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DIE BRAKTEATEN

Wenn eine Linie der Entwicklung des Münzwesens vornehmlich in dem durch Donau und Rhein begrenzten südwestlichen Raum Europas durch Nachbildung römischer Münzen und allmähliche Verselbständigung in der Kunst des Stempelschneidens und Prägens erblickt werden kann, haben wir es im nordostgermanischen Raum noch mit einer zweiten Entwicklungslinie, einer anderen Technik der Nachbildung und Neuprägung von Münzen, zu tun. Auch diese nahm ihren Ausgang von der Goldschmiedekunst her und hatte ihre Wiege in der Schmuckgestaltung.

Es handelte sich hierbei um die Technik, ornamentale Linienmuster, Runenzeichen und dergleichen auf der Vorderseite erhaben und auf der Rückseite vertieft in Gold-, Silber- oder Kupferblech zu treiben. Derartige Arbeiten wurden erst als Gewandspangen, als Schmuck und Anhänger getragen; es gibt Funde davon, die aus einer Zeit von 400 bis 1000 Jahren vor der christlichen Zeitrechnung stammen.

In der nachrömischen Zeit wurde indessen diese Technik des Einprägens eines Bildes in dünnes Silber- oder Goldblech auch auf die dadurch vereinfachte Nachahmung von Münzen angewendet. Es gibt Stücke – allerdings auch in dieser Form noch mit einer Anhänge-Öse versehen, lediglich zum Schmuck bestimmt –, welche aus zwei Abdrücken, Vorder- und Rückseite einer Münze, zusammengesetzt und am Rande zusammengehalten, bestehen. Einen solchen Schmuck-Anhänger, bestehend aus zwei dünnen Goldblechen, über eine römische Münze aus der Zeit von 215 v. Chr. gehämmert, von einem goldenen Ring zusammengehalten, die alte Münze noch als Kern enthaltend, zeigt Schwarzkopf in seiner interessanten Abhandlung über »Germanische Schmuckbrakteaten« in dem Band »Das Erbe unserer Ahnen«, S. 476.

Die Herstellung solcher Abdrücke stellte natürlich gegenüber den Schwierigkeiten des Stempelschneidens ein vereinfachtes Verfahren dar. Es war nur notwendig, die Prägung auf einer weichen Unterlage, z.B. auf Blei, vorzunehmen. Mit dem im allmählich zunehmenden Wirtschaftsverkehr zutage getretenen größeren Bedarf an Tauschmitteln kam naturgemäß auch im nordisch-germanischen Raum die Entwicklung des Münzwesens in Fluss. Es erübrigte sich schließlich, die Prägung mit einer Anhänge-Öse zu versehen, da die Münzen dauernd von Hand zu Hand liefen und nicht mehr als Schmuck am Halse getragen wurden. So kamen etwa um die Mitte des zwölften Jahrhunderts in Skandinavien unter dem Dänen Sven Grathe die einseitig geprägten Silberblechmünzen auf, die man später als »Brakteaten« – bractea = dünnes Blech – bezeichnete (siehe Schwarzkopf a.a.O. S. 469).

Im Übrigen ist aber die wirkliche Entwicklung der Brakteaten-Geldwirtschaft doch eine rein deutsche Erscheinung; die nordischen Ansätze dazu sind, ohne eine Bedeutung erlangt zu haben, wieder erloschen.

In Deutschland sind die ersten derartigen Prägungen in der bischöflichen Münze von Magdeburg geschlagen worden. Nach neueren Forschungen von Prof. Dr. Arthur Suhle hat Erzbischof Hartwig von Magdeburg, der von 1079 bis 1102 regierte, damit begonnen, die um diese Zeit zur Aufnahme eines großen Münzbildes schon ziemlich breit und dünn gewordenen Silberpfennige einseitig schlagen zu lassen. Allerdings erst Erzbischof Wichmann von Seeburg, der anno 1152 von Barbarossa in Magdeburg eingesetzt worden war, hat diese Münzprägung im Erzstift zu ungeahnter Blüte entfaltet.

