Читать книгу In ihrer Hand - Kathleen Lawless - Страница 6

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Erstes Kapitel

Fallon Gilchrist las noch einmal die hastig hingekritzelte Nachricht, die am Morgen zugestellt worden war, und lächelte über die kindlich gerundete Handschrift ihrer besten Freundin.

Darling, schrieb Anna, viel zu lange sitzt du schon allein im Nirgendwo fest. Bin unterwegs, dir die Langeweile zu vertreiben. Bringe eine Riesenüberraschung mit. Gruß und Kuss. Fallon spürte, wie ihr Lächeln dem Nachdenken wich, während sie den Zettel wieder zusammenfaltete. Annas Sinn für tollkühne Späße schien geradewegs vom Papier hinüber in ihren verwaisten Salon zu springen. Vielleicht hatte ihre beste Freundin ja Recht und sie lebte wirklich schon zu lange in ländlicher Abgeschiedenheit.

Nachdem sie ihrer Haushälterin aufgetragen hatte, Annas Lieblingszimmer besuchsfertig zu machen, ging Fallon zu ihrem Atelier hinaus. Solange gutes Licht herrschte, würde sie vielleicht die erhoffte Eingebung finden, die in letzter Zeit so schmerzlich ausgeblieben war.

Auf halber Höhe zwischen Herrenhaus und Atelier hielt sie inne und besah sich das umgebaute Pförtnerhaus. Dieses war ihr bevorzugter Unterschlupf auf dem Anwesen, ein Überraschungsgeschenk ihres verstorbenen Gatten, der es in einen Ort verwandelt hatte, an dem sie ihrem künstlerischen Verlangen die Zügel schießen lassen konnte.

Hinter ihr geschlechtliches Verlangen, das Fallon mit großer Mühe verborgen hielt, war Powell nie gekommen. Es war wohl nicht ganz normal, sich in Gedanken nach dem Liebesakt zwischen Mann und Frau zu verzehren. Sie hatte Powell in der Überzeugung geheiratet, er würde ihr in seinen reiferen Jahren ein Lebensgefährte sein, der ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen wüsste. Stattdessen hatte es den Anschein gehabt, als bestürze ihn ihr anfängliches Feuer regelrecht, und sie hatte ihm zu Gefallen gelernt, prüde zu tun. Als müsse sie überredet werden. Scheinbar sehnten anständige Damen die Berührung durch ihre Ehemänner nicht etwa herbei, sondern ließen sie über sich ergehen. Powells Bemühungen jedenfalls hatten darin versagt, Fallon zu entflammen oder ihr Erleichterung zu verschaffen, und so hatte sie sich in ihrer wachsenden Enttäuschung der Malerei zugewandt, einem kümmerlichen, aber unverfänglichen Ventil für ihren quälenden Triebstau.

Würde ihr nur die Arbeit in letzter Zeit nicht schal vorkommen. Sie zog keine Befriedigung mehr aus ihrer Kunst. Das Spiel von Licht und Schatten auf der Leinwand betörte nicht länger ihre Sinne. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Zeit, als der Geruch von Terpentin und Leinöl, die Anordnung halb ausgedrückter Farbtuben und die Textur der Farben selbst ihrem Geist Flügel verliehen hatten. In jenen Tagen hatte sie es kaum erwarten können, an die Arbeit zu gehen: jenen erhebenden Reiz zu spüren, der als unvergleichlicher Rausch durch ihre Adern strömte, bis der Höhepunkt erreicht war und ihre brodelnden Gefühle sich allesamt auf die Leinwand ergossen hatten.

Heutzutage setzte sie mehr aus Gewohnheit denn Verlangen einen Fuß in ihr Atelier. Sie verbrachte unmäßig viel Zeit damit, ihre Pinsel aus Zobelhaar zu reinigen und zu sortieren und die endgültige Reihenfolge für ihre Farbtuben zu finden, wobei sie zwischen einer Gruppierung in Farbfamilien und einer alphabetischen Ordnung schwankte. Hatte sie einen tatendurstigen Tag, spannte sie auch schon einmal eine neue Leinwand auf und grundierte sie zur Vorbereitung.

