Читать книгу Die Tote hinter der Nightwood Bar - Katherine V. Forrest - Страница 9

Kapitel 3

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Kate rief Tora zu sich an den Tisch. Die Chicana-Frau zog den Stuhl zurück, setzte sich und verschränkte die Arme über ihrem roten Baseballhemd. Sie wickelte ihre Beine so eng umeinander, dass ihre Fußknöchel eine Art Knoten bildeten. Dann sah sie Kate aus abweisenden braunen Augen an. Nein, sie hatte Dory Quillin nicht besonders gut gekannt. Nein, sie hatte auf dem Platz nichts Auffälliges bemerkt. Ja, sie war gegen halb sechs in der Bar angekommen, zusammen mit allen anderen. Nein, sie hatte nichts Ungewöhnliches gesehen oder gehört. Nein, sie wusste sonst nichts mehr über Dory Quillin zu sagen, auch nichts darüber, warum das geschehen war.

Kate fiel Harry Johnstone ein, ein in Ehren ergrauter Sergeant, der sich zu Beginn ihrer Polizeikarriere mit ihr angefreundet hatte. »Dreißig Jahre Bulle«, hatte er ihr auf seiner Pensionsfeier zugeflüstert; sein Arm lastete schwer auf ihrer Schulter, seine Augen waren vom vielen Trinken und endgültigen Abschiednehmen gerötet. »Für was? Für ’n Arsch. Die Leute hassen uns. Sie lieben uns, wenn sie uns brauchen. Ansonsten aber geben sie einen Scheißdreck auf uns.«

Noch nie hatte Kate dieses instinktive Zurückweichen vor einer uniformierten Gestalt mit Dienstabzeichen und Pistole so gut verstanden. Das lag nicht unbedingt an der gesetzlich sanktionierten Befugnis zu töten oder Menschen zu Krüppeln zu schlagen, sondern an der Macht, die Leben Einzelner zu zerstören, ihnen ihren Wert zu nehmen, sie mit lebenslangen Narben zu versehen. Die Macht, Menschen zu verhaften, impliziert die Möglichkeit, sie aus Willkür, Brutalität oder schlicht Gedankenlosigkeit zu missbrauchen. Kein Wunder, dass für viele Homosexuelle, die bereits die Verachtung anderer zu ertragen haben und deren Leben Zeugnis hoffnungsloser Ohnmacht ist, die Bullen wie die Personifikation ihrer Bedrohung wirken.

Kate rief eine Frau nach der anderen zu sich. Kendalls Feindseligkeit war nicht geringer als Pattons, aber weniger offen. Ash war so verschwiegen wie Tora, sie reagierte schroff ungeduldig auf Kates Fragen. Audie war nicht feindselig, aber auch nicht kooperativ – sie vermied es, Kate in die Augen zu sehen. Roz war so vollständig entsetzt über das, was am Abend geschehen war, dass Kate sie bereits nach ein paar flüchtigen Fragen entließ.

Kate ging ihre Notizen durch. Es war nur noch eine Frau zu befragen, und sie hatte nichts Brauchbares über Dory Quillin oder ihren Tod in Erfahrung bringen können. Kate nahm eine vierte Tasse Kaffee von Maggie an und dachte an ihren ersten Besuch in einer Lesbenbar.

Julie hatte die Idee gehabt, an jenem Samstagabend – Kates einundzwanzigstem Geburtstag – von Ann Arbor nach Detroit zu fahren. Kate konnte sich später nicht mehr an den Namen der Bar erinnern, nur noch daran, dass sie in Citynähe lag, mitten in einem Schlachtfeld verschandelter, ramponierter und mit Graffiti übersäter Gemäuer.

Die Frau hinter der Bar in GI-Hose und mit Bürstenschnitt war so männlich, dass Kate ihr Geschlecht in einer anderen Umgebung niemals in Frage gestellt hätte. Andere Frauen in dieser Bar waren ebenso männlich – einige trugen Jacketts, Krawatten und festes Schuhwerk. Sie saßen mit grell geschminkten puppenhaften Frauen zusammen, die tief dekolletierte Blusen und Miniröcke anhatten und dazu Stöckelschuhe, auffallenden Schmuck und hochgetürmte Frisuren trugen, ihr greller Lippenstift Ton in Ton mit den lackierten Fingernägeln.