Als sich dieses Verfahren der Münzprägung in Deutschland ausbreitete, waren seit der Münzordnung Karls des Großen bereits 300 Jahre vergangen. Im Verlaufe dieser Zeit waren aber durch die Nachfolger Karls des Großen – angefangen von Ludwig dem Frommen – die Reichsrechte der Münzprägung an unzählige Könige, Fürsten, Grafen, Bischöfe, Grundherren, Klöster und Städte verliehen worden. Hieraus hat sich naturgemäß ein sehr buntes Bild der Münzverfassung ergeben, zumal vom 11. Jahrhundert an Bild, Name und Gepräge der Münze durch die Träger des Münzrechtes verändert werden durften.

Schon während dieser Zeit, also noch vor dem Erscheinen der Brakteaten, war die Vergebung des Münzrechtes von fiskalischen Erwägungen bestimmt. Die mit dem Münzregal Beliehenen hatten dafür Abgaben zu leisten, die sie bei der Prägung durch Erhebung eines »Schlagschatzes« und durch »Auswechseln« hereinholten.

Mit dem Aufkommen der Brakteaten in der Hohenstaufenzeit war nun einesteils die Technik der Münzprägung vereinfacht; man hatte zwar vor dieser Zeit schon »Dünnpfennige« geprägt, die aber beidseitig ein Bild trugen, das freilich mitunter ziemlich unklar wurde, weil der Stempel der Rückseite sich durchpresste und die Vorderseite störte, wie auch umgekehrt. Nun kam die Gegenprägung in Wegfall.

Die Herstellung der Münzen wurde nach wie vor von den Münzmeistern vorgenommen, die im Umherziehen an die Höfe der Fürsten und Bischöfe und der kleineren Münzherren kamen und dort ihre Kunstfertigkeit anbrachten. Daneben gab es indessen auch eine große Anzahl Prägestätten des Reiches, von denen viele gleichfalls die Prägetechnik der Zeit pflegten. So hat z.B. Barbarossa seine prachtvollen Brakteaten in den kaiserlichen Münzstätten in Saalfeld, Altenburg, Mühlhausen und Nordhausen schlagen lassen.

Die nichtprivilegierte Herstellung von Münzen wurde, unbeschadet der Großzügigkeit, mit der das Münzrecht an unzählige Beliehene vergeben war, nach dem Kodex der mittelalterlichen Rechtspflege sehr streng, mit dem Abhacken der Hand, geahndet.

Andererseits war es natürlich, dass die in der Brakteaten-Technik hergestellten dünnen Silberblechmünzen im Verkehr weniger dauerhaft sein konnten als die beidseitig geprägten stärkeren Geldstücke. Um die den Wertbegriffen gerecht werdende Silbermenge auf die Münze zu verwenden, wurde die Einzelmünze größer gemacht. Es gibt Brakteaten von fast 5 cm Durchmesser. Man konnte sie gegebenenfalls durchbrechen oder durchschneiden und auf diese Art teilen.

Aus diesen Umständen und der höheren Abnutzung, die solches Geld im Verkehr erlitt, ergab sich dann wohl die Notwendigkeit einer laufenden Nachprägung. Die Münzmeister hatten ihre »Arbeitsbeschaffung«, wie man heute sagen würde. Die Nachprägung von Münzen war aber nicht allein aus den Erträgnissen der neu erschlossenen Silbergruben im Harz, im Elsaß, in den Tiroler Bergen und in Böhmen zu bewältigen, sondern sie wurde nun auch als Umprägung von aufgerufenen Münzen vorgenommen.

Dass bei der Ausgabe von neuen Münzen das alte Geld außer Kurs gesetzt, um des Metallwertes willen aber eingezogen und mit entsprechendem Abschlag gewechselt wurde, ist ein sehr alter Brauch. In seinem »Wörterbuch der Münzkunde« erwähnt Freiherr Friedrich v. Schrötter, dass derartiges schon im alten Rom gemacht wurde (S. 440), und Prof. A. Suhle führt in seiner Schrift »Die deutschen Münzen des Mittelalters« an, dass Karl der Große im Kapitular von Mantua anno 781 mit seiner grundlegenden Neuordnung des Münzwesens die Annahme der alten Pfennige verboten habe (S. 22).

