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Teil 1 (Karsten Strauß)

1.1. Die Macht der Sprache

In diesem Abschnitt geht es um sprachliche Kommunikaton, Intuiton und weshalb nur das Subjektve objektv richtg ist. Und natürlich darum, was das mit Abhängigkeitserkrankungen und Akupunktur zu tun hat.

SPRACHE, VEREINBARUNGEN, DEFINITIONEN

Während ich diesen Beitrag hier verfasse, lese ich „Angriff der Algorithmen“ von Cathy O'Neil und soeben hab' ich Irvin D. Yaloms „Wie man wird, was man ist“ beiseite gelegt. Beides sind Bücher, die man gelesen haben muss, finde ich.

Ich erwähne das, weil ich den Eindruck erwecken will, ich sei ein gebildeter, belesener Mensch, der sich dauernd in irgendwelcher Literatur vergräbt. Schließlich geht es in der Kommunikaton ja darum: man will etwas erreichen, man will einen Eindruck hinterlassen. Niemand erhebt Stmme, Hand oder sich selbst in der Absicht, nicht wahrgenommen zu werden.

Natürlich können Sie nicht wissen, dass das seit Jahren die ersten Bücher wieder sind, die ich zur Hand nehme. Ich hab' Sie also hinter's Licht geführt. Das nämlich kann Kommunikaton auch: tarnen, täuschen, vorspiegeln. Es müssen noch nicht einmal „Fake-News“ sein, schlichtes Weglassen von Aspekten und Details reicht oft schon.

Das alles ist erlaubt, denn nirgendwo gibt es ein Gesetz oder eine Vereinbarung, dass Kommunikaton stets wahrhaftig sein muss. Die beiden Begriffe „Vereinbarung“ und „wahrhaftig“ in diesem Satz sehen wir uns jetzt genauer an.

Ich schreibe mal folgende Buchstaben: s - u - h - a. Und schon sind ein paar erstaunliche Dinge passiert. Ihr Gehirn hat die Helligkeitskontraste (schwarz auf weiß) als Linien interpretert, diese Linien als vertraute Buchstaben definiert und Ihnen dann mitgeteilt: da stehen die Buchstaben s, u, h und a. Na und, werden Sie vielleicht gesagt haben, was soll das? Gleichzeitg wird Ihr Gehirn sich gefragt haben: ergeben die Buchstaben einen Sinn? Mit etwas Hilfe und einem weiteren Trick (Groß- und Kleinschreibung) werden Sie blitzschnell erkennen, dass sich diese Buchstaben zu dem Begriff „Haus“ kombinieren lassen. Das konnten Sie aber noch nicht, als Sie auf die Welt kamen. Sie haben das gelernt: Sprache, Schrift, alles haben Sie und ich uns - teils mühsam - angeeignet. Wir haben gelernt, dass diese Linien, diese Formen, von den Allermeisten aus unserer Umgebung stets gleich interpretert werden, nämlich als Buchstaben, die sich zu Worten kombinieren lassen. Damit können wir uns untereinander verständigen, wir sprechen eine Sprache, weil wir uns auf eine Interpretaton geeinigt haben. Wir haben eine gültge Vereinbarung getroffen.

Wären Sie beispielsweise in einem arabischen Land zur Welt gekommen, würden Sie heute das hier ǔj-j als den Begriff „Haus“ interpreteren und mit unseren Buchstaben könnte Ihr Gehirn zunächst rein gar nichts anfangen. Sie müssten erst „eine Sprache lernen“. Was schlicht und einfach bedeutet: Sie müssten neue Vereinbarungen lernen, bestmmte Helligkeitskontraste anderen Linien zuordnen und diese dann zu anderen Dingen ordnen, die möglichst einen Sinn, einen Informatonsgehalt für Sie ergeben.

Es ergibt sich die Frage: welche Interpretaton von Linien ist die wahre, die richtge, welche Vereinbarung der Deutung des Geschriebenen ist richtg? Die Antwort ist klar und einfach: jede. Es kommt nur darauf an, wo man geboren ist, wo man lebt und welche Vereinbarungen dort getroffen wurden, um Kommunikaton möglich zu machen und/oder sie zu erleichtern.

Sprache ist also eine Vereinbarung über Deutungen und Interpretatonen in bestmmten Zusammenhängen.

Mit Sprache - geschrieben, gesprochen oder gedacht - erfassen und beschreiben wir sämtliche Dinge um uns herum und in uns selbst. Das macht jeder von uns. Und selbst bei gleicher Sprache sieht jeder von uns die Welt mit seinen eigenen Augen - etwas anderes ist nicht möglich, wir können nicht aus uns und unserem Körper hinausund in einen anderen Menschen hineintreten. Bestenfalls können wir immer nur wir selbst sein.

