Читать книгу Zijas Perlen - Karl Friedrich Kurz - Страница 7

Ein Schatten im Mond

Оглавление

Am Abend nähern sie sich der Küste. Der Wind hat aufgefrischt, und das Meer zerschlägt sich an den Korallenriffen zu weissem Gischt. Es liegt ein breiter Schaumgürtel vor dem Lande.

Omsky sitzt mit weit vorgerecktem Kopfe und späht nach einer sicheren Fahrrinne. Aber da er in dieser Gegend unbekannt ist, gerät er unversehens in einen Hexenkessel. Kochendes Wasser umgibt das Boot plötzlich auf allen Seiten. Lärmendes Wasser, das in boshafter Weise gurgelt und klatscht und zischt, Wasser, das bellt und lacht.

Das Boot bekommt einen scharfen Stoss und neigt sich zur Seite. Eine Welle hebt es vom harten Felsen und schleudert es auf einen andern, der es nicht freundlicher empfängt. Das ist so, als trieben gefühllose Götterhände mit diesen vier zappelnden Menschenfiguren ein wunderliches Spiel. Ein winziges Fleckchen des Entsetzens und der Todesangst ist das Boot in der Unendlichkeit des fast sündhaft blauen Wassers und der blendend hellen Küste.

Das Brausen der Wellen und das Gepolter der Brandung überschreit das Krachen und Splittern der Planken und überbrüllt auch die Menschenstimmen.

Vom zerschmetterten Boot lösen sich allerlei Dinge, die mit einem Male ein eigenes Leben bekommen. Helle und dunkle Dinge zerstreuen sich, verschwinden in Schaumperlen, hüpfen über grünlich schimmernde Wogenkämme. Einige bleiben unten, andere treiben See und Wind dem nahen Strande zu.

Omsky und Omar schwimmen Seite an Seite. Nicht weit hinter ihnen schwimmt der Forscher. Der Kaufmann hält sich, an das leere Fass geklammert, über Wasser. Denn er kann nicht schwimmen. Das Fass aber steuert in stetem Umdrehen seinen eigenen Kurs. Doch es nähert sich ebenfalls, wenn auch auf Umwegen, dem Strande.

Nun steht Omsky am Lande und sieht den Kaufmann treiben. Hinter dem Korallengürtel ist das Wasser ruhig. So kann Omsky auch noch ein paar kleine Dreiecke sehen, die schnell auf den Kaufmann zusteuern.

Basil Nada ist kaum noch zehn Schritte vom Lande. Aber da seine Fahrt nur gering ist, müssen ihn die schnell segelnden Dreiecke erreichen, bevor er festen Fuss fassen kann.

Omsky kennt diese Dreiecke, denn er hat sie an der Küste Ostafrikas oft gesehn. Er macht einige lange Sätze dem Strand entlang und stürzt sich wieder in die Flut. In kräftigen Stössen arbeitet er sich zum Kaufmann hin.

„Zappeln Sie — schreien Sie, so laut Sie es vermögen! Schreien — schreien!“

„Was ist?“ fragt ängstlich Basil Nada.

„Schreien!“

Omar ist Omsky nachgesprungen. Auch er erreicht Basil Nada.

„O Efendi, du musst mit beiden Beinen ausschlagen wie ein Pferd, sonst reissen sie dir die Haie aus!“

„— Haie?“ keucht Basil Nada und winselt wie ein junger Hund.

„Sie kommen, Efendi!“

Zu beiden Seiten des Kaufmanns halten sich seine Retter und peitschen mit Armen und Beinen das Wasser auf, dass es schäumt. Sie stossen Fass und Kaufmann an den Strand. Und so wird Basil Nada abermals vorm Tode bewahrt.

Basil Nada liegt eine Zeitlang im Sande. Sein Atem geht stossweise und keuchend.

Omsky und Omar haben sich bei ihm niedergelassen. Auch der Forscher kommt zu ihnen und setzt sich auf einen Stein. Er scharrt mit der Schuhspitze im Sand. Alle drei blicken auf das unruhige Wasser, lauschen auf das Donnern der Brandung und den schweren Atem des Kaufmanns und schweigen.

Das Meer beginnt nun einen Teil der Dinge, die im Boot gewesen, an den Strand zu spülen. Darunter sind ein paar Planken.

Omsky erhebt sich und beginnt unverdrossen zu sammeln. Dabei hilft ihm der Araber.