Nach der mittelalterlichen Münzverfassung, die insbesondere im »Sachsenspiegel« niedergelegt war – dem ältesten und bedeutendsten deutschen Rechtsbuch, 1220 von Eike von Repkow in lateinischer Sprache, später noch in niedersächsischer Mundart geschrieben und großenteils vom »Schwabenspiegel« für Südwest-Deutschland übernommen –, war es rechtens, eine Änderung der Münzen vorzunehmen, »wenn neue Herren kommen«. Anläßlich eines solchen Wechsels der Herrschaft, sei es auf Grund von Erbfolge beim Tode eines Fürsten oder Grafen oder auch nach dem Ausgang von Machtkämpfen unter den Großen, war es demgemäß nach dem Gesetz der »Renovatio Monetarum« Rechtsbrauch, die umlaufenden Münzen aufzurufen und unter Abzug eines Schlagschatzes gegen neue Münzen einzuziehen.

Derartige Aufrufe und Umprägungen erwiesen sich nun nach Einführung der weniger dauerhaften Brakteaten auch ohne den Anlass von Regierungswechsel und damit zu häufigeren Zeitpunkten als zweckmäßig. Kulischer berichtet in seiner »Allgemeinen Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der neuen Zeit«, München 1928, dass man in Polen diese »revocationes«, »innovationes« oder »mutationes« viermal im Jahre durchführte – dass es Verordnungen gab, die zu jeder Messe neues Geld vorsahen. Bernhard von Anhalt, der Sohn von Albrecht dem Bären, der durch Krieg und Erbschaft das Havelland erworben hatte und sich »Markgraf von Brandenburg« nannte, hat in 32 Regierungsjahren fast hundert Prägungen herausgebracht. In Wien gab es in 150 Jahren fast ebenso viele verschiedene Wiener Pfennige. Kaiser Friedrich II., der Enkel Barbarossas, hatte nach dem Tode des letzten Babenbergers das Herzogtum Österreich dem staufischen Reich einverleibt und in Wien in Fortsetzung der Babenberger Pfennigprägung nunmehr kaiserliche Brakteaten geschlagen.

Von Erzbischof Wichmann von Magdeburg sind mehr als 70 verschiedene Prägungen bekannt; Erzbischof Wichmann scheint der Erste gewesen zu sein, der die eigenen Münzen selbst wieder aufrief, während doch nach der Rechtsregel des Sachsenspiegels die Münzerneuerung nur bei Herrschaftswechsel erfolgen sollte. Die Münzverrufung wurde unter seiner Herrschaft zweimal im Jahre vorgenommen, am 4. Fastensonntag vor Ostern und an Mariä Himmelfahrt, am 15. August; wahrscheinlich waren diese Termine auch Markttermine. Für 12 alte Pfennige wurden jeweils 9 neue Pfennige gegeben. Von den Erträgnissen dieser Münzerneuerung kann man sich ungefähr ein Bild machen, wenn man erfährt, dass Erzbischof Wichmann einige Jahre verpflichtet war, aus der »moneta Magdeburgensi« jährlich 236 Mark Silber – die »Kölnische Mark« zu 233 g oder rund 240 Denarii – an den Domschatz abzuführen. Das waren also jeweils mehr als 56 000 Silberpfennige!

Das Verfahren des Erzbischofs Wichmann machte sehr bald Schule; schon prägten auch die Bischöfe von Halberstadt und Hildesheim solche Münzen, die Askanier und die Welfen, die Landgrafen von Thüringen – zu jener Zeit, als die Wartburg erbaut wurde – und zahlreiche Abteien und Städte. Zu den schönsten Prägungen der damaligen Zeit zählen die Halberstädter Stephans-Pfennige, die sicherlich nicht wenig zur Finanzierung der im 12. Jahrhundert entstandenen berühmten Chorschranken in der Halberstädter Liebfrauenkirche beigetragen haben. Auch die Kaiserlichen Münzstätten Barbarossas prägten solche »Brakteaten«, wie man diese dünnen, leicht zu brechenden und zu teilenden Münzen allerdings erst in der Folgezeit nannte.*

(* Soweit man unter Brakteaten numismatisch lediglich die einseitig geprägten Münzen versteht, sind diese natürlich nicht die Erfindung des Erzbischofs Wichmann. Wichmann hat jedoch die halbjährliche Münzerneuerung eingeführt. Dies bezeugt auch die Magdeburger Schöppenchronik: »He leit ok erst twie in dem jare penninge slan, des vore nue was: men sloh to voren penninge to eines Bischops live.« Danach geht die Verrufung in Magdeburg auf Erzbischof Wichmann persönlich zurück, da sie vorher nicht bestand (siehe A. Suhle: »Das Münzwesen Magdeburgs …«, S. 4).