Ich habe eben mal nachgeschlagen, wann dieser Marc Aurel eigentlich gelebt hat (römischer Kaiser, 26. April 121 bis 17. März 180), dessen weise Erkenntnis jetzt doch tatsächlich schon fast 2.000 Jahre alt ist: „Alles was wir hören, ist eine Meinung und keine Tatsache. Alles was wir sehen, ist eine Perspektve und keine Wahrheit.“

Die aktuelle Kommunikatonsforschung bestätgt ihn. Sie hat darüber hinaus noch ein Feintuning vorgenommen, indem sie die Differenzierung in verbale (= Sprache), paraverbale (= Stmme, Stmmlage usw.) und nonverbale (= der nicht über Sprache vermittelte Rest, sich miteinander auszutauschen) Kommunikaton eingeführt hat. Sprache, so wird gesagt, mache maximal nur rund zwanzig Prozent unserer gesamten menschlichen Kommunikaton aus.

Vergegenwärtigen wir uns einmal kurz, in welcher Welt wir leben: Im Jahr 2018 wird die Erde von rund 7,8 Milliarden Menschen bevölkert. 1958 waren es erst etwa 2,8 Milliarden. Unser kleines Raumschiff bietet den Menschen nur auf dem festen Boden die notwendigen Lebensbedingungen und der beträgt lediglich knapp 30 % der Gesamtoberfläche. Es gibt Menschen, die in Kulturen leben, die aus grauer Steinzeit zu stammen scheinen, Menschen, die in Gegenden leben, die schon Strom kennen, es gibt Menschen, die in so genannten hochentwickelten Städten leben, und es gibt jede Menge Zwischenformen. Viele hundert Jahre Menschheitsgeschichte sind heute noch lebendig und gleichzeitg auf diesem Planeten vorhanden. Je nach Definiton kommunizieren Menschen heute in bis zu 7.000 unterschiedlichen Sprachen, Dialekte nicht eingerechnet, was bei Schwäbisch und Ostfriesisch ziemlich unverständlich ist.

Weder Wikipedia, noch sonst ein Auskunftswerk traut sich, eine Zahl zu nennen, wie viele unterschiedliche Kulturen, Religionen und Weltanschauungen es gibt. Jede dieser Kulturen, Religionen und Weltanschauungen prägt Menschen, indem ihnen Vereinbarungen gegeben werden, nach denen sie ihr Leben ausrichten können, sollen oder sogar müssen. Und jeder Mensch für sich ist und bleibt ein Individuum, ein einzelnes einmaliges Ereignis, ein einzelnes einmaliges Leben - mit seiner einzigartgen individuellen Sichtweise auf sich selbst und die Welt. Äußeres Zeichen seiner Einzigartgkeit sind zum Beispiel sein Fingerabdruck und sein genetscher Code. Keine zwei der 7,8 Milliarden Menschen sind völlig identsch, selbst eineiige Zwillinge nicht.

Kommunikaton ist die Brücke, die Verbindung zwischen den Individuen, zwischen den teils gewaltgen, teils kaum merklichen, den beständigen und den flüchtgen Unterschieden zwischen Menschen und deren Wahrnehmungen und Sichtweisen. Angesichts der Fülle der Verschiedenheiten können die häufigen Fehlschläge in der menschlichen Kommunikaton kaum mehr verwundern.

Einer der hartnäckigsten und in seinen Auswirkungen fürchterlichsten ist das Gerangel um die „Wahrheit“, um das „objektv Richtge“, um das „Recht haben“. Viele Millionen Menschen sind dem schon zum Opfer gefallen und es waren nicht nur religiös motvierte Kriege, die so wahnsinnig viele Leben ausgelöscht haben.

Ob Militär, Religion, Wirtschaft oder Politk, ob Banker, Politker, Journalisten, Juristen, Päpste, Generäle oder der schräge Nachbar von Gegenüber - wir wissen schon längst, dass es „die eine Wahrheit“ nicht gibt, erleben das tagtäglich.

Wir wissen, dass alles, aber wirklich alles, was wir miteinander kommunizieren, lediglich Vereinbarungen sind und keine Wahrheiten. Und wir wissen, dass es sehr sehr viele Vereinbarungen zum gleichen Thema geben kann, je nachdem, wer sie trifft und was damit erreicht werden soll. Und natürlich ist eine Definiton, auch eine wissenschaftliche, nichts anderes als eine Vereinbarung.

Was hat das mit unserem Thema zu tun?

Alles.

Weil wir Sprache benutzen, um Krankheiten oder Störungen, Befindlichkeiten und Missempfindungen zu beschreiben. Und damit die entsprechenden Vereinbarungen meinen. Immer in der Hoffnung, das Gegenüber (Partner, Krankenschwester oder Arzt) kann mit unserer Beschreibung das „Richtge“ anfangen.

