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2. Ein Schwur mit Folgen

Der Kuchen, den Golina gebacken hat, ist ein wenig angebrannt und trocken, außerdem fehlt für Primos Geschmack etwas Zucker. Er hütet sich jedoch, zu meckern, sondern kaut brav auf seinem Stück herum, wobei er immer wieder flüchtige Blicke zur Haustür wirft, als könne er von hier aus sehen, ob sich jemand an der Kreisbahn zu schaffen macht. Nicht auszudenken, wenn irgendwer da draußen Unsinn treibt, während er hier sitzt und Kuchen isst ...

„Primo!“, klingt Golinas Stimme scharf. „Ich hab dich was gefragt!“

Er zuckt zusammen. „Was?“

„Ob es dir schmeckt!“

„Äh, ja.“

„‚Äh, ja?‘ Was soll denn das heißen?“

„Gut. Er schmeckt mir gut, dein Kuchen. Wirklich sehr lecker.“

Golina sieht ihn finster an, als wäre das die größte Beleidigung. „Das sagst du nur so!“, behauptet sie.

„Nein, nein, echt jetzt!“, widerspricht Primo. Kolle und Margi kommen ihm zu Hilfe, indem sie den Kuchen ebenfalls lautstark loben.

„Fast so gut wie mein streng geheimes Spezialrezept“, meint Ruuna.

Doch Golina ist offensichtlich noch nicht zufrieden. „Ich bin einfach eine schlechte Köchin“, seufzt sie.

„Überhaupt nicht!“, widersprechen alle.

„Außerdem, dass der Kuchen ein bisschen angebrannt ist, gibt ihm ein ganz besonderes Aroma!“, sagt Primo in dem etwas ungeschickten Versuch, sie aufzumuntern.

Golina macht große Augen. „Angebrannt? Der Kuchen ist angebrannt? Gerade hast du noch gesagt, er schmeckt dir!“

„Nur ... nur ein ganz kleines bisschen an den Ecken vielleicht“, stammelt Primo. „Das ist ja gerade das Gute daran!“

Jetzt sammeln sich Tränen in ihren Augen. „Das Gute daran ist, dass er verbrannt ist?“, ruft sie entgeistert. „Das ist doch wohl die Höhe! Ständig rennst du nur in der Welt herum und riskierst Kopf und Kragen oder spielst mit deiner Kreisbahn, und jetzt meckerst du auch noch über meinen Kuchen! Und wenn ich dich um einen kleinen Gefallen bitte, dann ist dir selbst das zu viel! Manchmal glaube ich, du liebst mich gar nicht wirklich!“ Sie springt auf und rennt aus dem Haus.

Alle sehen ihr betreten nach.

„Aber, ich ...“, beginnt Primo.

„Geh besser zu ihr, mein Sohn!“, rät ihm Porgo.

Verdattert folgt Primo dem Rat. Golina geht mit hängenden Schultern langsam die Dorfstraße entlang Richtung Kirche.

„Golina, warte doch!“

„Lass mich. Du willst mich bloß trösten.“

Primo weiß nicht, was er darauf antworten soll. Also sagt er einfach: „Es tut mir leid.“ Damit ist man meistens auf der sicheren Seite.

„Schon gut.“

„Was meintest du denn gerade mit dem Gefallen, den ich dir nicht tun will?“

„Das weißt du ganz genau.“

„Wenn ich es wüsste, würde ich dich doch nicht fragen.“

„Da sieht man mal wieder, wie du mir zuhörst.“

„Kannst du mir bitte noch einmal sagen, was das für ein Gefallen war, den ich dir tun sollte?“

Golina seufzt lange und laut. „Na gut. Ich hatte dich gebeten, mir zu schwören, dass du nie wieder ein Abenteuer haben wirst.“

„Das würde ich ja gerne“, sagt Primo. „Aber was, wenn ich das gar nicht selbst entscheiden kann? Was, wenn andere mir ein Abenteuer aufzwingen?“

„Wer sollte das denn tun?“

„Ich weiß es nicht. Aber ich hab mir die Abenteuer, die ich bisher erlebt habe, doch auch nicht ausgesucht. Die sind einfach passiert.“

„Dann hör eben auf damit, solche Sachen passieren zu lassen.“

„Na schön. Also gut, ich mach’s.“

Golina bleibt stehen und wendet sich zu ihm um. „Das würdest du für mich tun? Du würdest es mir wirklich schwören?“

„Ja, na gut, von mir aus. Ich schwöre dir ... He! Olum! Kaus! Was macht ihr denn da!“

Primo lässt die verdutzte Golina auf der Straße stehen und rennt, so schnell er kann, zur Kreisbahn. Dort stehen der Fischer und der Bauer im Kreisoval links und rechts neben dem Hebel und gestikulieren wild mit den Händen.

„Und ich sage dir, sie kann es nicht“, sagt Olum gerade.

„Kann sie doch!“, widerspricht Kaus.

