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2. Geräusche in der Nacht

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„Papa, hast du das gehört?“

Primo schreckt aus dem Schlaf. „Hmwas?“

Nano steht neben dem Bett. „Da war so ein Wumms.“

Primo lauscht in die Dunkelheit, doch nur das gleichmäßige Atmen von Golina neben ihm ist zu hören. „Leg dich wieder schlafen, mein Sohn“, sagt er. „Du hast das bestimmt nur geträumt.“

„Aber das war kein Traum. Ich habe es ganz genau gehört. Es hat Wumms gemacht.“

„Vielleicht war es ein Knallschleicher, der von einem Knochenmann angegriffen wurde. Das passiert manchmal, und dann explodieren sie. Ist nicht schlimm.“

„Ja, Papa. Gute Nacht.“

„Gute Nacht, mein Sohn.“

Doch es wird keine gute Nacht mehr. Primo kann nicht wieder einschlafen. Er muss an Artrax denken. Der böse Enderman hat sich lange nicht blicken lassen, doch es ist kaum vorstellbar, dass seine Wut auf die Dorfbewohner und besonders auf Primo nachgelassen hat. Was mag sein Erzfeind planen?

Ein dumpfer Knall wie aus weiter Ferne lässt ihn hochschrecken. Paul reckt den Kopf und knurrt leise.

„Hast du es diesmal gehört, Papa?“, fragt Nano.

„Ja, mein Sohn. Mach dir keine Sorgen. Es ist bestimmt nichts.“

Dennoch steht Primo auf, legt so leise wie möglich seine Rüstung an und tritt mit gezogenem Schwert und in Begleitung seines Wolfs aus dem Haus. Falls Artrax erneut mit einer Armee von Knallschleichern das Dorf angreift, ist er bereit, für die Sicherheit der Dorfbewohner zu kämpfen.

Draußen ist alles ruhig. Die Sterne ziehen langsam über den Himmel, und mit ihnen ein fahler, rechteckiger Mond. Ein Nachtwandler stöhnt in der Ferne, doch kein Monster scheint sich ins Dorf zu wagen.

Primo geht zu Asimov, der wie üblich die Dorfstraße entlang patrouilliert. Mina, die Katze, faucht bei Pauls Anblick. Zum Glück ignoriert der Wolf sie und schnüffelt stattdessen am Boden.

„Hast du das auch gehört?“, fragt Primo.

„Meinst du das Knirschen deiner Schritte im Kies? Das Fauchen der Katze? Das Stöhnen der Nachtwandler? Das Schnüffeln des Wolfs? Das leise Rascheln des Winds im Laub?“, erwidert Asimov. „Ich höre viel, wenn die Nacht lang ist.“

Wumms, erklingt von irgendwo ein dumpfer Knall. Der Boden bebt leicht. Erschrocken sieht sich Primo um, doch er kann keine Ursache erkennen.

„Das meinte ich“, erklärt er.

„Ja“, sagt Asimov.

„Was, ja?“

„Ja, das habe ich gehört.“

„Was war das?“, fragt Primo.

„Ein Geräusch“, stellt Asimov fest.

„Ach, wirklich?“

Primo zuckt mit den Schultern und wandert durchs Dorf, doch nirgendwo sind Anzeichen einer Gefahr zu erkennen. Trotzdem ist er beunruhigt. Er beschließt, auf den Kirchturm zu klettern, um von dort oben Ausschau zu halten. Leise öffnet er die Tür zur Kirche, um Magolus nicht zu wecken. Der Priester schnarcht laut, während Primo die Leiter hinaufklettert.

Vom Turm aus hat er einen guten Überblick über das Dorf und die umgebenden Wiesen. Er sieht einige Spinnen, die mit rot glimmenden Augen in der Nacht herumwuseln, den einen oder anderen Knochenmann und Nachtwandler und sogar einen Knallschleicher. Doch nichts deutet darauf hin, dass irgendetwas an dieser Nacht ungewöhnlich ist.