Kate setzte sich in dem schummrigen, verrauchten Raum mit Julie zusammen an einen Ecktisch, qualmte nervös, was den Nebel da drinnen noch dichter machte, und sah zu, wie sich die Gestalten auf der Tanzfläche zu Songs von Patti Page, Connie Francis, Jo Stafford und den Everly Brothers wiegten – so als wäre diese Bar 1967 im rosa Romantizismus der Fünfzigerjahre hängengeblieben.

Die männlich aussehende Barkeeperin ging mit einem großen Tablett mit Drinks herum und servierte Kate einen Scotch Soda und Julie einen Daiquiri. »Von ihr«, sagte sie und nickte ruckartig mit dem Kopf zu einer jungen blonden Frau hin, die in kniehohen Stiefeln, ledernem Minirock und einem mit Fransen besetzten Wildlederhemd an der Bar saß.

Als Kate eine ablehnende Geste machte, knurrte die Barkeeperin sie an: »Nur keine Aufregung, okay? Das ist ’ne Nutte. Die kommen ab und zu her und lieben es, mit Geld um sich zu schmeißen.«

Kate akzeptierte den Drink und vertiefte sich darin, die Frau zu beobachten. Sie war allein hereingekommen und saß jetzt mit dem Rücken zum Bargeländer, um den Raum zu überblicken. Bald näherte sich ihr eine dunkelhaarige, knabenhafte Frau in langer, weiter Hose und Hemd. Kate sah, wie sie fünf Tänze hintereinander durchtanzten, mit den gleichen Schritten und dem gleichen Tempo unabhängig vom Rhythmus der Musik – langsam und immer fester umschlungen. Die Frauen verließen die Bar zusammen, der Arm der knabenhaften Frau legte sich um die Hüfte der anderen. Nachdem sie gegangen waren, starrte Kate noch lange auf die Bartür, durch die sie verschwunden waren.

Eine Fremde zu treffen und nach keiner halben Stunde mit dieser Fremden zu gehen und sie mit ins Bett zu nehmen … Kate genoss den Rest ihres spendierten Drinks, als bestünde er aus purem, nie mehr erlangbarem Nektar. Die Frau, die ihn bezahlt hatte, lebte in einer Welt, deren Parameter jenseits von Kates Fassungsvermögen lagen.

Sie und Julie blieben, tranken und sahen zu, wie andere Frauen tranken, tanzten oder Billard spielten. Andere Leute, Paare – heterosexuelle Männer und Frauen – saßen auch herum und beobachteten die anderen mit gierigem Blick. Kate spürte, wie Ärger in ihr hochstieg – und ein Gefühl der Demütigung.

Ihre schroffe Ablehnung, mit Julie zu tanzen, war eine Weigerung, für diese Voyeure Teil einer Freakshow zu sein. Dieser Laden ähnelte trotz der Musik, der lauten Unterhaltung und dem Hin und Her zu sehr dem Ort, der ihre Großmutter beherbergte – einem Ghetto von Exilierten, von hoffnungslos Stigmatisierten.

Einige der männlichen Frauen baten Kate um Erlaubnis, mit Julie tanzen zu dürfen. Kate sah zu, wie Julie in ihren Armen lag, ohne Ärger oder Eifersucht oder sonst etwas zu spüren, und fragte sich, warum sie selbst so passiv und leer war und wieso es plötzlich so klar zu sein schien, dass ihr Leben stets wie ein Kompass ohne Nadel gewesen war.

Als Julie am nächsten Wochenende erneut aus dem Studentinnenwohnheim raus und zurück in die Bar wollte, lehnte Kate ein für alle Mal ab. »Dann gehe ich eben allein«, hatte Julie erklärt.

Bald darauf hatte Julie die Universität in Michigan verlassen und war aus Kates Leben verschwunden – eingefangen von einer der Frauen in jener Detroiter Bar.

In ihrem letzten Universitätsjahr hatte Kate einem Marineanwerber zugehört, der sich der Vietnam-Bewegung zum Trotz auf den Campus gewagt hatte. Erst später begriff sie, dass sie sich aus Protest zum Militär gemeldet hatte – ihr erstes Aufbegehren gegenüber einer Generation, die ihr zu viele Bereiche ihres Lebens vorgeschrieben hatte. Vier Jahre später hatte sie Anne getroffen – und in den kostbaren Jahren danach hatte ihr Leben an Bedeutung und Reichtum gewonnen. Sie hatte niemals wieder ihren Fuß in eine Lesbenbar gesetzt …

Kate sah von ihren Notizen auf und nickte der noch übrig gebliebenen Besucherin der Nightwood Bar zu.