Sie entriegelte die Tür und trat mit einem Seufzer ein. Die Leinwand mochte bereit sein, aber wie stand es mit ihr? Heute wirkte die Vase mit frischen Pfingstrosen, die sie gestern zusammengestellt hatte, noch vollendeter. Die schweren Blumen neigten sich, als ließen sie, dem Schlafe nahe, die Köpfe hängen. Sie beugte sich dicht über sie und atmete ihren ebenso zarten wie unverwechselbaren Duft ein: wie Boston im Juni. Über ein Dutzend Schattierungen der Farbe Rosa wetteiferten um Beachtung und scheiterten letztlich doch, sie zu beflügeln. Wie traurig, dass sie nicht einmal die Kraft aufbrachte, ihre Tuben aufzuschrauben, ganz zu schweigen davon, einwandfreie Schattierungen anzumischen.

War sie schon immer so schwermütig gewesen? Powell pflegte zu bemerken, dass sie ihn, egal wann, zum Lächeln bringen könne. Sicherlich hatte sie sich nicht von jeher so beladen und beklommen gefühlt.

Powell und sein Architekt hatten die gesamte Südwand des ehemaligen Pförtnerhauses entfernen und durch Glasscheiben ersetzen lassen. Fallon beobachtete, wie sich der bleigraue Himmel verdüsterte, wandte sich dann um und trat an einen verschnörkelten schmiedeeisernen Kandelaber heran. Powell war verständig genug gewesen, um die künstlerische Bedeutung des Lichts zu erfassen, weshalb das Atelier mit einer Unzahl Leuchtern, Gaslichtbrennern, Laternen und Kerzen ausgestattet war. Selbst jetzt, ein Jahr nach seinem Tod, fehlte ihr die umsichtige Liebenswürdigkeit ihres Ehemanns.

Stets hatte sie sich vage schuldig gefühlt, ihn nicht gar so innig zu lieben wie er sie. Oh, sie hatte sich durchaus etwas aus ihm gemacht. Er war ein herzensguter, rücksichtsvoller Gatte gewesen, der wusste, dass sie ihn um der Sicherheit willen geheiratet hatte, die er ihr als einer Waisen bieten konnte. Und sie hatte darauf verzichtet, sich einen Liebhaber zuzulegen wie so viele ihrer Bostoner Freundinnen. Selbst über die endlosen Monate hinweg, die Powell auf See war und sie kein Schlaf mehr betäubte. Wie viele Nächte hatte sie wach und ruhelos gelegen, hatten tief in ihr unerfüllte Sehnsüchte gebrannt? Sehnsüchte, argwöhnte sie, die ein Liebhaber, wäre er der richtige, stillen könnte.

Sie zündete ein Streichholz an und hielt es an eine der Kerzen. Die Flamme zuckte und fraß sich den Docht hinunter. Fallon starrte wie gebannt darauf. Sie streckte eine Hand aus, fühlte die schwache Hitze, die doch stark genug war, um sich daran zu versengen, und zog die Hand rasch zurück. Was in aller Welt war nur in sie gefahren? Gott sei Dank hatte sie Annas Nachricht und konnte sich mithin auf etwas freuen.

Von draußen vernahm sie gedämpften Lärm. Sollte ihre Freundin schon eingetroffen sein?

Am anderen Ende des Raums flog die Ateliertür auf. «Darling!» Nie betrat Anna einfach nur ein Zimmer, sie nahm es in Beschlag, und dieser Besuch machte keine Ausnahme. Fallon fand sich in der herzlichen Umarmung ihrer Freundin wieder, die sie kräftig drückte, ehe sie zurücktrat und ihr einen kritischen Blick schenkte. «Du bist zu dünn», verkündete Anna. «Hat dir Mrs. Buttle nichts zu essen gegeben? »

Fallon zuckte die Achseln und lenkte die Aufmerksamkeit von sich fort. «Nun bist du ja hier, und die Köchin wird alles zubereiten, wonach dir ist. Ich habe dein Zimmer herrichten lassen.»

«Bist ein Schatz.» Gleichzeitig verzog sich Annas Mund zum Zeichen des Bedauerns. «Tut mir leid, aber ich kann nicht bleiben. Ich bin nur hier, um deine Überraschung abzuliefern. »

«Was hast du jetzt wieder ausgeheckt?», fragte Fallon in wohlwollendem Ton.

