Читать книгу Gesammelte Wildwestromane & Geschichten von Karl May - Karl May - Страница 23

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Der Salt Fork kommt aus westlicher Richtung und mündet also von rechts her in den Red River. In dem Winkel, der dadurch gebildet wird, lag damals das Kiowa-Dorf, dessen Häuptling Tangua war. Wir befanden uns auf der anderen, der linken Seite des “roten Flusses” und konnten darum wohl hoffen, nicht gesehen zu werden, ritten aber dennoch, als wir die Mündungsgegend des Salt Fork erreichten, einen weiten Bogen, um eine halbe Tagesreise unterhalb derselben wieder an den Red River zu kommen. Aus weiteren Vorsichtsgründen benutzten wir dazu die Nacht, und es war am frühen Morgen, als wir den Fluß wieder vor uns sahen. Wir befanden uns nun so, wie wir beabsichtigt hatten, auf der entgegengesetzten Seite der Richtung, aus welcher wir von den Kiowas erwartet wurden, und suchten eine versteckte Stelle auf, um da von dem nächtlichen Ritte auszuruhen. Nur für Winnetou und mich gab es keine Erholung, denn er wollte rekognoszieren, und forderte mich auf, ihn zu begleiten.

Während unser bisheriger Weg uns stromabwärts geführt hatte, mußte dieses Auskundschaften nun stromaufwärts vorgenommen werden, und zwar auf dem jenseitigen Ufer. Wir mußten also über den Fluß hinüber, was uns selbst dann, wenn er mehr Wasser gehabt hätte, nicht schwer geworden wäre.

Natürlich bewerkstelligten wir den Uebergang nicht in der Nähe unseres Lagers, weil dieses leicht entdeckt werden konnte, wenn später jemand auf unsere Fährte traf und derselben aus irgend einem Grunde folgte. Wir ritten vielmehr noch ein Stück flußabwärts, bis wir an einen Wasserlauf kamen, welcher in den Red River mündete. In diesen trieben wir unsere Pferde und ritten im Wasser gegen den Strom desselben. Da gingen unsere Spuren verloren. Nach einer halben Stunde verließen wir dieses Gerinne und lenkten die Pferde auf die Prairie, um, nun nach dem Red River zurückkehrend, diesen an einer Stelle zu erreichen, welche sich einige englische Meilen oberhalb unsers Lagers befand.

Dieser Umweg mit seinem Spurenverbergen war zeitraubend gewesen, aber die Mühe, welche wir darauf verwendet hatten wurde schneller belohnt, als wir hatten denken können. Wir hatten nämlich den Fluß noch nicht wieder erreicht sondern befanden uns noch auf der Prairie, da sahen wir zwei Reiter, welche wohl ein ganzes Dutzend Packtiere bei sich hatten. Sie kamen uns nicht gerade entgegen, sondern ihre Richtung führte sie rechts an uns vorüber. Der eine ritt vor und der andere hinter den wohlbeladenen Mauleseln, und wenn wir ihre Gesichter auch nicht erkennen konnten, so mußten wir nach ihrer Kleidung Weiße in ihnen vermuten.

Sie sahen uns auch und hielten an. Es wäre höchst auffällig gewesen, wenn wir vorüber geritten wären; wir konnten im Gegenteile Nützliches von ihnen erfahren, denn sie kamen jedenfalls aus dem Dorfe der Kiowas. Schaden konnten sie uns wohl kaum, und unsere Fährte zu suchen, um zu erfahren, woher wir gekommen waren, das fiel ihnen wohl auch nicht ein, da sie viel nördlicher auf den kleinen Wasserlauf treffen mußten als da, wo wir ihn verlassen hatten. Darum fragte ich Winnetou:

»Gehen wir hin?«

»Ja,« antwortete er. »Es sind Bleichgesichter, Händler, welche mit den Kiowas ein Tauschgeschäft gemacht haben. Aber sie dürfen nicht wissen, wer wir sind.«

»Gut! Ich bin der Unterbeamte eines Indianeragenten und muß in dieser Eigenschaft zu den Kiowas, verstehe aber ihre Sprache nicht; darum habe ich dich mitgenommen. Du bist ein Pawnee-Indianer.«

»So ist es gut. Mein Bruder mag mit diesen beiden Bleichgesichtern sprechen.«

Wir ritten auf sie zu. Sie hatten, wie man bei Begegnungen im wilden Westen stets zu tun pflegt, ihre Gewehre zur Hand genommen und sahen uns erwartungsvoll entgegen.

»Tut eure Büchsen weg, Mesch’schurs,« forderte ich sie auf, als wir sie ziemlich erreicht hatten. »Wir haben nicht die Absicht, euch anzubeißen.«

»Würde euch auch schlecht bekommen,« antwortete der eine von ihnen. »Wir können nämlich auch beißen. Zu den Gewehren haben wir nicht etwa aus Angst gegriffen, sondern weil es so Gebrauch ist und weil ihr uns verdächtig vorkommt.«

»Verdächtig? Wieso?«

»Nun, wenn zwei Gentlemen, von denen der eine ein weißer und der andere ein roter ist, so allein in der Prärie herumreiten, dann sind sie gewöhnlich Spitzbuben. Dazu ist euer Habit ein ganz indianisches. Sollte mich wundern, wenn ihr ehrliche Kerle wäret!«

»Danke Euch für diese Aufrichtigkeit! Es ist immer nützlich, zu wissen, was andere von einem halten. Kann Euch aber versichern, daß Ihr Euch irrt.«

»Möglich. Eine Galgenvisage habt ihr nicht; das ist richtig. Kann mir auch ganz gleichgültig sein, ob ihr früher oder später irgendwo aufgehangen werdet, denn da bekommt ihr den Strick an euern und nicht an meinen Hals. Vielleicht habt ihr die Gewogenheit, uns zu sagen, woher ihr kommt?«

»Ganz gern. Wir haben keinen Grund, heimlich damit zu tun. Wir kommen vom False Washita herüber.«

»So! Und wo wollt ihr hin?«

»Ein wenig zu den Kiowas.«

»Zu welchen?«

»Zu dem Stamme, dessen Häuptling Tangua heißt.«

»Das ist nicht weit von hier.«

»Weiß es. Das Dorf liegt zwischen dem Red River und dem Salt Fork.«

»Richtig! Aber wenn ihr einen guten Rat annehmen wollt, so kehrt schnell wieder um und laßt euch vor keinem Kiowa sehen.«

»Warum?«

»Weil es eine schlechte Angewohnheit ist, sich von den Roten umbringen zu lassen.«

»Pshaw! Habe mir das bisher noch nicht angewöhnt und werde es auch später niemals tun.«

»Was später geschieht, kann niemand wissen. Meine Warnung ist gut gemeint und hat ihren Grund. Wir kommen nämlich von Tangua. Derselbe hat die löbliche Absicht, jeden Weißen, der in seine Hände fällt, auszulöschen und auch jeden Roten, der kein Kiowa ist.«

»Dann ist er ja ein außerordentlich wohlmeinender Gentleman! Hat er euch das selbst gesagt?«

»Jawohl, und zwar wiederholt.«

»Der Spaßvogel!«

»Oho! Es war ihm ungeheuer ernst dabei!«

»Ernst? Wirklich? Wie komme ich da zu dem Vergnügen, euch so hübsch lebendig und bei guter Gesundheit vor mir zu sehen? Er will jeden Weißen umbringen und auch jeden Roten, wie ihr behauptet. Habe euch auch für Weiße gehalten. Solltet ihr vielleicht Neger sein?«

»Macht keine dummen Witze! Uns tut er nichts; mit uns hat er eine Ausnahme gemacht, weil wir alte, gute Bekannte von ihm sind und schon viele Male in seinem Dorfe waren. Wir sind nämlich Trader, wie ihr wohl schon erraten habt, und zwar ehrliche Trader, nicht solche Halunken, welche die Roten mit ihren Waren betrügen und sich dann nicht wieder bei ihnen sehen lassen dürfen. Darum heißt man uns überall willkommen. Die Roten brauchen doch unsere Waren und werden also nicht so dumm sein, einem ehrlichen Kerl, auf den sie sich verlassen können und von dem sie Nutzen haben, an den Kragen zu gehen. Euch aber werden sie kalt machen, darauf könnt Ihr Euch verlassen.«

»Werde wohl warm bleiben, denn ich meine es auch ehrlich mit ihnen und suche sie eben jetzt auf, um ihnen Nutzen zu bringen.«

»So? Dann sagt uns doch einmal, was Ihr seid und was Ihr bei ihnen wollt.«

»Ich gehöre zur Agentur.«

»Zur Agentur? Hört, das ist ja noch viel schlimmer! Nehmt es mir nicht übel, aber ich will Euch um Euertwillen offen sagen, daß die Roten grad auf die Agenten gewaltig schlecht zu sprechen sind, weil weil «

Er zögerte, fortzufahren, darum ergänzte ich seine Rede:

»Weil sie so oft von ihnen betrogen worden sind. Das meint Ihr wohl. Ich gebe dies zu.«

»Freut mich ungemein, aus Eurem eigenen Munde zu hören, daß ihr Agenten Spitzbuben seid!« lachte er. »Grad die Kiowas sind bei den letzten Lieferungen großartig übers Ohr gehauen worden. Wenn Ihr die Absicht habt, ein wenig zu Tode gemartert zu werden, so reitet hin; es wird Euch sofort geholfen werden.«

