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I
Rechtliche Ausführung
III. Ansätze zu weiterer Freigabe

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Unsere Anfangsuntersuchung hat ergeben: unverboten ist heute ganz allein die Selbsttötung in vollstem Umfange. Von einer Freigabe der sog. Teilnahme daran ist zurzeit gar keine Rede. Denn in allen Formen ist sie deliktischer Natur. Auch durch die Einwilligung des Selbstmörders kann sie davon nicht entkleidet werden. Aber zufolge der verkehrten akzessorischen Behandlung der sog. Teilnahme im Gesetzbuch wird bewirkt, daß die Beihilfe zum Selbstmord straflos bleiben muß, und in der vorsätzlichen Bestimmung zum Selbstmord keine Anstiftung zu demselben im Sinne des § 48 des GB. gefunden werden darf – einerlei ob der Selbstmörder zurechnungsfähig ist oder nicht.

Eine weitere Freigabe könnte also nur eine Freigabe der Tötung des Nebenmenschen sein. Sie würde bewirken, was die Freigabe des Selbstmordes nicht bewirkt: eine echte Einschränkung des rechtlichen Tötungsverbotes.

Für eine solche ist neuerdings verschiedentlich eingetreten worden, und als Stichwort oder Schlagwort für diese Bewegung wurde der Ausdruck von dem Recht auf den Tod geprägt.36

Darunter ist nicht sowohl ein echtes Recht auf den Tod verstanden, sondern es soll damit nur ein rechtlich anzuerkennender Anspruch gewisser Personen auf Erlösung aus einem unerträglichen Leben bezeichnet werden.37

Diese neue Bewegung ist vorbereitet durch zwei Strömungen, deren eine, die radikalere, sich durchaus in dem Gebiet der aprioristischen wie der gesetzauslegenden Theorie, die andere, ängstlichere und zurückhaltendere, sich in dem der Gesetzgebungen gebildet hat.

I. Es ist bekannt, daß die Römer die Tötung des Einwilligenden straflos gelassen haben. Auf Grund ganz übertreibender Deutung der l. 1 § 5 D de injuriis 47, 10: quia nulla injuria est, quae in volentem fit, die sich lediglich auf das römische Privatdelikt der injuria bezog, wurde nun wieder die ganz naturrechtliche Lehre ausgebildet von der ungeheuren Macht der Einwilligung des Verletzten in die Verletzung. Diese schließe durchweg, wenn überhaupt von einem der Tragweite dieser Einwilligung Bewußten erteilt, soweit es bei Delikten überhaupt einen Verletzten gebe, die Rechtswidrigkeit der Verletzung aus: die Handlung könne also gar nicht gestraft werden, jede Verletzung des Einwilligenden, insbesondere seine Tötung, sei unverbotene Handlung.

Auf diesen Standpunkt stellten sich im vorigen Jahrhundert W. v. Humboldt (Gesamm. W. VII S. 138), Henke und Wächter, später besonders Ortmann, Rödenbeck, Keßler, Klee, E. Rupp.38 Bleiben sie konsequent, so müssen sie energische Gegner des GB. § 216 werden.39

II. Die Bewegung innerhalb der Gesetzgebung knüpft gleichfalls an die Einwilligung in die Verletzung an,40 die im Interesse ihrer klareren Erkennbarkeit und leichteren Beweisbarkeit zum Verlangen der Verletzung gesteigert wurde.41

Dieses Verlangen der Tötung wird zum Strafmilderungsgrund, die Tötung auf Verlangen bleibt also echtes Verbrechen – Verbrechen natürlich nicht im Sinn des RStGB. § 1 genommen.42

Es hat damit begonnen das Preußische Landrecht T. II Tit. 20 § 834.43 Viele deutschen Strafgesetzbücher sind ihm gefolgt, aber nicht schon das Bayrische v. 1813, sondern zuerst das Sächsische v. 1838.44 Auch das Preußische verhielt sich ablehnend, ebenso von seinen Nachfolgern das Oldenburgische v. 1858 und das Bayrische v. 1861, nicht aber das Lübische (s. § 145).