Weil es eine Definitonssache ist, was wir unter einer Abhängigkeitserkrankung verstehen wollen. Und Definitonen, auch Krankheitsdefinitonen, unterliegen nicht nur einer fachlichen Einschätzung, sondern auch dem, was man „Zeitgeist“ nennt (es gibt auch sogenannte „Modediagnosen“), Macht- und nicht zuletzt wirtschaftlichen Interessen. Das ist bei der Definiton der Abhängigkeitserkrankung nicht anders. Zu den wirtschaftlichen Interessen gehören übrigens nicht nur industrielle (z.B. Gerätehersteller), sondern auch Unternehmen, bei denen der finanzielle Gewinn nicht an erster Stelle stehen sollte (Krankenhäuser zum Beispiel), und natürlich ebenfalls Ärzteverbände, die Pharma-Industrie und jeder einzelne Arzt, der sein Unternehmen (Praxis) führt, das bei unausgewogener Betriebswirtschaft in die Pleite gehen kann.

Weil es einer Vereinbarung bedarf, wenn wir Akupunktur als Heilkunde bezeichnen (in diesem Fall einer juristschen Vereinbarung).

Weil das Image einer heilkundlichen Methode über die Jahre wechseln kann, genau so, wie das Image einer Krankheit. Zum Beispiel waren Depressionen lange nicht hoffähig, heute hat man fast den Eindruck, sowas wie eine kleine depressive Verstmmung gehört als Reakton auf die immer härter werdenden Alltagsanforderungen zumindest in der modernen westlichen Welt zur Standardausstattung psychischer Befindlichkeit.

Akupunktur hat sich von einer verschrienen Außenseitermethode mit Humbug-Image zu einer sehr ernst genommenen Alternatve manch klassischer Behandlungsmethode entwickelt. Und das insbesondere bei der Behandlung der Abhängigkeitserkrankung.

EINE ANDERE, ANGEMESSENE SICHT AUF DIE ABHÄNGIGKEITSERKRANKUNG UND INTERVENTIONSMÖGLICHKEITEN

Eben weil alles eine Frage von Vereinbarungen ist, muss ich Ihnen erläutern, wie meine ganz persönliche Sicht auf den Gegenstand dieses Buches ist: eine moderne Sicht auf die Abhängigkeitserkrankung und Interventonsmöglichkeiten.

Sucht

Sucht, Abhängigkeit, stoffliche Süchte, schädlicher Gebrauch, körperliche und psychische Abhängigkeit, Co-Abhängigkeit, substanzungebundene Sucht - oje, wer soll sich da noch zurecht finden?

Seit bald 40 Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Abhängigkeitserkrankungen auf der praktschen Ebene. Ich darf sagen, dass ich in allen möglichen Bereichen gearbeitet habe: Streetwork, aufsuchende Arbeit, Drogenberatung, AIDS & Drogen, Drogenknast, statonärer Entzug, Kurzzeittherapie, Eingliederungshilfe, Amtsarzt, Psychiatrie, ambulante Therapie und anderes, vom ehrenamtlichen Helfer bis zum Chefarzt einer Fachklinik. Ich durfte sehr viel lernen. Vor allem habe ich einen pragmatschen Blick auf abhängig kranke Menschen und deren Umfeld gelernt, dies- und jenseits gängiger Definitonen. Ich habe gelernt, dass jeder Mensch seine Krankheit individuell durchlebt und eine individuelle Interventen braucht.

Chronisch-rezidivierende Erkrankung

Sucht/Abhängigkeit ist eine schwere und schwer zu therapierende chronisch-rezidivierende Erkrankung.

Chronisch bedeutet: es ist eine langwierige und langfristge Erkrankung, nichts Akutes, das schnell kommt und schnell wieder geht. Es gibt viele solcher Erkrankungen. Zum Beispiel Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Allergien, Schilddrüsenerkrankungen, Magen- und Darmerkrankungen, Hauterkrankungen. Manche begleiten uns ein Leben lang, manche stören kaum, manche sind sehr beeinträchtgend, manche sogar tödlich. Bei vielen chronischen Erkrankungen können wir etwas machen, um sie im Zaum zu halten, bei manchen sind wir hilf- und machtlos.

Der Verlauf chronischer Erkrankungen ist recht unterschiedlich. Einige verharren auf einem bestmmten Niveau und verändern sich nicht, andere werden von Jahr zu Jahr schlimmer und wieder andere haben einen rezidivierenden Verlauf.

Rezidivierend bedeutet: die Krankheit hat einen phasenhaften Verlauf. Es gibt Phasen, in denen der Mensch Symptome hat, schwer unter seiner Erkrankung leidet, akut krank ist. Bei der Abhängigkeitserkrankung bedeutet die Symptomphase: er konsumiert (Konsum-Phase, „Nass-Phase“ bei Alkoholikern).

Und es gibt Zeiten, Phasen, in denen der Mensch nichts oder nicht viel von seiner Erkrankung spürt (obwohl sie nach wie vor da ist), er aber nicht akut unter ihr leidet. Bei der Abhängigkeitserkrankung bedeutet das: er konsumiert nichts (Clean-Phase, Trocken-Phase bei Alkoholikern).

Beide Phasen sind obligatorischer Bestandteil einer chronisch-rezidivierenden Erkrankung. Bei vielen chronisch-rezidivierenden Erkrankungen können wir mit unseren heutgen medizinischen Mitteln die symptomfreie Phase ausdehnen und die Krankheitsphase mit Medikamenten mildern. Manche können wir auch heilen.

