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KAPITEL 2
ОглавлениеSavior blickte skeptisch an dem Gebäude hoch, nachdem er es einmal komplett umrundet hatte. Hier sollte sich das beste Bordell der Raiders befinden? Er rümpfte die Nase. Das Haus sah ja noch heruntergekommener aus, als das Triple D. Und das wollte was heißen!
Er stieß die Tür auf und trat in das Innere des Gebäudes. Abermals rümpfte er die Nase, diesmal aus einem anderen Grund. Es stank nach abgestandenem Schweiß, billigem Parfüm und Sex. Die wenigen Frauen, die sich im Vorraum herumtrieben, zuckten bei seinem Anblick ängstlich zusammen. Zwei von ihnen klammerten sich hilfesuchend aneinander. Savior verschaffte sich einen Überblick. Verschlissene Möbel, abgewrackte Nutten und billiger Schnaps in den Regalen. Was machte diesen Ort zu einer der besten Einnahmequellen der Raiders?
»Wo sind die anderen Frauen?«, fragte er und stemmte die Hände in die Hüften.
Eine zierliche Blonde deutete zitternd auf den Gang, der zu den Hinterräumen führte.
»Holt alle her, selbst wenn sie gerade einen Kunden haben. Sagt denen, dass die Runde aufs Haus geht. Ich will mich nicht wiederholen müssen.« Er war jetzt schon genervt, konnte er doch in den Augen der Frauen sehen, dass die meisten nicht freiwillig hier waren.
Nach zehn Minuten Wartezeit, die er sich mit Rauchen und einem Telefonat mit Dom vertrieben hatte, waren um die dreißig Frauen im Raum.
»Das sind alle?«, fragte er niemand Bestimmten.
Eine schlanke, in die Jahre gekommene, Frau mit honigblonden Haaren trat vor. Sie gehörte zu der Sorte Mensch, die selbst mit Krähenfüßen an den Augen attraktiv aussah. »Ich bin Tessa.«
Er musterte sie einmal von oben bis unten. »Aha, war aber keine Antwort auf meine Frage.«
»Wir sind vollständig«, beeilte sie sich zu sagen und trat zurück in die Reihe.
»Ich bin Savior, der Anführer der Sinners. Für diejenigen unter euch, die es noch nicht mitbekommen haben: Ich bin der neue Boss hier, demnach arbeitet ihr jetzt für mich.«
Da standen dreißig halbnackte, heiße Frauen mit ihm gemeinsam in einem Raum und er konnte nur an Abby denken. Sie hatte seinen Kopf richtig schön verdreht. Verdammtes Miststück! Früher hätte er sich eine Runde amüsiert und erst im Anschluss erklärt, wie es weiter ging.
»Um eines gleich mal klarzustellen, wer nicht freiwillig hier ist, sollte sich jetzt verpissen. Das Angebot mache ich kein zweites Mal.«
Die Frauen blickten sich gegenseitig fragend an.
Abwartend zog er eine Augenbraue hoch. Niemand regte sich. Er presste die Kiefer fest aufeinander und sah auffordernd zu dieser Tessa.
»Die Frauen dürfen wirklich gehen?«, hakte sie leise nach.
Drückte er sich etwa undeutlich aus?
»Ja, sie können gehen. Ich halte nichts von Zwangsprostitution.« Er sah ein paar Frauen prüfend an. »Und auch nichts von Sex mit Minderjährigen. Nehmt eure Sachen und haut ab. Das Gleiche gilt für alle, die hier nicht arbeiten wollen – letzte Chance!«
»Warum machst du das?« Tessa sah ihn nachdenklich an.
»Weil ich es kann.« Er verschränkte die Arme vor der Brust.
Eine minderjährige Brünette flüsterte Tessa etwas ins Ohr. »Sie möchte wissen, ob ihr oder ihrer Familie Gefahr droht, wenn sie geht.«
Gestresst rieb er sich die Stirn. Würde ihn diese Art Gespräche in den anderen Bordellen ebenfalls erwarten? Er sollte Tessa als Vermittlerin mitnehmen. Die Huren hier schienen auf sie zu hören.
