Читать книгу Das Dorf Band 9: Die Reise zum Mond - Karl Olsberg - Страница 5
3. Tief unter dem Dorf
ОглавлениеAls Primo und Kolle den Schacht erreichen, der hinab zur Tiefenschlucht unterhalb der Höhle unter dem Dorf führt, bleiben sie stehen und lauschen. Das Unngh eines Nachtwandlers dringt von unten herauf, doch sonst ist nichts zu hören.
Primo fasst sich ein Herz und steigt als Erster hinab. Bald erreicht er die Felskante am Rand der großen Tiefenschlucht. Er zuckt zusammen und reißt sein Schwert hoch, als etwas aus der Dunkelheit auf ihn zu geschossen kommt, doch es ist nur ein harmloses Flattertier.
Wumms!
Eine Explosion hallt donnernd durch die riesige Höhle und übertönt sogar das Rauschen des Wasserfalls, der sich nicht weit entfernt in die Schlucht ergießt.
„Von wo kam das?“, fragt Kolle.
„Von dort, glaube ich.“ Primo zeigt nach rechts, in die Richtung, in der die zweite Tiefenschlucht mit dem Netherportal liegt.
„Meinst du, Artrax hat irgendwas mit dem Netherportal vor?“, fragt Kolle
Primo kann nur mit den Schultern zucken. Vorsichtig gehen sie weiter, wobei er versucht, den Blick hinab in die Tiefe zu vermeiden, damit ihm nicht schwindelig wird.
Auf einmal hört er ein Zischen, dann ein dumpfes Pock.
„Aua!“, schreit Kolle hinter ihm.
Als Primo sich umdreht, steckt in der Schulter seines Freundes ein Pfeil.
„Runter!“, ruft er und lässt sich zu Boden fallen. Im selben Moment zischt ein weiterer Pfeil über ihn hinweg und verfehlt nur knapp seinen Kopf. Er stammt von einem Knochenmann, der sie von der anderen Seite der Tiefenschlucht aus unter Beschuss nimmt.
Primos Freund läuft grün an. „Na, warte, dir werd ich’s zeigen!“ brüllt er und macht einen Schritt nach vorn.
„Kolle, nicht!“, ruft Primo. Doch sein Freund ist von der Nachtwandlerwut gepackt, die ihn blind für alle Gefahren macht – auch für den Abgrund, der sich direkt vor ihm auftut.
Ehe Primo es verhindern kann, macht Kolle einen weiteren Schritt in Richtung des Knochenmanns und tritt ins Leere. In letzter Sekunde erwischt Primo noch einen Zipfel des Gewandes seines Freundes und hält ihn daran fest. Im selben Moment zischt ein weiterer Pfeil heran, doch er prallt harmlos von Primos Diamantrüstung ab.
„Schnell, komm wieder rauf!“, ruft Primo.
„Lass mich los!“, ruft Kolle. „Ich werde diesen dämlichen Knochenmann ...“
Dann erst wird ihm bewusst, in welch gefährlicher Lage er sich befindet. Rasch greift er nach der Felskante und zieht sich hoch. Bevor der Knochenmann einen weiteren Pfeil auf sie abschießen kann, rappeln sich die beiden auf und hasten den schmalen Felsgrat entlang.
„Danke!“, sagt Kolle keuchend. „Du hast mir das Leben gerettet!“
„Danke mir lieber, wenn wir heile wieder zurück im Dorf sind“, erwidert Primo.
Sie erreichen das Ende des Felsgrats. Hier führt eine Leiter in die Tiefe. So schnell wie möglich klettern sie hinab, während der Knochenmann sie weiter unter Beschuss nimmt.
Auf der Leiter können sie den Pfeilen nicht ausweichen. Als Primo am Arm getroffen wird, kann er sich nicht mehr halten und stürzt mit einem Schreckensschrei ab. Doch zum Glück vermindert seine Rüstung den Pfeilschaden, und da er sich nur noch ein paar Leitersprossen über dem Boden der Schlucht befand, wird er bei dem Sturz nicht ernsthaft verletzt wird.
Endlich können sie hinter einer Felsnische in Deckung gehen und sind vor den Pfeilen des Knochenmanns sicher. Vorsichtig entfernt Primo den Pfeil aus der Schulter seines Freundes. Die Wunde ist glücklicherweise nicht sehr tief.
„Nächstes Mal sollten wir einen Bogen mitnehmen“, meint Kolle.
„Gute Idee“, stimmt Primo zu. „Nur schade, dass ...“
Eine Explosion unterbricht ihn. Die ganze Schlucht erzittert unter der Wucht. Primo spürt einen Windhauch im Gesicht.
„Das kam von dort“, sagt Kolle und zeigt auf den Felstunnel, der zur zweiten Tiefenschlucht führt.
Primo zieht sein Schwert und geht vorsichtig weiter. Ein Nachtwandler wankt ihnen entgegen, doch der ist mit zwei Schwertschlägen schnell erledigt.
