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Methoden und Perspektiven der neueren Forschung

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Den neuen Rang der Individualitäten in dieser Epoche hatte bereits Hegel betont. Seit dem monumentalen Werk von W. Drumann (Geschichte Roms in seinem Übergange von der republikanischen zur monarchischen Verfassung oder Pompeius, Cicero, Caesar und ihre Zeitgenossen. 6 Bde. Berlin 1834—44. 2. Auflage bearbeitet von P. Groebe, 1899—1929), in dem Geschichte in Biographien aufgelöst und das dennoch als Materialsammlung unentbehrlich war, ist die personengeschichtliche Forschung aus verschiedenen, wissenschaftsgeschichtlich begründeten Impulsen vorangetrieben worden. In zahlreichen Einzelartikeln für Pauly-Wissowas monumentale ›Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft‹ und in seinen gediegenen Caesar-, Pompeius- und Cicero-Biographien hat vor allem Matthias Gelzer versucht, wissenschaftlich begründete und sorgfältig nuancierte Lebensbilder der führenden Politiker der späten Republik zu erarbeiten. Andere wertvolle Biographien aus der Feder von H. H. Scullard, A. E. Astin, J. van Ooteghem und vielen anderen traten hinzu und dokumentierten zugleich, daß es sich bei diesem literarischen Genos nicht allein um eine deutsche „Fehlentwicklung“ handelt.

Für die moderne prosopographische Forschung, die auch Fragestellungen der Soziologie aufgriff, ist die Einzelbiographie freilich nicht mehr als ein Mosaikstein für viel weitergehende Intentionen. Seit der bahnbrechenden Untersuchung von Matthias Gelzer über „die Nobilität der römischen Republik“ (Leipzig 1912) und der diffizilen Monographie von Friedrich Münzer über ›Römische Adelsparteien und Adelsfamilien‹ (Stuttgart 1920) haben für unsere Epoche insbesondere H. H. Scullard (Roman Politics 220—150 B. C. Oxford 1951) und E. Badian (Foreign Clientelae. Oxford 1958) versucht, die Strukturen, Formen und Normen gentilizischer Gruppenpolitik sowie die Bedeutung der clientela-Kategorie auch für den Bereich der äußeren Politik zu erfassen, T. P. Wiseman (New Men in the Roman Senate 139 B.C.-A.D. 14. London 1971) die wichtige Gruppe der sozialen „Aufsteiger“ zu ermitteln.

Stand zunächst die Führungsschicht im engeren Sinne, die Senatoren, im Zentrum des Forschungsinteresses, so wurden in den letzten Jahrzehnten nun auch die übrigen sozialen Gruppen eingehender untersucht. In dem vorzüglichen Standardwerk von C. Nicolet (L’ordre équestre à l’époque républicaine [312—43 av. J. C.] 2 Bde. Paris 1964, 1974) sind die Angehörigen des Ritterstandes erstmals systematisch erfaßt, in wichtigen Einzeluntersuchungen von P. A. Brunt und E. Badian in ihren wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten diskutiert worden. Auch Plebs, Freigelassene, Sklaven wurden detaillierter analysiert, vor allem aber veröffentlichte P. A. Brunt eine in der Tradition Julius Belochs stehende, neue, große Bevölkerungsgeschichte der späten Republik, die es endlich erlaubt, Bevölkerungsrelationen, Heeresstärken und Machtpotential dieser Zeit präzise zu erfassen (Italian Manpower 225 B.C.-A.D. 14, Oxford 1971).

Auf die Schlüsselstellung des römischen Heeres wurde schon hingewiesen. Seine Rekrutierungsbasis, Zusammensetzung und Entwicklung haben insbesondere E. Gabba (Esercito e Società nella tarda Republica Romana. Florenz 1973) und J. Harmand (L’armée et le soldat à Rome de 107 à 50 av. J. C. Paris 1967) präzisiert, daneben liegen gerade für diesen Sektor zahlreiche andere Spezialuntersuchungen vor.

Wichtiger wurden indessen die übergreifenden Arbeiten, wie der Versuch von Christian Meier, die Verfassungswirklichkeit der späten Republik mit dem Instrumentarium und den Kategorien der wissenschaftlichen Politik in den Griff zu bekommen, aus Wahlverhalten, Bindungswesen, „politischer Grammatik“ die gesellschaftliche und politische Struktur der Epoche zu erhellen (Res publica amissa. Wiesbaden 1966). Wirkte diese Monographie vor allem durch die Modernität ihrer Methode und ihrer Ansätze, so imponierte die breitangelegte Untersuchung von E. S. Gruen (The Last Generation of the Roman Republic. Berkeley 1974) durch die geschlossene Systematik, mit der für den Zeitraum zwischen 78 und 49 v. Chr. politische Verbindungen, Wahlen, Rechtsprechung, soziale und politische Konflikte analysiert wurden.

Eine zunehmende Beachtung fanden in den letzten Jahrzehnten die wirtschaftlichen Probleme. Im Bereich der Agrargeschichte, dem Schlüssel zum Verständnis der römischen Wirtschaft überhaupt, hat die Habilitationsschrift von Max Weber (Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht. Stuttgart 1891) bis heute ihren kanonischen Rang bewahrt. Doch gerade auf diesem Felde sind die Wirtschaftsstruktur, die Verbreitung der Villen, die Ausbildung des Kolonats, die Wechselbeziehungen zwischen Armee und Land mit besonderer Energie bearbeitet worden. Italienische Gelehrte wie A. Burdese und G. Tibiletti trugen wesentliche neue Erkenntnisse zur Geschichte des ager publicus vor. In A. J. Toynbees Alterswerk (Hannibal’s Legacy. 2 Bde. London 1965) wie in E. M. Schtajermans Monographie (Die Blütezeit der Sklavenwirtschaft in der römischen Republik. Wiesbaden 1967) wurden konkrete Einzeluntersuchungen in einen größeren Zusammenhang gestellt.

Andere wichtige Forschungsaspekte müssen zunächst zurückgestellt werden, die Erörterung der außenpolitischen Fragen wie jene des sogenannten römischen Imperialismus, Beiträge der Provinzialgeschichte wie des großen Sektors der römischen Kulturgeschichte und andere mehr. Doch schon das hier skizzierte Spektrum neuerer Untersuchungsansätze und -resultate dürfte deutlich machen, wie lebendig und vielseitig die moderne Forschung diesen Zeitraum bearbeitet hat.

Der Verfasser hat sich in diesem Buch die Aufgabe gestellt, die Zeit der späten Republik unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Forschungsstandes in einer Synthese von Darstellung, problemgeschichtlicher Analyse und historischer Reflexion für einen weiteren Leserkreis zu behandeln. Es geht ihm darum, die Desintegration einer Gesellschaft, das Scheitern einer Republik, eine Epoche tiefgreifenden politischen wie wirtschaftlichen und kulturellen Wandels in möglichst weiten Dimensionen zu erfassen. Ob es sich um die Expansion einer Großmacht, die Dialektik zwischen sozialen Reformen und politischer Restauration als Machtfrage, den Konflikt zwischen Gruppen- und Gesamtinteresse handelt — den Ursachen von Krise und Untergang der Römischen Republik nachzugehen, bleibt die Leitfrage dieses Buches.

Krise und Untergang der römischen Republik

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