In den Brandenburgischen Landen war es nach Luschin von Ebengreuth (»Grundriss der Münzkunde«, S. 62) üblich, den Abschlag auf die Laufzeit der Münze zu verteilen, um ihn nicht allzu fühlbar werden zu lassen. So wurden im ersten Vierteljahr 12 Pfennige auf den Schilling gerechnet, im zweiten Vierteljahr 13 Pfennige, im dritten Vierteljahr 14 Pfennige, dann 15 Pfennige und nach dem Ablauf des vierten Vierteljahres erfolgte die Verrufung des alten Pfennigs, von dem nun 16 Stück auf den Schilling abgeführt werden mussten. Der neue Pfennig aber kam wieder zu 12 Stück auf den Schilling in Umlauf, also zum alten Wert.

Über den materiellen Nutzen, den der Schlagschatz den Münzherren einbrachte, gehen die Ansichten der Forscher auseinander. Er mag eben durchaus unterschiedlich gewesen sein, da es auch von der Geschicklichkeit der Münzer abhing, aus einem gegebenen Metallbestand nach dem Umschmelzen und unter Einhaltung bestimmter Mindestgewichte der Münzen möglichst viel herauszuholen. Luschin von Ebengreuth erwähnt (a.a.O. S. 62) das Kloster Melk, das nach seinen Aufzeichnungen durch die Münzverrufung in einem Jahr allein so viel eingebüsst habe, dass der Verlust etwa dem zehnten Teil des Münznutzens entsprochen habe, den der Herzog aus dem ganzen Lande zog. Das wäre ein hoher Verlust, beziehungsweise für den Münzherrn ein sehr bescheidener Gewinn gewesen. Erzbischof Wichmann von Magdeburg hat in dieser Hinsicht offenbar mehr Gewinn herausgeholt, obwohl auch in Magdeburg die Ausprägung »al marco« stattfand, d. h. ein Pfund Pfennige (= 20 Schilling zu je 12 Pfennigen) mussten das Gewicht einer Mark haben.

Während technisch gut ausgeführte und durch ihre Prägungen auch kunstgeschichtlich wertvolle Brakteaten vornehmlich aus den Münzstätten Magdeburg, Halle, Erfurt, Halberstadt, Goslar wie auch aus den Münzstätten von Friedrich Barbarossa, Heinrich dem Löwen und dem wendischen Fürsten Jaczo von Köpenick herrührten und bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts reichten, wurden kleinere Brakteaten mehr in Niedersachsen, dort aber bis in die Hälfte des 16. Jahrhunderts, geprägt.

Eine Besonderheit stellten die Pfennige aus dem Nürnberger Münzgebiet dar. Sie waren kleiner als die mitteldeutschen Brakteaten und zeigten beidseitige Prägung, wobei die Prägung der einen Seite allerdings in der Regel ziemlich starke Zerstörungen aufwies. Es liegt hier auch der Gedanke nahe, dass es sich bei diesen Münzen vielleicht jeweils um Umprägungen der vorher gängigen Pfennige gehandelt haben könnte, so dass die vermeintliche Rückseitenprägung eigentlich nur die gelöschte frühere Prägung darstellte. Der große Hersbrucker Brakteatenfund, der sich im Hirtenmuseum in Hersbruck befindet, weist ausschließlich solche Münzen auf, vermutlich aus den Prägestätten Nürnberg, Regensburg, Donaueschingen und Ingolstadt. Es sind vorzüglich herausgearbeitete Münzbilder, aber die Ränder sind offensichtlich von Hand beschnitten, was bei dem dickeren Material mühseliger war als bei den dünner ausgeprägten mitteldeutschen Brakteaten.

Eine zu den Brakteaten gehörende Münze stellen auch die »Schüsselpfennige« dar, die wegen der schüsselförmigen Gestalt der Schrötlinge sogenannt wurden und die vornehmlich im Westen, im Rheinland, Niedersachsen, Braunschweig und Lüneburg zu Hause waren. Das eigentliche Verbreitungsgebiet der Brakteaten reichte in Norddeutschland im Westen bis an die Weser, im Norden bis an die Nord- und Ostsee; den Kern bildete, wie gesagt, die Magdeburger Gegend, Thüringen, der Harz, die Mark Brandenburg, die Mark Meißen; daran schlossen sich die Oberlausitz, Schlesien und weiter östlich und südöstlich noch Polen und Böhmen an.

