Читать книгу Die Tote hinter der Nightwood Bar - Katherine V. Forrest - Страница 8

Kapitel 2

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»Teufel noch mal, was ist denn das für ’ne Bar?« murmelte Taylor.

Kate warf nur einen äußerst flüchtigen Blick auf den großen, für eine Bar ungewöhnlich hellen Raum und enthielt sich jeglichen Kommentars. Weitaus wichtiger war es, ihren Scharfsinn zusammenzuklauben, um die zehn Frauen einzuschätzen, die sich entlang der geschwungenen dunklen Theke versammelt hatten. Die Anwesenheit Taylors erhöhte ihre innere Anspannung noch.

Wo fängt meine Integrität an, wo hört sie auf? Was ist, wenn mich eine geradeheraus fragt, ob ich lesbisch bin?

Sie werden nicht fragen. Kate blickte in die Gesichter der Frauen an der Bar. Das brauchen sie gar nicht.

Sie hatte das Gefühl, nackt dazustehen, ihrer grauen Gabardinehose und Jacke entledigt zu sein, ihrer konservativen Maske, die sie in der Welt der Konventionen unsichtbar machte. Hier drinnen war ihr Innerstes bloßgelegt.

In jeder der Frauen, die zurückstarrten, erkannte sie Teile ihrer selbst. In der selbstbewussten Haltung der einen Frau, dem stämmigen Körperbau einer anderen, in dem naturbelassenen Grau eines Kurzhaarschnitts, in der praktischen Kleidung, den ungeschminkten Gesichtern, den auf praktische Länge gekürzten Fingernägeln …

Aus einer tief verwurzelten Gewohnheit heraus registrierte sie, dass zwei der Frauen Schwarze und zwei südamerikanischer Herkunft waren. Drei trugen ähnliche Baseballshorts und Hemden wie Dory Quillin, nur dass diese hier bunt waren. Eine dicke Frau in Rock und Bluse im Hippie-Stil saß mit gekreuzten Beinen da, den Rock über die Knie hochgezogen.

Die direkten, beobachtenden Blicke der Frauen durchdrangen Kate wie Röntgenstrahlen. Eine stämmige Frau in weißen Shorts, wallendem rosa T-Shirt und goldenem Gehänge an den Ohren lehnte sich flüsternd zu ihrer Nachbarin hinüber, einer Schwarzen mit kurzgeschorenem, kaum mehr als einen Zentimeter langem Haar. Die schwarze Frau grinste und nickte.

»Wer von Ihnen«, sagte Kate so gebieterisch, wie sie konnte, »ist Magda Schaeffer?« Sie hatte sich innerlich gewappnet und war auf das belustigte Gemurmel gefasst, das sich beim Klang ihrer tiefen Stimme ausbreitete.

Die stämmige Frau, die sich von einem der Barhocker erhob, war vielleicht fünfundfünfzig, mit einem grau werdenden kurzen Haarschopf, der selbstgeschnitten aussah. Ihr lilafarbenes T-Shirt steckte in knielangen Shorts, die mehr Taschen hatten, als Kate an einem Kleidungsstück jemals für möglich gehalten hätte: Vorderseite und Seiten waren mit Reißverschlüssen übersät, die Stoffschlaufen an den Seiten sollten vermutlich der Aufnahme von Taschenlampe oder Hammer dienen. Die Frau kreuzte zwei stark gebräunte Arme und betrachtete Kate aus tiefliegenden, halb geschlossenen dunklen Augen.

»Sind Sie Magda Schaeffer?«

Die Frau nickte ausdruckslos.

»Ich bin Detective Delafield. Das ist mein Kollege, Detective Taylor.«

Die Frau nickte erneut.

Wann würden sie wohl mit ihrem Schweigen aufhören? Und mit dem Starren?

»Ich habe bereits jede nur denkbare Frage beantwortet«, sagte Magda Schaeffer. Ihre Stimme war sanft, Kate hatte eher männliche Schroffheit erwartet.

»Wir müssen einige Einzelheiten erneut durchgehen, vielleicht noch mehrere Male.« Kate hob ihre Stimme, damit alle sie hören konnten, und stürzte sich, erleichtert über das vertraute Terrain, in die Erklärung von Ermittlungsverfahren. »Eine von Ihnen könnte im Besitz von Informationen sein, die wichtiger sind, als irgendwer zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorhersehen kann …«

»Scheiße.«

Die Sprecherin hing auf einem Stuhl am Ende der Bar. Eine dunkelblaue Matrosenmütze war tief über ihre scharfen, habichtartigen Gesichtszüge gezogen, ein Paar abgeschnittener Jeans enthüllten dünne, aber kräftige Waden, die Ärmel des blaukarierten Hemdes waren bis zu den Ellenbogen aufgerollt.

Sie streckte ihren Arm aus und zeigte auf Kate, richtete ihre Worte aber an Taylor. »Sie glauben wohl, es würde was ändern, wenn Sie ’ne Schwester mitbringen?«, bellte sie. »Sie hat sich an ihre eigenen Unterdrücker verkauft.«

Taylor warf Kate einen erstaunten Blick zu.

