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ОглавлениеJil Sanders Giving-Story für Latein – Starting Point für unseren Denglatein-Approach
Jahre-, ach was, jahrzehntelang haben wir Latin lovers (Latinus, «lateinisch») dem Treiben der Denglisch-community (communitas, «Gemeinschaft») tatenlos zugesehen, haben die Hochstapelei mit dem uns eigenen spirit (spiritus, «Geist») von Zurückhaltung, ja Demut ertragen, diesen stylishen mix (stilus, «Stil»; miscere, «mischen») aus Blödsprech und Imponiervokabeln hingenommen, ohne der Denglisch-lobby (lobia, ml, «Klostergang», «Halle») das sprachliche copyright (copia, «Fülle») für ihr nonsense-Geschwätz (non, «nicht»; sensus, «Sinn») streitig zu machen. Natürlich haben wir das alles nicht ohne emotions (emotio, «Gefühl») verfolgt, natürlich waren wir nicht gerade amused (mussari, «brummen»).
Aber jetzt, auf dem Höhepunkt des Denglisch-booms, ist Schluss. Jetzt kriegt der boom, was er sprachlich verdient: Wir lassen die Bombe platzen (boom und «Bombe» gehen beide auf bombus, gLw, zurück, «dumpfes Geräusch»). Die Pansch-party (pars, «Teil») ist zu Ende. Von wegen Denglisch! Künftig wird nur noch von Denglatein gesprochen. Denn die Hälfte aller denglischen Vokabeln, na gut, sagen wir ein Drittel, sind Kinder von Mutter Latein, der regina linguarum («Königin der Sprachen»).
Das ist mal ein ganz neuer approach in der Denglisch-discussion (appropiare/appropinquare, «sich nähern»; discutere, «erschüttern»). Wir verdanken ihn der Mode- und Sprachschöpferin Jil Sander. Sie hat uns mit einem legendären Denglisch-statement (statuere, «festsetzen») die Augen geöffnet:
«Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss (…). Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann die Sachen, die refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches haben will, searcht eben nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils.» (Kursivierung durch K.-W. W.)
Nonstop Nonsense – Copyright bei Frau Dr. ling. mix. Sander
Sie finden den Text kreuzdämlich? Wir auch – und sprechen Jil Sander unsere congratulations (congratulari, «beglückwünschen») dafür aus, dass der Verein Deutsche Sprache e. V. ihr dafür den Sprachpanscher-Preis des Jahres 1997 verliehen hat. Den hat sie sich redlich verdient. Doch was entdecken wir bei genauerem Hinsehen unter der peinlichen Denglisch-Oberfläche? Ist ja alles Latein, was so penetrant Neudeutsch daherkommt! Wollen wir das mal kurz checken (vl, rekonstruierbares scaccus, der besonders zu schützende «König», dem das «Schach»-Spiel seinen Namen verdankt)?
Bitte sehr, oder, wenn's besser gefällt: please (placere, «gefallen»): Die story kommt von historia, gLw, «Geschichte»; contemporary ist etwas, das «mit» (cum/con-) der «Zeit» (tempus) geht. Die Vorsilbe co-, con- zeigt, wie sehr Jil auf das Miteinander abzielt: co-ordinare, «zusammen-ordnen»; con-cipere, «zusammen-fassen»; com-binare, «je zwei zusammen-stellen»; col-ligere, «zusammen-lesen», «sammeln». Soziale Kompetenz unter dem Deckmantel semantischer Rekurrenz – das hat was! Und wir begreifen: con- hat future (futurus, «künftig»). Auch darin, nicht nur mit unserem money (moneta, «Münze») supporten wir Jil (sup-portare, «herbeitragen»), zumal sie uns als audience (audire, «hören») ein so schönes Zeugnis ausstellt. Ja, wir haben spirit (spiritus, «Geist») und ja, wir bekennen uns zu refined Qualitäten. Das sind – warum eigentlich nicht qualities, qualitates, «Beschaffenheiten»? – Qualitäten, die immer «wieder» (re-) «bis zum Ende» durchdacht und durchgeführt sind. In refined steckt finis, «Grenze», bzw. finire, «beenden». Das wirklich «Vollendete», finitum, hat sich übrigens auch das Deutsche von Mutter Latein abgeschaut, und zwar im Lehnwort «fein».