Die Abhängigkeitserkrankung wird durch Substanzen ausgelöst, die die Potenz haben, eine absolute Macht über den Menschen auszuüben, über seine Empfindungen, seine Wahrnehmungen, seine Reizverarbeitung, seine Sichtweisen, seine Gefühle, sein Denken, seine Handlungen. Das ist wirklich sehr umfassend und greift tef in den Menschen und seine Verhaltensweisen ein.

Die Substanzen veranlassen den Menschen zu zwanghaften Handlungen. Zwangshandlungen sind nichts Unbekanntes, wir kennen derart schlimme Erkrankungen zur Genüge. Zwangshandlungen sind solche, von denen wir meist zwar wissen, dass sie irgendwie nicht in Ordnung oder gar schädlich sind (z.B. Waschzwang, der auch nicht auffiört, wenn die Haut blutg und kaputt ist und schmerzt wie die Hölle), und wir auch gerne anders handeln würden, wir sie aber trotzdem tun müssen, wir haben keine Wahl - irgendetwas in uns (in diesem Fall die Macht der Substanz) ist stärker als jedes andere Regulatv. Diese Potenz ist von Substanz zu Substanz unterschiedlich groß. Und auch das gesamte Schadenspotenzial, das vom Konsum eines Stoffes ausgeht, ist sehr differenziert zu sehen. Deshalb stmmt der Satz nicht: „Sucht ist Sucht, egal, was der Mensch konsumiert“.

Grob gesagt:

Alkohol zum Beispiel ist die meistkonsumierte Substanz. Die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung von Alkohol ist in der Regel schleichend, kann Jahre, manchmal Jahrzehnte dauern. Die Betroffenen haben sehr häufig ein Gespür dafür, wann es eigentlich zu viel ist mit dem Alkohol.

Bei Kokain sieht das ganz anders aus: die Konsumenten haben über einen manchmal monate- und sogar jahrelangen Konsumzeitraum das Gefühl, die Droge beherrschen zu können. Dabei ist es sehr schnell, meist nach fünf- bis sechsmaligem Konsum, schon andersherum: die Droge übernimmt die Herrschaft. Kokain ist die hinterlistgste Droge, die ich kenne. Und wohl diejenige mit dem ausgeprägtesten Schadenspotenzial, weil sie so oft konsumiert wird von Menschen in Führungspositonen - und deren Entscheidungen und Sichtweisen dann sehr korsettiert sind.

Denn alle Substanzen zwängen den Menschen in das Korsett ihres Wirkprofils. In der Folge kann sich dann ein Gefühl des Überlegenseins einstellen, des Alles-schaffen-könnens, ein Gefühl, Kraft stünde ohne Ende zur Verfügung und man sei hellwach und top-leistungsfähig über viele Stunden (z.B. Kokain, Amphetamine).

Oder man nimmt alles aus der Umgebung und in seinem eigenen Körper als besonders schön und intensiv wahr, ist die Gelassenheit in Person und blendet Negatves einfach aus (z.B. Ecstasy, Benzodiazepine)

Dass solcherlei Interpretaton der Realität im privaten wie beruflichen Umfeld zu sehr suboptmalen Handlungen führen kann, dürfte schon aufgrund dieser wenigen Beschreibungen klar sein.

„Rückfall“

Wir arbeiten nicht mit dem Begriff Rückfall. Das will ich gerne erklären.

Jedes Wort hat allgemeine „Bedeutungsinhalte“ und natürlich persönliche Färbungen. Bei „Rückfall“ denken wohl die meisten von uns daran, dass etwas erneut auftritt, das besser nicht erneut auftreten sollte: die Deutung, das Gefühl bei diesem Wort ist negatv, unangenehm. Bei abhängig kranken Menschen bedeutet das Wort meist: „zurück auf Anfang; alles bis hierhin, das war alles umsonst, wir sind wieder da, wo wir gestartet sind, ich habe versagt.“ Selbst Therapeuten denken und reden so. Und klassifizieren den Rückfall gern als Versagen des Klienten, Versagen der Therapie oder alles zusammen. Das ist nicht nur falsch, sondern auch alles andere als hilfreich.

Denn einen „Rückfall“ kann es nur geben nach einer Phase, in der alles soweit in Ordnung war. Bei einer chronisch-rezidivierenden Erkrankung gehört der „Rückfall“ sozusagen per Definiton zum Krankheitsverlauf dazu, ist also nichts Besonderes.

Würde man jetzt alles wieder auf Anfang schrauben, wäre diese Phase des Erfolgs verloren, nicht mehr wichtg, zunichte gemacht… was erdreisten wir uns da eigentlich? Da hat ein Mensch es geschafft, über einen gewissen Zeitraum seiner Erkrankung ein Schnippchen zu schlagen, gesund zu leben, vielleicht mit Mühen verbunden, mit Anstrengung und schmerzendem Kopf - aber er hat es geschafft. Und das soll jetzt nichts mehr Wert sein? Dieses wunderbare Gefühl, nicht mehr unter dem Zwang der Substanz zu stehen, das war nichts wert? Das ist es nicht wert beachtet, geschätzt und hochgehalten zu werden?