Wumms!

Primo erschrickt. Der Turm hat leicht gewackelt. Doch es ist immer noch keine Ursache für die Knallerei zu erkennen.

Paul, der unten vor der Kirchentür gewartet hat, knurrt und winselt plötzlich. Er schnüffelt am Boden, dann kratzt er mit der Pfote im Kies und fängt an, zu bellen.

„Paul, aus!“, ruft Primo vom Kirchturm herab. „Ruhe! Lass das! Pfui!“

Doch der Wolf kläfft nur noch lauter. Hastig klettert Primo die Leiter herab. Als er unten ankommt, blickt er in Magolus‘ verärgertes Gesicht.

„Was machst du hier mitten in der Nacht in meiner Kirche?“

„Ich hab ein Geräusch gehört, und da dachte ich, ich seh‘ mal nach ...“

„Wenn du dein kläffendes Vieh suchst, es ist draußen vor der Kirche!“, schimpft Magolus.

Mittlerweile hat Paul das ganze Dorf aufgeweckt. Schlaftrunkene Dorfbewohner kommen aus ihren Häusern. Erst, als Golina ihm ein scharfes Kommando gibt, hört der Wolf auf zu bellen.

„Was soll denn dieser Krach mitten in der Nacht?“, schimpft Olum. „Ich hab gerade geträumt, dass ich einen besonders dicken Fisch an der Angel hab. Und ausgerechnet in dem Moment werde ich geweckt!“

„Und ich hab geträumt, dass meine Schafe plötzlich fliegen können“, erzählt Jarga. „Immer, wenn ich sie scheren wollte, flatterten sie einfach davon. Ehrlich gesagt bin ich ganz froh, dass der Wolf mich aufgeweckt hat.“

„Kannst du Paul nicht wenigstens in der Nacht ruhig halten, Primo?“, fragt Kaus.

„Warum hat er denn nun eigentlich gebellt?“, will Hakun, der Fleischer, wissen.

„Frag ihn doch selber“, erwidert Kaus und zeigt auf Paul.

„Witzbold!“, meint Hakun.

Magolus hebt die Arme. „Geht wieder ins Bett, Leute! Ich bin sicher, Primo und Golina werden dafür sorgen, dass der Wolf jetzt ruhig ist. Das werdet ihr doch, oder?“

„Ja, natürlich“, sagt Primo schnell. „Komm, Paul!“

Doch genau in diesem Moment ertönt erneut ein dumpfer Knall. Paul fängt sofort wieder an, zu bellen.

Erschrocken rufen alle durcheinander:

„Bei Notch, was war das?“

„Knallschleicher greifen an!“

„Der böse Endermann nimmt wieder Rache an uns! Er wird das Dorf zerstören!“

„Hilfe! Rette sich, wer kann!“

„Nein, nein!“, ruft Primo. „Das ist kein Angriff. Ich versichere euch ...“

Doch niemand hört ihm zu. Alle rennen in Panik umher wie aufgescheuchte Hühner. Manche der Dorfbewohner flüchten sich in ihre Häuser, andere rennen in die Kirche. Kaus, der Bauer, klettert auf das Dach seines Hauses, wo er offenbar hofft, vor einem Knallschleicher-Angriff in Sicherheit zu sein.

Nur Primo, Golina, Nano, Kolle, Margi und Primos Vater Porgo bleiben zurück. Ratlos sehen sich die Freunde an.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragt Golina.

Primo zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich war oben auf dem Kirchturm, hab aber nirgends eine Ursache für die Knallerei gesehen.“

Nano deutet auf Paul, der aufgeregt am Boden kratzt, winselt und bellt. „Der Wumms kam von unten, Papa“, sagt er.

„Er hat recht“, meint Margi. „Der Boden hat leicht gezittert. Irgendwas muss in der Tiefe unter uns explodiert sein.“

„Ein Knallschleicher vielleicht“, meint Porgo. „Manchmal greifen Knochenmänner sie an, und dann kann es vorkommen, dass sie explodieren.“

„Aber nicht mehrmals in einer Nacht“, widerspricht Primo.