Beim appreciaten sind wir besonders gut – sicher auch, weil wir den sprachlichen Ursprung von appreciaten kennen: ap- aus ad-, «zu»; pretium, «Preis»; appretiare, «einschätzen». Da kann Jil auf unsere voice zählen, so wie die Römer sich auf unsere vox, «Stimme», verlassen können. Searchen hört sich englisch an, ist aber ebenfalls lateinstämmig: circare, «herumgehen», «erkunden», stand am Anfang der Suche. Magic geht auf magicus zurück, ein Wort, das zu den nicht ganz seltenen lateinischen Entlehnungen aus dem Griechischen gehört: «zauberisch». Oder sagen wir doch, zumal angesichts dieses Kontextes: «zauberhaft»! Und für uns Lateiner ist es, verehrte Jil, auch effortless, Ihre Sprach-compilation zu decoden (de-, «weg»; codex, «Buch», «Verzeichnis»). Wir erkennen neben dem verneinenden (zugegeben: englischen) -less auch das exfortiare, «stark machen» im effort. Alles also total easy (vielleicht von ansa, «Henkel», daraus «Möglichkeit»).
Ein Wort noch zur compilation. Die Ursprungsbedeutung macht die Sache nicht besser: com-pilare heißt «zusammenrauben», «ausplündern». Womit wir ja fast, allerdings ausdrücklich ohne das mit Frau Dr. ling. mix. Sander combinen zu wollen, bei einer gewissen copy-and-paste-affair (copia; pasta, ml, «Teig» als «Klebemasse»; ad+facere, «an-tun») wären, die im Jahre 2011 die Republik erschütterte. Weitere details (de- + ml taliare, «abschneiden») dazu im city-Kapitel – ein bisschen suspense (suspendere, «schwebend halten») muss bleiben.
Klar, man kann Jils giving-story auch unter nonstop nonsense abheften. Beim stop sind römische Klempner mit im Sprach-Boot. Sie pflegten nämlich, tropfende Abflüsse mit stuppa, «Werg», abzudichten. Die Tätigkeit des stuppare lebt außer im englischen to stop im deutschen «stopfen» weiter. Aber wir ziehen es in diesem editorial (e-dere, «heraus-geben») vor, Jils comment zu ihrer success story (commentari, «überlegen», «niederschreiben»; successus, «Fortgang», «Erfolg»; historia) vom denglateinischen point of view aus (punctum, das «Gestochene»; videre, «sehen») als giving-story für Latein zu werten. Oder, mit noch größerer Anerkennung, zu appreciaten.
Rules für ein Me-Too-Product
Mit dieser Ermutigung haben wir uns, mit Latein- und etymologischen Wörterbüchern der englischen Sprache unterm Arm, auf den Weg gemacht und haben mal alles notiert, was uns im zeitgenössischen – oh, Entschuldigung: contemporary – Englisch-Sprech spanisch vorkam, weil es aus dem Lateinischen stammt. Wobei wir über genügend self confidence (confidere, «vertrauen») verfügen, um einzuräumen, dass der größere Teil des lateinstämmigen Sprachmaterials über «französische» Vermittlung auf die Insel gelangt ist. Die normannische Invasion nach der Schlacht von Hastings im Jahre 1066 hat tiefe Spuren im englischen Wortschatz hinterlassen, wenngleich auch schon die Angelsachsen wie andere Germanen reichliche Anleihen bei der römischen Sprachenkönigin aufgenommen hatten.
Auch die Sprache der alten Römer hat sich weiterentwickelt und im Mittelalter und in der Volkssprache («Vulgärlatein» – nicht abwertend gemeint, sondern auf vulgus, «Volksmasse», bezogen) alte Bedeutungen modifiziert und neue Wörter geprägt. Wo wir über den Tellerrand des klassischen Lateins hinausblicken, haben wir das in der Regel mit «ml» (Spät- bzw. Mittellatein) bzw. «vl» (Vulgärlatein) gekennzeichnet.
Nicht alle Etymologien sind sicher; gelegentlich sind sich die Sprachforscher nicht einig. Solche Unsicherheiten haben wir meist angemerkt. Aber gewiss bleibt auch dort, wo wir uns einigermaßen sicher waren, das eine oder andere Fragezeichen.