Die Frau, der Maggie den Namen Miss Eiszapfen gegeben hatte, setzte sich Kate gegenüber hin. Im Licht und aus der Nähe betrachtet nahm ihr dunkler Teint einen schimmernden, umbrafarbenen Ton an. Sie sah Kate aus abwesenden, verletzten dunklen Augen an. Ihre Schönheit hatte eine Bitterkeit, die Kate im Innersten berührte, und sie erinnerte sich an Maggies Mutmaßungen über »Liebeskummer«. Sie hatte etwas gemeinsam mit dieser Frau – das Gefühl eines ähnlichen Verlustes; auch sie war verlassen worden, allein gelassen und zum Leben verurteilt, als die unvergleichliche Geliebte starb …

»Darf ich wissen, warum Sie mich so anstarren?«

Kate fuhr zusammen. »Entschuldigen Sie. Auch auf das Risiko hin, Sie noch mehr zu beleidigen, würde ich Sie gern nach Ihrer ethnischen Herkunft fragen.«

Miss Eiszapfen verzog keine Miene. »Die meisten Leute fragen nicht … sie starren mich einfach nur an. Spanien und Jamaika die eine Hälfte, England und Japan die andere.«

Kate nickte. »Ich dachte mir schon etwas in der Richtung. Wenn ich Sie ansehe, dann denke ich, wir könnten in einer vollständig integrierten Welt alle sehr schön sein.«

Die Frau lächelte, ihre Zähne waren gesund und gleichmäßig. Ein Hauch von Moschus wehte zu Kate herüber.

»Wie heißen Sie?«, fragte Kate.

»Andrea Ross.«

Bei all der ethnischen Mischung dieser simple amerikanische Name – das war schon fast komisch. Kate erwiderte ihr Lächeln und sagte: »Endlich. Jemand mit einem Nachnamen.«

»Das ist purer Verfolgungswahn.« Ihre Stimme war dunkel und melodisch, sie kam von tief unten aus der Kehle. Andrea Ross wies mit ihrer graziösen Hand in Richtung Bar, so als säßen die Frauen, die Kate entlassen hatte, noch alle da. »Sie glauben, ihr Coming-out bereits gehabt zu haben, nur weil sie in einer lesbischen Bar verkehren. Aber sie haben Angst wie wir alle. Sie wollen nach wie vor die Kontrolle darüber haben, wer sie erkennt, sie wollen nicht bloßgestellt werden vor ihren Arbeitskollegen, ihrer Familie oder sonst wem. Und ganz sicher wollen sie mit dieser Sache hier nichts zu tun haben.«

»Sie scheinen nicht so beunruhigt zu sein.«

»Das ist auch bestimmt ein Fehler.« Andrea Ross schob die Ärmel ihres übergroßen Hemdes hoch und griff nach ihrem Cocktail, einem Screwdriver.

»Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt, Miss Ross?«

»Miss Ross verkauft Grundstücke.« Sie nippte an ihrem Drink, wobei ihre kleinen vollen Lippen sich nach oben bogen, bevor sie den Rand des Glases berührten.

Kate lächelte wieder. »Und Miss Ross verdient damit nicht schlecht, wie ich annehme.«

»Nicht aufsehenerregend gut, aber sie kann ihre Rechnungen bezahlen. Ist die Kommissarin zu dieser späten Stunde bereit, etwas Stärkeres als Kaffee zu trinken?«

»Nicht solange sie im Dienst ist«, antwortete Kate, durchaus bereit, sich auf das Spiel einzulassen. »Sie dankt jedoch für Ihre Aufmerksamkeit.« Sie fügte hinzu: »Im Vergleich zu den anderen Frauen hier gehen Sie erfrischend wenig in Abwehrstellung.«