Die Frau starrte Kate an. »Macht’s Spaß, eine von den Jungs zu sein? Deine eigenen Schwestern herumzustoßen?«

Kate antwortete gelassen: »Ich stoße niemanden herum.« Sie wusste, sie musste einige Ablenkungsmanöver einleiten, die Gruppe auseinanderdividieren, sie voneinander isolieren, bevor sie sich in ihrer Feindseligkeit einmauern konnten.

»Patton«, sagte Magda Schaeffer und ging, die Hände in die Hüften gestützt, auf die Frau zu, »reg dich ab. Halt dich mit deiner politischen Scheiße einmal im Leben für ein paar Stunden zurück, damit die Leute hier ihre Arbeit machen können und wieder verschwinden. Je eher sie fertig sind, desto eher hauen sie ab.«

»Dory ist ’ne Lesbe«, sagte Patton verbittert. »Wer immer sie getötet hat … wird letztlich nicht viel dafür kriegen und es sich in einer bequemen Zelle gemütlich machen, genau wie Dan White.«

Magda Schaeffer drohte ihr mit dem Finger. »Patton, ich warne dich …«

»Die Bullen schnappen eh niemanden«, sagte die dicke Frau im Hippierock. »Es hat drei Millionen von ihnen gebraucht, um den Hillside-Würger zu finden. Und kein einziger Bulle in diesem Land konnte Patty Hearst ausfindig machen.«

Taylor schlenderte zu Patton hinüber. »Wir wären mehr als glücklich, uns alles, was Sie zu sagen haben, anzuhören«, sagte er, als er nahe bei ihr stand. Kate war mit dieser Taktik sehr gut vertraut; Taylor benutzte seinen muskulösen Leib oft dazu, einen Zeugen winzig klein erscheinen zu lassen, ihn einzuschüchtern, während er gleichzeitig seine – wie er es nannte – volkstümliche Tour abzog. »Wenn Sie so nett wären zu warten, bis wir mit Ihnen sprechen, Miss Patton …«

Schallendes Gelächter erschütterte den Raum. Patton schob ihre Matrosenmütze zurück, lehnte sich gegen das Geländer der Bar, sah zu Taylor hoch und schüttelte den Kopf; ihr lächelnder Blick glitt über ihn hinweg, so als wäre jede Unterhaltung mit ihm pure Zeitverschwendung.

»Aus welchem Jahrhundert stammen Sie denn?«, fuhr Magda Schaeffer ihn an. »Sieht Patton etwa so aus, als würde sie gern mit Miss Patton angeredet werden?«

»Reine Routine«, sagte Kate knapp. »Wir wollen niemandem zu nahe treten. Wie würden Sie gerne genannt werden?«

»Maggie«, antwortete die Barbesitzerin mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln, das einem freundlichen Fingerzeig gleichkam. Kate fühlte sich plötzlich vertraut mit ihr.

»Wir würden uns gerne die Bar ansehen«, sagte Kate. »Zur Orientierung.« Unter den gegebenen Umständen schien es sinnvoller, sich und Taylor zu entfernen, als diese Gruppe auseinanderzubringen. Sie würden die Frauen später einzeln verhören.

»Was immer Sie wünschen«, sagte Maggie mit unbestimmter Geste zur Wand hinter der Bar. »Da drüben liegt die Gewerbeerlaubnis.«

Der Tresen hatte die Form einer langgestreckten Kurve, an der eine Reihe Barhocker stand. Am Ende des Tresens stand ein mit Münzen gefülltes Glas, auf dem in sorgfältiger Schrift stand: »Aids-Hilfe Los Angeles«. Hinter der Bar, neben einem Fernseher oben an der Wand, hing ein langes Transparent: »Alive with Pride in ’85«. Ein großer nierenförmiger Spiegel wurde von lila Lampen umrahmt: Nightwood Bar war in ähnlicher Schreibschrift wie die, die Kate im Fenster gesehen hatte, darauf geschrieben, diesmal jedoch in bemalter Keramik.

»Sie haben da einen komischen Laden, Maggie«, sagte Taylor. Kate ärgerte sich sowohl über diesen Kommentar als auch über seinen Ton, der ihr plump vertraulich und herablassend vorkam.

»Das ist garantiert die einzige Bar der Welt mit einem Bücherregal«, sagte Taylor.

Kate ging quer durch den Raum und sah sich mit wachsendem Erstaunen um.

Das Bücherregal war groß – vier vollgestopfte Borde, die circa drei Meter lang waren; es stand am hinteren Ende der Bar neben einem Billardtisch, über dem ein Lampenschirm im Tiffanystil hing. Hinter dem Billardtisch standen drei Tische mit jeweils verschiedenen Spielen: Dame, Schach und Scrabble. Auf einem anderen Tisch stapelten sich Zeitschriften und Kreuzworträtselhefte, und ein anderer daneben beherbergte mehrere Kartenspiele und eine rosa Schachtel; Kate konnte die Schrift darauf entziffern: »Lesbenspiel«.

Hinter einer Tanzfläche, die kaum zwei Quadratmeter groß war, befanden sich zwei weitere zum Backgammon-Spiel aufgebaute Tische. An der hinteren Wand der Tanzfläche stand ein schmaler, hoher Tisch mit zwei Stühlen davor, vor denen jeweils ein Videospiel stand. Die Musikbox neben dem Zigarettenautomaten war dunkel. Der gesamte Raum war mit üppigen Pflanzen unter großzügigem Scheinwerferlicht dekoriert.

