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Krieg im Klassenzimmer? – Fakten statt Vorurteile

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Zum Thema „Krieg“. Schulische Caesar-Lektüre ist seit einiger Zeit nicht unumstritten. Ist ein „Kriegsreport“ ein vertretbarer Stoff in einem demokratischen Staat, der auf jeden Militarismus-Verdacht allergisch reagiert? Diese Sensibilität ist grundsätzlich angebracht. Man sollte schon genau hinschauen, welche unerwünschten Nebenwirkungen ein Unterrichtsstoff haben kann. Aufgabe einer verantwortungsvollen Didaktik ist es indes nicht nur, solche möglichen geheimen Miterzieher ausfindig zu machen, sondern sie so ins didaktische Kalkül zu integrieren, dass sie unschädlich sind. Prägnanter formuliert: Friedenserziehung und Caesar-Lektüre schließen einander nicht aus; es kommt auf den didaktischen Zugriff an.

Und da hat es durchaus schon Zugriffe gegeben, die heute höchst problematisch erscheinen: Wenn etwa im Kaiserreich Caesars Schlachten im Klassenzimmer nachgestellt wurden und der Lateinlehrer zum Generalissimus mutierte, der seine Schüler-Soldaten entsprechend Caesars „Anweisungen“ dirigierte. So etwas hat es gegeben, ohne dass es die Normalität von Caesar-Unterricht gewesen wäre. Nur ist die Wilhelminische Ära seit über hundert Jahren vorbei. Da muss man keinen historischen Popanz aufbauen, um vor Caesar-Lektüre zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu warnen.

Aber es stimmt schon: Auch danach ist Caesar-Lektüre bisweilen als Beitrag zur Wehrerziehung genutzt – aus heutiger Sicht: missbraucht – worden. Es sind Unterrichtsreihen geplant worden, bei denen die „schönsten“ oder zumindest eindrucksvollsten Schlachtenschilderungen zusammengestellt wurden oder bei denen man „alles“ über das römische Heer und römische Militärstrategie erfahren konnte oder jedenfalls sollte. Oft genug ist das Bellum Gallicum auch ziemlich blauäugig ohne flankierende Interpretationsdidaktik gelesen worden. Da wurde über die von Caesar angegebenen Verlustzahlen der Feinde nonchalant hinweggelesen, oder es wurde überhaupt nur „gelesen“, sprich übersetzt. Wenn die Caesar-Lektüre dadurch bei vielen Schülern in Verruf gekommen ist, weil eben auch keine Hintergründe und Zusammenhänge vermittelt oder Bezüge zur Jetztzeit hergestellt wurden („was gehen mich diese öden Kämpfe von vor 2000 Jahren an?“), dann lässt sich das gut nachvollziehen.

Der Unmut vieler Schüler hat auch zum Unbehagen mancher Lehrer geführt – und zu einer Neukonzeption der Caesar-Lektüre im Wesentlichen im Sinn der vorgestellten Leserlenkung. Und selbstverständlich auch zu einer erheblichen Reduktion der auf das Bellum Gallicum verwendeten Unterrichtszeit. Ein paar Monate Caesar-Lektüre stellen heute die Obergrenze dar – es gab mal Zeiten, da wurde Caesar bis zu einem Jahr oder sogar noch länger gelesen. Tödlicher für die Motivation der Schüler geht es kaum. Das betrifft auch die neue Akzentuierung: Hat man einmal kapiert, wie die Leserlenkung funktioniert, dann braucht man das nicht an einer Fülle weiterer Beispiele zu vertiefen. Es warten Lektüren mit durchaus anderem Schwerpunkt auf die Lateinschüler. Der Grundsatz variatio delectat gilt auch hier.

Lässt sich aber das Thema „Krieg“ in einem Werk, das „Aufzeichnungen über den Gallischen Krieg“ (commentarii de bello Gallico) heißt, überhaupt vermeiden? Sicher nicht – und das ist auch nicht unser grundsätzliches Anliegen. Allerdings muss man schon deutlich mit dem Vorurteil aufräumen, dass Caesars Bellum Gallicum eine ununterbrochene Aneinanderreihung von Schlachtenschilderungen wäre, eine Art Kriegsreport oder Kriegstagebuch, in dem vornehmlich Fakten von militärischer Relevanz vermittelt würden. Wer das glaubt, hat das Bellum Gallicum nicht gelesen – oder aber durch eine fragwürdige Schulauswahl der gelesenen Stellen diesen Eindruck vermittelt bekommen. In Wirklichkeit liegt der Anteil rein militärischer Schilderungen bei deutlich unter 50 Prozent. Caesar stellt dagegen seine diplomatischen Aktivitäten mit großer Ausführlichkeit dar – was er tun muss, um zu beweisen, dass er nur bella iusta, „gerechte Kriege“, mit defensiver Zielsetzung geführt habe –; er schildert Land und Leute, geographische und kulturelle Hintergründe und er begründet sein Handeln eingehend, auch indem er mögliche andere Optionen aufzeigt und darlegt, warum er sich für eine bestimmte Option entschieden hat.

Zwei solcher eher reflektorischen Passagen haben wir auf den letzten Seiten besprochen. Sie haben exemplarischen Charakter, das heißt sie stehen für den Duktus des Gesamtwerks (mindestens) genauso wie Berichte über militärische Operationen. Wer das bestreitet, katapultiert sich selbst als seriöser Teilnehmer an einer kritisch-engagierten didaktischen Diskussion zur Caesar-Lektüre heraus. Ideologie ohne Kompetenz ist immer schrecklich – auch in pädagogisch-didaktischen Fragen.

Latein - da geht noch was!

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