»Ich habe ihnen zugehört«, sagte Andrea schwermütig, »wie sie sich über ihr Leben beklagten, darüber, wie die Welt mit ihnen umgeht. Ich sehe das so: Diese Welt ist vielleicht beschissen, aber es ist die einzige Welt, die wir haben, und ich sehe nicht, wie sich irgendetwas an ihr ändern soll, wenn man versucht, sie zu verlassen. Aber Patton und die Frauen hier reden meistens über nichts anderes, wenn es um Politik geht – ihr Traum ist eine zweigeteilte Welt.«

Andrea sprach zwanglos, sie setzte ein gemeinsames Verständnis voraus. Kate fragte sich, ob ihre Äußerungen Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Polizei bedeuteten oder einfach Bestandteil einer Unterhaltung mit einer anderen Lesbe waren. Kate fiel wieder Maggies Urteil über die Frau ein, die vor ihr saß, und sie wählte ihre nächsten Worte mit Bedacht: »Aber dennoch, Sie machen irgendwie einen … bitteren Eindruck.«

Andrea zuckte die Achseln. »Man kann aus Gründen bitter sein, die nichts mit Lesbenpolitik zu tun haben.«

Diese Feststellung und der ausdruckslose Ton ihrer Stimme luden zu keinem weiteren Kommentar und keiner weiteren Frage ein. »Dory Quillin«, sagte Kate. Nachdem jetzt ein wenn auch noch mageres Vertrauensverhältnis hergestellt war, gab Kate dem Gespräch eine andere Richtung. »Kannten Sie sie?«

»Ich wusste, wie sie hieß, und kannte sie vom Sehen und Hörensagen. Sie hat mir einmal Avancen gemacht. Danach sagte sie immer Hallo zu mir. Würden Sie sagen, dass ich sie gekannt habe?«

Kate sah auf ihre Notizen. Diese Frau hatte Stil, war faszinierend und beunruhigend. »Sie kannten sie vom Sehen. Welchen Eindruck hatten Sie von ihr?«

»Ein herzzerreißend schönes Kind.«

»Das Ihnen Avancen gemacht hat«, sagte Kate mit härterer Stimme.

»Dieses umwerfend schöne Kind war in verzweifelter Not und vollkommen durcheinander. Ich brauchte keinen Psychiater, um das zu sehen. Ich bin erst dreiunddreißig, aber um ehrlich zu sein, allein die Vorstellung, eine Frau im Bett zu haben, die so viel Hilfe brauchte, hat mich erschöpft.«

Kate schmunzelte. Andrea sah sie ausdruckslos an und nahm dann einen Schluck von ihrem Drink. »Sie wirkte auf alle Frauen hier faszinierend«, sagte sie. »Aber sie zerrissen sich auch den Mund über sie, sie hatte etwas so Wildes an sich. Sie spekulierten die ganze Zeit herum, die wüstesten Sachen …«

»Was für wüste Sachen?«

»Drogen, Frauen, Männer, Mafia, Orgien … was immer ihre Phantasie zutage förderte. Dory gehörte nicht hierher. Die meisten Mädels in ihrem Alter hängen im Peanuts rum oder in den Bars im Valley. Man konnte sehen, dass sie nach etwas anderem suchte. Nach einer mütterlichen Liebe.«

Andrea sah von Kate weg und fuhr mit müder Stimme fort: »Lesbierinnen glauben gerne von sich, sie hätten eine aufgeklärtere Einstellung zu Altersunterschieden in ihren Beziehungen. Aber manchmal denke ich, wir versuchen einfach nur zu der Zeit der Sicherheit zurückzukehren, in der wir die Töchter unserer Mütter waren. Zurück zu der Zeit, in der wir Kinder waren, keine Ahnung von Männern hatten und davon, wie sehr sie unser Leben kontrollieren würden.«

Kate nickte. Sie hätte so lange sitzen bleiben mögen, wie Andrea Ross Lust hatte weiterzureden.

»Die Frauen hier drinnen trinken Alkohol, aber sie nehmen keine illegalen Drogen oder Tabletten, das lehnen sie ab. Sie sind hart gegen alles, was sie nicht verstehen, wovor sie Angst haben. Sie sind zu weit entfernt von einer Dory Quillin.«

»Hatte Dory Quillin mit Drogen zu tun?«, fragte Kate vorsichtig.

»Wer hat das nicht?«

Kate wartete.

Nach einer Weile sagte Andrea: »Ich will es mal so ausdrücken: Sie lud mich ein, mit zu ihrem Bus zu kommen, und bot mir etwas Coke an, falls ich Interesse hätte. Und ich glaube nicht, dass sie damit das Zeug in den Dosen meinte.«

»Aber Sie sind nicht mitgegangen?«, hakte Kate nach.

