässigkeit dieser Handlung eingetreten scheint zuerst Oppenheim, Das ärztliche Recht zu körperlichen Eingriffen, 1892 S. 30. (Die mir bekannte Schrift ist mir zur Zeit unerreichbar!) Ganz engherzig dagegen Kaßler, DJZ. XX 1910 Sp. 203/4. – Mit Sympathie für die Zulässigkeit, aber mit der Anerkennung, die Handlung sei »rechtlich eine Tötung« und doch wohl rechtswidrig (denn Beling fragt, »ob viele Ärzte auch nur eine Ahnung von der Unerlaubtheit der Euthanasie gehabt haben« mögen?) Beling, Unschuld, Schuld und Schuldstufen, 1910 S. 21. Ganz oberflächlich für die Verneinung der Zulässigkeit Wachenfeld, Lehrbuch S. 302. – Vgl. die folgenden Noten.

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Schon deshalb ist die Ausführung von M. E. Mayer, Allgemeiner Teil, S. 260 und S. 290/1 nicht richtig. In sehr gewagter Weise führt Mayer aus, es sei unrichtig, aus § 216 zu entnehmen, daß die »Tötung auf Verlangen unter keinen Umständen rechtmäßig (sic!) sein könne«. Gerade bei der Bewirkung der Euthanasie treffe dies zu: »Ich bin der Ansicht, daß unsere Kultur solche Eingriffe erlaubt« und da das Gesetz keinen Widerspruch erhebt, »ist der Handlung des Arztes zuzugestehen, daß sie eine einwandfreie Wahrung berechtigter Interessen ist«. Letzteres ist ganz richtig. Aber die Beschaffung der Euthanasie hat mit der Tötung Verlangender prinzipiell nichts zu tun.

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Köhler ist unsicher, aber neigt nach der richtigen Seite. Lehrbuch I S. 400/401 sagt er: »Es wird die Erlaubtheit der Euthanasie als Gewohnheitsrecht (?) in engen Grenzen nicht zu leugnen sein«. »Unbedeutende Lebensverkürzung um etwa 1-2 Stunden durch Narkotika ist ebenfalls als erlaubt zu betrachten.« »Ob außerdem die Einholung der Zustimmung des Sterbenden nötig ist, erscheint fraglich.« – Unnötig ist wirklich die Hervorhebung, daß die »menschenfreundliche Aufforderung eines Angehörigen an den Arzt,« Euthanasie herbeizuführen, »keine Aufforderung nach GB. § 49a« sei.

35

Viel zu eng im Ausdruck Köhler, a. a. O. S. 401.

Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens

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