Es zwang diese Abweisung des Verlangens als Strafmilderungsgrundes zu dem furchtbar harten Schluß, die Tötung des Einwilligenden der Strafe des Mordes oder des Totschlages zu unterstellen.

Diese unerträgliche Notwendigkeit hat denn auch dazu geführt, in den dritten Entwurf des Norddeutschen Strafgesetzbuchs – die beiden ersten hatten wirklich geschwiegen! – die Tötung des den Tod ausdrücklich und ernstlich Verlangenden seitens dessen, an den das Verlangen gerichtet war, als selbständiges Tötungs-»Vergehen« aufzunehmen und deshalb unter die im Mindestbetrag noch viel zu hohe Gefängnisstrafe von nicht unter 3 Jahren zu stellen. Dieser Vorschlag hat dann unverändert Aufnahme in das Gesetz gefunden.

Es liegt dem das richtige Verständnis eines notwendig anzuerkennenden Strafmilderungsgrundes unter.

Die Tötung des Einwilligenden hat nicht nötig, den Lebenswillen des Opfers zu brechen, durch welche Vergewaltigung die regelmäßige Tötung erst ihre furchtbare Schwere erlangt.

Darin liegt der Zwang, den Deliktsgehalt der Tötung des Einwilligenden zunächst als objektiv bedeutend geringer zu fassen. Damit wird auf der subjektiven Seite eine Abmilderung der Schuld dann Hand in Hand gehen, wenn die Handlung aus Mitleiden verübt wird. Aber notwendig ist dies zur Strafmilderung gar nicht – weder nach theoretischem Gesichtspunkte, noch de lege lata. Indessen weiter als zur Strafmilderung führt die zum Verlangen gesteigerte Einwilligung in die Tötung de lege lata nicht.

Der rechtlich schwachen Punkte dieser privilegirten Art vorsätzlicher Tötung sind drei: 1. die gesetzliche Steigerung der Einwilligung zum Verlangen oder gar zum ausdrücklichen Verlangen zwingt, die Tötung des nicht in dieser gesteigerten Form Einwilligenden auch wieder als Mord oder gewöhnlichen Totschlag zu behandeln;

2. das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Vernichtung des lebenswerten und des lebensunwerten Lebens;

3. das Gesetz erweist seine Wohltat auch dem sehr grausam Tötenden. – Den zweiten dieser Mängel hat aber eine Anzahl unserer Strafgesetzbücher klar erkannt.

Fünf unserer früheren Strafgesetzbücher, zuerst das Württembergische v. 1839 (A. 239), kennen ein doppelt privilegirtes Tötungsverbrechen: nämlich die Tötung auf Verlangen vollführt an » einem Todkranken oder tödlich Verwundeten«.45

Hier bricht klar der Gedanke durch, daß solch Leben den vollsten Strafschutz nicht mehr verdient, und daß das Verlangen seiner Vernichtung rechtlich eine größere Beachtung zu finden hat, als das Verlangen der Vernichtung robusten Lebens.

Dieser sehr gute Anfang hat jedoch im Reichsstrafgesetz keinen Fortgang, dagegen in der Literatur sehr lebhafte Aufnahme gefunden!

36

So in der recht verdienstlichen, absichtlich ganz unjuristisch gehaltenen, aber mit idealem Schwunge geschriebenen kleinen Schrift von Jost, Das Recht auf den Tod, Göttingen 1895, die sich in erster Linie »dem Problem der unheilbar geistig oder körperlich Kranken« widmet (S. 1), und die es sonderbar findet, daß es zuweilen eine Pflicht zu sterben geben soll, von einem Recht zu sterben aber nirgends gesprochen werde (S. 8). – Ferner in der unter dem gleichen Titel erschienenen, juristisch ganz unzulänglichen »strafrechtlichen Studie« von Dr. Elisabeth Rupp, Stuttgart 1913.