Unglaublich, dachte Kate. Hätte es doch nur zur Zeit meines Coming-out so was gegeben.

»Das ist genau der Laden, den ich wollte«, sagte Maggie. »Kein Ort zum Abschleppen … davon gibt’s reichlich in der Stadt.« Sie sprach zu Kate, ihre Körperhaltung schloss Taylor aus. »Keine Frau, die hierherkommt, muss unbedingt trinken oder tanzen oder Billard spielen. Sie kann für sich bleiben, Zeitschriften lesen oder ein Buch, mit anderen Frauen Karten spielen oder sonst was machen.«

Maggies Stimme war tief und ernst. »Ich serviere verdammt noch mal genauso gerne Kaffee oder Säfte wie Alkohol. Freitag- und Samstagnacht ist es voll hier, aber meine Kundschaft ist überwiegend älteren Jahrgangs und überwiegend Stammkundschaft. Die Frauen kommen hierher, weil sie eines wollen …«, sie breitete die Arme aus und schloss betont ruhig, »sich entspannen und sie selbst sein.«

»Gehörte Dory Quillin zu den Stammgästen?«, fragte Taylor.

Kate war froh, dass Taylor die Befragung wieder aufnahm; ihre eigene Konzentration war in dieser Umgebung gefährlich leicht zu zerstören. Mit einer Geste winkte Kate Taylor und Maggie und zog einen Stuhl unter dem nächststehenden Tisch hervor. Die drei setzten sich.

»Halb und halb«, beantwortete Maggie Taylors Frage und stützte ihren Turnschuh auf den freien Stuhl. Sie zündete sich eine Pall Mall ohne Filter an. »Sie hing in den meisten Bars rum, wie viele der Kleinen.«

Taylor versuchte, seinen massigen Körper dem kleinen Holzstuhl anzupassen. »Seit wann hatte sie ihren Bus auf Ihrem Parkplatz abgestellt?«

»Seit neun, zehn Monaten. Sie möchten sicher beide einen Kaffee. Roz«, rief sie, ohne eine Antwort abzuwarten, »bring uns bitte drei Kaffee, ja?«

»Danke«, sagte Kate. »Dann müssen Sie sie gut gekannt haben.«

»Eigentlich nicht.«

»Sie hat auf Ihrem Parkplatz geparkt.« Taylors Skepsis war unüberhörbar. »Hat sie auch das Klo hier benutzt?« Als Maggie nickte, konstatierte Taylor: »Da müsste doch jeder annehmen, dass Sie sich sehr nahe standen.«

Kate ärgerte sich erneut. Sie hörte die sexuelle Anspielung aus seinen Worten heraus. Maggie zuckte die Schultern und sog den Rauch tief in ihre Lunge. »Nein, sie tat mir nur leid. Haben Sie sie sich angesehen?«

»Ja«, antwortete Kate für Taylor, »das haben wir.«

Der Kaffee wurde von Roz gebracht; sie servierte die drei Becher von einem Tablett und wandte sich rasch wieder ab, nachdem die beiden Detectives die Frage nach Milch und Zucker verneint hatten.

Maggie drückte ihre Zigarette aus und sah Kate an. »Wenn Sie Dory gesehen haben, dann wissen Sie es. Ein verlorenes Kind. Ganz allein, nur sie und dieser Bus …«

»Glauben Sie, sie war wirklich einundzwanzig?«, fragte Taylor nebenbei.

»Sie konnte sich ausweisen.«

Taylor nickte.

Maggie seufzte. »Verdammt, ich weiß es nicht. Ich glaube nicht. Mein Gott, sie sah aus wie zwölf. Aber das tun viele. Je älter ich werde, desto jünger sehen die anderen aus. Sie hier parken zu lassen war das Wenigste, was ich für sie tun konnte. Im Übrigen beruhte das auf Gegenseitigkeit. Wir schließen zwar um zwei, aber ich brauche irgendeinen Schutz nach Feierabend; der Laden liegt zu abgelegen. Mein letzter Wachhund hat seine Leine durchgebissen und ist auf und davon, Dory bot mir an, eine Weile zu bleiben. Seitdem war sie hier, nicht jede Nacht, aber ziemlich oft …« Maggies verzog den Mund. Sie fuhr sich mit der Hand durch ihr struppiges weißes Haar. »Ich dachte, sie wäre hier sicherer als …« Sie machte eine wegwerfende Bewegung, eine Geste der Vergeblichkeit.

»Da haben Sie aber einer Frau, von der Sie kaum etwas wussten, verdammt viel Vertrauen entgegengebracht.« Taylor sah nicht von seinem Notizbuch auf. »Ihr den Schlüssel zu dem Laden hier zu geben … mit all dem Alkohol.«

Maggies kräftige raue Hände fassten den Kaffeebecher fester. »Man schätzt Leute ein, man vertraut ihnen. Wie sollte man sonst leben? Ich hätte es gemerkt, wenn sie irgendwas gemacht hätte, was mitgenommen hätte. Sie hat nie viel getrunken …«

»Wann haben Sie sie zuletzt lebend gesehen?«

»Als wir vom Baseballfeld gingen«, antwortete Maggie knapp.

