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„Wo, sagten Sie, hat man ihn gefunden?“ Kommissar Brandts Frage ging an den dabeistehenden Rechtsmediziner, ohne dass sein Blick von der Leiche eines jungen Mannes auf dem Obduktionstisch ließ.

„Am Strand von Friedrichsort, am gestrigen Abend“, kam die Antwort. „Die Beamten der Dienststelle Holtenau haben sich darum gekümmert.“

„Die Wasserschutzpolizei?“

„Es war schon spät, man wollte wohl die Kripo um diese Zeit nicht mehr heranziehen“, bemühte sich der Rechtsmediziner um eine Erklärung. „Außerdem haben die im Fall einer Wasserleiche das gleiche Recht, sich darum zu kümmern …“

„Ja, ja, schon gut“, wiegelte der Kommissar ab, „ich hoffe nur, die haben sich auch um die Spuren gekümmert.“

„Haben die, das Protokoll der Kollegen von der

Spurensicherung ist bereits fertig, ich muss nur noch meinen Bericht hinzufügen.“ Die Gestik des Rechts-mediziners sollte dem Kommissar mitteilen, dass er die Obduktion beenden wollte.

„Wer sagt denn überhaupt, dass der da übers Wasser gekommen ist?“

„Wasser in der Lunge.“

„Also ertrunken.“

„Ich würde eher sagen, er ist erschlagen worden. Von einem Gegenstand getroffen, hier, sehen Sie.“ Der Rechtsmediziner wies auf das Gesicht des Toten.

Kommissar Brandt zog seinen Mund breit, für den Obduzierenden ein bekanntes Merkmal seines Unmuts, da er es mit dem Beamten von der Kieler Kripo nicht zum ersten Mal zu tun hatte.

„Das heißt noch nicht, dass er sofort tot war“, fügte er gleich an.

Der Kommissar schickte sich an, aus dem Raum hinauszugehen, der ihm jedes Mal ein Gefühl eisiger Kälte bereitete. „Dann kann er genauso gut durch einen Unfall umgekommen sein, meinetwegen auf einem Segelboot, vom Baum getroffen und dann ab über Bord. Passiert diesen Freizeitkapitänen oft“, sagte er mit einem geringschätzigen Blick zur Leiche hin.

„Also war es richtig, dass sich die Wasserschutz-polizei eingeschaltet hat!“

Kommissar Brandt hörte den Ruf des Rechtsmediziners, da war er schon draußen auf dem Flur. „Von mir aus“, grantelte er.

Am nächsten Morgen durchsuchte er gleich als Erstes in seinem Büro den Computer nach der Aktendatei der Rechtsmedizin, und wider Erwarten sah er sich ab sofort mit dem Fall des am Strand von Friedrichsort aufgefundenen Toten befasst; der Bericht wies eindeutig auf eine Fremdeinwirkung hin, die zum Tod des jungen Mannes geführt habe.

Also doch Mord, dachte der Kommissar, oder zumindest Totschlag. Er musste es herausfinden, das war seine Arbeit hier im Kieler Polizeipräsidium, Abteilung Kapitaldelikte. Eigentlich war er Erster Kriminalhauptkommissar, reich an Dienstjahren und zur Zeit der einzige mit diesem Rang, nur der Dezernatsleiter stand über ihn. Er fand es nicht brüskierend, wenn man ihn, wahrscheinlich wegen der Kürze, nur mit Kommissar ansprach, auch von den rangniedrigeren Kollegen war es gewohnt, dass sie es so sagten. Nur von diesen

Kriminalmeistern und Ober- und Hauptmeistern konnte ihm in der nächsten Zeit keiner zur Seite gestellt werden, sie alle steckten selbst in Fällen fest; er würde sich also allein dieser Akte annehmen müssen.

Er entnahm ihr, dass dem Opfer mit einem stumpfen Gegenstand der Schädel eingeschlagen worden war, von vorn und mit großer Wucht, aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Baseballschläger. Dann suchte der Kommissar nach der Datei der Spurensicherung, die nach Angabe des Rechtsmediziners bereits vorliegen sollte, und er bemängelte wieder einmal die nicht zeitgleiche Zusammenarbeit der beiden Institutionen.

Warum gab es nicht eine einzige Akte, in der alles zusammengefasst war, warum musste er mit der Maus im Computerprogramm rauf und runter scrollen und umständlich danach suchen? Er schüttelte mit dem Kopf.

Doch dann merkte er auf, als die Datei der Spuren-sicherung endlich vor seine Augen kam, und er las interessiert, dass die Kollegen zu der Erkenntnis gekommen waren, dass die Wasserströmung das Opfer zum Zeitpunkt seines Todes von woanders her an die schmalste Stelle der Kieler Förde, den Fundort in Friedrichsort, getrieben haben musste; es seien einige Blätter unter seiner Kleidung gefunden worden, Laub von Bäumen und zwar von einer exotischen Art, die in Norddeutschland nicht heimisch sind.

Kommissar Brandt schaute von seinem Computer auf. Der Fundort der Leiche war nicht gleich Tatort, soviel war schon mal sicher, dachte er. Wer der Tote allerdings war, konnte ihm bisher niemand sagen. Also auf zum Staatsanwalt, die Genehmigung für die Veröffentlichung eines Fotos des Toten besorgen. Ein Foto in den einschlägigen Kieler Zeitungen und Nachrichtensendungen und die Öffentlichkeit bemühen, so etwas hatte bisher immer Erfolg gebracht.

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