»Kann darauf verzichten, Sir. Ich sage Euch, daß die Kiowas mich zwar nicht gut empfangen, dann aber um so größere Freude haben werden, wenn ich ihnen sage, was ich bei ihnen will. Ich habe es nämlich durchgesetzt, daß der Fehler, welcher gemacht worden ist, ausgebessert wird. Sie werden nachgeliefert bekommen, und ich will ihnen eben sagen, wo sie die Waren in Empfang nehmen sollen.«

»Alle Wetter, was seid Ihr da für ein weißer Rabe!« rief er erstaunt aus. »In diesem Falle werden sie Euch freilich nichts tun. Aber warum habt Ihr da einen Roten bei Euch?«

»Weil ich den Dialekt der Kiowas nicht verstehe; er ist mein Dolmetscher, ein Pawnee, den Tangua auch kennt.«

»Well! Dann ist ja alles in bester Ordnung, und meine Warnung war überflüssig. Aber ich hatte guten Grund dazu, denn Tangua ist förmlich wütend auf alles, was nicht Kiowa heißt.«

»Warum?«

»Hat in letzter Zeit verdammt schlechte Erfahrungen gemacht. Die Apachen sind in sein Gebiet eingefallen und haben ihm mehrere hundert Stück Pferde gestohlen. Er hat sie natürlich verfolgt; aber weil sie drei-oder viermal mehr Krieger hatten als er, ist er geschlagen worden. Dies wäre trotz ihrer Uebermacht nicht geschehen, wenn nicht eine Gesellschaft von weißen Westmännern den Apachen geholfen hätte. Einer von diesen Leuten hat den Häuptling zum Krüppel geschossen. Heißt Old Shatterhand, dieser Mann, ein Kerl, der den stärksten Menschen mit der Faust zu Boden schlägt. Wird ihm aber nicht gut bekommen.«

»Nicht? Wollen sich die Roten rächen?«

»Natürlich. Tangua ist durch beide Knie geschossen worden, ein fürchterliches Schicksal für einen Kriegshäuptling! Er schäumt förmlich vor Wut und wird nicht eher ruhen, als bis er diesen Old Shatterhand und Winnetou in seine Hände bekommen hat.«

»Winnetou? Wer ist das?«

»Ein junger Apachenhäuptling, der mit einer kleinen Kriegerschar ungefähr zwei Tagesritte von hier gelagert hat. Die Weißen sind bei ihm, und eine Anzahl Kiowas ritten hin, um diese Kerls in ihr Dorf zu locken.«

»Hm! Werden diese Weißen und diese Apachen so dumm sein, in die Falle zu gehen?«

»Wahrscheinlich. Tangua ist überzeugt davon und hat die Gegend, durch welche sie kommen müssen, besetzen lassen. Diese Leute sind unbedingt verloren. Mich geht das eigentlich gar nichts an, aber weil Weiße dabei sind, habe ich mich aus dem Staube gemacht. Ich wäre wohl noch einige Tage bei Tangua geblieben, aber zuzusehen, wie Weiße zu Tode gemartert werden, das ist mein Gusto nicht.«

»Wäre es Euch denn nicht möglich gewesen, ihnen Hilfe zu bringen?«

»Nein, selbst dann nicht, wenn ich gewollt hätte. Aber warum soll ich meine gesunden Hände, die ich brauche, in fremde Feuer stecken und sie mir verbrennen! Ich bin, sozusagen, Geschäftsfreund der Kiowas, und es fällt mir nicht ein, mir dadurch bei ihnen zu schaden, daß ich mich ihrer Feinde annehme. Ich bin so gutherzig gewesen, einen kleinen Versuch zu riskieren, habe aber schleunigst davon ablassen müssen, denn Tangua bellte mich an wie ein wütender Kettenhund.«

»Das läßt sich denken, denn es war ja noch gar nicht die Zeit dazu, sich der Gefangenen anzunehmen, weil sie eben noch nicht gefangen waren. Ihr hättet warten sollen.«

»O, einer war doch schon gefangen, ein Weißer von den Leuten Old Shatterhands. Ein sonderbarer Kerl, der immer nur lachte, und gar nicht so tat, als ob er den Tod vor Augen habe.«

»Ihr habt ihn gesehen?«

»Ich sah ihn bringen und wohl eine Stunde lang gefesselt an der Erde liegen. Dann wurde er nach der Insel gebracht.«

»Nach einer Insel? Die also als Gefängnis dient?«

»Ja. Sie liegt im Salt Fork, einige Schritte vom Dorfe und wird gut bewacht.«

»Habt Ihr mit dem Gefangenen gesprochen?«

»Einige Worte. Ich fragte ihn, ob ich vielleicht etwas für ihn tun könne. Da lachte er mich freundlich an und sagte, er hätte so großen Appetit nach Buttermilch, ob ich nicht nach Cincinnati reiten und ihm ein Glas voll holen wolle. Ein ganz närrischer Kerl. Ich sagte ihm, daß seine Lage nicht zum Lachen sei; da kicherte er mich wieder an und meinte, ich solle mich nur nicht um ihn sorgen, denn dazu seien ganz andere Leute da. Dennoch bat ich beim Häuptling für ihn, wurde aber hundegrob abgewiesen. Er wird übrigens nicht schlecht behandelt, denn Old Shatterhand hat einen gefangenen Kiowa als Geisel bei sich. Nur Santer gibt sich Mühe, ihm das bißchen Leben, welches er noch haben wird, schwer zu machen.«

»Santer? Dem Namen nach ein Weißer! Sind denn außer euch noch andere Weiße bei den Kiowas gewesen?«

»Nur dieser eine, der sich Santer nennt. Ein Kerl, der mir widerwärtig ist. Er kam gestern mit den Roten hier an, welche Winnetou herbeigelockt haben, und machte sich gleich über den Gefangenen her. Werdet ihn ja auch kennen lernen, wenn Ihr nachher in das Dorf kommt.«

»Wißt Ihr denn, was er eigentlich bei Tangua will?«

»Nein. Habe ihn zwar begrüßt, aber dann nicht wieder beachtet, weil ihm meine Gegenwart nicht zu gefallen schien. Hätte es von den Roten erfahren können, habe aber nicht gefragt. Was mich nichts angeht, das nehme ich nicht in den Mund; das ist mein Grundsatz, mit welchem ich am besten vorwärts komme.«

»Ist dieser Santer der Gast des Häuptlings, oder hat er ein besonderes Zelt?«

»Es ist ihm eines angewiesen worden, nicht etwa gleich neben demjenigen des Häuptlings, was die gewöhnliche Auszeichnung für gern gesehene Gäste ist, sondern eine alte Lederhütte, die fast am Ende des Dorfes liegt. Er scheint also beim Häuptlinge nicht in besonderer Gunst zu stehen.«

»Wißt Ihr vielleicht, wie der weiße Gefangene heißt?«

»Sam Hawkens, ein fast berühmter Westmann trotz seiner Drolligkeit. Tut mir leid, daß er ausgelöscht werden soll, kann ihm aber nicht helfen. Vielleicht hört der Häuptling auf Euch mehr, als er auf mich gehört hat, wenn Ihr ein gutes Wort für ihn einlegt.«

»Werde es versuchen. Könnt Ihr mir die Lage des Zeltes, in welchem Santer wohnt, nicht genauer angeben?«

»Wozu? Ihr werdet es ja sehen, wenn Ihr hinkommt. Es ist das vierte oder fünfte, flußaufwärts gerechnet. Glaube nicht, daß Euch der Mann gefallen wird; hat ein Galgengesicht. Hütet Euch vor ihm! Ihr seid trotz Eures Amtes noch sehr jung und werdet mir einen guten Rat nicht übelnehmen. Ich muß nun weiter. Lebt wohl, und kommt heiler Haut wieder von hier fort!«

Sollte ich ihn halten, um mehr zu erfahren? Da hätte ich ihm aufrichtig sagen müssen, wer wir waren und was wir wollten, und das erschien mir doch gewagt. Winnetou war auch dieser Ansicht, denn er ritt weiter und sagte mit unterdrückter Stimme:

»Es ist genug. Mein Bruder mag nicht weiter fragen, denn dies würde diesen Leuten auffallen, welche Freunde der Kiowas sind.«

»Ich glaube auch, daß wir genug erfahren haben. Wir wissen mit ziemlicher Genauigkeit, wo Hawkens steckt und auch wo Santer wohnt, und werden beide finden. Wie weit reiten wir jetzt?«

»So weit, bis uns diese beiden Händler aus den Augen sind; dann kehren wir nach unserm Lager um. Das Zusammentreffen mit ihnen war für uns sehr vorteilhaft. Um das auszukundschaften, was wir von ihnen erfahren haben, hätten wir uns in große Gefahr begeben müssen. Nun wissen wir, woran wir sind, und werden heut abend miteinander das Dorf der Kiowas beschleichen.«

Die beiden Trader kamen uns nach und nach aus den Augen. Sie mußten langsam reiten, weil sie so viele Packtiere bei sich hatten. Ich erfuhr später, wie verhängnisvoll ihnen das geworden war. Ebenso erfuhr ich, daß sie bei den Kiowas Felle verschiedener Pelztiere eingetauscht hatten. Der, welcher mit uns gesprochen hatte, war der eigentliche Händler, der andere nur sein Gehilfe gewesen. Nun, da sie fort waren und uns nicht mehr sahen, kehrten wir auf demselben Wege, auf welchem wir gekommen waren, nach unserm Lager zurück und gaben uns unterwegs wieder alle Mühe, unsere Spuren zu verbergen.