»Ich versichere euch, dass niemandem etwas passieren wird.«
Savior sah auf die Uhr. Dom sollte gleich hier sein, er wollte mit ihm das Gebäude durchsuchen und inspizieren. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich das mit den Frauen in die Länge ziehen würde.
»Krümel, hast du kurz Zeit für mich?«
Abby blickte von ihrer Zeichnung auf und legte den Stift beiseite. »Natürlich, Dad. Was ist los?«
Die vergangene Woche hatte er viele Termine wahrgenommen und war nur selten zu Hause gewesen. Sie vermutete, dass es mit dem bevorstehenden Umzug zu tun hatte. Richtig geäußert hatte er sich darüber allerdings nicht. Genauso gut hätte er wieder auf einer Selbstmordmission sein können.
Er schloss die Tür und setzte sich zu ihr an den Tisch. Sein ernster Gesichtsausdruck beunruhigte sie.
»Hast du schon eine Entscheidung getroffen, ob du mitkommen oder hierbleiben willst?«
»Die Entscheidung fällt mir nicht leicht. Ich möchte das alles nicht zurücklassen, wiederum möchte ich auch nicht alleine sein.«
Ihr Dad lächelte sanftmütig. »Wärst du das denn – alleine?«
Hilflos hob sie die Schultern. Wen hatte sie schon außer ihren Dad? Bevor sie bei den Sinners gewesen war, war ihr nie aufgefallen, wie einsam sie sich fühlte.
Er legte seine Hand auf ihre. »Was ist denn mit Hailey und den restlichen Sinners?«
»Ich glaube nicht, dass ich dort noch erwünscht bin.«
»Weil Damian täglich hier ist? Schieß ihn in den Wind. Was willst du überhaupt mit dem? Hailey hat mir erzählt, wie er dich auf dieser einen Party behandelt hat. Das hast du doch gar nicht nötig.«
Irritiert sah sie ihrem Dad ins Gesicht. »Wann hast du mit Hailey gesprochen?« Und wieso war er scharf darauf, sie ein weiteres Mal zu Savior zu stecken? Sie hatte angenommen, er wäre froh darüber, dass sie wieder zu Hause war und nichts mehr mit ihm zu schaffen hatte.
»Als sie das letzte Mal hier war. Du warst noch nicht von deinem Treffen mit Damian zurück. Wir sind übrigens beide der Ansicht, dass er ein Blender ist. Irgendwas stinkt an dem Kerl bis zum Himmel.«
»Okay«, antwortete sie gedehnt, amüsiert darüber, dass ihr Dad sich so viele Gedanken zu Damian machte. »Damian ist aber nicht der Grund, warum ich nicht zu den Sinners kann.«
»Das mit Savior renkt sich schon wieder ein. Geh einen Schritt auf ihn zu, redet miteinander. Du wirst sehen, das wirkt manchmal wahre Wunder«, sagte ihr Dad zuversichtlich.
Abby kratzte sich verlegen an der Nase. Sie wollte sich nicht eingestehen, dass ihr Dad vielleicht recht hatte. Sie wechselte das Thema. »Warum hast du mir nicht erzählt, dass Francine untergetaucht ist?«
Seine Miene verdüsterte sich. »Sie ist weg und darüber sollten wir glücklich sein.«
»Glaubst du nicht auch, dass sie irgendwann wieder auftaucht? Willst du deshalb gehen und mich zurück zu den Sinners stecken?«
Ihr Dad lächelte traurig. »Es wäre mir einfach lieber, wenn dich jemand rund um die Uhr beschützen würde.«
»Können wir nicht einen Mittelweg finden? Ich will nicht, dass du gehst.«
»Es ist besser so, Krümel. Ich habe meine Chance vertan und jetzt ist es zu spät.«
»Was meinst du damit?«
Er zögerte. »Dass ich sie nicht töten konnte, als ich die Gelegenheit dazu hatte.« Er lächelte gequält. »Zweimal.«
Abby schluckte. Ihr Dad hatte zweimal versucht, Francine zu töten, und war gescheitert. Der sarkastische Teil in ihr dachte, dass Savior das garantiert nicht passiert wäre.
»War sie damals anders?« Die Frage hatte Abby sich in der letzten Zeit häufiger gestellt. Irgendwas musste ihre Mutter an sich gehabt haben, was ihren Dad fasziniert hatte. Er hätte sich niemals in eine falsche Schlange verliebt. Sie selbst konnte sich nur daran erinnern, dass Francine immer bösartig und habgierig gewesen war.
