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WIEDERERWACHENDE GELDWIRTSCHAFT

Wenn mit der Ausdehnung der deutsch-germanischen Herrschaft über das riesige Gebiet des einstigen Römerreiches wohl auch die Gold- und Silberschätze der vergangenen Kulturen in die Hände neuer Herren gekommen waren, so konnte die eigentliche kulturfördernde Nutzung aber doch erst dadurch erfolgen, dass das tote Metall zu lebendigem, befruchtendem Geldumlauf wurde. Dieser Entwicklung hat Karl der Große entscheidende Impulse gegeben.

Wohl haben vor dieser Zeit schon die Goten, Langobarden, Kelten und andere Völker eine Münzprägung betrieben. Ihre Münzbilder stellten jedoch nur mehr oder weniger gelungene, vielfach aber auch vollkommen entstellte Nachbildungen alter griechisch-römischer Prägungen dar.

Goldmünzen zu prägen und das eigene Bild auf die Münze zu setzen, war einst das Vorrecht der römischen Kaiser gewesen. Dieses Vorrecht wurde während der Zeit der Völkerwanderung nicht angetastet; erst Theoderichs Sohn Theodebert I. von Austrasien wagte es, einen Goldsolidus mit seinem eigenen Namen zu prägen (534–548). Der Vorgang wurde von Prokop, dem Chronisten der Gotenkriege, als empörende Anmaßung registriert. Bemerkenswert für die im 6. Jahrhundert einsetzende Zunahme der Münzprägung ist, dass die Kirche mehr und mehr – und zwar aus eigener Machtvollkommenheit – als Münzherr auftrat. Insbesondere geschah dies westlich des Rheins im Gebiet des heutigen Frankreich, wo die Bistümer Rennes, Orleans, Le Mans, Bordeaux, Toulouse, Angers und andere zu nennen wären.

Vom 6. Jahrhundert an traten aber auch Name und Monogramm des Königs mehr und mehr zurück zu Gunsten der Erwähnung von Münzstätte und Münzmeister. Die Münzmeister, aus der Goldschmiedezunft hervorgegangen, von denen man etwa 2000 Namen kennt, übten ihr Gewerbe für Könige, Bischöfe und Grundherren im Umherziehen aus. Im 8. Jahrhundert wurde nun im fränkischen Reich das unter den Merowingern mit zunehmender Lässigkeit gehandhabte Münzrecht nach dem Sturz des letzten Merowingers Chilberich von Pippin dem Kleinen mit Energie in die Hand genommen. Der erste Karolinger, der sich selbst die Königskrone genommen hatte, vereinfachte das Münzwesen des fränkischen Reiches durch Einführung der Silberwährung. Goldmünzen ließ er nicht mehr ausprägen. Geprägt wurde nur noch der Silberdenar, aus dem römischen Pfund 300 Stück, später 264 Stück. Diese Anfänge einer neuen Münzordnung hat der Sohn Pippins, Karl der Große, mit zielbewusster Hand auf das ganze nachmalige »Heilige Römische Reich deutscher Nation« ausgedehnt. Er setzte sein Bildnis und seinen Namen auf die Münze, und auch die Großen, denen er das Recht, Münzen zu schlagen, verliehen hatte, mussten seinen Namen mit auf die Prägung setzen. Die Zahl der Münzstätten – bei Antritt seiner Regierung bestanden deren 40 – vermehrte sich auf 80, darunter Köln, Bonn, Mainz, Worms, Speyer, Straßburg, Dursteede, Basel, Chur. Auch Karl der Große blieb bei der Silberwährung. Goldmünzen wurden von ihm offensichtlich nicht für den allgemeinen Handelsverkehr herausgegeben. Nach Auffassung der Forscher sind die in wenigen Funden zutage geförderten Goldmünzen nur als Kriegs-Sold für die fränkischen Soldaten aus Beutegold geschlagen worden.

Dem Münzwesen Karls des Großen lag die Regel zugrunde, aus einem Pfund Feinsilber 240 Silberdenare zu prägen. Unklarheiten bestehen jedoch über das Gewicht des Pfundes; die Angaben schwanken zwischen 367 und 491 g. Der Denar stellte in der damaligen Münzverfassung auf deutsch einen »Silberpfennig« dar.

12 Denare oder Pfennige ergaben einen Schilling (lat. Solidus); 20 Schillinge waren demgemäß 1 Pfund. Dieses karolingische Münzsystem: 12 Pfennige (Pence) = 1 Schilling; 20 Schillinge = 1 Pfund hat sich bei den Angelsachsen bis auf den heutigen Tag erhalten, wie ja auch die Bezeichnung »1 Pfund Sterling« ursprünglich ein Pfund von den durch die Oesterlinge – die aus dem Osten kommenden Kaufleute – ins Land gebrachten Silbermünzen bedeutete. Die Einführung des karolingischen Münzsystems in England wird dem Einfluss des angelsächsischen Gelehrten Alkuin zugeschrieben, den Karl der Große an seinen Hof gezogen hatte.

Eine Prägung von Schillingmünzen war in der Münzordnung Karls des Großen nicht vorgesehen. Der Begriff war nur eine Rechengröße. Erst bei entwickelteren Verkehrsbedürfnissen im 13. und 14. Jahrhundert entstand im »Groschen« eine entsprechende Ausprägung. Der Groschen stellte einen »großen« und dicken Pfennig dar und hatte den Wert von 12 Denar, womit er also einem Schilling entsprach. In manchen Gegenden wurden auch Groschen von geringerem Wert als 12 Denar geschlagen.