Dick Stone und Will Parker waren mit dem Erfolge unserer Rekognoszierung sehr zufrieden. Besonders freuten sie sich darüber, daß ihr kleiner Sam sich verhältnismäßig wohl befand und seine unverwüstliche gute Laune noch besaß. Sie baten uns, sie heut abend mitzunehmen, doch Winnetou schlug ihnen diesen Wunsch ab, indem er erklärte:

»Meine beiden weißen Brüdern mögen heut noch dableiben, denn wir werden auf diesem Gange Sam Hawkens wohl schwerlich befreien können. Dies kann wahrscheinlich erst morgen geschehen, und da werdet ihr dabei sein.«

Unser Versteck war ein verhältnismäßig gutes; aber wir befanden uns mitten auf feindlichem Gebiete, und der Zufall konnte leicht einen oder einige Kiowas an die Uferstelle führen, wo wir lagerten. Darum schlug Winnetou vor:

»Ich kenne eine Insel, welche eine kleine Strecke abwärts mitten im Flusse liegt. Sie hat Büsche und Bäume, die uns verbergen werden. Dorthin wird niemand kommen. Meine Brüder mögen sich mit mir nach dieser Insel begeben.«

Wir verließen also unser Lager und ritten am Flusse hinunter, bis wir die Insel sahen. Das Wasser war hier tief und hatte ein ziemliches Gefälle, doch kamen wir auf unsern Pferden ganz gut hinüber, wo es sich zeigte, daß Winnetou recht gehabt hatte: die Insel war groß und auch bewachsen genug, um uns und unsern Pferden vollständige Deckung zu gewähren.

Ich machte mir zwischen den Büschen ein Lager zurecht und schlief, denn es war vorauszusehen, daß in der nächsten Nacht von einem Schlafe keine Rede sein werde. Nicht daß es keine Zeit oder Gelegenheit dazu gegeben hätte, sondern des Wassers wegen.

Sam Hawkens war auf einer kleinen Insel interniert, die ich beschleichen wollte. Da mußte ich in das Wasser. Ja, schon vorher, gleich beim Aufbruche, mußte ich mit Winnetou von unserer Insel an das Ufer schwimmen, wobei wir vollständig durchnäßt werden mußten. Wir standen in der Mitte des Dezember, und das Wasser war also kalt; wer hätte da in den durchnäßten Kleidern schlafen können.

Als es dunkel geworden war, wurden wir geweckt, denn auch Winnetou hatte geschlafen. Es war Zeit, nach dem Dorfe aufzubrechen. Wir legten die nicht durchaus notwendigen Kleidungsstücke ab und ließen auch alles, was wir in den Taschen hatten, zurück. Von unsern Waffen nahmen wir nur die Messer mit. Dann sprangen wir in den Fluß und schwammen nach dem rechten Ufer desselben, weil wir von diesem aus an den Salt Fork gelangen konnten. Als wir eine kleine Stunde lang an diesem Ufer aufwärts gegangen waren, kamen wir an die Stelle, wo der Salt Fork in den Red River-Arm mündete, und hatten dem ersteren nur wenige hundert Schritte nach links zu folgen, bis wir die Feuer des Dorfes sahen. Es lag hart am linken Ufer des Salt-Fork, während wir uns auf dem rechten befanden. Wir mußten also hinüber.

Dies taten wir aber nicht gleich, sondern wir schritten erst langsam, natürlich diesseits, die ganze Länge des jenseits liegenden Dorfes ab. Das Wort Dorf bezeichnet hier nicht den europäischen Begriff, eine Ansammlung von festen Häusern, bei denen und um welche Gärten und Felder liegen. Von Gärten und Feldern gab es hier keine Spur, und die Wohnungen bestanden jetzt aus dicken Lederzelten, während die Roten im Sommer leinene zu bewohnen pflegen.

Fast vor jedem Zelte brannte ein Feuer, an welchem die Bewohner saßen, um sich zu wärmen und ihr Abendessen zu bereiten. Das größte Zelt stand ungefähr in der Mitte des Dorfes. Der Eingang war mit Lanzen geschmückt, an denen Adlerfedern und sonderbar gestaltete Medizinen hingen. An dem dort befindlichen Feuer saß Tangua, der Häuptling, mit einem jungen, vielleicht achtzehnjährigen Indianer und zwei Knaben, welche zwölf und vierzehn Jahre zählen mochten.

»Diese drei sind seine Söhne,« sagte Winnetou. »Der älteste ist sein Liebling und wird ein tapferer Krieger werden. Sein Lauf ist so rasch, daß er den Namen Pida bekommen hat, was Hirsch bedeutet.«

Auch Frauen gingen geschäftig ab und zu, doch ist es bei den Indianern den Frauen und Töchtern nicht erlaubt, mit den Männern und Söhnen zu essen. Sie essen später und müssen nehmen, was übrig bleibt, dafür aber alle, selbst die schwerste, Arbeit verrichten.

Ich suchte nach der Insel. Der Himmel hing schwarz voller Wolken und kein Stern war zu sehen, doch die Feuer ermöglichten es uns, drei Inseln zu erkennen, welche in geringen Entfernungen voneinander am Ufer lagen.

»Auf welcher mag sich Sam befinden?« fragte ich.

»Wenn mein Bruder das wissen will, so mag er an das denken, was der Trader gesagt hat,« antwortete Winnetou.

»Daß die Insel nahe am Ufer liege? Die erste und die dritte liegen weiter hüben nach uns zu; es wird also die zweite, die mittlere, sein.«

»Wahrscheinlich. Und da rechts ist das untere Ende des Dorfes, wo im vierten oder fünften Zelte Santer wohnt. Wir werden nicht beisammen bleiben, sondern uns trennen. Ich habe es auf den Mörder meines Vaters und meiner Schwester abgesehen und werde also seine Wohnung auskundschaften. Sam ist mehr dein Gefährte als der meinige, darum wirst du nach ihm forschen.«

»Und wo treffen wir uns wieder?«

»Hier, an der Stelle, wo wir auseinander gehen.«

»Wenn nichts Ungewöhnliches geschieht, können wir das; aber wenn zufälligerweise einer von uns bemerkt werden sollte, wird ein großer Aufruhr entstehen; da müssen wir einen andern Ort bestimmen, einen Ort, der weiter entfernt von dem Dorfe ist.«

»Unser Vorhaben ist nicht leicht; deine Aufgabe ist noch schwerer als die meinige, denn du mußt nach der Insel schwimmen, wo du von den Wächtern leicht gesehen werden kannst. Man wird dich also leichter entdecken als mich. Sollte man dich dabei ergreifen, so werde ich dir beispringen; kommst du aber frei, so kehrst du nach unserer Insel zurück, aber auf einem Umwege, damit sie die Richtung deiner Flucht nicht entdecken.«

»Aber morgen früh werden sie die Spuren sehen!«

»Nein, denn wir werden sehr bald Regen bekommen, welcher die Spuren auslöscht.«

»Gut! Und wenn du Unglück haben solltest, haue ich dich heraus.«

»Das wird nicht geschehen, wenn nicht ein böser Zufall spielt. Schau hinüber! Vor der fünften Hütte brennt kein Feuer; sie wird Santer gehören, denn er ist nirgends zu sehen und wird drinliegen und schlafen. Es ist also sehr leicht, zu erfahren, wie es mit ihm steht.«

Nach diesen Worten ging er fort, rechts von mir weg, ein Stück den Fluß hinunter, um dann außerhalb des Dorfbereiches hinüberzuschwimmen und jenseits heimlich nach den Zelten zurückzukehren.

Ich mußte es anders anfangen. Ich hatte ein Ziel, welches im Bereiche des Feuerscheines lag; das war bös. Ich durfte mich nicht auf der Oberfläche des Wassers sehen lassen, mußte die Insel also tauchend erreichen. Das ging aber auf direktem Wege sehr schwer. Unter Wasser bis hinüber zu kommen, das getraute ich mir wohl, aber wie nun, wenn ich grad vor einem Wächter auftauchte? Nein, ich mußte erst nach der benachbarten Insel, auf welcher sich wahrscheinlich niemand befand. Sie, die erste, lag vielleicht zwanzig Meter von der zweiten, mittlern, auf welche ich es abgesehen hatte, entfernt. Also konnte ich von ihr aus wahrscheinlich sehen, wie die Verhältnisse auf der zweiten waren.

Ich ging also eine Strecke flußaufwärts und richtete mein Auge so scharf wie möglich nach der obersten Insel. Es war dort nicht die geringste Bewegung zu bemerken; also befand sich wahrscheinlich niemand drüben. Da stieg ich langsam in das Wasser, tauchte unter und schwamm hinüber. Ich kam glücklich drüben an und schob zunächst nur den Kopf bis an den Mund, um Atem zu holen, aus dem Wasser. Ich befand mich am oberen Ende der ersten Insel und sah da, daß es eine noch bessere Weise, meine Aufgabe zu lösen, gab, als ich drüben gedacht hatte.

Die Insel, an deren Rande ich im Wasser stand, war vielleicht auch zwanzig Meter vom Flußufer entfernt, wo eine ganze Reihe von Kanoes angebunden waren. Diese Kähne konnten mir vortrefflich Deckung geben. Ich tauchte also wieder unter und schwamm nach dem ersten Kanoe, von da nach dem zweiten, dritten und so weiter, bis ich, hinter dem sechsten steckend, der mittlern Insel so nahe war, daß ich sie überblicken konnte.

Sie lag dem Lande näher als die beiden andern Inseln und hatte niedriges Buschwerk, welches zwei Bäume überragten. Von dem Gefangenen und seinen Wächtern konnte ich nichts sehen. Eben wollte ich wieder untertauchen, um hinüberzuschwimmen, als ich über mir auf dem hohen Ufer ein Geräusch hörte. Ich sah hinauf. Ein Indianer kam herabgestiegen. Es war Pida, der “Hirsch”, der Häuptlingssohn. Glücklicherweise stieg er schräg herab nach einem weiter abwärts hängenden Kanoe, so daß er mich nicht sah. Er sprang in dieses Boot, band es los, und ruderte sich nach der mittlern Insel. Da konnte ich noch nicht hinüber; ich mußte warten.