«Warte ab, bis du’s siehst.» Anna kicherte wie ein junges Mädchen; ihre Erregung war ansteckend. Sie klatschte laut in die Hände, und ihr Diener erschien mit einem zweiten jungen Mann im Schlepptau in der Tür.

Fallon verschlug es den Atem. Trotz des Seidenschals, der dem Fremden fest um die Augen gebunden war, konnte sie in ihm ein Wesen von maßloser Schönheit erkennen. Auf einen Wink Annas hin zog sich der Diener zurück. Anna zwinkerte der sprachlosen Fallon zu und wickelte den Schal ab.

«Montague Bridgeman, ich stelle Ihnen Ihre neue Geliebte vor, Fallon Gilchrist.»

«Anna.» Fallon runzelte die Stirn, um Bestürzung und Missbilligung zu zeigen.

«Geht schon in Ordnung, Liebling. Er ist gekauft, bezahlt und für eine Woche dein. Nicht wahr, Montague?»

Der junge Mann trat vor und verbeugte sich. Durch die Bewegung fiel ihm eine kräftige dunkle Haarlocke keck in die Stirn. «Ihr ergebener Diener, Madam. Wie Ihre Freundin zu Recht erklärte, stehe ich sieben Tage und sieben Nächte lang uneingeschränkt unter Ihrem Befehl.»

Der Mann, den Fallon vor sich hatte, war ein wahrlich äußerst erlesenes Geschöpf. Sie konnte erkennen, wie sich unter dem vornehm geschnittenen Jackett seine breiten Schultern zu einer schmalen Taille und ebensolchen Hüften verjüngten. Seine kräftigen Beine waren in eine maßgeschneiderte Hose gehüllt. Doch um Fallon war es erst geschehen, als ihr Blick emporschweifte und auf seinen Augen haften blieb. Brütend waren sie. Heimgesucht. Ermattet. Welterfahren und müde. Die falschen Augen für ein so junges Gesicht und dennoch vollkommen. Diese Augen sprachen Bände. Klang und Schweigen. Leben und Tod. Und Fallon wurde schlagartig klar: Sie musste sie malen, um ihre Geschichte festzuhalten. Um die Seele ihres Besitzers aufzudecken. Es juckte ihr förmlich in den Fingern, nach einem Pinsel zu greifen und anzufangen.

Ihrer beider Blicke schienen sich eine Ewigkeit ineinander zu verschränken, und doch wusste sie, dass es sich nur um flüchtige Sekunden handeln konnte.

«Ich fürchte, ich komme nicht ganz mit.»

«Ganz einfach, meine Liebe. Der Bostoner Frauen-Hilfsverein sammelt Geld, um weitere Bücher für die Bibliothek zu kaufen. Eines unserer Mitglieder beschloss, dass wir eine Versteigerung ansetzen sollten. Und zwar um einen wirklich außergewöhnlichen Posten.»

«Madam, Sie sind zu schmeichelhaft.»

«Als ich Montague sah, zweifelte ich keinen Augenblick mehr daran, dass ich ihn für dich ergattern musste. Natürlich wollten ihn alle Damen haben, aber ich musste ihn einfach für dich bekommen – um jeden Preis. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!»

«Anna», sagte Fallon, «du solltest mich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich bei so etwas nicht mitmache.»

Anna zog Fallon beiseite. Ganz sanft strich sie ihr mit behandschuhten Fingern über die Wange. «Mir fehlt die alte Fallon. Meine Freundin. Ich will sie wiederhaben.»

Der Blick und die Geste ihrer Freundin waren so aufrichtig, dass Fallon klein beigab. «Mir fehlt sie auch.»

«Das weiß ich. Darum bin ich wirklich aufs Ganze gegangen, um dich aus dieser Starre zu reißen, der du anscheinend zum Opfer gefallen bist. Montague hat keinen blassen Schimmer, wer du bist oder wo er ist. In sieben Tagen kehre ich zurück, um ihn wieder in die Stadt mitzunehmen.»

«Das ist doch unerhört.»

Annas Blick ließ von Fallon ab, um sich auf ihren jungen Begleiter zu heften. «Sag bloß, du würdest ihn nicht liebend gern malen. Dieses Gesicht. Diese Augen. Dieses Haar.»

