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„Natürlich“, sagt Georg

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Die Zeit vergeht.

Es vergeht eine Stunde. Hugo steht vor einem Baum. Da nähert sich vom Städtchen her Wagengerassel und das Klappern hastiger Hufe. Das sind Laute, die Hugo gut kennt. Er weiß, daß es der Fuhrmann Georg mit seiner braunen Stute ist, und wiehert ihnen hell und froh entgegen.

Dieser Fuhrmann Georg fährt jeden Wochentag zwischen den umliegenden Dörfern hin und her. Dabei begegnet er oft des Doktors Wagen. Im Vorbeifahren ruft er Martin einen Gruß zu, kitzelt ihn zuweilen mit seiner langen Peitsche und erschreckt ihn.

„Oha!“ ruft Georg jetzt seiner Stute zu. „Halt — was soll denn das dort bedeuten?“

Damit springt er auf die Straße, sich diese ungewöhnliche Sache näher zu besehen. Hugo reibt zutraulich seine Nüstern an Georgs Ärmel.

Das Pferd Hugo und der Wagen, das sind reale Dinge, die Georg sogleich erkennt. Dahinter aber birgt sich schwarzes Geheimnis. „Martin!“ ruft er.

Da er keine Antwort erhält, holt er von seinem Wagen die Laterne, die Doktorkutsche zu beleuchten. Zuerst leuchtet er zum Fenster hinein, dann öffnet er neugierig die Tür. Dann läßt Georg vor Verwunderung die Laterne sinken. „Hier hat sich etwas ereignet“, murmelt er.

Auf dem Polstersitz liegt in wirrem Durcheinander ein Kleiderhaufen bei des Doktors Mantel und Hut. Erschreckt macht Georg einen Schritt rückwärts. Jedoch Georg fürchtet sich nicht vor den bösen Geistern wie Martin, er glaubt nicht an den Teufel. Er glaubt aber an die Schlechtigkeit der Menschen.

Als verständiger Mann rennt er nicht fort, um Mordio in die Welt hinauszurufen und Verwirrung zu stiften. Vorher untersucht er die Sache genau. Dabei findet er neben des Doktors Kleidern eine Pappschachtel. Und die Pappschachtel duftet lieblich nach Dame und Fest und Fröhlichkeit.

Hierauf stellt Georg seine Laterne auf die Erde nieder und setzt sich auf das Trittbrett der Doktorkutsche. Er schließt die Augen und überlegt. Und als der gescheite und lebenserfahrene Mann, der er ist, kommt er zur folgenden Erkenntnis:

„Die Umstände in dieser Kutsche sind etwas unklar. Sie sind derart, daß man vielleicht an ein Verbrechen denken könnte. Aber ein paar Blutstropfen machen noch keinen Mord aus. Und wozu läge dann die Pappschachtel hier? Ein Mord? Oho! Die Pappschachtel mit dem Wohlgeruch bezeugt das Gegenteil. Soviel ich nun von dem allen verstehen kann, hat unser guter Doktor sich heute nacht einen kleinen Seitensprung gestattet. Viel Vergnügen und meinen Segen dazu! Ja, warum sollte dieser brave Mann seinem scharfen Reibeisen nicht auskneifen? Dieses ist also so klar wie Bachwasser …“

Der Fuhrmann Georg denkt dann über die Sache weiter nach und sagt zu sich selber: „Was mir hingegen höllisch dunkel bleibt, das ist die Frage, wo die Schlafmütze Martin zu dieser Stunde sich aufhält und warum er den Wagen hier draußen stehenließ.“

Mit der Zeit löst Georg auch dieses Rätsel und ruft erfreut: „Natürlich. Wenn der Herr Seitensprünge macht, kommt auch sein Knecht auf Abwege. Der verdrehte Schlingel fühlt sich jetzt sicher und hockt dort hinten in der Wirtschaft, anstatt nach Hause zu fahren. Aber heute, mein haariger Liebling“, ruft Georg schmunzelnd, „werde ich dich in lebhaftere Bewegung versetzen.“

Georg bindet Hugo vom Baum los, wendet seinen Kopf nach der Heimat zu und flüstert ihm lachend ein paar Worte ins Ohr. Und Hugo, der das alles versteht und richtig findet, macht sich folgsam auf den Weg.

Der Fuhrmann Georg fährt hinter dem Doktorwagen her, Hugo durch Zuruf und Peitschenknallen ermunternd. Hugo weiß aber schon, wie er sich aufzuführen hat; er versucht es hin und wieder mit einem hübschen Zotteltrab; zumeist geht er im Schritt.

Beim ersten Kreuzweg, ein gutes Stück vor dem Dorfe Endingen, biegt Georg von der Landstraße ab und verschwindet singend in der Nacht. Hugo aber strebt seinem Stalle zu.

Die Geisterkutsche. Heiterer Roman

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