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Kapitel 1

Ein-Gott-Glaube und Monotheismus

Obwohl sich der Ein-Gott-Glaube immer als Monotheismus ausgibt, müssen beide strikt auseinandergehalten werden. Der Ein-Gott-Glaube, griechisch Henotheismus, geht davon aus, dass es nur einen einzigen Gott gibt. Zur Zeit gibt es drei Religionen, die diesen Ein-Gott-Glauben unter dem Namen Monotheismus verfechten. Aber siehe da – sie haben von diesem einzigen Gott jeweils ein völlig anderes Bild entworfen. Ihre Gottesbilder berufen sich jeweils auf Offenbarungen, die seit vielen Jahrhunderten in ihren heiligen Schriften fixiert sind. Dem steht aber das Wesen des GEISTES gegenüber: Die Offenbarwerdung des Absoluten, besser: die Selbstpräsentation des GEISTES (Erich Jantsch), dauert zeitlos an. Es ist eine Sünde wider den GEIST (Mt 12, 31), Offenbarung jemals für abgeschlossen zu erklären: Der GEIST weht, wo er will … aber man weiß nicht, woher er kommt und wohin er weht (Joh 3, 8). Zudem sind diese altüberlieferten Gottesbilder keineswegs untereinander kompatibel. Können denn ganz und gar gegensätzliche Gottesvorstellungen oder Gottesbilder denselben Gott abbilden? Wohl kaum. Wir erleben die Anhänger des Ein-Gott-Glaubens als intolerant, denn sie lassen nur ein einziges Gottesbild gelten, nämlich ihr eigenes.

In einem Punkt stimmen die gegenwärtigen Formen des Ein-Gott-Glaubens allerdings überein: In jeder hat Gott noch eine andere Macht als Gegenspieler, einen Widersacher, Teufel oder Satan genannt. Wo geglaubt wird, dass es neben dem einen Prinzip des Guten auch ein Prinzip des Bösen gebe, neben der Allmacht noch ein weitere Macht, weil es zu allem auch ein Gegenteil geben müsse, dort liegt kein Monotheismus vor, sondern eine Spielart des Dualismus.

In einem regelrechten, noch nie erlebten Rausch der Zerstörung – den viele Nichtchristen voll Entsetzen beobachteten – richtete die christliche Kirche im 4. und 5. Jahrhundert eine schier unfassbare Anzahl von Kunstwerken zugrunde. Klassische Statuen wurden von ihren Sockeln gestoßen und verunstaltet, Arme und Beine abgeschlagen. Tempel wurden eingerissen und niedergebrannt. Einen Tempel, der weithin als prächtigster im ganzen Imperium galt, machten die Christen buchstäblich dem Erdboden gleich. … Auch Bücher, die damals vielfach in Tempeln aufbewahrt wurden, blieben nicht verschont. Die Relikte der größten Bibliothek der Antike, die einst an die 700 000 Bände umfasst hatte, wurden ebenfalls von den Christen vernichtet. Es sollte mehr als tausend Jahre dauern, bevor es wieder eine Bibliothek mit auch nur annähernd so vielen Büchern geben sollte. Die Werke der zensierten Philosophen waren verboten, und im ganzen Reich brannten Scheiterhaufen, auf denen die verbotenen Bücher landeten.Gerade einmal ein Hundertstel der lateinischen Literatur überlebte die Jahrhunderte. 99 Prozent sind für immer verschwunden (Nixey, Zorn 19 bis 21). Mit Äxten bewaffnete Mönche hatten ein Haus überfallen, das als Schrein

„dämonischer“ Götzenbilder galt, und es vollkommen zerstört. Die Gewalt hatte sich rasch ausgebreitet. In ganz Alexandria hatten die Christen sämtliche Darstellungen der alten Götter beschlagnahmt; sie hatten sie aus Thermen und Privatwohnungen geholt, mitten in der Stadt zu einem großen Scheiterhaufen aufgetürmt und in Brand gesteckt … In Alexandria hatten die Christen mit Folter, Mord und Zerstörung dafür gesorgt, dass das geistige Leben mehr oder weniger zum Stillstand gekommen war … (Nixey, Zorn 318 und 320).

Die Legitimation für ihre Zerstörungswut holten sich die Christen aus dem Alten Testament: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. … Du sollst sie nicht anbeten noch ihnen dienen. Denn ich, der HERR dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott, der das Vergehen der Väter heimsucht bis in die dritte und vierte Generation an den Kindern derer, die mich hassen (5 Mos 5, 7 und 9). Zerstört alle heiligen Stätten, wo die Heiden, die ihr vertreiben werdet, ihren Göttern gedient haben, es sei auf hohen Bergen, auf Hügeln oder unter grünen Bäumen, und reißt um ihre Altäre und zerbrecht ihre Steinmale und verbrennt mit Feuer ihre heiligen Pfähle, zerschlagt die Bilder ihrer Götzen und vertilgt ihren Namen von jener Stätte (5 Mos 12, 2 f) .