Bald hörte ich Leute drüben sprechen und erkannte die Stimme meines kleinen Sam. Ich mußte hören, was sie redeten, und schwamm unter Wasser nach einem weiteren Kanoe. Es gab deren so viele da, daß jeder selbständige Dorfbewohner eines zu besitzen schien. Als ich wieder auftauchte und, hinter diesem Kanoe verborgen, dem Gespräche lauschte, hörte ich den Sohn des Häuptlings sagen:

»Tangua, mein Vater, will es wissen!«

»Fällt mir nicht ein, es zu verraten!« antwortete Sam.

»Dann wirst du zehnfache Qualen erdulden müssen!«

»Laß dich nicht auslachen! Sam Hawkens, und Qualen erdulden, hihihihi! Dein Vater hat mich schon einmal martern lassen wollen, dort am Rio Pecos, bei den Apachen. Was ist die Folge davon gewesen? Kannst du mir das sagen?«

»Daß Old Shatterhand, dieser Hund, ihn zum Krüppel gemacht hat!«

»Well! So ähnlich wird es auch hier werden. Ihr könnt mir nichts anhaben.«

»Wenn du das im Ernste sagst, so ist der Wahnsinn in deinem Kopfe eingezogen. Wir haben dich fest, und du kannst uns nicht entrinnen. Bedenke, daß dein ganzer Körper mit Riemen umschnürt ist, so daß du kein Glied bewegen kannst!«

»Ja; diese Fesselung habe ich dem guten Santer zu verdanken und befinde mich ganz wohl dabei!«

»Du leidest Schmerzen, ich weiß es; aber du gibst es nicht zu. Außer dieser Umschnürung bist du an den Baum festgebunden, und es sitzen bei Tag und bei Nacht vier Krieger hier, dich zu bewachen. Wie willst du entkommen?«

»Das ist meine Sache, geliebter Junge! Jetzt gefällt es mir noch hier; warte also, bis ich fort will; dann könnt ihr mich nicht halten.«

»Wir würden dich frei lassen, wenn du uns sagtest, wohin er gehen wird.«

»Ich sage es aber nicht. Ich weiß schon, wie es geht. Der gute Santer ist so freundlich gewesen, mir die Geschichte zu erzählen, um mir Angst zu machen, was ihm aber nicht gelungen ist. Ihr seid nach dem Nugget-tsil geritten, um Old Shatterhand und Winnetou zu fangen. Lächerlich! Old Shatterhand zu fangen, der mein Schüler ist hihihihi!«

»Aber du, sein Lehrer, hast dich doch von uns fangen lassen?«

»Nur so zum Zeitvertreib. Ich wollte gern einmal einige Tage bei euch sein, weil ich euch so lieb habe, wenn ich mich nicht irre. Also ihr habt den Ritt vergeblich gemacht und bildet euch nun ein, daß Winnetou mit seinen Apachen und Old Shatterhand euch nachlaufen werden. So ein unsinniger Gedanke ist mir doch noch nicht vorgekommen! Heut seht Ihr ein, daß ihr euch verrechnet habt. Sie sind nicht gekommen, und ihr wißt nicht, wo sie stecken. Da soll ich euch nun sagen, wohin Old Shatterhand geritten sein kann. Ihr denkt, daß ich das wissen muß. Und ich will es dir aufrichtig sagen, daß ich es auch weiß.«

»Nun, wohin?«

»Pshaw! Du wirst es sehr bald erfahren, ohne daß ich es dir sage, denn «

Er wurde durch ein lautes Geschrei unterbrochen; ich verstand leider die Worte nicht, aber der Tonfall war so, wie wenn man bei uns hinter einem Flüchtlinge her: “Haltet ihn auf, haltet ihn auf!” ruft, und dazu wurde der Name Winnetou gebrüllt.

»Hörst du, wo sie sind!« rief Hawkens frohlockend. »Wo Winnetou ist, da ist auch Old Shatterhand. Sie sind da sie sind da!«

Das Gebrüll verdoppelte sich im Dorfe, und ich hörte die Indianer laufen. Sie hatten Winnetou gesehen, aber noch nicht erwischt. Das machte mir einen großen Strich durch die Rechnung. Ich sah, daß der Sohn des Häuptlings sich auf der Insel hoch aufrichtete und nach dem Ufer blickte. Dann sprang er in sein Kanoe und rief den vier Wächtern zu:

»Nehmt die Gewehre zur Hand und tötet dieses Bleichgesicht sofort, wenn sich jemand sehen läßt, es zu befreien.«

Dann ruderte er sich dem Ufer zu. Ich hatte Sam schon heut, falls es nur einigermaßen möglich war, losmachen wollen; dies konnte nun freilich nicht geschehen. Selbst wenn ich es hätte wagen wollen, nur mit dem Messer bewaffnet, mit den vier Roten anzubinden, so hätte das seinen augenblicklichen Tod zur Folge gehabt; sie hätten Pida gehorcht und Hawkens ermordet.

Aber da kam mir ein Gedanke, noch viel schneller, als Pida das Ufer erreichen konnte. Er war der Lieblingssohn des Häuptlings. Wenn ich ihn in meine Hand bekam, konnte ich ihn dann gegen Sam auswechseln. Dieser Gedanke war wohl beinahe verrückt, aber das kam in diesem Augenblicke nicht in Betracht. Es galt nur, den jungen Häuptling so, daß es niemand sah, zu ergreifen.

Ein einziger Blick zeigte mir, daß die Situation günstig sei. Winnetou war nach dem Red River zu entflohen, also nach links, während unser Lager sich rechts unten auf der Insel befand. Das war klug von ihm, denn er führte dadurch die Verfolger irre. Von dorther, wohin er floh, erscholl das Geschrei der Roten, die ihm nachrannten, und dorthin hatten die vier Wächter ihre Gesichter gerichtet; sie kehrten mir fast ihre Rücken zu, und weiter war niemand da.

Der Häuptlingssohn erreichte mit seinem Kanoe das Ufer, wollte es anbinden und dann forteilen; er bückte sich. Da tauchte ich bei ihm auf; ein Fausthieb streckte ihn nieder; ich warf ihn ins Kanoe, sprang selbst hinein und ruderte fort, gegen den Strom und hart am Ufer hin. Der tolle Streich war gelungen. Oben im Dorfe gab es keinen Menschen, der auf mich achtete, und die Wächter blickten noch immer in die entgegengesetzte Richtung.

Ich legte mich mit allen Kräften in das Zeug, um möglichst schnell aus dem Bereiche des Dorfes zu kommen; dann, als der Schein der Feuer mich nicht mehr traf, ruderte ich mich an das rechte Ufer des Salt Fork, wo ich den ohnmächtigen Häuptlingssohn in das Gras legte. Dann schnitt ich den Riemen, mit welchem das Kanoe angebunden zu werden pflegte, los, um mit demselben den Gefangenen zu fesseln, und gab dem Kahne einen Stoß, daß er fortschwamm; er sollte nicht zum Verräter an mir werden. Als ich Pidas Arme ihm fest an den Leib gebunden hatte, nahm ich ihn auf die Achsel und trat die Rückkehr nach unserer Insel an.

Das war ein schweres Stück Arbeit, nicht etwa, weil mir die Last, die ich trug, zu schwer wurde, sondern weil er mir nicht gutwillig folgen wollte, als er wieder zu sich gekommen war. Ich mußte ihm öfters mit dem Messer drohen. Seine Waffen hatte ich ihm natürlich abgenommen.

»Wer bist du?« fragte er endlich wütend. »Ein räudiges Bleichgesicht, welches Tangua, mein Vater, schon morgen ergreifen und verderben wird!«

»Dein Vater wird mich nicht ergreifen; er kann ja gar nicht gehen,« antwortete ich.

»Aber er hat unzählige Krieger, welche er nach mir aussenden wird!«

»Eure Krieger verlache ich. Es kann leicht jedem von ihnen so ergehen, wie es deinem Vater ergangen ist, als er es wagte, mit mir zu kämpfen.«

»Uff! Du hast mit ihm gekämpft?«

»Ja.«

»Wo?«

»Da, wo er niederstürzte, als er meine Kugel in beide Beine bekam.«

»Uff, uff! So bist du Old Shatterhand?« fragte er erschrocken.

»Wie kannst du da erst fragen! Ich habe dich doch mit der Faust niedergeschlagen. Wer anders als Winnetou und Old Shatterhand konnten es wagen, mitten in euer Dorf zu dringen und den Sohn des Häuptlings herauszuholen!«

»Uff! So werde ich sterben; aber ihr sollt keinen Laut des Schmerzes aus meinem Munde hören.«

»Wir töten dich nicht. Wir sind keine solchen Mörder wie ihr. Wenn dein Vater die beiden Bleichgesichter herausgibt, welche sich bei euch befinden, lassen wir dich frei.«

»Santer und Hawkens?«

»Ja.«

»Er wird sie herausgeben, denn sein Sohn ist ihm mehr wert als zehnmal zehn Hawkens, und auf Santer wird er gar nicht achten.«

Von jetzt an weigerte er sich nicht mehr, mit mir zu gehen. Die Prophezeiung Winnetous ging in Erfüllung, denn es begann zu regnen, und zwar so sehr, daß es ganz unmöglich für mich war, die Uferstelle zu finden, welche unserer Insel gegenüberlag. Ich suchte also einen recht dicht belaubten Baum auf, um unter demselben entweder das Ende des Regens oder den Anbruch des Tages zu erwarten.