»Von welchem?«

»Plummer Park.« Maggie wandte sich an Kate. »Wir hatten verabredet, hier noch ein paar Bier zu trinken. Dory hatte abgelehnt, sie müsse sich noch um ein paar Sachen kümmern. Ich habe ihren Wagen gehört, als sie wiederkam, aber sie kam nicht rein. So gegen sechs Uhr bin ich rausgegangen zur Mülltonne …« Die feste Stimme versagte.

Kate fing Taylors Blick ab und bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, Maggie einen Moment Zeit zu geben, um sich zu fassen. Sie vervollständigte ihre Notizen, fasziniert von der Vorstellung, dass Maggies Verhalten vielleicht eine wohlüberlegte und besonders raffinierte Irreführung war.

»Erinnern Sie sich daran«, fragte Kate, »um welche Zeit Sie den Wagen kommen hörten?«

»Gegen halb sechs, vielleicht etwas später.«

»Wann sind die anderen aus ihrer Gruppe gekommen?«

»In jeweils fünfminütigem Abstand, wir waren mit verschiedenen Autos unterwegs.«

»Ja, natürlich«, sagte Kate nickend. Maggie lächelte sie an, wobei ihre harten Gesichtszüge weicher wurden und feine, gekräuselte Linien um Mund und Augen entstehen ließen. Kate widerstand einem Gefühl von Zuneigung und fuhr nüchtern fort: »Waren die Frauen, die jetzt hier sind, alle anwesend, als Sie die Leiche entdeckten?« Maggie nickte, und Kate fragte weiter: »Die Bar öffnet um fünf?«

»Sonntags um vier.«

»Dann war jemand da, bevor Sie hier ankamen, um den Laden zu betreuen?«

»Roz. Sie hilft bei mir aus. Nur fünf von uns waren auf dem Baseballplatz. Ash war hier und auch …«

»Die Namen gehen wir gleich durch«, unterbrach Kate sie und machte sich rasch ein paar Notizen. »Wir müssen noch mehr darüber wissen, was geschah, nachdem Sie hier angekommen waren. Ist jemand zwischendurch weggegangen?«

»Nein. Bestimmt nicht. Selbst wenn der Laden voll ist, weiß ich genau, was in meiner Bar vorgeht.«

»Wollen Sie damit sagen«, fragte Taylor, »dass keine der Frauen auch nur für einen Moment hinausgegangen sein könnte, ohne dass Sie es bemerkt hätten?«

»Natürlich hätten sie gekonnt.« Maggie stand abrupt auf. »Kommen Sie mit.«

Sie führte sie zum hinteren Ende der Bar, um die Ecke herum zu einem engen, gekachelten Durchgang. Unmittelbar gegenüber der Hintertür der Nightwood Bar befand sich eine Tür, auf der »Frauen« stand.

»Jede, die aufs Klo gegangen ist, hätte auch hinausgehen können. Und jetzt wollen Sie bestimmt wissen, wer alles aufs Klo gegangen ist.«

Kate lächelte; sie hatte das gerade fragen wollen.

Maggie zündete sich eine weitere Pall Mall an, öffnete einen der zahllosen Reißverschlüsse und stopfte die Streichhölzer hinein. Sie wies zur Tür. »Sie ist wohl immer noch draußen, was? Dory, meine ich.«

»Es braucht seine Zeit«, sagte Kate sanft. »Wir wollen niemandes Würde verletzen, bitte glauben Sie mir das. Wir müssen ungeheuer vorsichtig sein, denn wenn wir jetzt Fehler machen, dann können wir sie nie wieder gutmachen. Der Gerichtsmediziner wird bald kommen und sie holen.«

»Ich verstehe«, sagte Maggie und ging zurück zu ihrem Tisch. »Es ist nur, weil … die arme Kleine …«

Kate setzte sich und griff nach ihrem Kaffee. Da draußen zu liegen, dachte sie, war wohl die geringste Demütigung, die Dory Quillins Körper noch zu ertragen haben würde. »Was können Sie uns über sie sagen?«, fragte sie. »Womit hat sie sich und ihren Bus finanziert?«

Maggie zog die Schultern hoch und schnippte mit einem narbigen Daumennagel die Asche von ihrer Zigarette. »Ich habe es mir zum Prinzip gemacht, nicht danach zu fragen, wovon meine Kundschaft lebt. Wenn Sie zwanzig Jahre in diesem Geschäft sind, dann lernen Sie, sich anzuhören, was die Leute Ihnen erzählen wollen, und vorsichtig mit Fragen zu sein – selbst bei Dingen, über die sie von sich aus sprechen.«

»Aber Sie wissen, dass sie Eltern hat«, hakte Kate, die die Ausflüchte spürte, nach. »Sie wohnen hier in der Gegend, stimmt’s? Woher wussten Sie das?«

»Sie hat von ihnen gesprochen. Keine Einzelheiten, nur verbitterte Bemerkungen.«

»Zum Beispiel? Was hat sie gesagt?«

»Das weiß ich wirklich nicht mehr so genau. Was man unter diesen Umständen so erwartet … dass sie nicht einverstanden waren mit dem, was sie tat … Ich kann mich ehrlich nicht erinnern.«

»Warum haben die sie rausgeschmissen?«, fragte Taylor. »Wie konnten sie so ein Mädchen einfach in einem Bus leben lassen?«

Was für eine absolut idiotische Frage, dachte Kate und wartete auf Maggies Antwort.