»Allerdings. Sie war einst sanftmütig und kein bisschen egozentrisch. Sie besaß Träume, die nichts mit Menschenhandel und dergleichen zu tun hatten. Sie wollte die Welt bereisen und eine große Familie haben mit mindestens drei Kindern. Schon bevor sie schwanger wurde, war sie jedoch wie ausgewechselt.«
»Was ist mit ihr passiert?«, fragte Abby neugierig. Es war das erste Mal, dass sie offen über Francine sprachen. Bisher hatten sie das Thema immer vermieden oder nur das Nötigste besprochen. Meistens hatte ihr Dad sie einfach nur getröstet, wenn ihre Mutter nach wenigen Minuten wieder abgehauen war.
»Ich weiß es nicht. Jedes Mal, wenn ich sie auf ihre Veränderung ansprach, schrie sie mich an oder verließ fluchtartig das Haus. Irgendwann habe ich es aufgegeben und sie machen lassen. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass es mir noch immer das Herz zerreißt. Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn ich nicht einfach aufgegeben, sondern gekämpft hätte.«
Abby musste unbedingt ihre Mutter finden und mit ihr reden. Ganz gleich, wie verrückt die Frau war. Abby brauchte Antworten und die war Francine ihr verdammt noch mal schuldig!
»Du dummes Miststück!«, kreischte jemand schrill auf dem Flur vor Saviors Büro. Er verdrehte genervt die Augen und überlegte kurz, es einfach zu ignorieren, entschied sich dann jedoch dagegen. Wollte er es im Clubhaus jemals wieder ruhig haben, musste er durchgreifen.
Er riss seine Tür auf und starrte auf eine sonderbare Szene. Ginas Kleid war komplett durchtränkt mit irgendeiner Flüssigkeit. Hailey und Cassy feixten. Savior wusste nicht, was er schlimmer fand. Dass die beiden Frauen gemeinsam kicherten oder dass sie sich gegen BigTits verbündet hatten. In jedem Fall würde das Bündnis für Ärger sorgen, bei dem er und Thug nicht gut wegkommen würden.
»Was ist hier los?«, wollte Savior wissen.
»Die beiden haben mich mit dieser stinkenden Brühe überschüttet.«
Hailey gluckste und räusperte sich. »Das ist nicht richtig. Ich kam aus dem Lager und du bist wie eine Irre in mich hineingerannt. Dabei habe ich unabsichtlich dieses Zeug über dich gekippt.«
Cassy nickte zustimmend. »Ganz genau.«
»Woher willst du das wissen?«, kreischte Gina nun wieder. »Du warst nicht mal da.«
»Ich war mit Hailey zusammen in diesem Raum.« Seine Schwester warf Gina einen nachsichtigen Blick zu. Als hätte sie es mit einem ungezogenen Kind zu tun, das eine Lügengeschichte erzählte und erwischt worden war.
»Das hast du nur gemacht, weil ich mit Thug gevögelt habe.«
Fuck! Dieser verdammte Idiot! Von allen Weibern, die im Club herumliefen, musste er Hailey ausgerechnet mit Gina betrügen. So dumm konnte sein Vize doch gar nicht sein!
Hailey erstarrte und fragte gefährlich ruhig: »Wie bitte?«
BigTits sah sie hochnäsig an und brachte ihren kurvigen Körper in Pose. »Du hast mich schon verstanden.«
Cassy nahm Hailey das Gefäß aus der Hand und klatschte Gina den Rest ins Gesicht. »Jetzt kannst du sagen, dass du absichtlich damit überschüttet wurdest.«
Gina wischte sich die Flüssigkeit aus den Augen und wollte sich auf Saviors schwangere Schwester stürzen.
»Stopp!«, brüllte der und stellte sich Gina in den Weg. »Finger weg von meiner Schwester.«
BigTits wurde blass, verschränkte im nächsten Moment jedoch trotzig die Arme. »Das ist nicht fair. Du hast gesehen, was sie getan hat.«
»Ich sage es jetzt nur einmal, also hör gut zu. Sollte es weiterhin zu Problemen mit dir kommen, fliegst du raus.«
»Ich habe doch gar nichts gemacht!«, verteidigte sich Gina mit greller Stimme, die in den Ohren schmerzte.