37

Sehr übel spricht Hiller, Das Recht über sich selbst, Heidelberg 1908, ernsthaft von einem »Recht der willkürlichen Lebensausgestaltung« und meint: »Ein Teil jenes Rechts ist das Recht der freien Verfügung über sich selbst« (S. 7). Der Verfügungsberechtigte kann »sich aber mit einem zweiten zusammentun, damit dieser über ihn verfüge,« ja zwei Menschen »können sich zu dem Zweck verbinden, um gegenseitig übereinander zu verfügen« (S. 8). – So folgt eine juristische Unmöglichkeit der anderen! Das kleine Buch ist juristisch ungemein schwach.

38

Vgl. meinen Strafrechtsgrundriß S. 185/6. Auch mein Handbuch I S. 710 N. 11. S. E. Rupp, Recht auf den Tod, bes. S. 26 ff.

39

Seiner Bekämpfung ist die Schrift von E. Rupp gewidmet.

40

Baden § 207 und Hamburg A. 120 sprechen geradezu von der Tötung Einwilligender.

41

Alle hier einschlagenden Strafgesetzbücher fordern, wie selbstverständlich, ein ernstes Verlangen; außerdem ein ausdrückliches Verlangen: Sachsen 1838 A. 125; Württ. A. 239; Braunschweig § 147; Thüringen A. 120; Sachsen 1855 u. 1868 A. 157; Lübeck § 145; Hamburg A. 120; Reichsstrafgesetzbuch § 216; oder ein bestimmtes Verlangen: Hessen A. 257 – Nassau A. 250; Baden § 207. – Der deutsche Entwurf v. 1909 § 215 und der Gegenentwurf § 255 begnügen sich mit dem »dringenden Verlangen«. Der Entwurf von 1913 § 281 springt wieder ganz unnötig auf »ausdrückliches und ernstliches Verlangen«. Der arme Mensch, der zu schwach ist, sein Verlangen auch noch zu stilisiren, kommt dann sehr zu kurz!

42

Vgl. dazu die Analyse des Tatbestandes in meinem Lehrbuch I S. 33 ff. und v. Liszt, VDBT. V S. 127 ff. – S. auch E. Rupp a. a. O. S. 23 ff. und die Diss. von Holdheim, Die Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB., Greifswald 1918.

43

Worin derselben Strafe höchst unzweckmäßig unterstellt werden Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Selbstmord, einer höheren die Tötung bei überwiegendem Verdacht, »den Wunsch nach dem Tode bei dem Getöteten selbst veranlaßt zu haben.« – An jene Gleichstellung knüpft die so oft gehörte ganz falsche Behauptung an, Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Selbstmord gehörten durchaus zusammen und stünden in naher Verwandtschaft. S. z. B. v. Liszt a. a. O. V S. 131. Es ist das nur insofern richtig – und gerade in diesem Sinne wird die Behauptung regelmäßig nicht genommen – , daß diese Handlungen alle dem Verbot der Tötung des Nebenmenschen unterfallen. Insoweit richtig v. Liszt a. a. O. S. 138: Der Parallelismus zwischen der Beihilfe zum Selbstmord und der Tötung auf Verlangen muß unbedingt festgehalten werden. – Aber die sog. »Teilnahme am Selbstmord« kann auch ganz selbständig wider den Willen des Getöteten erfolgt sein. Und darin liegt eine tiefe Verschiedenheit!

44

Vgl. Note 40 oben S. 20.

45

Württemberg sind gefolgt: Braunschweig § 147; Baden § 207; Thüringen A. 120; Hamburg A. 120. v. Liszt befürwortet a. a. O. V S. 132 die Privilegirung der Tötung des Verlangenden nur unter der Voraussetzung, daß sie an hoffnungslos Erkrankten von Personen, die zu ihm in »engen Beziehungen stehen«, begangen ist.

Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens

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