«Natürlich würde ich ihn gern malen …»

«Na, dann tu’s doch», sagte Anna munter. «Wach auf und kehr in die Welt zurück.» Unversehens wandte sie sich um. «Eine Woche. Ich erwarte, dass du mir den vollen Nutzen aus meinem Geld ziehst.»

Annas Aufbruch ließ Fallon allein mit ihrer «Überraschung» im Atelier zurück.

«Das wär’s dann also? Nur Sie und ich sind übrig?» Seine Stimme klang nicht so, als gefiele ihm die Aussicht über Gebühr. Für sie galt das übrigens auch.

«Es scheint so.» Fallon umkreiste ihn langsam und taxierte ihn wie einen preisgekrönten Hengst, der zum Verkauf steht. Nur war der Handel diesmal schon abgeschlossen. Und er stand willens zu tun, wie ihm geheißen, vor ihr. Oder etwa nicht?

«Sind Sie gut im Gehorchen?»

«So gut wie jeder ehemalige Soldat.»

Fallon war sich im Unklaren, ob seine Worte bedeuteten, er habe Übung im Befehlsgehorsam oder seit langem schon genug davon.

«Sie sehen zu jung aus, um im Krieg gewesen zu sein.»

«Jeder Mann, gleich wie alt, ist zu jung, um in den Krieg zu ziehen.»

Diese eine bündige Bemerkung trug dazu bei, seine den Blick fesselnden Augen zu erklären. Und umso mehr sehnte sie sich danach, ihn zu malen.

Seine ganze Haltung, aufrecht und doch scheinbar voll gespannter Kraft, die Hände locker im Rücken gefaltet, wies auf eine hervorragende Abstammung hin. Wie gelang ihm nur ein Auftreten, als würde er sich zugleich lümmeln und bereit sein, loszuspringen? Sie verspürte eine gewisse Trägheit, als langweile er sich schon, trotz seiner offenkundigen Gewohnheit, sich gut zu halten, die Schultern gestrafft und der herrlich geformte Kopf selbstgefällig schräg gelegt.

Eine ungebärdige Locke beharrte darauf, ihm in Stirn und Augen zu fallen, und Fallon widerstand dem Drang, sie beiseite zu streichen. Sie nahm an, diese sei ebenso ein Teil seiner selbst wie der kantige Unterkiefer, die scharf geschnittenen Wangenknochen und die prächtigen kohlrabenschwarzen blitzenden Augen.

«Findet mich die gnädige Frau nach ihrem Geschmack?» Seine Stimme war tief, satt und herausfordernd männlich. Fallon fühlte, wie ihr ein wohliger Schauder über den Rücken lief.

«So bald weiß man das noch nicht», erwiderte sie steif, während sie ihre Begutachtung fortsetzte. Sie würde mit einer Skizze von ihm anfangen. Breite Kohlestriche, um das Kühne in Haltung und Blick einzufangen. Sie trat näher. Ausgezeichnet. Er hatte eine schwache Kerbe am Kinn. Volle, sinnliche Lippen, die bei einem weniger maskulinen Mann Gefahr liefen, weibisch zu wirken, ihn jedoch davor bewahrten, zu raubtierhaft auszusehen.

Fallon hielt unmittelbar vor ihm inne. «Kann ich bitte Ihre Hände sehen?»

«Meine Hände, Mylady?» Eine leicht angehobene Braue deutete auf verhaltene Belustigung über ihr Gesuch hin. «Gewiss gibt es andere Teile meiner Anatomie, die Sie unendlich interessanter fänden als meine Hände?»

«Sie haben mich gehört.» Offen erwiderte sie seinen Blick. Sah zu, wie er sein Gewicht verlagerte.

«Die Linke oder die Rechte?»

«Eine von beiden», antwortete Fallon freundlich.

«Sie wählen.» Etwas Herausforderndes lag sowohl in der Art, wie er es sagte, als auch in der begleitenden Bewegung, bei der er ihr erst die linke, dann die rechte Schulter zukehrte.

Bestürzt begriff Fallon, dass sie seine Herausforderung mit Genuss annahm. Es war eine Art wortloses Geplänkel. «Dann nehme ich …» Sie unterbrach sich und fuhr mit der flachen Hand erst über seinen linken, dann seinen rechten Oberarm. Sie konnte seine Körperwärme durch das feine Kammgarn des Jacketts spüren. «Ich nehme die rechte. Sind Sie Rechtshänder, Montague?»