Das war eine sehr langweilige Geduldsprobe. Der Regen wollte nicht aufhören und der Morgen nicht erscheinen. Ich hatte nur den einen Trost, daß ich nässer, als ich war, nicht werden konnte, nämlich bis auf die Haut; aber diese Nässe war so kalt, daß ich zuweilen aufstand, um mich durch freiturnerische Bewegungen zu erwärmen. Mich dauerte der junge Häuptlingssohn, der so still liegen mußte; aber er war viel abgehärteter als damals ich.

Endlich wurden meine beiden Wünsche zu gleicher Zeit erfüllt: der Regen hörte auf, und der Tag begann zu grauen. Aber es lag ein dichter, schwerer Nebel ringsumher. Doch wurde es mir nicht schwer, die Uferstelle zu finden. Ich rief ein lautes Hallo hinüber.

»Halloo!« antwortete sofort die Stimme Winnetous. »Ist’s mein Bruder Shatterhand?«

»Ja.«

»So komm! Warum rufst du erst! Das ist gefährlich.«

»Ich habe einen Gefangenen. Schicke einen guten Schwimmer und einige Riemen herüber!«

»Ich komme selbst.«

Wie freute ich mich darüber, daß er nicht in die Hände der Kiowas gefallen war! Bald sah ich seinen Kopf zwischen Nebel und Wasser erscheinen. Als er an das Ufer trat und den Indianer sah, sagte er erstaunt:

»Uff! Pida, der Sohn des Häuptlings! Wo hat mein Bruder ihn ergriffen?«

»Am Flußufer, nicht weit von Hawkens’ Insel.«

»Hast du Hawkens gesehen?«

»Nein; aber ich hörte ihn mit diesem schnellen “Hirsch” reden. Ich hätte noch mit ihm gesprochen und ihn wohl auch befreit, aber da wurdest du entdeckt, und ich mußte also fort.«

»Es war ein böser Zufall, für den ich nicht konnte. Ich hatte Santers Zelt fast erreicht, da kamen einige Kiowas, welche vorüber wollten. Ich durfte nicht aufspringen und wälzte mich zur Seite. Da blieben sie stehen und sprachen miteinander; dabei fiel das Auge des einen auf mich und sie taten die vier Schritt zu mir hin. Da mußte ich freilich auf und fort. Der Schein der Feuer zeigte ihnen meine Gestalt, und sie erkannten mich. Ich floh aufwärts anstatt abwärts, um sie irre zu führen, schwamm über den Fluß und entkam. Aber Santer habe ich freilich nicht gesehen.«

»Du wirst ihn bald zu sehen bekommen, denn dieser junge Krieger hier ist darauf eingegangen, sich gegen Santer und Sam Hawkens auswechseln zu lassen, und ich bin überzeugt, daß der Häuptling darauf eingehen wird.«

»Uff! Das ist gut; das ist sehr gut! Mein Bruder Shatterhand hat kühn, ja fast tollkühn gehandelt, indem er Pida gefangen nahm, aber es war das Beste, was für uns geschehen konnte.«

Wenn ich gesagt hatte, daß er Santer bald zu sehen bekommen werde, so sollte dies noch viel eher geschehen, als ich gedacht hatte. Wir banden den Gefangenen so an und zwischen uns fest, daß seine Schultern die unserigen berührten und sein Kopf also, obgleich ihm die Arme gebunden waren, über Wasser bleiben mußte; mit den Beinen konnte er uns beim Schwimmen helfen. Dann gingen wir in den Fluß. Pida leistete uns dabei keinen Widerstand, sondern stieß, als wir den Grund unter den Füßen verloren hatten, in gleichem Takte mit den Beinen kräftig aus.

Der Nebel lag so dicht auf dem Wasser, daß wir nicht sechs Manneslängen weit sehen konnten, aber bekanntlich hört man im Nebel um so besser. Wir waren noch gar nicht weit vom Ufer entfernt, da sagte Winnetou:

»Mach leise! Ich habe etwas gehört.«

»Was?«

»Ein Geräusch wie von Rudern, welche in das Wasser getaucht werden, da aufwärts von uns.«

»So bleiben wir halten!«

»Ja; horch!«

Wir machten jetzt nur diejenigen geringen Bewegungen, welche notwendig waren, uns über Wasser zu halten, und verursachten also kein Geräusch. Ja, Winnetou hatte richtig gehört; es kam jemand den Fluß herabgerudert. Er mußte Eile haben, da er trotz des Gefälles, welches der Fluß hier hatte, sich auch noch der Ruder bediente.

Er kam rasch näher. Sollten wir uns sehen lassen oder nicht? Es konnte ein feindlicher Späher sein; vielleicht aber war es vorteilhaft für uns, zu wissen, wer er war. Ich warf Winnetou einen fragenden Blick zu; er verstand denselben und antwortete leise:

»Nicht zurück! Ich will wissen, wer er ist. Er wird uns wohl nicht sehen, weil wir ganz still auf dem Wasser liegen.«

Es stand allerdings zu erwarten, daß wir unbemerkt bleiben würden, denn wir hatten ja nur die Köpfe über Wasser. Wir schwammen also nicht zurück. Pida war ebenso gespannt wie wir; er hätte uns durch einen Hilferuf verraten können, tat dies aber nicht, weil er wußte, daß ihm ohnedies die Freiheit sicher war.

Jetzt war uns der Ruderschlag ganz nahe, und ein indianisches Kanoe tauchte aus dem Nebel auf. In diesem saß wer? Wir hatten still bleiben wollen, aber als Winnetou den Mann erblickte, stieß er den lauten Ruf aus:

»Santer! Er entflieht!«

Mein sonst so ruhiger Freund wurde durch das so plötzliche Erscheinen seines Todfeindes so aufgeregt, daß er die Arme und Beine mit aller Gewalt ausstieß, um auf das Kanoe zuzuschwimmen, wurde aber dadurch zurückgehalten, daß er mit uns oder vielmehr mit Pida zusammengebunden war.

»Uff! Ich muß los; ich muß hin, muß ihn haben!« rief er, indem er sein Messer zog und den Riemen zerschnitt, mit welchem er an Pida hing.

Santer hatte natürlich den Ausruf Winnetous gehört; er richtete sein Gesicht sofort zu uns herüber und sah uns.

»Thousand devils!« schrie er erschrocken auf. »Da sind ja diese «

Er hielt inne. Der Ausdruck des Schreckes wich aus seinem Gesicht und machte dem der Schadenfreude Platz; er hatte unsere Situation erkannt, warf das Ruder ins Kanoe, griff nach seinem Gewehre, richtete es auf uns und rief:

»Eure letzte Wasserpartie, ihr Hunde!«

Er drückte glücklicherweise grad in dem Augenblicke los, in welchem sich Winnetou von uns freigemacht hatte und mit gewaltigen Stößen auf das Boot zuschoß; dadurch erhielt ich mit Pida einen Ruck, welcher uns von dem Punkte, nach welchem Santer gezielt hatte, entfernte, und die Kugel ging fehl.

Das was ich jetzt von Winnetou sah, war kein Schwimmen, sondern viel eher ein auf dem Wasser Hinschnellen zu nennen. Er hatte sein Messer zwischen die Zähne genommen und flog auf den Feind in weiten Sätzen zu, wie ein ricochettierender Stein, den man flach gegen das Wasser wirft. Santer hatte im zweiten Lauf noch einen Schuß, hielt dem Apachen die Mündung entgegen und rief hohnlachend:

»Komm her, verdammte Rothaut! Ich schicke dich zum Teufel!«

Er glaubte, leichtes Spiel zu haben und nur losdrücken zu brauchen, hatte sich aber in Winnetou geirrt, denn dieser tauchte sofort unter, um von unten an das Kanoe zu kommen und es umzustürzen. Wenn ihm dies gelang, so konnte dem in das Wasser stürzenden Santer sein Gewehr nichts mehr helfen, und es mußte zu einem Ringkampf kommen, in welchem der gewandte Apache jedenfalls Meister blieb. Das sah er ein, legte die Büchse schnell weg und ergriff das Ruder wieder. Es war die höchste Zeit für ihn gewesen, denn kaum hatte er es in Bewegung gesetzt, so kam Winnetou an der Stelle empor, an welcher sich das Kanoe im vorhergehenden Augenblicke befunden hatte. Santer gab den Angriff auf, brachte sich durch einige kräftige Ruderschläge aus der gefährlichen Nähe seines ergrimmten Feindes und schrie:

»Hast du mich, Hund? Ich heb’ die Kugel auf fürs nächste Wiedersehen!«

Winnetou arbeitete mit allen Kräften, ihn doch noch zu erreichen, doch vergeblich. Kein Schwimmer, und wäre er der erste Champion der Welt, kann ein Boot einholen, welches durch Ruder im reißenden Wasser abwärts getrieben wird.

Der ganze Vorgang hatte sich in Zeit von kaum einer halben Minute abgespielt, und doch erschienen, als Santer eben im Nebel wieder verschwand, schon einige Apachen, welche die lauten Rufe und den Schuß gehört hatten und sofort von der Insel in das Wasser gesprungen waren, um uns zu Hilfe zu kommen. Ich rief sie zu mir, um mir zu helfen, Pida nach der Insel zu bringen. Als wir diese erreichten und ich den Kiowa von mir losbinden ließ, gebot Winnetou seinen Leuten:

»Meine roten Brüder mögen sich alle schnell fertig machen! Santer ist soeben in einem Kanoe den Fluß hinunter, und wir müssen ihm nach.«

Er war so aufgeregt, wie ich ihn noch nicht gesehen hatte.