Nordau ist bei Basil Nada geblieben. Er betrachtet ihn mit kaltem Interesse. Doch als der Kaufmann die Augen aufschlägt, nickt er ihm zu.

„Jawohl, verehrter Herr, jetzt sitzen wir auf dem Trockenen.“

Der Kaufmann dreht sich auf die Seite.

„Man hätte draussen warten sollen,“ sagt er mit heiserer Stimme. „Ganz sicher hätte uns ein Dampfer aufgenommen.“

Der Forscher hebt ein wenig die Schultern. Es scheint ihm unnütz, länger mit dieser Möglichkeit zu rechnen. Spöttischen Blickes folgt er Omsky, der am Strande hin und her läuft und das wenige aufliest, was das Meer ihm nun sozusagen als Almosen wieder hinwirft.

Dieser Mensch spielt hier Anführer, als ob Gottvater selber ihn zum Herrn über alle Dinge gesetzt hätte! denkt der Forscher. — Gut, mag er sich plagen.

Dem Forscher Nordau ist ohnedies die Sache verekelt. Seine Hoffnung, seine Ausrüstung, sein Geld, alles ist hin. Wie soll er nun zu einer Expedition kommen?

Er hat sein halbes Leben und sein ganzes Vermögen einer einzigen Sache geopfert. Er ist bis zu diesem Tage nie verzagt. Jetzt aber glaubt er nicht mehr daran, dass es ihm je gelingen könnte, die Schätze von Marib zu holen. Und in verbissenem Ingrimm zürnt er dem Menschen dort, der ihn aus dem Wasser zog.

„Wenn man wenigstens etwas zu trinken hätte,“ seufzt Basil Nada.

Wenn Männer verärgert sind, greifen sie zum Tabak. Nordau sucht in den Rocktaschen. Er findet ein paar aufgeweichte Zigaretten und eine Schachtel Streichhölzer. Basil Nada fährt ebenfalls in die Tasche. Dabei beklagt er sich aufs neue: „Man hätte es nicht dulden sollen ... Man hätte draussen warten sollen. Man hätte ihn zwingen sollen ...“

Wie man das denn hätte anstellen müssen? fragt der Forscher neugierig. Diesen Menschen zwingen — Wie? Der Forscher schaut Basil Nada prüfend ins Gesicht.

„Nun wir sind doch zwei ... und der Araber ... wenn man ihm die Sache klargemacht hätte ... Ach, es ist eigentlich unsere eigene Schuld, dass wir jetzt hier im Sande liegen.“

Trotzdem, bedenkt sich der Forscher, er hat uns das Leben gerettet. Ohne sein Eingreifen hätten uns ganz sicher die Wellen gefressen. Überhaupt ist es vielleicht gar nicht so sinnlos, was er jetzt tut.

Der Forscher sagt das teils aus Lust zum Widerspruch, teils weil ihm das Gerede des Kaufmanns ärgerlich ist. Er steht auf und streut die Streichhölzer und die Zigaretten über den Stein hin.

„Was machen Sie da?“

„In einer Stunde wird alles trocken sein. Dann wird man wenigstens rauchen können.“

Merkwürdig, wie wenig es oft bedarf, den Menschen in eine andere Stimmung zu versetzen. Diese lächerlich kleine Verrichtung gibt dem Forscher wieder seine Tatkraft zurück. Er geht zu Omsky und hilft ihm.

„Ist er denn verletzt?“ fragt Omsky, mit dem Kopf zum Kaufmann hinweisend.

„Nein, das glaube ich nicht.“

Omsky ruft: „Wenn Sie aufstehen können, gehen Sie dem Strande entlang bis zu jener Felsenschlucht dort im Norden. Vielleicht finden Sie dort Wasser.“

Basil Nada dreht sich um. Er hat diesen Befehl weder gehört noch verstanden. Da liegt er auf der Seite, und die Wüstensonne zeichnet sehr klar seine Formen. Auch die nassen Kleider bemühen sich nicht weiter, die Verhältnisse dieses menschlichen Wesens zu enthüllen.

Was an Basil Nada zuerst auffallen muss, das sind die fast unmöglich langen Arme. Sie liegen wie zwei Krücken an seinen Seiten. Auch die Beine haben den Rumpf bis weit unter den Westenrand gespaltet, so dass der viel zu grosse Kopf über der zu schmalen Brust sich auch nicht gut ausnimmt.

Basil Nada hat tiefschwarzes Haar, das ihm bis weit in die Stirn hinein wächst, dazu rote breite Lippen. Nun bewegt er diese Lippen und murmelt allerlei, was vielleicht ihn selber angeht, vielleicht auch diesen Fremden.