»Warum die sie rausgeschmissen haben«, wiederholte Maggie. Ihre tiefliegenden Augen blickten kalt. »Detective Taylor, sehen Sie sich doch einmal in den Homo-Bars um. Verdammt viele von uns sind von unseren Familien rausgeschmissen worden. Meine eigenen Eltern waren der Ansicht, es könnte nichts Schlimmeres geben als eine lesbische Tochter.«

»Das weiß ich natürlich«, tönte Taylor vollmundig, »uns begegnen alle möglichen Kids auf der Straße … aber mein Gott, wenn man dieses Mädchen sieht, fällt es einem doch schwer, sich vorzustellen … Ich verstehe nicht, wie irgendjemand sie einfach …«

Und meine Eltern, fragte sich Kate, wie hätten sie wohl reagiert? Sie hatte nie gewagt, es ihnen zu sagen – und jetzt war es zu spät, sie waren tot.

»Wie steht es mit Liebesaffären?«, fragte Kate und unterbrach Taylors Gestotter. »Hatte sie mit einer der Frauen hier eine Beziehung?«

Maggie verdrehte die Augen. »Sie erwarten wohl nicht, dass ich Ihnen diese Frage beantworte. Ich weiß nicht, welche Frau gerade mit welcher zusammen ist. Genauso gut könnten Sie von mir verlangen, auf einen Kaninchenstall aufzupassen.«

Kate und Taylor schmunzelten. »Also gab es«, fragte Kate weiter, »Ihres Wissens keine spezielle Freundin, ist das richtig?«

Maggie verlagerte ihr Gewicht von einer Seite auf die andere. »Na ja … ich glaube, da gab es vielleicht mal eine; das ist schon eine Weile her.« Sie zuckte mit den Schultern. »Dory stand auf ältere Frauen, die jüngeren schienen sie nie zu interessieren, obwohl viele von ihnen hinter ihr her waren. Sie hätte es wohl selbst mit diesen uralten Knochen hier versucht, wenn ich sie irgendwie ermutigt hätte.«

»Das haben Sie aber nicht?«, sagte Taylor und sah sie aufmerksam an.

Maggie starrte zurück. »Wenn ich Kinder wollte, wäre ich heterosexuell.«

Taylor grinste verunsichert und widmete sich wieder seinen Notizen.

»Das Baseballspiel heute«, sagte Kate, »hat Dory mitgespielt?«

»Ja.«

»Haben Sie auch gespielt?«

»Machen Sie Witze? Ich geh manchmal hin, es macht Spaß, den Mädels zuzusehen. Die jungen Frauen aus den anderen Bars stellen ein Team zusammen, und hin und wieder spielen wir gegeneinander.«

»Diese Frauen aus den anderen Bars«, hakte Taylor ein, »haben Sie bemerkt, ob Dory mit einer von ihnen gesprochen hat? Vielleicht mit einer weggegangen ist?«

Maggie schüttelte den Kopf. »Allesamt zu jung für sie. Soweit ich mich erinnere, kannte sie kaum eine, mit der sie hätte sprechen können. Außerdem waren sie alle weg, bevor wir den Platz verließen.«

»Hat sie sich irgendwie … anders verhalten?«, fragte Kate. »Irgendwie untypisch?«

Maggie stützte ihr Kinn in eine Hand und schloss beim Nachdenken halb die Augen. »Na ja … sie war immer etwas überdreht … und das war sie heute auch, vielleicht etwas mehr als sonst. Sie war gerade wiedergekommen, nachdem sie ein, zwei Tage außerhalb der Stadt gewesen war …«

»Wo?«, fragten Kate und Taylor wie aus einem Mund.

Maggie wirkte verblüfft. »Irgendwo in Mittelkalifornien … ich weiß nicht mehr, wo. Himmel noch mal, ich habe nicht darauf geachtet. Ich meine, es war mir egal – glauben Sie, das könnte wichtig sein?«

»Im Augenblick«, sagte Kate, »müssen wir davon ausgehen, dass alles wichtig ist.«

»Was können Sie uns über die Frauen hier sagen?«, fragte Taylor.

Maggie drückte ihre Zigarette aus. »Ungefähr so viel, wie ich Ihnen über Dory erzählen kann.«

Kate hörte die Vorsicht heraus und versuchte es auf indirekte Weise. »Würden Sie uns bitte die Namen von allen sagen? Wer von ihnen war mit auf dem Platz?«

»Patton war mit.« Maggie lächelte Kate an. »Sie wissen ja, wer Patton ist.«

Kate grinste zurück. »Die mit den extremen Ansichten.«

»Sie sagen es. Sie glaubt, ich würde die geheiligten sterblichen Hüllen meiner Schwestern verderben, wenn ich ihnen Alkohol ausschenke. Sie hat auch sonst jede Menge kostenloser Ratschläge und Ansichten parat – wie zum Beispiel den Vorschlag, ich solle mit meinen Schwestern allen Verdienst teilen, der über die Bestreitung meiner unmittelbaren Selbsterhaltungskosten hinausgeht.« Maggies leises Lachen war nicht humorvoll. »Kein Problem. Mehr verdiene ich sowieso nicht.«

Taylor ließ seinen Blick zu Patton hinüberschweifen, die über dem Tresen lehnte und mit beiden Händen gestikulierte, während sie sich mit Roz unterhielt. »Wenn das meine Bar wäre«, sagte er, »dann würde sie ihren Fuß nicht zur Tür reinkriegen.«

»Eine große Versuchung«, gab Maggie zu. »Sie ist wahrhaftig eine Nervensäge. Aber ich werde nie vergessen, dass es rebellische Frauen wie sie waren, die in Sachen Frauenrechte alles in Gang gesetzt haben.«

»Und wer war noch auf dem Platz?«, fragte Taylor desinteressiert und kehrte zu seinen Notizen zurück.