»Ja, wir müssen ihm nach, augenblicklich nach,« stimmte ich bei. »Aber was wird aus Sam Hawkens und unsern beiden Gefangenen?«

»Die überlasse ich dir,« antwortete er.

»So soll ich hier bleiben?«

»Ja. Ich muß diesen Santer, den Mörder meines Vaters und meiner Schwester, haben; du aber bist verpflichtet, Sam Hawkens, der dein Gefährte ist, zu befreien; wir müssen uns also trennen.«

»Auf wie lange?«

Er überlegte nur einige Augenblicke und sagte dann:

»Wann wir uns wiedersehen werden, das weiß ich jetzt nicht. Des Menschen Wunsch und Wille ist dem großen Geist untertan. Ich glaubte, länger bei meinem Bruder Shatterhand sein zu können, doch Manitou hat jetzt plötzlich dagegen gesprochen; er will es anders haben. Weißt du, warum Santer fort ist?«

»Ich kann es mir denken. Wir sind nicht in die uns gestellte Falle gegangen, und man hat dich gestern abend gesehen. Man weiß also, daß wir hier sind und nicht ruhen werden, bis wir Santer ergriffen und Hawkens befreit haben. Da hat Santer Angst bekommen und sich aus dem Staube gemacht.«

»Ja; aber es kann sogar noch anders sein. Der Sohn des Häuptlings ist verschwunden, und dies bringen die Kiowas natürlich mit unserm Erscheinen in Verbindung; sie nehmen an, daß er in unsere Hände geraten ist. Darüber ist Tangua ergrimmt und hat seinen Zorn an Santer, der an allem schuld ist, ausgelassen und ihn fortgejagt.«

»Auch das ist wahrscheinlich. Santer wird haben hören müssen, daß ihm die Kiowas keinen Schutz mehr gewähren.«

»Und warum hat er den Wasserweg gewählt und auf sein Pferd verzichtet?«

»Aus Furcht vor uns. Er hatte Sorge, auf uns zu treffen, und wenn dies auch nicht geschah, so konnten wir seine Fährte entdecken und ihr folgen. Darum ist er im Kanoe fort, welches er wohl gegen sein Pferd ertauscht hat. Er ahnte natürlich nicht, daß wir uns hier auf der Insel befinden und gerade durch seine Vorsicht zur Kenntnis seiner Flucht gelangen würden. Nun er uns gesehen hat, weiß er, daß wir ihm folgen werden, und wird tüchtig rudern, um schnell fortzukommen. Glaubst du, daß ihr ihn zu Pferde einholen könnt?«

»Es ist schwer, aber doch möglich. Wir müssen die Windungen des Flusses abschneiden.«

»Das geht aber nicht. Ich mache meinen Bruder Winnetou darauf aufmerksam, daß dies ein Fehler sein würde.«

»Warum?«

»Weil er leicht auf den Gedanken kommen kann, den Fluß zu verlassen und die Flucht zu Lande fortzusetzen; da ist die Gewißheit, euch zu entgehen, größer. Da ihr nun nicht wißt, nach welcher Seite er in diesem Falle aus dem Wasser geht, so müßt ihr euch teilen, um dem Red River auf beiden Ufern zu folgen.«

»Mein Bruder hat recht. Wir werden das tun, was er gesagt hat.«

»Ihr müßt dabei sehr aufmerksam sein, damit euch die Stelle, an welcher er landet, nicht entgehe, und das erfordert leider Zeit. Auch könnt ihr die Krümmungen nicht abschneiden, denn was für das eine Ufer eine Ausbiegung ist, das ist für das andere eine Einbiegung, und während die eine Abteilung von euch einen Bogen abschnitte, würde die andere am gegenüberliegenden Ufer einen desto größeren Umweg zu machen haben, und ihr kämet infolgedessen auseinander.«

»Es ist so, wie mein Bruder sagt, und wir sind also gezwungen, allen Krümmungen des Flusses zu folgen. Da dürfen wir jetzt keine Minute versäumen.«

»Wie gern würde ich mit euch reiten; aber es ist wirklich meine Pflicht, für Sam Hawkens zu sorgen; ich darf ihn nicht verlassen.«

»Ich werde nie etwas von dir wünschen, was gegen deine Pflicht ist. Du darfst nicht mit. Aber wenn der große Geist es will, werden wir uns in einigen Tagen wiedersehen.«

»Wo?«

»Wenn du von hier fortreitest, so richte deinen Weg nach dem Zusammenflusse dieses Stromes hier mit dem Rio Bosco de Natchitoches. Da, wo der vereinte Strom beginnt, am linken Ufer desselben, wirst du einen meiner Krieger finden, falls ein Zusammentreffen möglich ist.«

»Und wenn ich keinen Krieger dort sehe?«

»Da bin ich noch hinter Santer her und weiß nicht, wohin er flieht, kann dir also auch nicht sagen lassen, wohin du kommen sollst. Dann reise mit deinen drei Gefährten nach St. Louis zu den Bleichgesichtern, welche den Pfad des Feuerrosses bauen wollen. Aber ich bitte dich, zu uns zurückzukehren, sobald der gute Manitou es dir erlaubt. Du bist im Pueblo am Rio Pecos stets willkommen, und sollte ich nicht dort sein, so wirst du erfahren, wo ich zu finden bin.«

Während dieses unseres Gespräches hatten seine Apachen sich zum Ritte bereit gemacht. Er gab Dick Stone und Will Parker die Hand, um sich von ihnen zu verabschieden, und wendete sich dann mir wieder zu:

»Mein Bruder weiß, wie froh unsere Herzen waren, als wir unsern Ritt am Rio Pecos begannen; er hat Intschu tschuna und Nscho-tschi den Tod gebracht. Wenn du einst zu uns zurückkehrst, wirst du nicht die Stimme der schönsten Tochter der Apachen hören, welche anstatt nach den Städten der Bleichgesichter in das Land der Abgeschiedenen gegangen ist. Nun treibt mich die Rache fort von dir, aber die Liebe wird dich wieder zu uns führen. Ich wünsche sehr, daß ich dir unten an der Mündung des Rio Bosco Nachricht geben kann; sollte dies aber nicht der Fall sein, so verweile dich nicht allzu lange in den Städten des Ostens, sondern kehre recht bald zu mir zurück. Du weißt, wen du mir zu ersetzen hast. Willst du mir versprechen, bald zu kommen, mein lieber, lieber Bruder Scharlih?«

»Ich verspreche es dir. Mein Herz geht mit dir, mein lieber Bruder Winnetou. Du weißt, welches Versprechen ich dem sterbenden Klekih-petra gegeben habe; ich werde es halten.«

»So leite der gute Manitou alle deine Schritte und beschütze dich auf allen deinen Wegen. Howgh!«

Er umarmte und küßte mich, gab seinen Leuten einen kurzen Befehl und stieg auf sein Pferd, um es in das Wasser zu treiben. Der Befehl hatte zur Folge, daß seine Apachen sich teilten; die eine Abteilung schwamm nach dem rechten und Winnetou mit der andern nach dem linken Ufer des Flusses. Ich blickte meinem Winnetou nach, bis er im Nebel verschwand. Es war mir, als sei ein Teil meines eigenen Ich von mir gegangen, und auch ihm war der Abschied schwer geworden.

Stone und Parker sahen mir an, wie wehmütig ich gestimmt war. Der erstere meinte in seiner geraden, treuherzigen Weise:

»Laßt’s Euch nicht so zu Herzen gehen, Sir! Wir werden die Apachen schon bald wieder erwischen. Wir reiten ihnen ja nach, sobald Sam frei ist. Wollen darum mit der Auswechslung unserer Gefangenen nicht lange warten. Wie denkt Ihr wohl, wie wir es anzufangen haben.«

»Laßt mich erst Eure Ansicht hören, lieber Dick. Ihr seid erfahrener als ich.«

Er streichelte sich, von diesem Lobe geschmeichelt, den Bart und erklärte:

»Ich halte es für das Einfachste, den gefangenen Kiowa jetzt gleich zu Tangua zu senden und ihm mitteilen zu lassen, wo sich sein Sohn befindet und unter welcher Bedingung er freigegeben werden soll. Was meinst du dazu, alter Will?«

»Hm!« brummte Parker. »Hast noch niemals so einen dummen Gedanken gehabt wie eben jetzt.«

»Dumm? Ich? Alle Wetter! Wieso dumm?«

»Wenn wir sagen, wo wir stecken, so schickt Tangua seine Leute her, und diese nehmen uns Pida ab, ohne daß wir Sam dafür herausbekommen. Ich würde es anders machen.«

»Wie denn?«

»Wir machen uns hier von der Insel fort und ein gutes Stück in die Prairie hinein, wo wir freie Gegend haben, die wir überblicken können. Dann schicken wir den Kiowa ins Dorf und stellen die Bedingung, daß nur zwei Krieger, mehr ja nicht, kommen sollen, um uns Sam zu bringen, wofür sie dann Pida mitnehmen dürfen. Kommen mehr Leute als nur zwei, etwa um uns zu überwältigen, so sehen wir sie von weitem und können uns salvieren. Meint Ihr nicht, daß dies das Beste ist, Sir?«

»Ich möchte noch sicherer gehen und gar keinen Boten senden,« antwortete ich.

»Keinen Boten? Aber wie soll da Tangua erfahren, daß sein Sohn «

»Er erfährt es ja,« unterbrach ich ihn.