Savior atmete tief durch, um nicht die Nerven zu verlieren. »Das ist mir egal! Noch ein weiteres Wort von dir und du kannst sofort deine Sachen packen.«
»Das wagst du nicht«, flüsterte Gina und warf ihm einen überheblichen Blick zu, bevor sie verschwand. Er musste dringend eine Lösung für das Problem mit ihr finden.
Savior drehte sich zu Hailey, doch die war weg. Seufzend wandte er sich an seine Schwester. »Weißt du etwas darüber, was zwischen Thug und Gina war?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nichts dazu sagen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass er sich auf diese billige Tussi einlassen würde.«
Savior war sich da nicht sicher. Er ließ Cassy stehen und machte sich auf die Suche nach Hailey und Thug. Lange brauchte er nicht, um sie zu finden. Hailey stampfte wutentbrannt auf Thug zu, der mit Dom Billard spielte.
»Hattest du was mit Gina?«
Thug sah sie entnervt an. »Wie kommst du darauf?«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage. Hast du oder hast du nicht mit ihr geschlafen?«
Der Vize der Sinners sah reumütig aus. »Hailey«, begann er langsam.
»Du bist ein richtig dummes Arschloch«, unterbrach Hailey ihn, holte aus und verpasste ihm eine Ohrfeige, die seine Wange feuerrot werden ließ.
Savior beobachtete, wie Thug verwirrt Hailey hinterher sah, die verletzt und wütend das Clubhaus verließ. Kurz darauf ertönte der Motor ihres Wagens.
»Nur für den Fall, dass ich mich beim ersten Mal nicht deutlich genug ausgedrückt habe«, sagte Savior zu seinem Vize. »Ich halte es für besser, wenn du sie endlich in Ruhe lässt. Es hat beim letzten Mal schon kein gutes Ende genommen und diesmal allem Anschein nach auch nicht.«
»Woher weiß sie das überhaupt?«
»Was glaubst du denn?«, stellte Savior die Gegenfrage. Gina nutzte schließlich jede Chance, die sie kriegen konnte, um sich aufzuspielen und Unruhe zu stiften. Und Savior konnte nicht wirklich etwas dagegen unternehmen, weil sie belastendes Material gegen ihn in der Hand hatte. Verdammter Scheißdreck!
»Ich habe Hailey nicht geheiratet, es gibt keine Treue oder anderen Unfug, den ich geschworen habe. Mein Schwanz fühlt sich ganz wohl dabei, nicht von einer Frau in Ketten gehalten zu werden. Und auch diese Frau beruhigt sich schon wieder.«
Dom musterte Thug wie ein lästiges Insekt, legte den Queue beiseite und brummte: »Jedes Mal, wenn ich denke, du kannst gar kein so großes Arschloch sein, beweist du mir das Gegenteil.«
»Nimm dir für ein paar Tage eine Auszeit. Bekomme einen klaren Kopf und überleg dir, was du willst«, befahl Savior, ehe er in sein Büro zurück ging. Schadensbegrenzung hieß die Devise. Aber wie sollte er Hailey beruhigen, gleichzeitig Thug von ihr fernhalten und Gina bei Laune halten, damit nicht noch mehr Mist passierte?
Savior öffnete die Flasche Gin, die neuerdings immer auf seinem Schreibtisch stand, und setzte sie an die Lippen. Er sehnte den Moment entgegen, wenn der Alkohol seine Sinne benebelte und alles leichter wurde.
»Waren wir für heute verabredet?«, wollte Abby von Damian wissen. Sie mochte ihn recht gerne, doch allmählich war es stressig, dass er sie jeden Tag unter irgendeinem Vorwand besuchte. Das war ihr zu ernst, obwohl nichts zwischen ihnen lief.