Dass es sich bei dieser Ausprägung einer größeren Münze überall um die Berücksichtigung der wachsenden Anforderungen des Wirtschaftsverkehrs handelte, geht auch daraus hervor, dass der »große Denar« im 12. Jahrhundert auch in Florenz als »Grossoni«, in Frankreich als »gros Tournois« und in England als »groats« auftauchte; das Verhältnis zum Denar ist jedoch nicht überall und nicht für ständig das gleiche gewesen wie in Deutschland (siehe K. Helferich: »Das Geld«, S. 39).

In der allgemeinen Entwicklung der Kultur konnten sich die Auswirkungen der Rückkehr zur Geldwirtschaft naturgemäß nur sehr langsam zeigen. Zu groß und zu weiträumig war das Reich Karls des Großen und nur der südwestliche Teil war alter Kulturboden. Handwerk, Viehzucht und Ackerbau mussten erst gelehrt und entwickelt werden; dies waren Aufgaben, deren sich die vom Kaiser geförderten Klöster mit besonderem Eifer annahmen.

In diesen Zeiten wurden neue Münzen in der Regel beim Anlass bedeutender geschichtlicher Ereignisse oder sonstiger denkwürdiger Tage im Leben der Münzherren geschlagen. So hat Karl der Große, nachdem er 784 dem Langobardenreich ein Ende bereitet hatte, auf dieses Ereignis gemeinsam mit dem Papst Hadrian III. einen Pfennig prägen lassen. Ebenso ließ er auf seine Kaiserkrönung zum Weihnachtsfest in Rom im Jahre 800 einen Pfennig schlagen, der auf der Vorderseite sein Brustbild und auf der Rückseite ein Bildnis der Kirche zeigte, als deren Beschützer er sich fühlte.

Die straffe Ordnung des Münzwesens, die Karl der Große durchgesetzt hatte, ist unter seinen Nachfolgern wieder verloren gegangen. In einem Kapitular des Kaisers (805) war einst befohlen worden, dass Münzen nur an kaiserlichen Pfalzen geprägt werden durften; und es war vorgeschrieben, »dass diese neuen Pfennige in jedem Ort, in jeder Stadt und auf jedem Marktplatz ebenso umlaufen und von allen empfangen werden«. Nach A. Luschin v. Ebengreuth, »Grundriss der Münzkunde«, war die Münzhoheit als solche ein wesentliches Recht des römischen Imperators, von dem es auf den Kaiser des «Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation« überging. Von Thomas von Aquin wurde dann aber die Lehre begründet und verbreitet, dass die Münzhoheit auch dem Papst und der Kirche zustehe. Diese Auffassungen fanden in den mittelalterlichen Rechtsbüchern ihren Niederschlag; so kam es, dass schließlich jedermann, der eine höchste Gewalt, ein »supremum imperium« innehatte, auch das Recht der Münzhoheit besass, das er nach unten gegen Abgaben oder auch als Pfründe für Vasallen- und andere Dienstleistungen weiterverleihen konnte (siehe a.a.O. S. 58).

Unter dem Nachfolger Karls des Großen, Ludwig dem Frommen, gelangten nun die Kirchenfürsten wieder zu Einfluss und Bedeutung in der Münzprägung; und dieser Einfluss verstärkte sich in der Folgezeit mit der jetzt in Erscheinung tretenden Schwäche der Karolinger mehr und mehr. Diese Entwicklung ist aber andererseits nicht ganz unverständlich, denn Kirche und Klöster hatten in diesen Zeiten beträchtliche Aufgaben auf sich genommen, für deren Finanzierung entsprechende Einkünfte erforderlich waren. Nach der Bekehrung der Sachsen zum Christentum wurde z.B. das Kloster Corvey gegründet und mit reichen Schenkungen – z.B. mit der Einrichtung einer Münzstätte und Verleihung der Einkünfte aus der Münzprägung – bedacht.

Ähnlich verhielt es sich in zahlreichen anderen Fällen und auch in den kommenden Zeiten; die Abtei von St. Gallen, die Freie Reichsabtei Hersfeld, auch Frauenklöster wie die Abtei Quedlinburg, erhielten das Münzrecht, ebenso der später in der Kolonisation des Ostens tätig gewordene Deutschritterorden.

Unter den fränkischen und sächsischen Kaisern verstärkte sich die Tendenz, die Münzrechte an Kirchenfürsten und Abteien zu vergeben, noch mehr, denn jetzt waren Geistlichkeit, Bischöfe und Äbte die eigentlichen Stützen der Herrschaft gegen die Machtansprüche und Besitzgelüste des Adels. Mit der eintretenden Schwächung der Reichsmacht wurden dann aber auch die Kirchenfürsten in der Münzprägung mehr und mehr selbständig; dazu kam, dass die Münzrechte für Abgaben und Vasallendienste auch an Herzöge und Markgrafen vergeben wurden, womit aber immerhin eine reichliche Versorgung der in Gang kommenden Wirtschaft mit Geld gegeben war.

Dieses Letztere dürfte für die allgemeine Entwicklung von Wirtschaft und Kultur das Wesentliche gewesen sein, und so war es denn ganz richtig, dass die Becher und Schalen, Becken und Humpen in den Schmelztiegel wanderten – und danach als blanke Silberpfennige auf die Märkte.

Das Geld in der Geschichte

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