»Durch wen?«

»Durch mich.«

»Durch Euch? Wollt Ihr etwa selbst ins Dorf?«

»Ja.«

»Das laßt bleiben, Sir! Das ist ein gefährliches Ding. Man würde Euch sofort festnehmen.«

»Glaube es nicht.«

»Ganz gewiß ganz gewiß!«

»Dann wäre Pida verloren. Ich habe nicht Lust, von zwei Gefangenen den einen als Boten zu schicken und dadurch einen Geisel zu verlieren.«

»Das ist freilich richtig; aber warum wollt Ihr es sein, der in das Dorf geht? Ich kann es doch auch machen!«

»Ich glaube gern, daß Ihr den Mut dazu besitzet, halte es aber für besser, wenn ich selbst mit Tangua spreche.«

»Bedenkt aber, welche Wut er auf Euch hat! Wenn ich zu ihm komme, geht er wohl eher auf unsere Bedingung ein, als wenn er sich über Euern Anblick ärgern muß.«

»Grad darum will ich selber zu ihm. Er soll sich ärgern; er soll wütend darüber sein, daß ich es wage, zu ihm zu kommen, ohne daß er mir etwas anhaben darf. Wenn ich einen andern schicke, denkt er vielleicht, daß ich mich vor ihm fürchte, und in einen solchen Verdacht will ich doch nicht kommen.«

»So macht, was Ihr wollt, Sir! Wo bleiben wir inzwischen? Hier auf der Insel? Oder suchen wir uns eine andere, eine bessere Stelle?«

»Es gibt keine bessere.«

»Well! Aber wehe unsern Gefangenen, wenn Euch im Dorfe etwas geschieht! Wir würden in diesem Falle keinen Pardon geben. Wann werdet Ihr aufbrechen?«

»Heute abend.«

»Erst? Ist das nicht zu spät? Wenn es gut geht, kann die Auswechslung bis Mittag geschehen sein, und wir eilen dann hinter Winnetou her.«

»Und die Kiowas folgen uns in Masse und löschen uns aus!«

»Meint Ihr?«

»Ja. Tangua wird uns Sam gern geben, um seinen Sohn wieder zu bekommen; dann aber, wenn er ihn hat, wird er alles aufbieten, sich an uns zu rächen. Darum soll die Auswechslung am Abend geschehen, und dann reiten wir fort, um während der Nacht, wo man uns nicht folgen kann, einen tüchtigen Vorsprung zu bekommen. Daß wir bis zum Abend warten, ist auch schon deshalb besser, weil die Angst des Häuptlings um seinen Sohn bis dahin immer größer wird. Das wird ihn gefügiger machen.«

»Das ist wahr. Aber wenn man uns vorher hier entdeckt, Mr. Shatterhand?«

»So ist es auch nicht schlimm.«

»Es wird natürlich nach Pida gesucht werden, und da kommen die Roten vielleicht auch nach der Insel!«

»Nach der Insel nicht; aber am Ufer werden wir sie sehen. Da müssen sie Winnetous Fährte entdecken und werden denken, daß wir mit Pida fort sind. Das wird Tangua in noch größere Sorge versetzen. Horch!«

Es erklangen menschliche Stimmen. Der Nebel begann sich zu heben, und wir konnten die Ufer sehen. Dort standen mehrere Kiowas, welche sich laut ihre Ansichten über die Pferdespuren, die sie eben entdeckt hatten, mitteilten; dann verschwanden sie schnell, ohne nur einen Blick herüber nach der Insel geworfen zu haben.

»Sie sind fort; sie schienen es sehr eilig zu haben,« sagte Dick Stone.

»Jedenfalls sind sie nach dem Dorfe, um Tangua von der Fährte zu benachrichtigen. Er wird sofort einen Reitertrupp schicken, welcher der Spur folgen soll.«

Diese Prophezeiung bestätigte sich nach nicht ganz zwei Stunden. Es kam eine Reiterschar drüben am Flusse herunter, setzte sich auf die Fährte und jagte dann auf derselben fort. Daß diese Kiowas Winnetou einholen würden, war nicht zu befürchten, da er wenigstens dieselbe Schnelligkeit wie sie zu entwickeln hatte.

Es ist selbstverständlich, daß wir drei leise gesprochen hatten; die Gefangenen brauchten nicht zu hören, was wir einander sagten. Sie hatten auch nicht gesehen, was am Ufer geschah, denn sie lagen gebunden hinter Sträuchern im Grase.

Am Vormittage machte die Sonne uns die Freude, recht warm auf uns herabzuscheinen; das machte nicht nur unsern Lagerplatz, sondern auch uns selbst trocken, und erhöhte die Behaglichkeit, mit welcher wir uns bis zum Abend der Ruhe hingaben.

Kurz nach Mittag sahen wir einen Gegenstand geschwommen kommen, welcher seine Richtung nach der Insel nahm und von dem nieder in das Wasser hängenden Gesträuch derselben festgehalten wurde. Es war ein Kanoe, in welchem ein Paddelruder lag; der Riemen, mit welchem es der Besitzer anzubinden pflegte, war abgeschnitten. Es war also das Kanoe, in welchem ich Pida entführt hatte; es war aus dem Salt Fork in den Red River getrieben und wohl nur deshalb so spät zur Insel gekommen, weil es unterwegs auch irgendwo hängen geblieben war. Da es mir sehr willkommen kam, zog ich es auf die Insel, um mich am Abend seiner zu bedienen; ich brauchte mich da nicht durch das Ueberschwimmen des Flusses wieder zu durchnässen.

Sobald es dunkel geworden war, schob ich das Boot wieder in das Wasser und ruderte mich flußauf; Stone und Parker gaben mir ihre besten Wünsche mit. Ich sagte ihnen, daß sie sich erst dann um mich beunruhigen sollten, wenn ich am nächsten Morgen nicht zurückgekehrt sein würde.

Es ging langsam gegen den Strom, so daß ich erst nach einer Stunde aus dem Red River in den Salt Fork lenkte. Als ich in der Nähe des Dorfes angekommen war, ruderte ich mich an das Ufer und band das Kanoe, welches ich mit einem Riemen versehen hatte, an einen Baum.

Ich sah wieder, wie gestern, die Feuer brennen, die Männer an denselben sitzen und die Frauen geschäftig hin und her laufen. Ich hatte geglaubt, daß das Dorf heut scharf bewacht sein werde, fand aber, daß dies nicht der Fall war. Die Kiowas hatten die Fährte der Apachen gefunden und ihnen Krieger nachgesandt, glaubten sich also in Sicherheit.

Tangua saß auch heut vor seinem Zelte, hatte aber nur die zwei jüngeren Söhne bei sich. Er hielt den Kopf gesenkt und starrte düster in das Feuer. Ich befand mich heut auf dem linken Ufer des Salt Fork, an welchem das Dorf lag, schlich mich im rechten Winkel von dem Flusse fort und dann hinter den Zelten hinauf, bis dasjenige des Häuptlings vor mir lag. Ich hatte Glück, denn es war kein Mensch in der Nähe, der mich hätte entdecken können. Da legte ich mich auf den Boden nieder und kroch nach der hinteren Seite des Zeltes. Dort angekommen, hörte ich den tiefen, monotonen Klagegesang des Häuptlings; er trauerte in dieser indianischen Weise um den Verlust seines Lieblingssohnes. Nun kroch ich um das Zelt, nach der andern Seite, richtete mich auf und stand plötzlich neben dem Häuptling.

»Warum singt Tangua die Töne der Klage?« fragte ich. »Ein tapferer Krieger soll doch keinen Laut der Klage hören lassen; das Jammern ist nur für die alten Squaws.«

Es läßt sich gar nicht beschreiben, wie mein Erscheinen ihn erschreckte. Er wollte sprechen, brachte aber kein Wort heraus; er wollte aufspringen, mußte aber seiner verletzten Kniee wegen sitzen bleiben. Er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen wie ein Gespenst an und stammelte endlich:

»Old Old Shat Shat uff, uff, uff! wie kommst wo bist Ihr seid noch da nicht fort?«

»Wie du siehst, ich bin noch da. Ich bin gekommen, weil ich mit dir zu reden habe.«

»Old Shatterhand!« brachte er endlich meinen Namen ganz heraus.

Als seine beiden Knaben ihn hörten, flohen sie in das Zelt.

»Old Shatterhand!« wiederholte er, noch immer unter dem Eindrucke des Schreckens; dann jedoch nahm sein Gesicht den Ausdruck der Wut an und er schrie, gegen die anderen Zelte gerichtet, irgend einen Befehl, den ich nicht verstand, weil er sich seines Dialektes bediente; doch kam mein Name dabei vor.

