Читать книгу Club der Sinne - Karyna Leon - Страница 5

Kapitel 2

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Magdalena erwachte in ihrem Bett. Die Sonne schien durch das breite Doppelfenster in ihr Zimmer hinein und ihr direkt ins Gesicht. Ein Schmerz schoss von ihren Augen in ihren Schädel und ließ tausend Messer in ihre müden Gedanken fahren.

Stöhnend drehte sie sich weg und zog die Decke über ihren Kopf. Wohlige Finsternis umschloss ihren Geist, als sie die Lider zusätzlich schloss.

Es dauerte einen winzigen Moment, ehe die Qual in ihrem Denkapparat nachließ und sie einen halbwegs vernünftigen Gedanken fassen konnte.

Weihnachtsfeier. Sie war da gewesen. Das wusste sie. Sie grub tiefer und massierte ihre Schläfen. Da muss doch mehr sein. Dunkel erinnerte sie sich an den Monolog ihres Firmenchefs. Etwas von wegen Krise, keine Personalaufstockung.

Sie stöhnte und legte ihre kalten Hände auf die Augen. Selbst das Herbeirufen dieser kleinen Erinnerungsfetzen tat weh.

Nach der Ansprache und einer kurzen, enttäuschenden Unterhaltung mit ihrem Abteilungsleiter hatte sie angefangen zu trinken. An das erste Glas erinnerte sie sich noch deutlich. Prickelnder Champagner zum Anstoßen vor dem Essen.

Aber was habe ich danach alles getrunken?

Vereinzelte Bilder blitzten vor ihren Pupillen auf. Wie sie mit einer der neuen Kolleginnen Tequila Shots vernichtete. Magdalena schluckte. Zumindest wusste sie jetzt, woher der pelzige Geschmack auf ihrer Zunge kam. Einige Male schmatzte sie leise, doch es besserte sich nicht.

Blind tastete ihre Hand unter der Decke hervor und an den Rand des Futons. Dort musste eine Wasserflasche stehen.

Ihr Zeigefinger schlug auf den Deckel der Flasche und sie packte zu. Irgendwie gelang es ihr, einen halben Liter in sich zu kippen, ohne die Bettdecke zurückzuschlagen oder zu kleckern. Einigermaßen erfrischt versuchte sie erneut den Tag anzugehen und aufzustehen. Es wurde schlagartig schwieriger, als sie sich zu erinnern begann.

Ein Fragment blitzte auf und sie hielt in der Bewegung inne. Die Decke über ihren Kopf haltend, starrte sie auf die weißgelbe Tapete neben ihrem Bett. Die Fotos von sich und ihrer besten Freundin verschwammen zu einem wirren Muster. Das einzige, was sie vor ihrem inneren Auge sah, war das unscharfe Bild von einem Mann mit offenem Hemd. Dieser Flashback stammte definitiv von letzter Nacht, da war sie sich sicher. Ihre Umgebung verwischte, sie hörte Jingle Bells im Hintergrund spielen.

Erschrocken keuchte sie auf. „Was zum …?“ Ihre Stimme klang rau, trocken. Rasch kippte sie den Rest aus der Buddel hinunter. Als sie die Flasche von sich warf, blickte sie erneut auf die Wand. Als sie denselben Oberkörper in einer anderen Haltung direkt vor sich sah, schlug sie die Lider zu.

Doch das beeindruckte das visuelle Überbleibsel nicht. Egal wie fest sie sich übers Gesicht rieb, es verschwand nicht, wurde der Bildschirmschoner ihrer morgendlichen Gedanken.

Da tauchte eine weitere Erinnerung auf. Zunächst nur sehr schwach, je mehr sie sich allerdings darauf konzentrierte, desto intensiver befiel sie das Gefühl.

Erschrocken glitten ihre Hände von ihren Augen zu ihrem Schritt. „Oh Gott, was habe ich getan?“, rief sie aus.

Ihr Schlafzimmer blieb ihr eine Antwort schuldig, auch als sie sich weiter umsah. Ihre Klamotten lagen wild verstreut neben ihrem Bett. Ihr Wecker lag blinkend am Boden. Sie musste letzte Nacht ziemlich getorkelt sein, als sie nach Hause gekommen war. Aber nicht einmal an das Heimkommen konnte sie sich erinnern.