Basil Nada ist es nicht mehr gewohnt, dass man in dieser Weise mit ihm verkehrt. Wenn Basil Nada durch die Strassen von Damaskus geht, begleitet ihn der riesenstarke Neger Abulfeda, der den roten Sonnenschirm über ihn hält und die Leute anschreit, so dass Basil Nada unbehelligt durchs grösste Gedränge kommt. Viele Menschen grüssen ihn auf der Strasse und viele drängen sich heran und sind glücklich, wenn sie den Saum seines Kleides erhaschen. Niemand aber wird es wagen, ihm zu befehlen.

So ungefähr beginnen des Kaufmanns Betrachtungen. Doch sie müssen wohl andere Wege finden. Denn er erhebt sich schliesslich doch und marschiert, wenn auch mit deutlichem Widerwillen, der Schlucht im Norden zu.

Draussen auf dem Wasser gleiten die dunklen Dreiecke hin und her. Omar ruft von einem steilen Felsen herab und fuchtelt mit beiden Armen. Omsky und Nordau laufen hinzu und können auf wenige Meter einen ungeheueren Hai liegen sehen. Er liegt auf der Seite, kaum handtief unter der Oberfläche des Wassers und schielt aus dem schmalen Schlitz seines Katzenauges herauf.

Nordau greift in die Rocktasche und steht dann mit gestrecktem Arm. Er zielt umständlich.

„Sie haben eine Waffe?“ fragt Omsky überrascht.

Der Forscher sagt: „Sie sind gewiss ein guter Schütze, das sieht man Ihren Augen an. Ich aber kann nie etwas treffen. Versuchen Sie es. Es stecken noch zwei Patronen im Magazin. Schiessen Sie dem Scheusal das Auge aus.“

Omsky aber ist der Meinung, man solle die Kugel zu einer besseren Gelegenheit sparen. Sie bewerfen den Hai mit Steinen.

„Wasser! Wasser!“ ruft Basil Nada mit schriller Stimme.

Durch tiefeingefressene Rinnen im roten Porphyr plätschern dünne Wasserbänder. Sie kommen von einer hohen, steilen Wand her, die wie eine finstere Burgmauer in die Luft ragt. Das Wasser sammelt sich in Vertiefungen, rein und köstlich, wie in gemeisselten Marmorbecken.

Sie trinken und tauchen ihre Hände ins Wasser und tauchen auch ihre brennenden Gesichter darein.

An einer Stelle, die durch hohe Felsen vom Winde geschützt ist, macht Omar ein Feuer. Omsky und Nordau holen das Segel. Und nun steht ein kleines Zelt da. Basil Nada lehnt sich mit dem Rücken gegen den Felsen und raucht.

Das Zelt steht am Rande eines weiten Tals, das ganz mit hellem Sande angefüllt ist. Hohe Berge ragen auf allen Seiten. Die Berge schillern zart wie Perlmutter. Es wird Abend.

Omar nähert sich zögernd dem Kaufmann und bittet leise: „Herr nimm mich mit in das Land der Adschèm — bei Allah! Ich will dir ein treuer Diener sein. Und ich will dann auch mit dir zurückkehren nach Escham. Denn wahrlich, ich bin es müde, länger in dieser verruchten Fremde herumzufahren. Denn sie ist voll des Bösen.“

Basil Nada hat in der Nacht seine Brille verloren. Nun sieht er wohl die Ferne gut; aber nur mangelhaft kann er die nahen Dinge unterscheiden. Omars Gesicht steht vor ihm, auf der einen Seite vom Feuerschein beleuchtet, auf der andern von der Dunkelheit schon ausgewischt. Basil Nada vermag es nur undeutlich zu erkennen. Er ist zurückhaltend.

„Ich will mir das noch überlegen,“ meint er ausweichend. „Was soll ich übrigens jetzt mit einem Diener? Hier, wo man mir Befehle erteilt und wo ich auch nicht mehr in der Hand habe als du.“