Ein zweites Verbreitungsgebiet, das sich – wie Prof. Suhle in seinem bereits zitierten Buch über »Die deutschen Münzen des Mittelalters« hervorhebt – im Stil der Prägungen von dem erstgenannten Bereich merklich abzeichnete, begann südlich des Mains, umfasste Schwaben, Württemberg, die Bodenseegegend mit dem Zentrum Konstanz und den Schweizer Städten Basel, Bern, St. Gallen u. a. und reichte nach anderen Quellen bis nach Österreich, wo in Wien eine regelmäßige Münzerneuerung geübt wurde. So mag es wohl richtig sein, was Corragioni in seiner »Münzgeschichte der Schweiz«, Genf 1896, schrieb: »Brakteaten waren die einzige Geldsorte, die vom 12. bis 15. Jahrhundert bei uns Geltung hatte.«

In der landläufigen Geschichtsbetrachtung scheint es über diese Epoche des Münzwesens eine ziemlich feststehende Ansicht zu geben: die Mannigfaltigkeit und der ständige Wechsel der Prägungen werden sehr abschätzig beurteilt und gelten als Zeichen einer völligen Zerrüttung der Geldordnung, eines »heillosen Münzenwirrwarrs«, wie beispielsweise Johannes Scherr sich in seinem Werk »Deutsche Kultur- und Sittengeschichte« ausdrückt. (siehe a.a.O. S. 246).

Dieser Wertung geschichtlicher Tatbestände liegt aber offensichtlich eine im Mittelalter unbekannte, erst in der neueren Zeit aufgekommene Überbewertung der Uniformität, der Gleichheit, Gleichmäßigkeit, Einheitlichkeit, Einigkeit und Einheit in allen Dingen zugrunde. Auf den Sinn der Sache bezogen stellen indessen diese Äußerlichkeiten keinesfalls die entscheidenden Werte dar, und es ist ebenso oberflächlich wie töricht, danach urteilen zu wollen. Dem Mittelalter kam es darauf an, im übersehbaren Raum Ordnung zu haben; und dem Fahrenden, der in die Fremde kam, war hinreichend damit gedient, wenn die Ordnung draußen grundsätzlich gleichartig war, wenn sie also von den gleichen Prinzipien getragen wurde und danach ablief.

Im Übrigen könnte man fast sagen, dass das Mittelalter rein intuitiv volkswirtschaftlich klüger gehandelt hat, als unsere Geschichtsforscher mitunter einzusehen vermögen. Es dürfte nämlich durchaus sinnvoll gewesen sein, die Einwohner in den neuen Kolonisationsgebieten des Ostens von der primitiven Schatzbildung abzubringen und sie zum richtigen Gebrauch des Geldes als Zirkulationsmittel zu erziehen. Dazu bedurfte es wohl nachhaltiger, ständig wiederkehrender Impulse, die durch die regelmäßig erfolgende Geldverrufung auch tatsächlich wirksam wurden.

In den Gebieten der entwickelteren Kultur des Westens, wo Handel und Handwerk, Kunst und Gelehrsamkeit schon weiter fortgeschritten waren, genügte ganz offensichtlich die einfache Regelung der »Renovatio monetarum«, die eine Münzerneuerung nur beim Wechsel der Herren vorsah. Zu bemerken bleibt allerdings, dass sich auch hier die gekrönten Häupter nicht allezeit an diese Regel hielten. In Frankreich war es Philipp der Schöne (1285–1314), der sich mit wiederholter Münzverrufung ziemlich einträgliche Finanzquellen erschloss.

Da es sich im Westen um ein entwickelteres Geldwesen, um eine größere Mannigfaltigkeit von Silber- und Goldmünzen handelte, wurde die Willkür von Münzverrufung allgemein als schädlich empfunden. Es war auch allzu offensichtlich, dass es den Münzherren nur noch auf den Gewinn aus der Verschlechterung des Metallgehaltes ankam, ein Motiv, das ursprünglich bei den Brakteaten nicht vorlag.