Einzig die Erinnerung an den Sex brannte sich immer heftiger in ihren Verstand ein. Erneut spürte sie das Pochen zwischen ihren Beinen. Und das prickelnde Gefühl, als der Schwanz in sie eingedrungen war. Allein bei dem Gedanken daran wurde sie bereits wieder feucht.

Gleichzeitig schlug sie sich gegen die Stirn.

„Das war ein Kollege, Lena! Was hast du dir gedacht?“, rückte sie sich selbst den Kopf zurecht.

Ruckartig setzte sie sich auf. Hatte sie ihn etwa mit nach Hause genommen? Der Schmerz donnerte durch ihren Schädel, doch die Sorge einen ungebetenen Hausgast zu haben schien dringender als Rücksicht auf das Kettensägen-Massaker in ihrer Birne.

„Hallo?“, rief sie leise in ihre 2-Zimmer-Wohnung hinein. Sie wusste nicht warum, aber sie griff den High Heel, der noch halb in ihrer Bettdecke hing, und hielt ihn wie einen Baseballschläger in beiden Händen. Ihre Finger verkrampften sich, als sie über den schmalen Flur in ihr Wohnzimmer ging. Auf den ersten Blick war nichts zu sehen. Rasch prüfte sie die restlichen Räume.

Erleichtert ließ sie ihre Waffe sinken und entspannte sich. Während sie ihr Handy suchte, schüttelte sie ständig den Kopf. Auch als sie die Nummer von ihrer besten Freundin Sophia wählte, konnte sie immer noch nicht fassen, was sie anscheinend getan hatte.

Ein leises „Hallo?“ am anderen Ende der Leitung holte sie aus den negativen Gedanken.

„Sophia?“

„Hey, Lenchen, wie geht es dir? Wie lief die Weihnachtsfeier?“

Magdalena überlegte kurz, ihr alles zu erzählen, aber es war ihr selbst zu peinlich. Jetzt jedenfalls.

„Ganz okay. Willst du gleich einen Kaffee trinken gehen?“ Sie warf sich wieder in ihr Bett und zog die Decke über den Kopf.

„Klar. Ich kann in fünfzehn Minuten bei dir sein. Wollen wir das neue Café bei dir um die Ecke ausprobieren? Die sollen tolle Torten machen.“

„Zum Frühstück?“, fragte Lena zweifelnd und lugte zu der Uhr neben den Fotos an der Wand.

Ein Lachen erklang am anderen Ende der Leitung. „Süße, es ist bereits zwei Uhr nachmittags. Na, das muss ja eine Party gewesen sein!“

„Ähm, ja, war es. Wir treffen uns vor Ort.“

Damit legte Lena auf und schnaufte in die Decke. Sie würde noch ein paar Minuten liegen bleiben. Sophia brauchte sowieso immer mehr Zeit als sie angab.

*

Ihre Freundin betrat nach ihr das Café, und wie jedes Mal flogen ihr die männlichen Blicke zu. Schlank, kurze, braun gelockte Haare, hochgewachsen und mit einem Modegeschmack, der ihren Körperbau einmalig gut betonte. Magdalena lächelte, als eine Frau den Mann neben sich in die Seite knuffte und wütend ansah.

„Hey, Lena. Bestellst du schon mal?“

Sie nickte, suchte sich einen Tisch und wartete, bis die Tresenbedienung sie entdeckte. Wie immer bestellte sie für sich und Sophia je eine Latte Macchiato.

„So, Süße, erzähl mal. Wie war es gestern?“ Sophia berührte sie sanft an der Schulter, bevor sie an ihr vorbei ging.

Magdalena presste die Lippen aufeinander, bis es zu kribbeln begann. Sophias ungeduldiger Blick drängte sie schließlich dazu, ihren Mund zu öffnen. Sie lehnte sich nach vorne.

„Ich hatte Sex mit einem Kollegen.“ Kaum sprach sie die Worte aus, spürte sie die Hitze in sich aufsteigen. Weniger aufgrund des Themas als vielmehr wegen der Situation, in die sie geraten war.

