Читать книгу Zarin Saltan - Katherina Ushachov - Страница 6
4. Anna
ОглавлениеFassungslos hielt Anna den knallpinken, an ›Anna Edmundovna Schlee‹ Umschlag mit spitzen Fingern so weit wie möglich von sich, als wäre er vergiftet. Das Logo einer der bekanntesten russischen TV-Sendungen prangte darauf und glitzerte im Licht der Lampen ein wenig. »Ihr habt was getan?«
»Du wirktest bei dem Referatstreffen so trübsinnig, weißt du? Und so geheimniskrämerisch, wie du nach der Arbeit getan hast, dachten wir, du hast Liebeskummer.« Tanja schlug ihr auf die Schulter und grinste breit. »Da dachten wir, du brauchst ein bisschen Abwechslung. Erst dachte ich, ein Kuchen würde es tun, aber dann hatte Sabrina eine viel bessere Idee.«
»Und da meldet ihr mich ausgerechnet für ›Liebling, lass uns heiraten‹ an? Weil ihr dachtet, ich habe vielleicht Liebeskummer?« Anna starrte ihre Freundinnen fassungslos an.
»Na ja, wir haben nicht nur dich, sondern auch uns angemeldet. Zu dritt wird das sicher lustig, Anna.« Sabrina lächelte aufmunternd.
»Aber ich will nicht!« Anna dachte an den Mann aus dem Restaurant und errötete. »Ich will niemanden kennenlernen. Nicht jetzt.« Der Gedanke, dass sie ihn nie wiedersehen würde und vermutlich ohnehin nicht in seiner Liga spielte, tat weh. Vermutlich wartete in seiner aufgemotzten Oligarchenvilla eine neunzehnjährige Blondine mit Silikonbrüsten auf ihn. Jemanden, der so gewöhnlich aussah wie sie, konnte der Mann gar nicht bemerkt haben.
»Anna, sei keine Spielverderberin.« Tanja rückte näher an sie heran. »Wenn wir auch hingehen, kannst du schlecht zu Hause bleiben und schmollen.«
»Kann ich wohl.« Sie verschränkte die Arme. Noch eine ganze halbe Stunde bis zur nächsten Lehrveranstaltung und die würde sich ziehen wie Kaugummi. Wenn sie außerdem bedachte, dass sie gleich gemeinsam in einer Vorlesung zum russischen Formalismus sitzen würden, war die Wahrscheinlichkeit erst recht gering, von ihren zwei Freundinnen in Ruhe gelassen zu werden. Dafür war das Thema zu trocken.
»Nein, kannst du nicht. Was, wenn eine von uns dabei ihren Traummann findet und du warst nicht dabei?« Sabrina hakte sich bei ihr ein und schaute sie aus großen Augen an.
Anna seufzte. »Wenn ich jetzt zusage, lasst ihr dann das Thema für eine Weile fallen?«
»Für eine Weile.« Tanja kicherte.
Besser als nichts. Anna nickte genervt. »Gut. Ich bin dabei. Ich schulde euch die Anmeldegebühr, oder? Wie viel macht das?«
»Für Frauen gratis, sonst hätten wir auch nicht mitgemacht«, sagte Sabrina.
Na immerhin musste sie kein Geld für diesen Unsinn ausgeben. Hastig ließ sie den knallpinken Umschlag in ihrer Tasche verschwinden, ehe noch jemand danach fragte. In einem Slawistenseminar war es leider mehr als wahrscheinlich, dass jemand die Sendung kannte. Sie musste davon ausgehen, dass jeder das Logo sofort erkennen würde.
Verdammt, vermutlich würde so gut wie jeder am gesamten Institut einschalten und ihr dabei zusehen, wie sie sich in einer Datingshow blamierte, zu der sie eigentlich gar nicht gehen wollte.
Dozenten inklusive.
Nervös lief sie zwischen ihren Freundinnen eingekeilt zum Hörsaal und versuchte den Gedanken daran zu verdrängen, wie alle sie anstarren würden. Der voraussichtliche Drehtermin lag zwar kurz vor Semesterende und danach müsste sie die Leute nicht wiedersehen, aber trotzdem würde es ein Spießrutenlauf, davon war sie überzeugt. Abschlusssemester hin oder her.
»Ihr hättet das echt nicht tun sollen, ohne mich zu fragen.« Sie sagte es aber mehr zu sich und so leise, dass ihre Freundinnen es auch ignorieren konnten. Immerhin würde sie sich nicht alleine blamieren, sondern zusammen mit den anderen beiden.
Nicht, dass das wirklich irgendetwas besser machte.
Hoffentlich schaute wenigstens der Betreuer ihrer Masterarbeit kein russisches Trash-TV. DAS würde sie definitiv nicht überleben.