Als sie sich dem Ende des Gangs nähern, bleibt Primo stehen. Ein seltsames, rhythmisches Geräusch erklingt aus der zweiten Tiefenschlucht am Ende des Gangs, überlagert mit metallischem Knirschen und dem Summen des Netherportals. Die Geräusche kommen Primo seltsam vertraut vor, obwohl er sich nicht erinnern kann, wo er sie schon einmal gehört hat.
„Was zum Nether geht da vor?“, fragt Kolle.
„Ich habe keine Ahnung.“
Sie schleichen durch den von Fackellicht nur schwach beleuchteten Felsgang bis zur Kante der zweiten Tiefenschlucht, die sich rechts von ihnen erstreckt.
„Was ... was ist denn das?“, fragt Kolle.
Primo weiß nicht, was er antworten soll. Die Höhle vor ihm erscheint viel größer, als er sie von seiner letzten Reise in den Nether in Erinnerung hat. Das Netherportal stand ursprünglich am Rand eines Lavasees, doch der ist verschwunden. Stattdessen ist der Boden der Höhle jetzt mit schwarzem Gestein bedeckt. Darauf erheben sich seltsame Gebilde – Türme und flache Bauwerke aus Metall und Glas, in denen Wasser strömt. Dazwischen stampfen mehrere Eisengolems herum, die Blöcke hin und her tragen. In der Mitte der Höhle ragt eine Pyramide aus roten Blöcken auf, die mit weißen Binden und den Buchstaben TNT markiert sind.
Wumms! Eine gewaltige Explosion erschüttert die Höhle. Ein Teil der fernen Höhlenwand stürzt ein. Golems marschieren auf die Stelle zu und sammeln weggesprengte Blöcke ein, die sie benutzen, um weitere Konstruktionen zu errichten.
„Bei Notch!“, ruft Kolle. „Golina hatte recht! Artrax hat eine Armee von Golems erschaffen, um das Dorf von unten zu zerstören. Wir müssen umkehren und die anderen warnen!“
Doch Primo schüttelt den Kopf. „Das glaube ich nicht.“ Er klettert die Leiter hinab, die einst der Fremde angelegt hat, als er hier in der Tiefe das Netherportal errichtete.
„Spinnst du?“, ruft Kolle von oben. „Komm sofort zurück! Du hast doch gehört, was dein Vater gesagt hat: Wir sollen auf keinen Fall mit Artrax kämpfen!“
„Das hier ist nicht das Werk von Artrax“, erwidert Primo. „Ich habe so etwas Ähnliches schon einmal gesehen, in einer Höhle, die weit, weit entfernt unter einer Insel mit Pilzen lag.“
Zögernd folgt Kolle ihm die Leiter hinab. „Du ... du denkst, Lausius hat das hier geschaffen?“
Primo nickt und zeigt auf ein Schild, das am Fuß der Leiter aufgestellt ist: Betreten der Baustelle für Unbefugte verboten!
„Artrax würde sich wohl kaum die Mühe machen, so ein Schild aufzustellen.“
„Aber ... wenn das Lausius war, was hat er vor?“
„Das fragen wir ihn am besten selbst.“
Sie gehen vorsichtig weiter und betrachten staunend die Konstruktionen um sie herum. Es ist kaum zu glauben, dass der Alte all das in so kurzer Zeit geschaffen hat.
Als einer der Golems sie entdeckt, legt er den Steinblock ab, den er mit sich herumgetragen hat, und kommt mit raschen Schritten auf sie zu.
„Führe mich zu deinem Herrn!“, sagt Primo.
Doch der Golem antwortet nicht. Stattdessen starrt er ihn mit rot glühenden Augen an und holt mit dem Arm aus. Im nächsten Moment fliegt Primo in hohem Bogen durch die Luft. Am höchsten Punkt seiner Flugbahn fühlt er sich für einen Augenblick leicht, als würde er schweben, dann stürzt er in die Tiefe. Mit einem Platsch landet er in dem kleinen unterirdischen Bach am Eingang der Höhle.
„Was fällt dir ein, meinen Freund anzugreifen, du nutzloser Blechhaufen!“, brüllt Kolle und verpasst dem Golem einen kräftigen Schlag, der diesen rückwärts gegen eine der seltsamen Apparaturen prallen lässt. Doch das ruft nur die anderen Golems auf den Plan, die nun von allen Seiten auf ihn zukommen.
„Lass uns lieber von hier verschwinden!“, ruft der triefend nasse Primo, als er aus dem Bach klettert.
Kolle sieht ein, dass er selbst mit Nachtwandlerkraft gegen ein halbes Dutzend Golems keine Chance hat, und ergreift die Flucht. Gemeinsam rennen sie zurück zur Leiter. Mit knapper Not schaffen sie es, die unteren Sprossen zu erklettern, bevor die wütenden Golems sie erreichen.
„Und jetzt?“, fragt Kolle, als sie die Oberkante der Schlucht erreichen.
„Jetzt machen wir, was mein Vater gesagt hat: Wir kehren zurück ins Dorf und erstatten Bericht“, antwortet Primo.