»Die Latino-Frau in dem roten Baseballhemd – sie heißt Tora. Die andere sitzt neben Patton und heißt Ash – Ash war hier in der Bar. Kendall war auf dem Platz, das ist die mit der Chintz-Hose und dem weißen Polohemd. Und Raney war auch da, das ist die Schwarze mit dem Grace-Jones-Haarschnitt. Die andere schwarze Frau war hier, ihr Name ist Audie.«

»Woher die die Namen haben«, murmelte Kate, während sie rasch alles notierte.

»Wie ist Ihr Vorname?«

»Kate.«

»Wollten Sie ihn je ändern?«

»So was ist mir nie in den Sinn gekommen.« Sie fügte den Namen kurze Beschreibungen der Frauen hinzu.

»Sagen wir, Sie haben sich von einer Religion losgesagt, die Sie absolut verabscheuen«, sagte Maggie. »Und sagen wir, Ihre Eltern hätten Sie nach ihrer Lieblingsheiligen Bernadette Theresa genannt.«

Kate lächelte. »Ich verstehe, was Sie meinen.«

»Das ist nur ein Grund, warum manche Frauen sich ihre eigenen Namen aussuchen.«

»Die Frau dort am Ende der Bar«, sagte Kate. »Die haben Sie ausgelassen.«

»Die kenne ich nicht. Sie war hier, nicht auf dem Platz. Sie ist in letzter Zeit oft hier gewesen, aber noch nicht lange genug, um sie zu den Stammgästen zu zählen.«

»Seit wann kommt sie hierher?«

»Vielleicht zwei Wochen.«

Kate sah die Frau interessiert an. »Und die anderen Frauen gehören alle zur Stammkundschaft?«

Maggie nickte. »Die einen kommen häufiger als die anderen, aber ich sehe sie alle mehrmals die Woche.«

»Sind Sie sicher«, sagte Taylor, »dass Sie diese Frau vor zwei Wochen zum ersten Mal gesehen haben?«

»Bestimmt. Ich würde mich an sie erinnern. Wer nicht?«

Die Frau trug eine erdfarbene Hose und ein riesiges, formloses, beigefarbenes Hemd; sie hörte Patton zu und wandte Kate ihr Profil zu. Ihre großen Augen waren mandelförmig, ihre Stirn hoch; ihr dunkles Haar war unter einer engsitzenden beigefarbenen Kappe aus glitzerndem Material zusammengesteckt. Die kleinen Lippen waren voll, die hohen Wangenknochen weich; ihr Teint hatte den kräftigen, tief bronzenen Ton, der mischblütige Herkunft verriet. Sie erinnerte Kate an Statuen von altägyptischen Königinnen.

»Exotisch«, war Taylors Kommentar zu Maggie. »Wissen Sie irgendetwas über sie?«

»Als sie die zweite Woche kam, hat Audie sie angesprochen. Audie ist eine Seele von Mensch … Na jedenfalls, alles was Audie sagte, war, lass gut sein, Liebes, so schlimm kann’s doch nicht sein – irgend so was. Ihre Freundlichkeit wurde mit einem Blick belohnt, der sie in den Boden stampfte. Ich nenne sie ›Lady Eiszapfen‹.«

Kate sah sich amüsiert Lady Eiszapfen an, die einen Stuhl entfernt von Kendall saß und müde und gelangweilt aussah.

»Liebeskummer«, sagte Maggie. »Der einzige Grund, aus dem eine Frau wie sie hierherkommt. Wenn du eine Freundin hast oder wenn du keine hast und das okay findest, dann hast du es nicht nötig, jeden Abend in der Woche stundenlang in einer Frauenbar zu sitzen.«

Taylor sagte: »Ihre Nachbarn – das Motel, die Geschäfte am Hang, was sagen die zu der Bar? Haben Sie manchmal Krach mit ihnen?«

Gute Frage, dachte Kate. Ein systematisches Durchkämmen der Nachbarschaft könnte auf einige gute Spuren führen …

Maggie schüttelte den Kopf. »Zuerst ja. Sie sind auch jetzt noch nicht unbedingt begeistert von uns. Aber der Laden ist nicht zu laut, selbst am Samstag nicht. Klar, wir haben eine Musikbox, aber laute Musik oder laute Frauen lasse ich hier nicht zu.« Sie sah Kate scharf an. »Glauben Sie, jemand hätte das getan, weil er … Meinen Sie, dass eine Gang hier raufgekommen ist und das getan hat … einfach so?«