„Ehrlich?“ Sophias Augen leuchteten freudig erregt auf. „Das freut mich. Wer war es? War er gut? Erzähl mir alles.“

„Du verstehst das nicht.“ Sie holte tief Luft und sah ihre beste Freundin an. „Ich weiß nicht mehr, mit wem.“

Sophia lachte. „Na und? Das hindert doch nicht daran, es zu genießen.“

„Dich vielleicht nicht. Ich gehe übermorgen wieder ins Büro, sehe die ganzen Kollegen und weiß nicht, mit welchem von ihnen ich Sex gehabt habe.“

Sophia sah sie mit ernstem Blick an. „Dann hast du jetzt eine Mission. Finde es heraus!“

Magdalena rührte unschlüssig in ihrer Latte herum. „Und wie?“

„Ganz einfach. Du schaust, wer in Frage kommt und testest dich durch!“

„Sophia!“

„Ach, nun komm schon. Was ist aus dem Mädel geworden, das mit mir an einem Abend gleich zwei Männer abschleppte?“

„Die liegt begraben in meinem Garten. Auf ihr wächst ne Primel“, murmelte Magdalena verdrießlich.

„Deine Wohnung hat keinen Garten.“ Sophia legte eine Hand auf ihre und streichelte sanft über ihre Haut. „Jetzt hab dich nicht so. Du hattest Spaß. Was ist daran so verwerflich?“

„Du weißt genau, dass ich nicht in dieses alte Muster verfallen wollte!“

„Nein, du suchst einen Anzugträger, der dich bis in alle Ewigkeit glücklich macht und dir zwanzig Babys schenkt, egal wie gut er im Bett ist.“ Sophia ließ sie los und griff nach ihrer Handtasche, um ihre elektronische Zigarette hervorzuziehen. „Ich sagte dir schon ein paar Mal, dass du nicht dafür geschaffen bist, mit einem einfachen Kerl zu leben. Du brauchst einen breiten Schwanz zwischen den Beinen und einen Mann, der dich um den ausgeprägten Verstand vögelt. Hör auf meine Worte.“

Eine ältere Frau vom Nebentisch schaute pikiert zu ihnen hinüber, doch Sophia störte das offensichtlich nicht. Magdalena hingegen spürte wieder die Hitze in sich aufsteigen und wusste nicht einmal warum. Bis vor anderthalb Jahren hatte sie genauso geredet. Das Bild eines durchtrainierten Mannes mit kurzgeschorenen Haaren und einem Blick zum Dahinschmelzen tauchte vor ihrem Auge auf. Seitdem Nico sie betrogen hatte, führte sie ein anderes Leben. Keine Lebemänner mehr, lautete ihr Motto.

„Lassen wir das Thema am besten. Ich finde irgendwie heraus, wer mit mir im Büro … du-weißt-schon-was getan hat. Dann kläre ich es mit ihm und alles wird gut.“ Magdalena nahm einen weiteren Schluck von ihrer Latte und genoss die Wärme, die ihre Kehle hinunter rann. Tatsächlich glaubte sie nicht daran, dass dann alles gut war. Früher hätte sie solch eine Nacht nicht gestört, selbst wenn es ein Kollege gewesen wäre. Doch bei diesem One-Night-Stand war etwas anders gewesen. Er ließ sie nicht los, und das irritierte sie mehr als sie zugeben wollte.

„Ich weiß genau das Richtige, um dich auf andere Gedanken zu bringen.“ Sophia lehnte sich nach vorne und atmete den Vanillerauch ihrer elektrischen Zigarette in ihre Richtung.

„Solange es ein Frauenabend bei dir ist, bin ich dabei. Ansonsten ist mein Kopf auf Urlaub. Der hängt noch irgendwo zwischen einem Tequila Shot und einer kräftigen Mütze Schlaf fest.“ Mit den Händen distanzierte sie sich von Sophias Plänen.

„Ach, komm schon. Ich habe dir nicht einmal gesagt, wohin es geht.“

„Lass mich raten: Ein Club, der hipper nicht sein könnte und der voller sexy Sixpacks steckt?“ Magdalena winkte ab.

„Fast.“

Überrascht schaute Magdalena auf. Sollte Sophia tatsächlich einen vernünftigen Vorschlag bringen?

„Es ist kein Club, sondern eine Lounge. Die Feelharmony hat gerade in der Hafencity aufgemacht, und heute Abend bieten sie eine Singleparty an.“

„Nein, danke. Ich denke, ich schlafe lieber meinen Rausch von gestern aus.“

Magdalena erwehrte sich noch einige Minuten der Versuche Sophias, ehe sie das Thema wechselten. Sie besprachen die Pläne für ihren gemeinsamen Urlaub im nächsten Spätsommer, ehe sie sich verabschiedeten und mit unterschiedlichen Abendplänen nach Hause gingen.

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