Im Allgemeinen aber wurde die Regel der »Renovatio monetarum« ziemlich streng eingehalten. Nur beim Wechsel der Herren war eine Münzerneuerung erlaubt, zwischenzeitlich war sie allenfalls vor dem Antritt eines Kreuzzuges statthaft.

Daraus ist zu ersehen, dass zwischen den Gebräuchen des fortgeschritteneren Westens und dem eigentlichen Brakteaten-Geldwesen nur gewisse Gradunterschiede bestanden. Tatsächlich hat die »Renovatio monetarum« bis weit über die Grenzen des eigentlichen Brakteatengebietes hinaus ihre Gültigkeit und Wirkung gehabt. So weiß z.B. auch Fritz Schwarz in seiner Schrift »Vorwärts zur festen Kaufkraft des Geldes« zu berichten, dass selbst in England eine derartige Geldsteuer erhoben wurde (siehe a.a.O. S. 54).

Bei Beurteilung dieser Dinge darf man sich also nicht davon beeindrucken lassen, dass es fast aussichtslos ist, die Fülle der Prägungen und die innerhalb eines großen Wirtschaftsraumes während einer Zeit von 300 Jahren zustandegekommenen Unterschiedlichkeiten fein säuberlich zu rubrizieren. Wesentlich ist allein die ungeheuerliche volkswirtschaftliche Auswirkung, die durch die überall gleichartig gehandhabte »permanente Geld-Erneuerung« zustandekam. Die unter solchen Verhältnissen unmöglich gewordene Hortung und Schatzbildung wurde ständig umgewandelt in pulsierende Nachfrage nach den Erzeugnissen des Gewerbefleißes.

Niemand im weiten Raum der mittelalterlichen Welt wäre so einfältig gewesen, dieses Brakteaten-Geld oder auch die sonstigen, der zeitweiligen Erneuerung unterworfenen Handelsmünzen, die morgen oder in einigen Wochen vom Bischof oder Landesherrn aufgerufen und gegen Abzug eines Schlagschatzes gegen neues Geld eingezogen werden konnten, länger als verkehrsnotwendig zu behalten oder gar mit Bedacht zu horten.

In diesem Umstand liegt, soweit von ökonomischen Zusammenhängen die Rede sein kann, die logische Wurzel für jene gewaltige Dynamik, aus der die gesamten Leistungen der gotischen Epoche entstanden sind. Es liegt in dieser Entwicklung eine zwingende Folgerichtigkeit. Die schon mit der Münzordnung Karls des Großen begonnene Auflösung der frühmittelalterlichen Schatzbildung, die Einschmelzung der Prunkstücke, die Edelmetall-Zufuhr aus dem wiederaufgenommenen Silbererz-Bergbau haben den Anfang eines kulturfördernden Geldverkehrs ermöglicht; und die nun um die Mitte des 12. Jahrhunderts um sich greifende fortlaufende Münz-Erneuerung verhinderte jetzt auf volle drei Jahrhunderte hinaus ein erneutes Horten, Konzentrieren und Erstarren des Geldes!

Alle kaufmännische Tüchtigkeit, aller Fleiß, alle handwerkliche Kunstfertigkeit und Erfindungsgabe, durch gegenseitige Befruchtung gefördert, konnte nur in den Erzeugnissen und realen Gestaltungen des Gewerbefleißes selbst Wohlhabenheit und Reichtum schaffen. So ist es für diese Zeit richtig, dass die Kapitalbildung, insofern das Kapital aus Münzgeld bestand, dadurch unmöglich wurde, dass das Geld einzig als Tauschmittel und nicht gleichzeitig als Schatzmittel verwendbar war (siehe L. v. Ebengreuth, »Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte des Mittelalters«, 1926). Demgegenüber hat sich aber die Kapitalbildung in anderer Form um so großartiger entwickelt.

Da indessen ein jedes Ding zwei Seiten hat – weil nun einmal dem »einen sin Uhl« dem »andern sin Nachtigall« ist –, gibt es begreiflicherweise auch Klagen über diese periodisch wiederkehrende Münzverrufung. So findet der böhmische Chronist Cosmas die Wirkung dieser Einrichtung »ärger denn Pest, verheerender als Feindeseinfall, Hungersnot und andere Landplagen«, denn in seiner Vorstellung war die monetäre Schatzbildung wichtiger als die wertschaffende Zirkulation.

Das Geld in der Geschichte

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