Dazu kommt: schon eine Weinbrandpraline wird als Rückfall bezeichnet, schon eine Pille oder eine Line. Was ist das für eine blöde Philosophie, die ganze tolle Teile einer Biografie, eine Erfolgsgeschichte, einem einzigen Moment opfert?

Nein.

Wir schauen uns das sehr genau an, in jedem einzelnen Fall. Und dann wird in Ruhe nachgesehen, nachgespürt und bewertet: Steht eine erneute Konsumphase bevor? Befindet sich der Klient schon in einer solchen? Wie war die Situaton des Konsums? Hätte er z.B. auch mehr konsumieren können, tat es aber nicht?

Es gibt in dieser Situaton immer eine ganze Menge Fragen zu klären, zu Gewichten und erst dann, wenn man alles inclusive Zeitablauf berücksichtgt hat, dann kann man sagen, ob's eine Konsumphase ist oder nicht. Und das ist die einzige Entscheidung bei der chronischrezidivierenden Abhängigkeits-Erkrankung: Konsumphase oder Clean-Phase.

Oft genug entscheiden wir dann zusammen mit dem Klienten: kein Grund zum Jubeln, über diesen Konsum hat sich niemand gefreut, das war überflüssig, gefährlich und doof, ein Moment punktueller Blödheit. Aber dann schauen wir wieder nach vorn und betrachten zum Beispiel, was diesen Moment nicht zu einer Konsumphase hat werden lassen…“Stärken zu stärken,“ sagte einmal der Kollege Hirschhausen als er noch richtg gut war, „ist so viel sinnvoller, als an seinen Schwächen herumzudoktern.“2

Ich will gerne zugeben, dass diese Art des Umgangs sehr viel Erfahrung voraussetzt und, noch wichtger, wohl nur dann wirklich erfolgreich bewältgt werden kann, wenn Akupunktur eingesetzt worden ist: die Redukton des Suchtdrucks ist ein Segen.

Und ich will gerne zugeben, dass diese Sichtweise in erster Linie dem abhängig Kranken selbst und seiner Helferseite nützlich, sinnvoll und einfach richtg ist. Angehörigen, die unter einem erneuten Konsum leiden, es mitansehen müssen, es nicht verstehen können, die die mühsam wieder aufgebaute Stabilität mit voller Wucht zusammenkrachen sehen - Angehörigen in solchen Situatonen müssen wir zugestehen, dass sie allen verstehenden Sichtweisen zunächst mit Unverständnis, Zorn und Verzweiflung entgegen treten.

Der abhängig kranke Mensch ist schwer krank.

„Du siehst doch, wohin das führt, hör' doch auf mit dem Mist.“ Das bekommt ein Suchtkranker oft zu hören. Aber Abhängigkeit, Sucht, ist eine schwere Krankheit. Das wissen viele gar nicht. Sie wissen nicht, dass man eine Krankheit nicht einfach loswerden kann, wenn man sie nicht mehr haben will. Sagen Sie mal einem Diabetker, einem Rheumatker, einem Allergiker, einem Schilddrüsenkranken oder einem Krebskranken, er solle doch einfach damit auffiören, er wisse doch, dass ihm das nicht gut tut.

„Selbst schuld“ sind zwei Worte, die abhängig kranke Menschen so oft zu hören bekommen, dass sie's selbst glauben. Rauchenden Lungenkrebspatenten, fußamputerten Diabetkern und querschnittsgelähmten Reitern schlägt da deutlich mehr Verständnis und Respekt entgegen.

Alkoholkranken und anderen abhängig kranken Menschen, die nicht unverzüglich „zur Vernunft kommen“, wird sogar von Therapeutenseite vorgehalten: „Du bist noch nicht tef genug unten, um's zu kapieren. Du musst wohl noch eine Runde drehen.“.

Es ist Menschen verachtend, jemanden absichtlich immer weiter abrutschen zu lassen und sein inneres und äußeres Gefüge damit zu demolieren. Es ist eine Illusion zu glauben, jemand habe ausgerechnet dann die größten Kräfte, wenn seine Krankheit gerade die schwersten Schäden anrichtet.

Andererseits: selbstverständlich wird niemand gezwungen, Alkohol zu trinken, als Gesunder Pillen zu schlucken, Heroin zu injizieren, Kokain zu schnupfen oder mit dem Tabakrauchen anzufangen. All das sind freiwillige Entscheidungen. Dummerweise sind alle davon überzeugt, die Angelegenheit im Griff zu behalten.

Wir Menschen halten uns auch angesichts ganz offensichtlicher Gefahren oft für unverwundbar. Jugendliche erst recht. Niemand hat in diesem Alter die Endlichkeit des eigenen Lebens vor Augen, auch als Erwachsene können uns Klimakatastrophe, Umweltverseuchung und Asteroiden nichts anhaben.