»Das wissen wir nicht, Maggie«, sagte Kate ernst. »Wir haben noch nicht einmal eine Theorie. Die meisten Mordfälle lösen wir, weil die meisten Menschen von Leuten ermordet werden, die sie kennen. Aber blinde Gewaltlust ist nicht auszuschließen – ein Problem, das überall zunimmt.«

Maggies dunkle Augen waren auf Kate gerichtet. »Ich bin jetzt seit gut vier Jahren hier. Ich wollte, dass diese Bar ein guter, ruhiger Ort ist. Ich habe nie inseriert, mich stets nur auf Mund-zu-Mund-Propaganda verlassen. Ich habe jedes Aufsehen vermieden, brauchte nie die Polizei zu holen, hatte kein einziges Mal Probleme. Na ja«, verbesserte sie sich, »jedenfalls keine Probleme, die wir nicht selbst lösen konnten. Alle, die hierherkommen, wollen, dass der Laden hier etwas Besonderes bleibt, ohne Ärger mit der Polizei. Wir hatten die Dinge stets unter Kontrolle …« Maggie trank ihren Kaffee aus. »Öffentliches Aufsehen«, zischte sie. »Jetzt werden die Verrückten mitkriegen, dass es uns gibt …«

Die öffentliche Aufmerksamkeit, das wusste Kate, würde in diesem Fall aus ein paar Zeilen in der Times, vielleicht einem Absatz im Herald Examiner bestehen – das Leben, das hier ausgelöscht worden war, war nicht wichtig genug für mehr. »Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht – ich gebe Ihnen mein Wort darauf. Würden Sie mich bitte mit meinem Kollegen einen Augenblick allein lassen? Wir möchten dann mit Patton sprechen.«

»Sicher.« Maggie stand auf und stopfte ihr T-Shirt zurück in die Hose. »Die schweren Fälle zuerst, stimmt’s?«

»Stimmt«, antwortete Kate lächelnd.

Kate ging davon aus, dass es angesichts von Pattons Aggressivität strategisch am besten war, sie zuerst zu vernehmen; sollte es nicht gelingen, sie in eine kooperative Zeugin zu verwandeln, dann würden sie sie entlassen, sie aus dem Lokal raushaben. Hansen und seine Leute hatten die Führerscheinnummern und die gesetzlichen Namen der Frauen zusammengetragen, egal wie sie sich selbst nannten, und ihre Adressen. Falls sie und Taylor auf Informationen stoßen würden, die eine weitere Befragung nötig machten, würden sie Patton schon finden …

Als Maggie zur Bar zurückkehrte, folgten ihr Kates Augen abschätzend. »Was hältst du von ihr?«, fragte Taylor.

»Sie ist vorsichtig, verschwiegen, zu bedacht auf das, was sie uns sagt. Wir werden bei ihr wohl nur Zentimeter um Zentimeter vorankommen, vielleicht bei allen Frauen hier. Was meinst du?«

»Ich? Ich finde, diese Bar, das alles hier ist ziemlich merkwürdig, Kate. An so einem abgelegenen Ort … Man geht in eine Bar, um was zu trinken, sich mit anderen zu unterhalten, und verdammt noch mal nicht, um Schach zu spielen oder den Playboy zu lesen.«

Kate lachte, da sie wusste, dass Taylor eine Würdigung seiner geistreichen Bemerkung erwartete. Sie wusste, er würde nie verstehen, dass sie diese Bar als richtig, natürlich und in jeder Hinsicht angenehm empfand. Er wäre nie fähig zu verstehen, wie erleichternd es war, der klaustrophobischen Welt der Heterosexualität zu entkommen und an einen abgeschlossenen, privaten Ort zu gelangen, an dem es nur andere lesbische Frauen gab …

Taylor fuhr fort: »Ich glaube, was unser Barkeeper Maggie da im Sinn hat, ist gar nicht so falsch. Ein oder zwei Rowdys haben sich hier oben herumgetrieben und Dory aus lauter Jux und Tollerei den Kopf eingeschlagen.«

Kate zuckte mit den Schultern; ihr war diese Möglichkeit ebenso verhasst wie die geringe Wahrscheinlichkeit, bei solchen Fällen je die Mörder dingfest zu machen. »Kann sein, kann aber auch nicht sein«, räumte sie ein. »Wir sollten jetzt mit der netten kleinen Patton reden.«

Als Taylor ihren Namen rief, fuhr Patton herum und starrte sie an; ihr Körper wurde ganz starr.

»Wollen wir wetten«, sagte Taylor zu Kate, »sie kommt nicht her.«

»Um die Chance zu verpassen, uns zu verhöhnen? Die kommt bestimmt.«

Patton löste eine Pilotenbrille von ihrer Hemdtasche, an der sie sie festgeklemmt hatte, setzte sie auf, nahm eine Zigarette aus dem Aschenbecher auf der Bar und steckte sie sich in den Mund. Sie vergrub beide Hände in den Hosentaschen, glitt vom Barhocker und schlenderte gemächlich herüber. Sie stieß den vierten Stuhl an Kates Tisch zur Seite und schob mit demselben Fuß den anderen Stuhl genau zwischen Kate und Taylor. Ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen, ließ sie sich auf dem Stuhl nieder und legte den rechten Fuß auf das linke Knie. Von ihrem Mundwinkel stieg der Zigarettenqualm auf, und sie betrachtete Kate durch ihre Spiegelbrille.