„Es muss eine andere Ursache geben“, stimmt ihm Kolle zu. „Und ich fürchte, ich ahne, wer dahinter steckt.“

„Artrax!“, spricht Margi die Befürchtung aus. „Vielleicht will er unser Dorf aus der Tiefe angreifen.“

„Möglicherweise sprengt er da unten ein großes Loch in die Erde“, spekuliert Golina. „Er könnte unter uns eine Schlucht aufreißen und das ganze Dorf hineinstürzen lassen.“

Primo denkt an die riesige, finstere Schlucht tief unter dem Dorf, die Kolle und er bereits erkundet haben. Er stellt sich vor, wie plötzlich Risse im Boden entstehen, wie sich die Häuser des Dorfs zur Seite neigen, wie aufgeschreckte Dorfbewohner in Panik durcheinander laufen, wie sich plötzlich die Erde unter ihnen auftut und sie alle in den Abgrund stürzen.

„Wir müssen ihn aufhalten!“, ruft er und zieht sein Schwert.

„Du hast recht“, meint Kolle. „Wenn wirklich Artrax dahinter steckt, müssen wir etwas unternehmen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.“

„Oh nein!“, stöhnt Golina. „Nicht schon wieder!“

„Aber diesmal darf ich mitkommen, Papa, ja?“, fragt Nano.

„Kolle und ich gehen nachsehen“, entscheidet Primo. „Wir beide kennen uns da unten aus.“ Das ist zwar etwas übertrieben, aber es wäre unklug, jetzt die Unsicherheit zuzugeben, die er tatsächlich empfindet. „Du kannst leider nicht mitkommen, Nano.“

„Ich will aber auch den Entenmann verhauen!“, heult Primos Sohn.

„Ich komme mit!“, entscheidet Golina. „Ich lasse dich nicht schon wieder allein in ein Abenteuer ziehen!“

„Wenn Mama mitkommt, will ich auch mitkommen!“

„Ich schlage vor, dass Primo und Kolle allein gehen“, sagt Porgo. „Die beiden haben die meiste Erfahrung mit Artrax. Aber ihr unternehmt nichts, hört ihr? Ihr geht nur in die Höhle unter dem Dorf und seht nach, ob ihr eine Ursache für die Explosionen findet. Wenn ja, kommt ihr sofort zurück und erstattet Bericht. Wir anderen verlassen bei Sonnenaufgang das Dorf und warten auf der östlichen Wiese auf euch, für den Fall, dass Artrax tatsächlich das Dorf in den Abgrund reißen will. Versucht auf keinen Fall, mit ihm zu kämpfen! Alles, was ihr tun sollt, ist herausfinden, was los ist, und uns warnen!“

Alle stimmen zu, dass das ein guter Plan ist.

Golina umarmt Primo und küsst ihn. „Pass auf dich auf!“

„Keine Angst, ich bin jetzt schließlich der Beschützer des Dorfs, und außerdem hab ich eine Diamantrüstung!“

Golina sieht nicht beruhigt aus, aber sie nickt. „Nehmt am besten Asimov mit.“

„Das geht nicht. Der Abstieg in die Tiefenhöhle ist zu eng für ihn.“

„Das ist endlich mal eine gute Nachricht“, meint der Golem. „Da bleibt mir wenigstens planloses Herumirren in der Dunkelheit erspart.“

Golina wirft ihm einen finsteren Blick zu.

Am Horizont ist bereits ein schwacher, gelblicher Streifen zu erkennen, als Primo und Kolle den Höhleneingang am Ufer des Flusses betreten. Die Höhle unter dem Dorf ist von Fackeln erhellt. Dennoch hat Primo ein mulmiges Gefühl, als sie den Abstieg in die Tiefe beginnen.

Das Dorf Band 9: Die Reise zum Mond

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