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Lateinische Jeans und ein altrömischer Beauty Contest
ОглавлениеBei anspruchsvollen dinner und society events müssen Sie unbedingt den dress code beachten. Mit abgerissenen jeans sollten Sie dort nicht aufkreuzen – auch wenn die jeans, die nächste surprise, lateinstämmig sind. Ihren Namen haben sie von einem strapazierfähigen Baumwollgewebe, das erstmals in der italienischen Stadt Genova hergestellt wurde. Und die heißt auf Latein wie auf Deutsch Genua. So wie uns die jeans direkt ins lateinische Genua führen, führt uns der dress direkt auf das lateinische Adjektiv directus, «gerade», «aufrecht». Aus einem erschließbaren mittellateinischen directiare wird ein französisches dresser, das ein «ordentliches Sich-Herrichten» meint, und zwar u.a. durch das «Anlegen von Kleidung». Der code ist ein lateinischer «Baumstamm» (codex), der aber auch schon bei den Römern als «Buch» oder «Verzeichnis» verstanden und in der christlichen Literatur für das Buch schlechthin, die Heilige Schrift, verwendet wurde. Für die christliche Ethik ist die Bibel bis heute der verbindliche code of conduct geblieben (conducere, «zuträglich sein», «sich gehören»).
Wenn Sie einem beauty contest beiwohnen möchten, so gilt auch da ein gewisser dress code. Schließlich geht es dort ja um das «gemeinsame Bezeugen» (con+testari) von bellitas, «Schönheit». Das Adjektiv dazu heißt bellus, «schön». Aber im schulischen Lateinunterricht haben Sie pulcher für «schön» gelernt – und bellum für «Krieg»? Beides ist richtig, aber bellus, a, um als «schön», «charmant», «nett» gibt es als Verkleinerungsform von bonus, «gut» (ursprünglich: benulus), durchaus schon im klassischen Latein. Allerdings gehört das Wort eher der Umgangssprache an.
Gehen Sie also getrost davon aus, dass bei einem altrömischen beauty contest oft genug der Ausruf bellam puellam! zu hören war. Nur gab es bei den moralstrengen Römern so etwas überhaupt nicht, vermuten Sie, auch hierhin ein folgsamer Veteran Ihres schulischen Lateinunterrichts. Error! Die Römer kannten solch eine Veranstaltung sogar in einer hardcore-version (cor, «Herz»; vertere, «drehen», «wenden»): Am Floralienfest mussten sich Huren auf der Theaterbühne öffentlich ausziehen und sich den mehr oder minder fachmännischen Blicken einer – nicht nur männlichen! – audience stellen.