Die Millionen-Mega-Cites Istanbul und San Francisco liegen in Gebieten, die mit Sicherheit von verheerenden Erdbeben betroffen sein werden und Fukushima findet immer nur bei den anderen statt. Wir leben mit dem Risiko, es bleibt oft nichts anderes übrig. Aber das verleitet eben auch zu riskanten Entscheidungen, die dann zu Krankheiten führen, die wir so gar nicht haben wollen. Wobei das Trinken eines oder auch mehrerer Biere oder eines Glases Wein absolut nicht als riskante Entscheidung gilt.

Alle abhängig kranke Menschen unterliegen zwei meist zu wenig beachteten Krankheitsmerkmalen: dem Craving und der Ambivalenz.

Craving

Während eine „normale“ Krankheit regelmäßig Abwehrmechanismen im Menschen in Gang setzt, durch Medikamente oder Operatonen beeinflussbar oder heilbar ist und eigentlich immer durchgehend den Wunsch nach Besserung und Genesung auslöst, macht die Suchtkrankheit etwas anders: sie erzeugt gnadenloses Verlangen nach dem Stoff, der krank macht und krank hält.

Das ist das Craving, der Suchtdruck, die Giftgeilheit. Das ist keine „Art Zwang“ mehr, wie die WHO das als ein Symptom unter vielen für die Suchtkrankheit definiert, das ist ein entscheidendes Kriterium, eine fürchterliche Zwickmühle, in der sich der kranke Mensch befindet, ein Abgrund, in den er zu springen gezwungen ist, obwohl er weiß, dass er sehr hart aufschlagen wird.

Das Craving beherrscht den abhängig kranken Menschen total, seine Gedankenwelt, seine Gefühlswelt und seinen Körper. Er erwacht mit dem Gedanken, ob noch genügend Stoff im Haus ist, ob er genug Geld für weiteren hat, wo er mehr bekommen kann; sein Tagesablauf drapiert sich um den Augenblick des Konsums herum; ja, er hat noch Gefühle für seine Nächsten, kann Freude empfinden, Trauer, Liebe, Wut - aber alles ist dem Gefühl des Haben-müssens des bevorzugten Stoffes untergeordnet, ebenso sein Empfinden für Recht und Unrecht; er spürt die Gier nach dem Stoff in jeder Faser seines Körpers, es tut weh und er weiß: erst der Stoff wird ihm Linderung verschaffen, seinem Körper, seinem Geist, seinen Gedanken, seinen Gefühlen.

Ambivalenz

Ambivalenz ist etwas vertracktes: Hü-Hott und Brrrr gleichermaßen und gleichzeitg; soll ich links abbiegen oder doch lieber rechts; tu ich's oder tu ich's nicht. Bestenfalls bedeutet Ambivalenz Entscheidungsstau, Verzögerung, schlechtestenfalls Stllstand und Entscheidungsunfähigkeit. Ambivalenz ist Zerrissenheit und Passivität. Sie ist nicht sonderlich angenehm.

Alle Menschen, die psychotrope Substanzen außerhalb einer definierten therapeutschen Behandlung konsumieren, sind ambivalent. Ambivalent heißt: sie wollen den Stoff konsumieren und auch wieder nicht, sie wollen die Wirkung haben und auch wieder nicht, sie wollen auffiören und auch wieder nicht, sie wollen Nähe und Zuwendung und gehen gleichzeitg auf Distanz, sie wollen Hilfe und doch alleine klar kommen, sie wollen vertrauen können und dennoch ihr Misstrauen behalten, sie wollen Vertrauen ernten und trauen sich selbst kaum. Diese Zwickmühle ist noch bedrückender als es sich anhört. Denn sie lässt kaum Raum für Klarheit und verhindert Entscheidungen. Sie ist nicht immer gleich stark, sie variiert, sie ist immer dann besonders stark spürbar, wenn der Substanzspiegel weit genug gesunken ist, verschwindet auf wunderbare Weise bei dessen Ansteigen und nährt so das Verlangen nach dem bevorzugten Stoff.

Es ist wichtg, die Ambivalenz im Auge zu behalten, wenn man mit einem Substanz konsumierenden oder abhängig kranken Menschen zu tun hat. Sonst ist man beispielsweise leicht geneigt, Aussagen als Betrug, als Lüge, als Verarschung, mindestens als gepflegten Selbstbetrug zu werten, obwohl der Betreffende nichts anderes tut, als diesen - seinen - Anteil zu sehen und zu formulieren.

Deshalb ist Ambivalenz erfreulicherweise nicht nur negatv: sie bietet dem Therapeuten mit ihrem gesunden Anteil eine Möglichkeit, ressourcenorientert zu arbeiten. Das erst versetzt uns in die Lage, die klassische und weit verbreitete Defizitmethode3 zu verlassen, die Stärken des Menschen zu nutzen und damit eine sinnvolle, effiziente, Erfolg versprechende und den Hilfe Suchenden annehmende Herangehensweise zu verwirklichen - sehr ökonomisch also.