Einen Augenblick später gab es im Dorfe ein Wutgeheul, daß ich glaubte, die Erde zittere unter meinen Füßen, und was an Kriegern anwesend war, kam mit geschwungener Waffe auf uns zugerannt. Da zog ich mein Messer und schrie Tangua in das Ohr:

»Soll Pida erstochen werden? Er schickt mich zu dir!«

Er verstand meine Worte trotz des Geheules seiner Leute und erhob die eine Hand. Eine Bewegung derselben genügte, und es trat Stille ein; aber die Kiowas umringten uns. Wenn es nach den Blicken ging, mit welchen sie mich verschlingen zu wollen schienen, so kam ich nicht lebendig von hier fort. Ich setzte mich zu Tangua nieder, sah ihm ruhig in das vor Erstaunen über meine Kühnheit starre Gesicht und sagte:

»Es herrscht Todfeindschaft zwischen mir und Tangua; ich bin nicht schuld daran, habe aber auch nichts dagegen; mir ist es sehr gleich, ob ich mit meinen Freunden einen seiner Krieger oder seinen ganzen Stamm verderben soll. Ob ich mich vor ihm fürchte, mag er daraus ersehen, daß ich mich jetzt mitten in sein Dorf begeben habe, um mit ihm zu reden. Wir wollen es kurz machen: Pida befindet sich in unseren Händen und wird an einem Baume aufgehängt, wenn ich nicht zur bestimmten Zeit zurückgekehrt bin.«

Kein Wort, keine Bewegung der rundum stehenden Roten, von denen ich viele erkannte, verriet den Eindruck, welchen meine Worte machten. Die Augen des Häuptlings funkelten vor Wut darüber, daß er mir, ohne das Leben seines Sohnes zu gefährden, nichts anhaben konnte. Er stieß zwischen knirschenden Zähnen die Frage hervor:

»Wie wie ist er in eure Gewalt geraten?«

»Ich war gestern dort an der Insel, als er mit Sam Hawkens sprach, und habe ihn niedergeschlagen und mitgenommen.«

»Uff! Old Shatterhand ist der Liebling des bösen Geistes, der ihn abermals beschützt hat. Wo befindet sich mein Sohn?«

»An einem sicheren Orte, den du jetzt nicht erfahren wirst; er mag ihn dir später selber sagen. Aus diesen meinen letzten Worten wirst du ersehen, daß ich nicht die Absicht habe, Pida zu töten. Wir haben auch noch einen andern Kiowa bei uns, den wir gefangen nahmen; ich zog ihn aus dem Dorngebüsch hervor, in welchem er uns belauschte. Er soll mit deinem Sohne frei sein, wenn du mir Sam Hawkens dafür gibst.«

»Uff! Du sollst ihn haben. Bring nur erst Pida und den andern Kiowakrieger!«

»Bringen? Fällt mir nicht ein! Ich kenne Tangua und weiß, daß ihm nicht zu trauen ist. Ich gebe zwei für einen, bin also außerordentlich billig und gütig gegen euch. Dafür muß ich fordern, daß ihr euch jeder Hinterlist enthaltet.«

»Beweise mir vorher, daß Pida wirklich bei euch ist!«

»Beweisen? Was fällt dir ein! Ich sage es, und so ist es wahr. Old Shatterhand ist kein Tangua. Laß mich Sam Hawkens sehen! Er wird nicht mehr unten auf der Insel sein, wo ihr ihn nicht mehr für sicher haltet. Ich muß mit ihm reden.«

»Was willst du reden?«

»Ich will aus seinem Munde wissen, wie es ihm bei euch ergangen ist. Danach wird sich das weitere richten.«

»Ich muß mich da vorher mit meinen ältesten Kriegern beraten. Entferne dich bis zum nächsten Zelte; dann wirst du erfahren, was wir zu tun gedenken.«

»Gut! Aber macht es kurz, denn wenn ihr mich aufhaltet und ich nicht zur bestimmten Zeit zurückgekehrt bin, wird Pida aufgehängt.«

Aufgehängt zu werden, ist der schmachvollste Tod für einen Roten. Man kann sich denken, wie wütend Tangua war! Ich ging zum nächsten Zelte und setzte mich dort nieder, natürlich auch da grad so von Kriegern umringt wie vorher. Tangua rief seine alten Leute zu sich und beriet sich mit ihnen. Es brannte in jedem auf mich gerichteten Auge ein Feuer, welches nur aus Rücksicht auf Pida nicht verderblich wurde. Dabei bemerkte ich freilich auch, daß meine Furchtlosigkeit allgemein imponierte.

Nach einiger Zeit schickte der Häuptling einen Roten fort; dieser verschwand in einem Zelte und brachte dann meinen kleinen Sam aus demselben geführt. Ich sprang auf und ging ihm entgegen. Als er mich erblickte, rief er jubelnd:

»Heigh-day, Old Shatterhand! Habe es ja gesagt, daß Ihr unbedingt kommen würdet! Wollt wohl Euern alten Sam wieder haben?«

Er hielt mir die gefesselten Hände entgegen, um mich zu begrüßen.

»Ja,« antwortete ich ihm, »das Greenhorn ist gekommen, um euch das Zeugnis zu geben, daß Ihr der größte Meister im Anschleichen seid, wie Ihr bewiesen habt. Man mag Euch sagen, was man will, Ihr rennt doch immer nach der verkehrten Seite!«

»Macht mir Eure Vorwürfe später, mein heißgeliebter Sir, und sagt mir lieber, ob meine Mary noch vorhanden ist.«

»Sie ist bei uns.«

»Und die Liddy?«

»Der Schießprügel? Den haben wir auch gerettet.«

»Dann ist ja alles, alles gut, wenn ich mich nicht irre. Kommt, laßt uns machen, daß wir von hier fortkommen! Es ist beinahe langweilig hier.«

»Geduld, Geduld, bester Sam! Ihr tut ja, als ob es gar nichts auf sich hätte und das reine Kinderspiel wäre, hierher zu kommen und Euch loszumachen.«

»Das ist es auch, Kinderspiel, aber nur für Euch. Möchte wissen, was Ihr nicht fertig brächtet. Würdet mich sogar vom Monde herunterholen, wenn ich mich hinauf verlaufen hätte hihihihi!«

»Lacht nur immer! Ich merke daraus, daß es Euch nicht allzu schlecht ergangen ist.«

»Schlecht? Was fällt Euch ein! Gut habe ich es gehabt, außerordentlich gut! Jeder Kiowa hat mich wie sein eigenes Kind geliebt; ich bin vor lauter Liebkosungen, Herzen und Küssen gar nicht zu Verstand gekommen; wie eine Braut haben sie mich gefüttert, und wenn ich schlafen wollte, brauchte ich mich gar nicht erst niederzulegen, denn ich lag überhaupt stets auf dem Rücken.«

»Hat man Euch ausgebeutelt?«

»Allerdings. Die Taschen sind mir leer gemacht worden.«

»Werdet alles wiederbekommen, falls es noch da ist. Die Beratung scheint zu Ende zu sein.«

Ich erklärte dem Häuptlinge, daß ich nun nicht mehr länger warten dürfe, wenn sein Sohn am Leben bleiben solle, und es begann nun eine zwar kurze, aber außerordentlich energische Verhandlung, aus welcher ich als Sieger hervorging, weil ich nicht im geringsten nachgab und der Häuptling Angst um seinen Sohn hatte. Die Schlußbestimmung war, daß vier bewaffnete Krieger in zwei Kanoes mich und Sam begleiten und unsere beiden Gefangenen in Empfang nehmen sollten. Für den Fall, daß uns noch mehrere Kiowas heimlich folgen sollten, drohte ich mit Pidas Tode.

Es war eigentlich viel von mir verlangt, mir Sam mitzugeben; ich konnte doch den vier uns begleitenden Indianern ein Schnippchen schlagen; aber man glaubte meinen Worten und hat Old Shatterhand auch später stets geglaubt. Wohin wir rudern würden, das sagte ich natürlich nicht. Als dem kleinen Sam die Hände entfesselt worden waren, warf er die kurzen Arme in die Luft und rief:

»Frei, wieder frei! Das werde ich Euch nie vergessen, Sir! Und werde auch nie wieder nach links hinaufrennen, wenn Eure gesegneten Beine nach rechts hinunterlaufen.«

Als wir uns zum Gehen anschickten, gab es hier und dort ein zorniges Gemurmel. Die Indsmen ärgerten sich doch gewaltig, daß sie den Gefangenen und sogar mich fortlassen mußten, und Tangua zischte mir noch zu:

»Bis zur Rückkehr meines Sohnes bist du sicher; dann aber wird der ganze Stamm hinter dir her sein und dich verfolgen. Wir werden deine Spur finden und dich ergreifen, und wenn du durch die Luft davonreiten solltest!«

Ich hielt es nicht für nötig, auf diese bissige Drohung eine Antwort zu geben, und führte Sam und die vier Kiowas nach dem Flusse, wo wir je zwei und zwei, ich natürlich mit Sam, in ein Kanoe stiegen. Von dem Augenblicke an, wo wir vom Ufer stießen, folgte uns ein Geheul, bis wir so weit fort waren, daß wir es nicht mehr hören konnten.

Während ich steuerte, mußte ich Sam erzählen, was seit seiner Gefangennahme geschehen war. Er bedauerte es, daß Winnetou sich hatte von uns trennen müssen, beklagte es aber auch nicht allzu sehr, weil er sich vor den Vorwürfen des Apachen gefürchtet hatte.

Wir landeten trotz der Dunkelheit glücklich an der Insel und wurden von Dick Stone und Will Parker jubelnd in Empfang genommen. Sie waren sich erst nach meiner Entfernung der Größe meines Wagnisses recht bewußt geworden.

Wir lieferten die beiden Gefangenen ab, die uns kein Wort des Abschiedes sagten, und warteten, bis wir die Ruderschläge der zurückkehrenden Kanoes nicht mehr hörten; dann stiegen wir auf unsere Pferde und lenkten sie nach der linken Seite des Flusses hinüber. Es galt, in dieser Nacht einen tüchtigen Ritt zu tun, und da war es gut, daß Sam die Gegend leidlich kannte. Er richtete sich auf seiner Mary im Sattel auf, erhob die Faust, nach rückwärts drohend, und sagte:

»Jetzt stecken sie da droben die Köpfe und die Schädel zusammen, um zu beraten, wie sie uns wieder in ihre Vorderfüße bekommen. Sollen sich wundern! Sam Hawkens ist nicht wieder so dumm, in einem Loche stecken zu bleiben, aus welchem ihn ein Greenhorn herausziehen muß. Mich fängt kein Kiowa wieder, wenn ich mich nicht irre!«

Gesammelte Wildwestromane & Geschichten von Karl May

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