»Nein, ich dachte lediglich, du willst nicht allein sein.«
Ehrlich gesagt, wäre sie gerne mal für sich geblieben. Sie wollte jedoch nicht unhöflich sein und ihn wieder herausschmeißen. Heute war einer dieser Tage, an denen sie in Selbstmitleid badete, sich mit Schokolade und Chips vollstopfte und heulend traurige Mädchenserien im Fernsehen ansah. Sie war schon deprimiert aufgewacht, warum also etwas an der Situation ändern? Mit dieser Stimmung war sie ohnehin zu nichts zu gebrauchen. Und manchmal brauchte ein Mädchen einen Tag, an dem sie nicht stark sein musste und ihre verletzliche Seite zeigen durfte.
»Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn wir uns eine Mädchenserie ansehen. Falls doch, solltest du lieber jetzt gehen.« Sie ließ es als Scherz klingen, wünschte sich allerdings, dass er den Wink verstand und abhaute.
»Cool, was guckst du denn?«
»Pretty little liars«, seufzte sie und setzte sich auf ihr Bett.
Eine Stunde später bereute sie, dass sie Damian nicht doch gebeten hatte zu gehen. Er plapperte unaufhaltsam und stellte tausend Fragen, weil er die Zusammenhänge der Serie nicht kannte – und vermutlich auch nie verstehen würde.
»Ich wette, die Blonde ist A.«
Genervt verdrehte sie die Augen und rieb sich die Stirn. »Das ist Hanna, sie wurde von A angefahren, demnach kann sie das gar nicht sein.«
»Alles nur Tarnung«, widersprach Damian.
Abby hasste es, mit Unwissenden diskutieren zu müssen. Sie wollte ihm gerade eine passende Antwort geben, als er sie küsste. Geschockt riss sie die Augen auf. Seine Lippen waren kühl und leicht rissig. An der Schulter drückte sie ihn entschlossen weg.
»Ich kann das nicht.« Es lag nicht daran, dass sie Damian nicht mochte, sondern, dass ihre Gedanken noch immer um Savior kreisten und sie ihre Gefühle für ihn nicht einfach abstellen konnte.
»Ist es wegen ihm?«, fragte Damian und warf ihr einen düsteren Blick zu. »Der Typ verarscht dich die ganze Zeit und du hängst immer noch an ihm. Unglaublich.«
Obwohl es warm draußen war, zog sie fröstelnd die Schultern hoch. Warum reagierte er jetzt so angepisst? Sie hatte ihm nie irgendwelche Hoffnungen gemacht.
»Weißt du, wo er seine Zeit verbringt? In Bordellen, Abby. So einen Kerl willst du? Wirst du mich auch erst dann wollen, wenn ich jede Hure der Stadt gefickt habe?«
Geschockt und gleichzeitig emotional erschöpft, schüttelte sie den Kopf. »Also das war völlig daneben. Am besten gehst du jetzt und reagierst dich ab.«
Damian fluchte unterdrückt. »Sorry, ich wollte das nicht sagen.«
»Doch wolltest du. Du wolltest mich verletzen, damit ich mich schlecht fühle. Glückwunsch, das hast du geschafft. Geh jetzt bitte.«
»Abby«, flehte er leise.
Stumm deutete sie mit dem Zeigefinger auf die Tür und schaltete absichtlich den Fernseher lauter.
»Bis dann, Abby.«
Eine Minute später hörte sie den Motor seiner Harley aufheulen. Erleichtert atmete sie auf und lief die Treppe hinunter, schloss die Vordertür hinter ihm ab und kontrollierte noch einmal den Hintereingang. Seit ihr Dad wieder unterwegs war, prüfte sie alles doppelt und dreifach. Zumal die verschollenen Raiders weiterhin frei herumliefen. Schon eine ganze Weile fragte sie sich, wo sie nach ihrer Mutter suchen sollte und wer ihr dabei behilflich sein könnte. War sie verschwunden und kam nicht wieder oder wollte sie alle in Sicherheit wiegen und mit einem Paukenschlag zurückkehren? Zuzutrauen wäre es ihr. Abby glaubte auch nicht, dass Francine sich den Überfall auf das Raiders Gelände kommentarlos gefallen ließ.
Ein energisches Klopfen an der Vordertür erklang. Abby zuckte zusammen und schlich nach vorne. Hoffentlich war Damian nicht zurückgekehrt!