„Sag’ das nicht. Efendi! Ein Grosser, wie du, kann immer Nutzen haben von einem ergebenen Knecht, der ihm zu jeder Stunde beisteht. Und dann kann man auch am Gefolge am besten den Herrn erkennen. Du musst auch bedenken, dass du in ein wildes Land ziehst. Und für zwei ist die Gefahr stets geringer, als für einen einzelnen. Ich aber habe mir schon längst gewünscht, mich einem Mächtigen anzuschliessen. Es ist war, heute nacht habe ich alles verloren, was ich in der langen Zeit in der Fremde ersparte, und niemand wird es mir je zurückgeben. Aber ich will dennoch nicht klagen. Denn nur durch dieses Unglück war es für Omar, den geringen Knecht, möglich, in deine Nähe zu kommen, o Herr. Und das ist wahrlich ein grosses Glück, kennt doch jedes Kind in Damaskuscham deinen Namen und nennt ihn mit Ehrfurcht.“

Es ist etwas in Omars Stimme, das dem Kaufmann gefällt. Ja, wenn er es sich überlegt, muss er diesem einfältigen Burschen recht geben. Auch für den reichen Kaufmann könnte es ein gewisser Vorteil sein, einen ergebenen Diener um sich zu haben.

„Gut denn,“ sagt er. „Es sei also nach deinem Wunsche. „Ich will dir acht Gurusch im Monat geben für den Anfang. Wenn du mir aber treu dienst, will ich dich auch dann in meinem Dienst behalten, wenn wir wieder in Escham sind.“

Omar erfasst des Kaufmanns Hand und küsst sie.

„Allah mehre deine Habe, mein Gebieter!“ murmelt er erfreut.

„Es gibt zwei Möglichkeiten,“ erklärte der Forscher Omsky. „Entweder müssen wir dem Strande folgen oder den Flusslauf entlang ins Gebirge steigen, um die Karawanenstrasse nach Mekka zu erreichen.“

Omsky meint, dass ein Marsch der Küste entlang sehr lang werden könne, da die Städte weit auseinander liegen in diesem Lande. Die Gefahr auf dieser Wanderung würde in der Hauptsache der Durst sein.

Dem stimmt der Forscher zu. Die Regenflüsse seien gewiss schon alle versiegt, meint er. Der Marsch durchs Gebirge sei aber mindestens hundert Kilometer lang. Und das, Verehrtester, ist auch kein Kinderspiel.

Welchen Weg der Forscher vorschlagen würde?

Man sollte auf alle Fälle an der Küste bleiben. Hinter jedem Bergrücken könne doch eine Ortschaft liegen.

„Gut. Versuchen wir es!“ sagt Omsky.

Nach einer Pause fragt er: „Sie kennen dieses Land?“

„Ich habe mich drei Jahre lang im Lande Saba aufgehalten.“

Ei, der Kuckuck, wundert sich Omsky. Und ob der Forscher nun wieder dorthin ziehen wolle, um nach Altertümern zu forschen?

Beide schauen einander für eine Sekunde in die Augen. Diese Sekunde legt einen weiten Graben zwischen sie.

Sie drehen sich dem Feuer zu und schweigen. Dann streckt sich Omsky im Sande aus, verschränkt die Hände hinter dem Kopf und starrt in den Himmel, der wie dunkle Seide schimmert.

Tief ruht der Himmel auf den schwarzen Bergen. Wenige grosse gelbe Sterne funkeln. Der Sand leuchtet fahl im Sternenlichte.

Das ganze weite Tal ist erfüllt von der Stimme des Windes. Das klingt wie dunkler ferner Orgelton.

Ab und zu zerrt ein Luftwirbel lange Flammenzöpfe aus dem Feuer.

Basil Nada ist unter das Zeltdach gekrochen. Omar legt sich aussen auf das Tuch, damit der Wind es nicht fortblase, und beginnt auf diese Weise seinem Herrn zu dienen.

Der Forscher liegt mit geschlossenen Augen und kämpft immer mit demselben Gedanken, den er wie einen grossen Stein hin und her wälzt.

Auch in Omsky ist eine grosse Frage. Die Orgeltöne des Windes formen sich ihm zu einem Sang. Es wird ein Lied. Er hörte es an einem Frühlingstage. Anny hat es gesungen. Nun strömt ihre Stimme von allen Seiten ihm entgegen.

Im Rauschen einer Nacht ...

Die Worte umflattern ihn wie Vögel im Sturm. Und die Erinnerung steht auf und begräbt die Gegenwart.

Es war ein Frühlingstag — jener Tag ist die Ursache, dass er nun hier liegt unter fremden Sternen.

Damals kam ihre Stimme durch die kahlen Äste der alten Bäume. Sie stürzte sich auf ihn. Damals hasste er sie, die Worte, die Stimme und alles zusammen. Er hasste ihren Gang, ihre grauen Augen, ihr schmales, bleiches Gesicht, den Mund, der viel zu rot und gross war. Man soll nie die Ehrlichkeit umgehen. Er hasste das alles in eigentümlicher kalter Glut.

