Читать книгу Suchtkrank - Bis alles zerbricht? - Karsten Strauß - Страница 6
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ABHÄNGIG KRANK ZU SEIN KANN BEDEUTEN, DASS MANSEIN LEBEN VOR SEINEM TOD VERLIERT.
„Alles Scheiße.“ sagt mein Gegenüber, ein jugendlicher Mensch von 22 Jahren und macht mich damit ratlos: Er hat recht. Er ist krank. Abhängig krank. Drogenabhängig. Heroin, Kokain. Und Alkoholabhängig. Und schon acht statonäre Entzüge hinter sich. Weitere werden folgen. Ambulante Therapien sind erst recht aussichtslos. Desolate Perspektve.
Werde ich ihm helfen können?
Wahrscheinlich nicht. Rein - raus, der Drehtür-Effekt in der Suchttherapie ist sprichwörtlich.
Wird er leben?
Ungewiss. Vielleicht am Rande der Gesellschaft, vermutlich strbt er einen frühen Tod.
Fünfunddreißig Jahre später.
„Alles Scheiße.“ sagt mein Gegenüber, und ich habe jede Menge Ideen, diesen Zustand wirksam beheben zu können. Er ist krank. Abhängig krank. Drogenabhängig. Heroin, Kokain. Alkoholabhängig.
Werde ich ihm helfen können?
Wahrscheinlich ja. Drehtür-Effekte sind gerade in der ambulanten Interventen selten.
Wird er leben?
Ziemlich sicher: ja. Mit einer Perspektve auf das, was wir ein normales Leben nennen.
Was ist passiert?
Wir haben viel gelernt und wir haben vieles verstanden.
Kliniken berichten, die so genannte „Rückfallquote“ nach einer statonären Suchtbehandlung liege bei über 75% und mehr. „Standardwege führen zu Standardergebnissen“, sagte einmal Reinhard K. Sprenger1.
Standards, die in eine Drehtür führen, sind einfach blöd.
„Wer nicht vom Weg abkommt, bleibt auf der Strecke.“ ergänzte Sprenger seinen oben ziterten Satz. Lust auf andere Sichtweisen und der Mut, anderes auszuprobieren, das sind oft die Faktoren, die den Menschen weiter bringen.
Heute wissen wir, dass eine Abhängigkeitserkrankung eine schwerwiegende chronische Krankheit ist - und keine Charakterschwäche.
Heute wissen wir, dass der Mensch eine psycho-somatsche Einheit ist. Wir wissen, dass es keine Krankheit gibt, die ausschließlich den Körper oder ausschließlich die Psyche betrifft: immer ist der Mensch als Ganzes krank.
Wir haben gelernt, die Akupunktur als zutefst ganzheitliche, psychosomatsche Interventonsform in unsere Therapie einzubeziehen, bei der Abhängigkeitserkrankung übrigens die einzig Erfolg versprechende Methode, dem berüchtgten „Suchtdruck“ wirksam zu Leibe rücken zu können.
Und wir haben verstanden, dass Krankheit stets nicht nur den Kranken selbst, sondern auch sein Drumherum betrifft: Partner, Kinder, Freunde, Kollegen, Verwandte, das soziale Umfeld eben in seiner ganzen Breite. Das ist bei einer Abhängigkeitserkrankung in besonders eklatanter Ausprägung der Fall. Auch dieser Aspekt ist übrigens ein sehr starkes Argument für die ambulante Interventonsform, die wir in diesem Buch vorstellen, weil nur auf diese Weise ein direktes Miteinander im sozialen Umfeld möglich ist.
Der erste Teil dieses Buches, geschrieben von Karsten Strauß, befasst sich mit dem Verständnis der Abhängigkeitserkrankung und der Interventons-Methodik, inclusive einer eher unkonventonellen Beschreibung verschiedener Substanzen und der Akupunktur und zeigt anhand von 12 authentschen Fall-Beispielen die Möglichkeiten auf.
Der zweite Teil, geschrieben von Tina Franken, berichtet aus der Angehörigen-Sicht einer Ehefrau und Mutter über die teils fürchterlichen akuten und langfristgen Verwerfungen, die ein abhängig kranker Mensch in seiner Umgebung auslösen kann - und es meist auch tut.
Der interessierte Leser findet im Anhang eine kurze zusammenfassende Beschreibung der in dieser Methode zur Anwendung kommenden Akupunkturpunkte.
1 Reinhard K. Sprenger darf wohl mit Recht als profiliertester deutscher Unternehmensberater bezeichnet werden. Er studierte Philosophie, Psychologie, Betriebswirtschaft, Geschichte und Sport, ist promovierter Philosoph und - eigentlich klar - auch Rockmusiker.