Vorsichtig drückte sie zwei Lamellen auseinander und wagte einen Blick durch die ansonsten geschlossenen Jalousien. Dann drehte sie irritiert den Schlüssel herum und ließ ihre Freundin herein. »Hailey, was ist los?«
»Kann ich heute hierbleiben?« Die junge Frau mit den rosa Haaren hatte glasige Augen und einen verkniffenen Zug um den Mund.
»Natürlich. Was ist passiert?«
»Thug ist ein Idiot, das ist passiert.« Hailey schniefte leise.
Abby schloss die Tür ab und deutete auf die Treppe. »Geh schon mal in mein Zimmer, ich komme gleich nach.«
In der Küche schnappte sie sich eine zweite Chipstüte, Colaflaschen und Schokolade.
Hailey saß am Schreibtisch und drehte sich mit dem Bürostuhl im Kreis. »Du erwartest keinen Besuch, richtig?«
»Nein, wieso?« Abby warf ihre Mitbringsel auf das Bett.
»Das Bett ist nicht gemacht und du hast einen Schlafanzug an.« Hailey hob amüsiert die Augenbrauen.
»Keine Sorge, wir sind ungestört. Also, dann leg mal los und erzähl mir, was geschehen ist.« Aufmunternd klopfte sie neben sich auf das Bett. Den Fernseher schaltete sie aus.
Hailey schnappte sich die Chipstüte und griff beherzt hinein. »Ich habe immer geglaubt, Cassy würde sich zwischen Thug und mich stellen, wenn sie zurück ist, aber das Problem ist nicht sie, sondern er. Er ist ein Arschloch.« Hailey lachte sarkastisch auf. »Cutter wird sich wahnsinnig freuen, dass seine Prognose eingetroffen ist.«
»Was hat Thug angestellt?«, wollte Abby wissen.
»Er hat mit BigTits gevögelt, die mir das brühwarm unter die Nase gerieben hat.«
Abby verzog das Gesicht. Sie konnte sich vorstellen, wie Hailey sich fühlen musste. Nur der Gedanke an diese Frau machte sie wütend und – zugegeben – auch wahnsinnig eifersüchtig. Sie hatte eine Bindung zu Savior, wie Abby sie niemals haben würde. Irgendwas kettete die beiden aneinander, was ein Außenstehender nicht begreifen konnte. Noch ein Rätsel, welches sie gerne lösen würde – obwohl … wollte sie die Antwort überhaupt wissen?
»Autsch«, kommentierte Abby. »Wie kann er mit ihr schlafen, wenn er dich hat? Ich meine, sieh sie dir doch an mit ihren gemachten Titten, den Schlauchbootlippen und diesem billigen Auftreten!«
»Oh, Thug schläft nicht mit Frauen, er fickt sie.« Auf Abbys ratlosen Blick hin, erklärte Hailey: »Seine Worte, nicht meine. Er fickt Frauen, Punkt. Für alles andere braucht er Gefühle und die hat er nicht.«
Abby schnaubte. »Nett. Hoffentlich hat er sich eine fiese Krankheit eingefangen.« Was bei Ginas ausschweifendem Sexleben nicht mal ausgeschlossen wäre.
»Verhütung ist das »A« und »O« bei den Jungs.« Haileys Telefon klingelte. Sie zog es aus der Hosentasche und drückte den Anrufer weg. »Thug – schon wieder.«
»Wie oft hat er versucht anzurufen?«
»Achtmal. Dom dreimal, genau wie Savior. Ich war schon eine Weile unterwegs, ehe ich zu dir gekommen bin.«
»Lass ihn noch etwas schmoren. Das hat er mehr als verdient. Was hast du jetzt vor?«
»Keine Ahnung. Ich schätze mal, wie gewohnt weitermachen, nur dass ich Thug links liegen lasse. Seine Spielchen nerven mich und ich habe keine Lust, noch tiefer in den Abgrund zu stürzen.« Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. »Gott, als hätte ich beim ersten Mal nicht draus gelernt!«
»Verständlich. Das hast du auch gar nicht nötig, du bist süß und sexy. Männer wie Thug wissen das gar nicht zu schätzen.«
Hailey lächelte traurig. »Ich wünschte, er wäre anders. Treu, verliebt. Oder überhaupt in der Lage zu lieben.«
Abby drückte ihre Freundin fest an sich. »Wenn er sich arschig verhält, ist er noch nicht so weit. Das klingt blöd, aber ich glaube, er will sich noch nicht festlegen. Im Club gibt es viele tolle Männer, die den Boden unter deinen Füßen küssen. Halt dich an diese Sorte.«
»Aber diese Sorte ist nun mal nicht Thug.«
Abby seufzte leise. Sie glaubte nicht, dass er mit Hailey spielte und sie absichtlich verletzen wollte. Er war blind, was Frauen anging und nahm an, dass sie genauso emotionslos waren wie er. Oder ihm war es schlichtweg egal, wenn er jemandem weh tat. Doch eigentlich schätzte sie ihn so nicht ein.