Ein Märzentag war es. Er stand im Hof. Der Himmel war niedrig und starrte von schmutzigen Farben, die Erde ein Gemisch von nassem Schnee und Morast. Das grosse Haus stand darin, kalt und finster. Die Welt war ohne Freude.

Er hatte seinen Koffer gepackt, denn am Morgen wollte er fort, denn das alles war eine sinnlose Qual. Ja, er sehnte sich nach dem kommenden Morgen, der ihm die Freiheit wiedergab. Er ersehnte den Morgen und fürchtete ihn.

Da war es, dass ein Traum begann. Der Traum hat noch kein Ende genommen. Es gibt also doch Dinge, die man nicht von sich werfen und hinter sich liegenlassen kann ...

Omsky fährt in die Höhe. War das nicht das Telephon in der Garage? Nein, es war nur ein Windstoss, der das Zelttuch hob und die beiden leeren Flaschen umwarf. Glas klirrte in einem mit weissem Sand ausgefüllten Talkessel, den wohl seit hundert Jahren keines Menschen Fuss betreten hat.

Und dennoch kommt da ihre helle, hochmütige Stimme durch die Nacht.

„Jawohl, gnädiges Fräulein!“

Der Forscher stützt sich auf den Ellbogen und fragt gähnend: „Wie? — Sagten Sie etwas?“

„Ich? — Nichts ... Vielleicht träumte ich ...“

„Sie redeten. — Ja, wir haben heute allerlei erlebt.“

Aus der dunklen Bergwand steigt der Mond. Sein oberer Rand ist noch mehr eingedrückt als in der vorigen Nacht, gleichsam zerfasert. Die weite Rundung aber steht in der trockenen wolkenlosen Luft in lüsterner Nacktheit. Ein Stück weit gleitet er über den dunklen Felsenrand. Dann zeigt sich etwas Seltsames. Es schiebt sich ein schwarzer Schatten vor die helle Mondscheibe, ein Schatten, der sich bewegt.

Der Forscher sieht ihn. Omar sieht ihn.

„Was ist das?“ ruft Nordau und springt auf die Füsse.

„Dschinni!“ flüstert Omar leise. Er drückt die Handballen in die Schläfen und wimmert vor Angst.

Ein Reiter. Er hebt beide Arme. Er stürzt. Das Kamel ist unter ihm zusammengebrochen.

Jetzt ist er fort.

Über dem schwarzen Felsenrücken steht der blanke Mond. Leer wie der Himmel ist der Berg.

„Was war das?“

„Ein Reiter, den unser Feuer anlockte.“

„Ein Dschinni!“ flüstert Omar. „Oh, Efendim, das war ein böser Geist.“

„Es kann kein Räuber sein,“ sagt der Forscher. „Ein Räuber hätte sich nicht gezeigt.“

Omsky macht ein paar Schritte vom Feuer weg, um besser sehen zu können. Er ruft über die Schulter: „Wie weit mag es wohl sein bis dort hinauf?“

„Eine Stunde, vielleicht zwei. Man sieht unglaublich weit in diesem Lande und täuscht sich leicht in den Entfernungen.“

In der Nacht liesse sich nichts unternehmen, meint Omsky. Man könne nicht in den schwarzen Felsen herumklettern. Man müsse also bis zum Morgen warten.

Omar berührt den Arm des Forschers.

„Was sagt der Kawadscha?“

„Er will morgen früh auf den Berg dort klettern.“

Über diese Mitteilung gerät Omar ausser sich.

„Das war doch ein Dschinni, o Herr — ein böser Geist. Sage dem Kawadscha, dass er nicht hingehen darf. Es würde sein Verderben sein. Bei Allah — es würde grosses Unglück über uns alle kommen. Bitte, sage es ihm.“

Der Forscher schaut Omar belustigt in das bebende Gesicht. Dann meint er: „Sag’ es ihm doch selber, du Sohn des Löwen.“

Zu des Forschers Verwunderung wirft sich Omar vor Omsky nieder und fleht ihn mit vielen Worten an, den Gedanken, einen Dschinni zu suchen, aufzugeben. Er umklammert dabei Omskys Knie.

„Was will er denn?“ fragt Omsky.

Der Forscher erklärt es ihm lachend.

„Steh auf, du Narr!“ sagt Omsky unwillig und schiebt ihn weg.

Zijas Perlen

Подняться наверх