Ohne sich mit Vorreden aufzuhalten, fragte Kate sie: »Was können Sie uns über die junge Frau sagen, die tot da draußen liegt?«

»Nichts.« Die Asche fiel auf das Vorderteil ihres blaukarierten Hemdes. Ihre Sonnenbrille glitzerte in der Barbeleuchtung.

»Wie lange haben Sie sie gekannt?«

Patton blickte für einige Augenblicke zur Decke hoch. »Vielleicht ein Jahr«, sagte sie.

Kate lehnte sich zurück und betrachtete sie in Ruhe; sie musterte das kurzgeschorene blonde Haar, soweit es unter der Matrosenmütze sichtbar war, die dünnen, scharfen Gesichtszüge, die straffe weiße Linie des Mundes. Der Adidas-Joggingschuh, den Patton auf ihrem Knie platziert hatte, begann im Takt zu wippen, als folge er einem Rhythmus, den sie im Geiste hörte.

»Um welche Zeit sind Sie vom Platz aus hier angekommen?«, fragte Kate.

»Zur gleichen Zeit wie alle anderen«, ließ Patton undeutlich aus der Gegend um ihre Zigarette vernehmen, während der Joggingschuh sein Wippen verstärkte.

»Wann war das?«

Patton zuckte die Schultern.

»Schulterzucken sagt uns leider nichts«, sagte Kate gelassen. »Wollen Sie uns damit sagen, dass Sie nicht antworten werden oder dass Sie es nicht wissen?«

Patton grinste, nahm eine Hand aus der Tasche und die Zigarette aus dem Mund. »Ich weiß es nicht.«

»Haben Sie irgendetwas Ungewöhnliches bemerkt, entweder auf dem Platz oder später hier?«

Erneutes Schulterzucken. Als Kate sie kalt ansah, grinste sie wieder. »Ich weiß es nicht«, sagte sie.

Jetzt redete Taylor. »Haben Sie eine Ahnung, womit Dory ihr Geld verdiente?«

»Sie war Atomphysikerin«, sagte Patton.

Kate und Taylor sahen sie schweigend an.

»Vielleicht sollte ich Ihnen das buchstabieren«, sagte Patton. »A-t-o- …«

»Patton«, sagte Kate und klappte ihr Notizbuch zu, »wir unternehmen den aufrichtigen Versuch, herauszufinden, wer das Leben einer noch sehr jungen Frau ausgelöscht hat.« Sie entnahm ihrem Notizbuch eine Visitenkarte und legte sie vor Patton hin. »Wenn Sie mit Ihrem Gehabe fertig sind, wenn Ihnen klar wird, dass das, was heute Abend hier geschehen ist, ein klein wenig wichtiger ist als Ihre Meinung von sich selbst, rufen Sie uns an.«

Patton saß da und sah Kate an. Ihre Augen hinter der Sonnenbrille waren unsichtbar, ihr Mund unbeweglich.

»Und jetzt verschwinden Sie«, sagte Kate.

»Sie haben kein Recht, mich herumzukommandieren.«

»Diese Bar gehört offiziell zum Bereich des Tatorts. Und im Übrigen dürfte sie normalerweise jetzt kaum noch geöffnet sein. Ich bin gerne bereit, einen Polizeibeamten zu holen, um Sie hinauszubegleiten.«

»Darauf könnt ich wetten.« Patton erhob sich. Sie ignorierte Kates Karte, kehrte den beiden Detectives den Rücken zu und marschierte zurück zur Bar.

»Mein Kompliment«, sagte Taylor. »Ich selbst hatte Polizeiterror erwogen.«

Kates Lächeln war dünn. »Ed, wir sollten jetzt den Gerichtsmediziner kommen lassen.«

»Das denke ich auch. Ich mach das schon, Kate. Ich sollte überhaupt draußen mit Hansen arbeiten. Du kommst hier vielleicht ohne mich besser voran.«

»Das möchte ich bezweifeln, aber mach ruhig«, sagte Kate. »Mich können sie auch nicht leiden.«

»Möglich, aber da das hier ’ne Frauenbar ist … ich hab so das Gefühl, hier liegt noch mehr in der Luft.«

Die Anwesenheit des Mannes Taylor in dieser Bar, dachte Kate, behagte ihr ebenso wenig wie den anderen Frauen.

Taylor hievte sich hoch und ging zur Tür der Nightwood Bar. Patton folgte ihm, wobei sie mit einem Joggingschuh über Taylors Fußspuren wischte, trappelte und schrubbte, als wollte sie jeden einzelnen seiner Schritte ausradieren. »Ein Mann!«, rief sie. »In unserer Bar! Igitt!«

Als Taylor stehen blieb und sich kopfschüttelnd zu Kate umwandte, beugte Patton sich vor und flüsterte ihm etwas zu. Er zog seine Krawatte zurecht, schüttelte wieder den Kopf und machte seinen Abgang aus der Nightwood Bar.

Patton polierte mit ihrem Ärmel den Türknopf. »Igitt«, murmelte sie erneut, dann öffnete sie die Tür und verschwand in der Nacht.

Die Tote hinter der Nightwood Bar

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