»Ich stand nicht auf sie und ich stehe nicht auf Drogen. Was weder etwas mit dem Altersunterschied noch mit Tugend zu tun hat. Mein Bruder ist an einer Überdosis gestorben, als er siebzehn war.«

»Das tut mir leid«, sagte Kate mitfühlend.

Andreas Schulterzucken war eine Gewohnheitsgeste, wie Kate sehen konnte, ein Mittel, um Zeit zu gewinnen, bis sie ihre Gedanken wieder beisammenhatte. »Seit seinem zehnten Lebensjahr war Tony auf der Suche nach einem Weg, sich umzubringen – ich werde nie wissen, warum.«

Kate sah sie aufmerksam an. »Und Sie hatten das gleiche Gefühl bei Dory Quillin? Haben Sie sie deshalb gemieden?«

Andreas Augen wurden abweisend, und sie drehte langsam das Glas in ihrer schlanken Hand. »Ich fühlte mich überfordert, deshalb habe ich sie gemieden. Das würde mir mit jeder so gehen. Momentan brauche ich alles, was ich habe, für mich selbst.«

Ihre Augen hellten sich wieder auf; sie sah Kate mit einer Offenheit an, die diese aus der Fassung brachte. »Ich hatte nie den Eindruck, dass sie selbstzerstörerisch war. Ganz im Gegenteil. Sie hatte etwas sehr Gesundes an sich, das darum kämpfte, herauszukommen.«

Kate notierte sich diese Äußerung, die sie ebenso tröstlich wie traurig fand. »Ich weiß, dass Sie erst seit zwei Wochen hierherkommen …« Sie brach ab, als Andrea beide Augenbrauen hob. »Eine der Frauen hat es mir erzählt. Ermittlungen sind nur möglich, weil die eine Hälfte der Welt über die andere klatscht.« Sie formulierte ihre Frage vorsichtig: »Wissen Sie zufällig, ob eine der Frauen, die heute Abend hier waren, eine mehr als oberflächliche Beziehung zu Dory gehabt hat?«

»Patton.«

Kate nahm das enttäuscht auf; dann regte sich Erstaunen in ihr. »Patton«, sagte sie und sah dabei das blonde Kind auf dem Parkplatz vor sich. »Ein irgendwie … seltsames Paar«, murmelte sie. »Finde ich.«

»So wie die anderen Frauen Patton damit aufzogen, scheint es nur kurz gedauert zu haben. Ich würde sagen, sie hat Dory als Indoktrinationsobjekt benutzt … Patton ist genau der Typ dazu. Ein paar von den jungen Frauen in Dorys Alter sind sicher für so was anfällig, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Dory sich sonderlich für politische Reden interessiert hat. Ihre Not schien mir entschieden grundsätzlicherer Natur zu sein …« Sie trank ihr Glas aus und stellte es resolut auf den Tisch.

Kate fielen keine weiteren Fragen an Andrea Ross mehr ein, außer persönlichen Fragen, die unangebracht waren. »Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe«, sagte sie.

»Eins noch«, sagte Andrea. »Da war jemand hier, vielleicht so vor zwei Wochen. Eine schwarze Frau um die vierzig. Ich hörte, wie die Frauen sie Neely nannten. Sie haben über sie geredet, nachdem sie weg war. Sie war eine Zeitlang mit Dory zusammen, wie lange, weiß ich nicht.«

»Hat sie Dory gesucht?«

»Das weiß ich nicht. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist sie früher regelmäßig hergekommen, aber nicht mehr, seit Dory hier verkehrte.«

»Danke.« Kate reichte Andrea eine ihrer Karten.

Andrea drehte die Karte um: »Detective Kate Delafield«, sagte sie. »Sie wollen also, dass ich Sie anrufe.«

Sie sah Kate nicht an. Ihr Tonfall gab ihren Worten eine unmissverständliche Bedeutung.

Wenn Ihnen noch etwas einfällt, was Sie mir zu diesem Fall sagen könnten, hätte Kate ihr sagen sollen, ihr sagen müssen. Stattdessen antwortete sie: »Ja.«

Die Tote hinter der Nightwood Bar

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