Der„innere Schweinehund“

Ein gern genommenes Bild. Ähnlich oft wird mit dem „Engelchen“ und dem „Teufelchen“ gearbeitet. Das sind Metaphern, die die Meisten gut verstehen. Sie sollen verdeutlichen, dass wir Menschen auch negatve Anteile in uns haben. Anteile, die uns nicht gut tun, die uns zu Dingen verführen, die wir eigentlich nicht tun sollten.

Mit diesen Bildern arbeiten wir nicht. Auch das will ich gern begründen.

„Sie müssen Ihren inneren Schweinehund bekämpfen und am besten besiegen.“ meinen viele Therapeuten und in der Folge auch viele abhängig kranke Menschen. Analog soll das Engelchen über das innere Teufelchen siegen.

Hört sich gut an, ist es aber nicht.

Als ich meine Stelle als Chefarzt antrat, stand am Eingang der Klinik auf einem kleinen Podest ein Stein, in den war eingraviert: „Sich selbst zu bekriegen ist der schwerste Krieg, sich selbst zu besiegen ist der schönste Sieg.“ So eine Art Motto der Klinik.

Nach einiger Zeit stand er nicht mehr da. Aber nicht, weil ich es angeordnet hätte, sondern ich habe mit meinen Mitarbeitern einfach etwas diskutert:

Wenn du gegen dich Krieg führst, wenn du gegen dich kämpfst, wer kann nur verlieren?

Richtg: du selbst.

Aber niemand verliert gerne, niemand wird gerne besiegt. Das ist ein höchst unangenehmes Gefühl. Niederlagen verzeiht man nicht gerne, auch nicht sich selbst. Und in der Regel schafft man sich mit einem Sieg jede Menge alter und neuer Feinde.

Und noch etwas: In einem Krieg gibt es jede Menge Verluste, in einem Krieg gibt es keine Gewinner (außer der Rüstungsindustrie), sondern nur Verlierer. Wir sollten uns sehr gut überlegen, ob wir solche Metapher benutzen.

Was denn dann? Gibt es eine Alternatve? Es wird doch immer wieder dazu aufgefordert, den Kampf gegen die Krankheit aufzunehmen?!

Kämpfen als solches ist völlig in Ordnung, manchmal muss man eben kämpfen. Einfach untergehen, sich kampflos dem Schicksal ergeben, das ist oft nicht das, was einen weiterbringt.

Es ist aber ein feiner und entscheidender Unterschied, ob ich zum Beispiel den inneren Schweinehund bekämpfe oder mir anschaue, welche guten und wichtgen und gesund machenden positven Anteile in mir stecken. Der Focus, die Aufmerksamkeits- und Tätgkeitsrichtung und die Bedeutung verändern sich dadurch. Den inneren Schweinehund lasse ich einfach links liegen und widme mich den wirklich wichtgen Dingen: meinen Stärken und meinen gesunden Anteilen. Ich schließe Freundschaft mit mir, mache Frieden mit mir - auch der längste Krieg endet mit einem Frieden, wie wir wissen. Und um Freundschaft und Liebe zu kämpfen, das lohnt allemal.

Das Wunderbare dabei: es gibt kein gegen, sondern ein für, es gibt keine Toten.

Und noch etwas ist wichtg: solche Denkbilder wie der „innere Schweinehund“ verschieben unsere Perspektve. Sie verleiten uns dazu, die verantwortliche Substanz aus den Augen zu verlieren und so zu tun, als müssten wir nur vernünftig handeln, um wieder gesund zu werden.

Dass vernünftiges, kluges und umsichtges Handeln, eigenverantwortliches und vielleicht überhaupt verantwortliches Handeln durch die konsumierte Substanz ja gerade verhindert wird, das wird dann schnell vergessen. Der Zwang der Substanz, deren pharmakologische Macht, spielen dann keine Rolle mehr und der Mensch muss dann eigentlich nur noch vernünftig sein und mit dem Mist auffiören.,.also genau das, was einem abhängig Kranken und jedem Kranken verwehrt ist: mit Krankheit einfach mal so eben auffiören (siehe weiter oben).

„Intrinsische Motìvatìon“

Bei dieser Art der Arbeit könnte gleich eine weitere sehr verbreitete, tradierte Ansicht renoviert werden. Sie lautet: der Hilfe Suchende muss intrinsisch motviert sein, also aus tìefer innerer Überzeugung mit festem Willen etwas für sich persönlich tun wollen. Vielfach wird der Versuch unternommen, diese Motvaton abzuprüfen: mit Zugangsvoraussetzungen zu Therapieangeboten, zeitlichen und bürokratschen Hürden, geschickten Fragestellungen oder gar der Auflage, bis zum Therapiebeginn keinen Stoff mehr zu konsumieren.