Hailey klatschte in die Hände. »Genug getrauert. Lass uns über etwas anderes reden.« Auffordernd sah sie Abby an.
»Wie ist denn sonst die Stimmung im Clubhaus?«, fragte diese möglichst unbeteiligt. Die Frage brannte ihr schon seit Haileys Eintreffen auf der Zunge.
Hailey kicherte mädchenhaft. »Du willst wissen, wie es Savior geht und was er macht?«
»Ich möchte auch wissen, wie es den anderen geht«, redete sich Abby heraus.
»Cutter meidet mich. Dom geht es soweit gut, genau wie Grind, Mac und den anderen. Missy hat sich seit Teddys Tod zurückgezogen. Savior hingegen hat viel um die Ohren. Es macht ihm zu schaffen, was mit Teddy passiert ist und er fragt sich, wer ihm geholfen hat. Es ist auch immer noch nicht geklärt, wer das Geld geklaut hat. Das Führungsregime der Raiders ist unauffindbar. In den meisten unserer Geschäfte gab es Hausdurchsuchungen. Polizei und Staatsanwaltschaft haben zwar nichts gefunden, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis uns die Scheiße um die Ohren fliegt. All das hält Savior wach.«
Abby nickte verstehend. »Was will die Staatsanwaltschaft ständig von euch?«
Hailey hob die Schultern hoch. »Die suchen doch immer nach Gründen, uns zu verbieten oder in den Knast zu verfrachten. Bislang sind wir dank Lion gut davongekommen.«
»Klingt irgendwie persönlich mit den Hausdurchsuchungen.«
»Weißt du was?«, rief Hailey plötzlich aus und überging damit ihren Kommentar. »Geh duschen, zieh dir was Hübsches an und dann fahren wir in das Temple of Sins, unserem neuesten Laufhaus.«
»O bitte«, Abby verzog angewidert das Gesicht. »Verschon mich mit solchen Etablissements.«
»Stell dich nicht so blöd an. Ich bin dort die Chefin, heute ist Dienstag und Dienstag ist Ladys Night – strippende Männer und Getränke zum halben Preis. Das haben wir uns verdient.« Sie lachte leise. »Hat den Mädels gar nicht gefallen, dass ich ihnen einen Tag geraubt habe. Savior war auch erst nicht begeistert, aber die Einnahmen sprechen für sich. Du glaubst gar nicht, wie viele Frauen den Tänzern Geld in die Strings stecken. Die können schlimmer sein als Männer.«
Gegen Hailey würde sie ohnehin nicht ankommen, also fügte sich Abby in ihr Schicksal. Außerdem – bei einem Männerstripabend brauchte sie nicht mit Saviors Anwesenheit rechnen.
»Du bist ein Stalker.«
Savior warf einen genervten Blick zu Cutter, der auf einmal neben ihm auftauchte. Er hatte angenommen, niemand würde bemerken, wenn er sich aus dem Clubhaus schlich.
»Bin ich nicht.«
»Du beobachtest Abby seit über einer Woche, stehst vor ihrer Tür und verschwindest erst wieder, wenn es hell wird. Wie würdest du das nennen?«
Savior drückte seine Zigarette an der Hauswand aus und steckte den Stummel in die Zigarettenschachtel. Seit Abby ihm deswegen einen Vortrag gehalten hatte, warf er seinen Zigarettenstummel nicht mehr achtlos auf den Boden. »Ich sehe mich eher als eine Art Beschützer an.«
Cutter lachte. »Mhm, ist klar. Ich nenne es Stalker, oder weiß sie, dass du wie ein trauriger Hundewelpe hier stehst? Pass bloß auf, dass die Nachbarn dir nicht die Cops auf den Hals hetzen.«
»Selbst wenn. Ich mache doch gar nichts. Stehe lediglich hier herum und warte.« Vernichtend funkelte er seinen Freund an. »Aber nicht wie ein trauriger Hundewelpe.«
»Worauf wartest du denn noch, Boss? Sieh mal, ich weiß ja, dass du wütend auf Abby bist, weil sie einfach abgehauen ist. Es ist …«
»Sei still«, befahl Savior barsch.