«Bridge.» Während er sprach, streckte er die rechte Hand aus und gestattete es seinen Fingerspitzen, ganz sachte die zarten Knöchel ihres Handgelenks zu streifen.

«Bridge?» Sowohl das Wort wie die Berührung verwirrten sie. Wollte er eine Brücke zwischen ihnen schlagen?

«Ich ziehe die Anrede ‹Bridge› vor», sagte er. «Ich finde sie einprägsamer. Und da wir eine ganze Woche lang Tag und Nacht zusammen sein werden …»

Ihr fröstelte bei seinen Worten und den Absichten, die sie in seinen Augen las. «Tag und Nacht?»

«So lautete die Übereinkunft.»

Sie riss den Blick von seinen Augen los, um sich seiner Hand zu widmen. Lange, kräftige Finger, große Knöchel, eine breite, kernige Hand. Eindeutig eine Männerhand. Eckig geschnittene, saubere, aber unpolierte Nägel. Leichte Schwielen, zweifellos vom Reiten. Oder vielleicht vom Fechten. Sie nickte beifällig.

«Ich bin dran.» Er ergriff ihre Hand und betrachtete gedankenvoll ihre Innenfläche. Fallon war versucht, sich mit seinen Augen zu sehen. Wie blass und weiß ihre Haut neben seiner wirkte. Wie klein und zart ihre Finger. Und seine Art, ihre Handfläche zu streicheln, weckte in ihr eine Vorahnung, die sich den Weg vom Arm zu den Brüsten bahnte, um alsdann ihre Brüste zu kitzeln und ihre weiblichen Tiefen aufzusuchen.

Fallon wollte sich losreißen. Sein Griff schloss sich fester. Langsam und unerbittlich führte er ihre Hand an seine Lippen. Sie spürte die Wärme seines Atems und begriff seine Absicht, Sekunden bevor seine Lippen und Zunge auf ihre Handfläche trafen.

«Meine Güte!» Sprach sie die Worte laut aus oder dachte sie nur daran? Denn der Kuss war ein Schlangenbiss ohne Gift und löste doch einen heftigen Schrecken aus. Warm und forschend wie ihr Bezwinger selbst, der sichtlich genau wusste, was er tat. War er sich gleichermaßen der Wirkung auf sie bewusst?

Wie könnte es anders sein? Wie könnte ihm das Stocken ihres Atems entgehen? Ihr beschleunigter Puls? Die schwache Rötung ihrer Haut? Sie spürte, wie sich ihre Brustwarzen unter ihrem Kleid verfestigten, und betete insgeheim, dass er nicht sähe, was sie fühlte.

Prickelndes Nass befeuchtete ihre Beine. Die Dämme ihrer Weiblichkeit weichten auf. Und diese unendlich vertrauten Gefühle wurden durch die Nähe ihres Gesellschafters um ein Zehnfaches verstärkt.

Erleichtert stellte sie fest, dass seine Zungenspitze nicht länger in ihrer Hand kreiste. Doppelt erleichtert, wieder mit gewohnter Stimme sprechen zu können, befreite sie diese aus seiner warmen, vertraulichen Umfassung.

«Verraten Sie mir, welcher Schlag Mann seine Dienste an die Höchstbietende versteigern lässt?»

Er zuckte mit den Schultern. «Ich hatte die Woche über keine weiteren dringenden Verpflichtungen. Außerdem schien es mir ein würdiges Anliegen zu sein.»

«Warum nicht einfach etwas für dieses würdige Anliegen spenden?»

Sein Lächeln kam zum ersten Mal von Herzen. Es vertiefte seine Kinnfurche und nahm etwas von der Schwere in seinen Augen. «Es gefällt mir, nicht zu wissen, was als Nächstes geschieht.»

Aha, ein Süchtiger nach Nervenkitzel. Ein Mann, der an Gefahr gedeiht. «In diesem Fall fürchte ich, dass Ihnen eine Enttäuschung bevorsteht. Ich führe ein sehr schlichtes und ruhiges Leben.»

Sein breiter werdendes Grinsen war nur dazu nütze, ihre Verlegenheit zu vergrößern. «Ich bin stets offen für neue Erfahrungen. Genau deshalb bin ich hier.»

In ihrer Hand

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