Ganz ehrlich: dieser 100%-Motvatons-Typ ist mir noch nicht untergekommen. Geht eigentlich auch gar nicht, schon wegen der Ambivalenz. Und wenn man sich die tollen Wirkungen verschiedener Substanzen ansieht, erschließt sich mir auch nicht so recht, wieso jemand diese so angenehm empfundenen Wirkungen aus tefster Seele zum Teufel wünschen sollte. Nein, in meiner doch ziemlich langen Erfahrung mit Substanz konsumierenden und abhängig kranken Menschen habe ich eigentlich immer nur wirksame äußere Einflüsse gesehen: meckernde Eltern, unzufriedene Partner, spöttelnde Kollegen, sich zurückziehende Kinder und Freunde, oder drohende berufliche, straßenverkehrstechnische oder juristsche Komplikatonen - das waren die Antriebe, es vielleicht mal mit etwas anderem zu versuchen. Zusammen mit der Nutzung von Ambivalenz und Ressourcen ist das aber eine absolut gesunde und tragfähige Ausgangslage, finde ich.

Und es ist notwendig, dringend notwendig und geboten, alle Möglichkeiten zu nutzen, mit einem abhängig kranken Menschen in Kontakt zu kommen und zu helfen. Denn alle Krankheiten ziehen nicht nur den Betroffenen selbst, sondern stets auch in höchst unterschiedlichem Umfang sein Umfeld in Mitleidenschaft. Die Abhängigkeitserkrankung macht das in besonders hartnäckiger und leider auch nachhaltger Art und Weise. Tina Franken gewährt uns hierzu in ihrem Beitrag bedrückende Einblicke in das Leben Angehöriger eines alkoholkranken Familienvaters.

„co-abhängig“

Bevor Sie vielleicht jetzt gleich zu Tina Frankens Beitrag weiter blättern, möchte ich noch einen Begriff klären, der Angehörigen von abhängig kranken Menschen gerne um die Ohren gehauen wird: Co-Abhängigkeit. Vielleicht ahnen Sie es schon: wir benutzen weder diesen Begriff, noch die dahinter liegende Sichtweise, weil wir sie für eine Unverschämtheit halten, die zudem jeder fachlichen Grundlage entbehrt. Das will ich gern erläutern.

Abhängigkeit, so haben wir gesehen, ist eine schwere chronischrezidivierende Erkrankung. Solche Erkrankungen fordern die Umgebung des Erkrankten ohnehin in besonderer Weise. Abhängig Kranke verstehen es regelmäßig, ihre Nächsten in das Krankheitsgeschehen einzubinden. Partner, Kinder, Verwandte und Freunde tun dann alles Menschenmögliche, um die Symptome zu lindern, dem Kranken zu helfen, wo sie nur können. Dabei werden sie oft genug an ihre Grenzen geführt, manchmal auch darüber hinaus, werden verarscht, angelogen, bestohlen, um ihr Mitleid betrogen - und bleiben doch immer nah dran, lassen sich nicht abschrecken, helfen und kümmern sich. Selbstlos, engagiert, jederzeit für den Kranken da. Sie sind ein Vorbild an Mitmenschlichkeit. Sich um andere kümmern, zum anderen halten, ihn nicht fallen lassen, auch wenn es weh tut - das sind Qualitäten, die wir im Alltag allzu oft vermissen.

Krank. Du bist krank. Das bekommt derjenige zu hören, der sich kümmert und den die Krankheit des Partners, des Elternteils, des Verwandten oder Freundes bekümmert. Da hilft einer mal nach bestem Wissen und Gewissen und dann das: krank. Du bist schwer krank, weil du das tust. Denn Abhängigkeit ist eine schwere Erkrankung und also ist Co-Abhängigkeit auch eine, schlägt zumindest in dieselbe Kerbe.

Was erlauben wir uns da eigentlich?

Natürlich macht man Fehler, natürlich ist nicht alles, was auf den ersten Blick gut aussieht, auch gut für den abhängig Kranken. Aber das ist normal, selbst Fachleute irren oft genug angesichts der Abhängigkeitserkrankung und haben gewaltge Schwierigkeiten mit einer adäquaten Therapie - die so genannte Rückfallquote spricht Bände.

Wo bleibt die Wertschätzung für die menschliche Leistung der Helfenden, selbst dann, wenn sie irren?

Wo bleibt die Anerkennung und bitte auch die Entlastung, wenn der abhängig Kranke die Grenzen mal wieder krankheitsbedingt überschreitet?

Statt dessen definieren wir den Helfenden selbst als krank. Das ist sachlich falsch und menschlich mies.

2 Hirschhausen, Das Pinguin-Prinzip, ZDF neo, 2010, Quelle: https://youtu.be/Az7lJfNiSAs

3 Defizitmethode heißt, der Focus wird auf das gelegt, was bei einem Menschen nicht normgerecht funktoniert, wo er Mängel hat, unreif ist, wo nicht adäquate Reaktonsmuster gesehen werden. Verkürzt gesagt, besteht die therapeutsche Interventon bei dieser Strategie in dem Versuch der Reparatur, Nachbesserung und Nachreifung, wie es so schön heißt.

Suchtkrank - Bis alles zerbricht?

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