Sprachliche Übernahmen sind nichts Besonderes – und, wenn sie der sinnvollen Erweiterung und Differenzierung eines Wortschatzes dienen, nichts Verwerfliches. Auch die Römer haben sich bei den Griechen «bedient». Wir honorieren diesen linguistischen provider service (providere, «sorgen für»; servitium, «Dienst») der Hellenen mit der einschlägigen note (nota, «Kennzeichen») «gLw» (griechisches Lehnwort). Eine letzte Abkürzung: «ppp» steht für «Partizip Perfekt Passiv». Manchmal verändert sich der Stamm eines Wortes in diesem Partizip recht deutlich – und dient dann als Grundlage für Fremd- und Lehnwortbildungen, die man vom Infinitiv aus nur mit Mühe erkennt.
Da sich auf dem Denglisch-market (mercatus, «Markt») zahllose Panscher tummeln, von denen manche kaum noch irgendwelche limits (limes, «Grenze») kennen, benötigten wir für die Unterscheidung zwischen – einigermaßen – repräsentativem, jedenfalls weit verbreitetem Denglisch-Vokabular und exzessiven preferences (prae-ferre, «vor-ziehen») à la Jil Sander eine rule (regula, «Regel»). Die gibt, auch wenn wir hier und da darüber hinausgegangen sind, der von G. Junker herausgegebene «Anglizismen-Index» sowie das eng verwandte «Wörterbuch überflüssiger Anglizismen» vor. Das letztere Werk ist eine offizielle Publikation des Sprachvereins VDS, das erstere gewissermaßen inoffiziell und deshalb im Ton gelegentlich kämpferischer. Ob wir einem der «Schutzvereine» für die deutsche Sprache angehören? Nein, als engagierte oder gar militante Sprachschützer verstehen wir uns nicht; da scheint uns manchmal eine gewisse obsession (obsessio, «Belagerung») im Spiel. Unser commitment (se committere, «sich anvertrauen») gilt ganz und gar dem Lateinischen. Und deshalb heißt unser project (pro-iectum, «Vorgeworfenes», «Plan»): Den Denglisch-freaks mal so richtig zu zeigen, wo der lateinische Hammer hängt.
Apropos freaks. Das Wort verwenden wir nur als Illustration dafür, dass es in unserem sampler (exemplum, «Beispiel») eigentlich unzulässig ist. Denn wir nehmen strikt nur Denglisch-Brocken mit lateinischer Migrationsgeschichte auf – und freak hat keine. Etwas großzügiger verfahren wir bei Zusammensetzungen: Wenn nur 50 %, in seltenen Fällen nur 33 %, eines zusammengehörigen Begriffs lateinstämmig sind, usen wir ihn trotzdem (uti, ppp usus, «gebrauchen»). Deshalb können wir auch mit voller Überzeugung behaupten, dass dieses Buch für alle an der lateinischen, der englischen und nicht zuletzt der deutschen Sprache Interessierten ein absoluter must-have-article (articulus, «Gliedchen», «Stück») sein sollte. Nein, nein, wir wollen Sie nicht abcashen (capsa, «Behälter», ursprünglich für Bücher)! Aber doch angesichts der vielen Aha-Erlebnisse darauf hinweisen, dass es sich um ein echtes me-too-product handelt (pro-ducere, «hervor-bringen»). Vielleicht können Sie beim Kauf ja auch noch Ihre payback card einsetzen. Die trieft mit card (charta, «Blatt Papyrus») und pay nur so vor Denglatein. Mit pay bescheren wir Ihnen schon ein Aha-Erlebnis: Oder wussten Sie, dass in pay pax steckt, der «Friede»? Eigentlich ganz einleuchtend: Pay und du hast deinen Frieden!
Für ein kleines problem (problema, gLw, «Problem») – manch einer mag es als etwas größeres empfinden – bitten wir um Verständnis: die zahlreichen Wiederaufnahmen einzelner Begriffe einschließlich der Erläuterungen in den verschiedenen Kapiteln. Das ist etwas mühsam; Querverweise wären indes noch mühsamer. Letztlich ist die Bereitschaft zu Wiederholungen der erwarteten reading procedure (pro-cedere, «voran-gehen») geschuldet: Auch wenn jeder Autor meint, sein Buch müsse man eigentlich in einem Rutsch von vorne nach hinten durchlesen, realizen wir doch (als realis, «tatsächlich», empfinden), dass die kapitelweise Lektüre der Normalfall sein und auch die Reihenfolge variieren wird.
So, und jetzt wünschen wir Ihnen eine relaxte (re-laxare, «wieder locker machen») Lektüre! Sollten Sie hier und da auf Augenzwinkern, Ironie und Spaß stoßen, dann denken Sie daran: Auch joke ist ein denglateinisches Wort. Unter iocus verstanden die Römer «Witz» und «Spaß».