„Hände weg von dem Hebel!“, brüllt Primo außer sich. „Was zum Nether macht ihr beide hier?“

„Der da behauptet, die Kreisbahn könne nicht andersherum fahren“, sagt Kaus.

„Das stimmt ja auch“, sagt Olum.

„Verschwindet, alle beide!“, brüllt Primo. „Oder ich werfe euch eigenhändig in die Schlucht!“ Um seiner Drohung mehr Gewicht zu verleihen, zieht er sein Eisenschwert.

„Jetzt reg dich mal nicht so auf!“, sagt Kaus. „Wir führen hier bloß eine gepflegte Diskussion.“

„Ja, und wir wollten nur gerade ein kleines Experiment machen.“

„Und dabei wolltet ihr bloß mal eben den Hebel umlegen, richtig?“

„Ja, aber nur ganz kurz“, gibt Olum zu. „Wir wollten bloß ausprobieren, ob die Bahn anders herum fährt, wenn man ihn in die andere Richtung klappt.“

„Ich sage dir, was passiert wäre, wenn ihr das getan hättet“, sagt Primo mit zitternder Stimme. „Die Bahn hätte angehalten, Artrax wäre befreit worden und hätte alle Knallschleicher und Nachtwandler in der ganzen Welt hierher beordert, um unser Dorf und alle Bewohner in die Luft zu sprengen.“

„Du musst ja nicht gleich übertreiben!“, sagt Olum, aber er macht doch sicherheitshalber einen Schritt weg von dem Hebel, was allerdings dazu führt, dass er beinahe von der rasenden Lore überfahren wird.

„Jetzt verschwindet von hier und wagt euch nie mehr auch nur in die Nähe der Kreisbahn!“

„Ja, ja, ist ja schon gut, beruhige dich, Primo!“, sagt Olum.

„Ts, die Jugend von heute, keinen Respekt mehr vor den Älteren!“, grummelt Kaus, während die beiden das Gleisoval verlassen.

Rasch kehrt Primo zu Golina zurück, die einsam auf der Dorfstraße steht und ihn entgeistert anblickt. Die Sonne steht inzwischen tief und lässt ihr Gesicht aufleuchten, als bestünde es aus purem Gold. Ihm stockt der Atem, so schön sieht sie in diesem Moment aus.

„Es tut mir leid, Golina. Ich musste bloß ...“

„Schon gut“, sagt sie. „Ich verstehe. Mit der Kreisbahn zu spielen ist nun mal wichtiger, als mir meine Herzenswünsche zu erfüllen.“

„Ist es überhaupt nicht. Aber wenn ich gerade nicht eingegriffen hätte, dann wäre das Dorf vielleicht ein zweites Mal zerstört worden. Willst du das etwa?“

„Siehst du, genau das ist das Problem“, sagt Golina, und Tränen kullern über ihre Wangen. „Immer denkst du, du musst das Dorf retten, und dann bringst du dich in Schwierigkeiten. Kannst du nicht endlich mal damit aufhören?“

Primo blickt sie geschockt an. Es ist doch nicht seine Schuld, wenn Olum und Kaus ... Doch dann begreift er, dass es im Grunde doch seine Schuld ist. Alles fing an, als er dem Fremden in den Wald gefolgt ist und Kolle und sich selbst in Lebensgefahr gebracht hat. Und dass Artrax dort in der Kreisbahn sitzt, ist auch nur dem Umstand zu verdanken, dass er das vermaledeite Drachenei ins Dorf brachte. Golina hat recht: Jedes Mal, wenn er versucht hat, alles gut zu machen, ist es bloß noch schlimmer geworden. Vielleicht sollte er wirklich damit aufhören. Vielleicht sollte es ihm einfach egal sein, ob Olum oder Kaus oder eines von Jargas Schafen oder ein Knallschleicher den Hebel umlegt und Artrax befreit. Wenn nur Golina aufhören würde, zu weinen!

Er legt einen Arm um sie. „Also gut, ich höre damit auf“, sagt er. „Ich schwöre es!“

Sie dreht sich zu ihm um und sieht ihn mit ihren strahlend blauen Augen an. „Du schwörst was?“

„Ich schwöre, dass ich nie wieder ein Abenteuer haben werde!“

Golinas Lippen heben sich zu einem wunderschönen, strahlenden Lächeln, gegen das die untergehende Sonne wie eine trübe Fackel wirkt. Dann küsst sie ihn, und die Welt scheint sich aufzulösen.

Plötzlich fühlt sich Primo schwerelos, so als durchschreite er ein Portal in eine andere Welt wie den Nether oder das Ende, nur dass diese Welt voller rosa Herzen zu sein scheint.

Nach einer Zeit, die eine Sekunde gewesen sein könnte oder ein ganzer Tag, löst sie sich von ihm.

„Das ... das war ... wunderschön!“, sagt er atemlos. „Ich liebe dich, Golina! Ich ...“

„Wääääh!“, macht es neben ihm.

Erschrocken fährt Primo herum. Dort steht ein winzig kleiner Dorfbewohner und blickt zu ihm auf. „Babba!“, sagt das Kind.

Das Dorf Band 7

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