»Die Wahrheit ist schwer zu verkr-« Savior hielt ihm den Mund zu und zog Cutter mit sich in die Schatten der Gasse.
»Sei leise«, warnte Savior noch einmal eindringlich und nahm die Hand weg. Dröhnende Motoren erklangen nicht weit entfernt in der Dunkelheit. Vorsichtig spähte Savior um die Ecke, erkannte Lichter von Motorrädern am Ende der Straße. Im Laufe der Woche hatte er erfahren, dass Abby sich regelmäßig mit Damian – Fiend – traf. Darüber war er nicht glücklich und wahrscheinlich würde er Damian dafür doch noch den Schwanz abschießen. Zumindest wusste Savior jetzt, dass Abby in Sicherheit war, wenn er nicht in ihrer Nähe sein konnte. Momentan war sie alleine zu Hause, es konnte gut möglich sein, dass Damian gerade mit seiner Harley kam. Wieso sollte er mit Verstärkung anrücken? Außer natürlich er hatte Savior bemerkt und wollte ihn jetzt loswerden.
Cutter und Savior tauschten einen Blick. Cutter war noch immer von der Folter durch die Raiders angeschlagen und konnte nicht kämpfen. Savior zeigte mit dem Kinn zum Auto am Ende der Gasse. Sein Freund presste die Lippen zusammen und schüttelte entschieden den Kopf.
Er schnaubte spöttisch. Ausgerechnet jetzt musste Cutter seine verloren geglaubten Eier wiederfinden und den harten Mann markieren.
Savior zog seine Waffe und entsicherte sie. Cutter zog sein Messer. Sein Name kam schließlich nicht von ungefähr. Erneut spähte er um die Ecke. Die Bikes hielten mit laufenden Motoren vor dem Haus. Lediglich einer schaltete seine Maschine aus und nahm den Helm ab. Fiend. Er lachte über etwas, was einer seiner Kumpane gesagt hatte, klopfte ihm auf die Schulter und hängte den Helm an den Lenker. Die anderen fuhren langsam weiter, blickten suchend in beide Richtungen der Straße.
Hielten sie nach Savior Ausschau oder nach jemand anderem? Ihren verschwundenen Verbündeten, den Raiders?
Er und Cutter blieben unentdeckt. Sie atmeten erleichtert aus. Auf zusätzlichen Ärger mit dem Death Heart MC konnten sie verzichten.
»Ich hasse den Kerl«, brummte Savior, während Damian in Abbys Haus trat. Die ganze Zeit schon fragte er sich, ob sie Savior für diesen Typen verlassen hatte. Wie lange ging das mit den beiden? War es etwas Ernstes?
»Ich wette, du hast gerade Mordgedanken.«
Savior hob gleichgültig die Schultern hoch. Natürlich hatte er die. Kein Grund, das offen zuzugeben. Dann müsste er sich eingestehen, dass er trotz allem etwas für Abby empfand und sie vermisste. Sobald er es laut aussprach, wurde es zur Realität und die wollte er so lange wie möglich von sich fernhalten.
»Los geht’s, Cutter, ich spendiere uns einen Drink im Temple of Sins.«
»Mir wäre es lieber, du würdest mir eine Frau spendieren.«
Savior lachte. »Als hättest du Probleme damit, eine Frau für die Nacht zu finden.«
»Manchmal ist eine Nacht nicht alles«, antwortete Cutter kryptisch.
Savior fragte sich, ob er Cutter nicht lieber hinter Hailey hätte herschicken sollen. Es war doch offensichtlich, dass er etwas für sie empfand. Und jetzt war der Weg frei, wo Thug es wieder mal vermasselt hatte.