2015 begann der IS – der sogenannte Islamische Staat – im Irak die in seinen Augen „gottlose“ altassyrische Stadt Nimrud südlich von Mossul zu zerstören. Die Bilder, die um die Welt gingen, zeigten IS-Kämpfer, die drei Jahrtausende alte Statuen von den Sockeln stürzten und mit dem Hammer bearbeiteten: Die „Götzenbilder“ mussten zerstört werden. In Palmyra wurde die große Athenestatue, deren Überreste Archäologen sorgsam restauriert hatten, erneut attackiert. Wieder wurde die Göttin enthauptet; wieder wurde ihr der Arm abgehackt (Nixey, Zorn 24).

Der reine Monotheismus lässt keinerlei Dualismus zu. Das griechische monos bedeutet »allein« oder »nur«. Monotheismus bedeutet: Es gibt nur Gott, nur eine einzige Macht, das Gute. Warum das Gute? Weil das Wirkliche oder seiende das Positive oder Gegebene ist. Das, was das seiende negiert, ist per definitionem das Negative. Das Negative hat keine Eigenexistenz, es ist lediglich die Verneinung des Positiven, ersetzt es aber nicht. Wer auf Nichtwirkliches, also Nichtseiendes setzt, mit illusionen statt mit ideen das Haus seines Bewusstseins baut, macht böse Erfahrungen (Erfahrungen mit dem Bösen), denn er steht, wenn er Halt und Schutz sucht im Nichts – im Nihilismus.

Der erste reine Monotheist, von dem wir wissen, war der Pharao Amenophis IV. Echnaton (1365-1347 vor). Für ihn und Zarathustra (~ 800 vor) gibt es als Wirklichkeit nur das allgegenwärtige Licht, neben dem es keine Finsternis geben kann. Die nächsten Monotheisten sind Parmenides von Elea (ca. 515-445 vor), Platon (427-347 vor), für den Gott das Gute ist, und Jesus von Nazareth. Der reine Monotheismus hat in keiner der Religionen überlebt, die sich auf sie als Gründer berufen.

Die reinen Monotheisten greifen zur Verdeutlichung ihrer Einsicht und Lehre zur »Licht-Finsternis«-Symbolik1. Sie sehen jedoch »Licht« und »Finsternis« nicht als Dualismus von Gott und einem Teufel, nicht als Kampf zweier widerstreitender Mächte, des Guten und des Bösen, die sich auf Augenhöhe im Kampf gegenüberstehen. Was sich da gegenüberzustehen scheint, ist Seiendes und Nichtseiendes.

Es gibt eine Lichtquelle, aber keine Quelle, die Finsternis verströmt. Man kann in einem riesigen dunklen Raum ein kleines Licht anzünden: auch die größte Finsternis kann das kleinste Licht nicht zum Verlöschen bringen: Das Licht erleuchtet in der Finsternis, und die Finsternis kann es nicht überwältigen (Joh 1, 5).

Auch kann man in einen hellen Raum keine Finsternis einleiten und so das Licht schwächen oder zum Verlöschen bringen. »Raum« ist wie »Haus« ein Symbol für Bewusstseinskapazität: sie kann erleuchtet sein, dann ist es hell; sie kann unterbelichtet sein, dann herrscht mentale Finsternis.

Auch kann GOTT, die Quelle des Guten, nicht gleichzeitig die Quelle des Bösen sein. Lässt denn die Quelle aus demselben Loch Süßwasser und Meerwasser fließen (Jak 3, 11)? Gott ist nach Paulus Alles in Allem (1 Kor 15, 28). GOTT ist Licht und in ihm gibt es keinerlei Finsternis (1 Joh 1, 5). – wenn der Unwissende belehrbar ist. Er kann auch kein Vergehen gegen seine Gesetze bestrafen, indem er Unheil schickt, um den Übeltäter zu züchtigen und krank zu machen.

Im monotheistischen Gottesbild kennt Gott das sogenannte Böse gar nicht, weil es nicht zur Wirklichkeit, sondern in die Nicht-Wirklichkeit gehört. Ebenso kann die Mathematik keine Fehler kennen oder bestrafen, weil Fehler in der Mathematik nicht enthalten sind. Sie sind außerhalb, in einer sogenannten mutmaßlichen Nicht-Mathematik.

Monotheisten aus wissenschaftlicher Überzeugung kennen keine militante Intoleranz. Sie wissen: Wer da behauptet, 2 x 2 sei 5, ist einfach unwissend. Unwissenheit kann aber nicht mit physischer Gewalt bekämpft werden, sie kann nur durch das Licht der Erkenntnis Aufklärung erfahren und verschwinden – wenn sich der Unwissende belehren lässt. Aus der Toleranz würde aber Tollheit werden, würde man sein Schicksal einem Überseeschiff anvertrauen, das von einem blinden oder in der Seefahrtkunst unkundigen Kapitän gesteuert wird. In ein Haus, dessen Bau auf einer falschen Statik beruht, sollte man klugerweise nicht einziehen.

1 Vgl. Exkurs Licht und Finsternis

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