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Drei

Aurora wachte früh auf und trat hinaus auf die Veranda, gerade als die ersten leuchtenden Farben der Morgendämmerung den Horizont verfärbten. Sie schöpfte Atem und lehnte sich an das Geländer, während sie die Pracht bestaunte, die sich vor ihr entfaltete. Die Energie, die von der Ankunft der Morgendämmerung ausging, war eine starke Kraft, die sie in jeder Faser ihres Seins spürte.

War die letzte Nacht im Sommerhaus Wirklichkeit gewesen, oder war sie nur Teil eines langen, wunderbaren Traums? Gesegnet mit einer lebhaften Einbildungskraft hatte Aurora einen großen Teil ihrer Jugend mit eingebildeten Gespielen an wunderbaren, eingebildeten Orten verbracht. Aber das befriedigend zarte Ziehen zwischen ihren Beinen sagte ihr, dass die letzte Nacht tatsächlich sehr real gewesen war. Genauso wie die schwachen roten Flecke von seinen Küssen, die sie beim Waschen auf der Innenseite ihrer Oberschenkel entdeckte.

Sie zog mit ihren Fingern die empfindliche Falte am Übergang zu den Oberschenkeln nach und erinnerte sich dabei an die Wärme von Graysons Lippen, Graysons Zunge. Die Erinnerung entfachte frisches Begehren. Gütiger Gott, sie wurde wollüstig wie eine Kurtisane, ein Zusammentreffen mit dem Mann machte ihr nur Appetit auf mehr. Das war also die allesverzehrende Leidenschaft, die sie immer als vollkommen übertriebenes Gerede abgetan hatte. Denn ihr Ehebett hatte außer Peinlichkeit und Versagen für sie und Hubert nichts geboten, bis sie aufhörten, es zu versuchen.

Trotzdem, falls Grayson Thorne gedacht hatte, er könne sie dadurch, dass er sie verführte, von ihren Zielen ablenken, so würde er schmerzlich enttäuscht werden.

Ihre Bewegungen stockten.

Falls Grayson Thorne der maskierte Liebhaber des gestrigen Abends war.

Wohl kaum das Gesprächsthema, das man leicht am nächsten Tag beim Frühstückstisch anschneiden konnte.

«Übrigens, eine wundervolle Vögelei letzte Nacht. Das waren doch Sie gestern Abend unten im Sommerhaus, oder?»

Nun, sie würde einfach so tun, als ob nichts geschehen wäre. Nach all den Jahren, in denen sie ihren Lebensunterhalt auf der Bühne verdient hatte, müsste diese Rolle ein Kinderspiel sein.

Und vielleicht wusste er nicht einmal, dass sie es gewesen war.

Aurora wusste, dass sie sich an Strohhalme klammerte – nicht nur hatte er beobachtet, wie sie schlief, ihr rotes Haar verriet sie doch immer wieder. Maske hin oder her, ihr Liebhaber wusste genau, mit wem er sich eingelassen hatte.

Aurora weigerte sich zuzugestehen, dass irgendjemand einen unfairen Vorteil ihr gegenüber hatte, also würde sie einfach sicherstellen, dass sie die Dinge zwischen ihr und Grayson ausglich. Das könnte ein schöner Spaß werden.

Das Haus war still, und sie machte sich leise daran, sich anzuziehen. Sie stellte erfreut fest, dass nicht alle Kleider von Celeste dem extrem theatralischen Stil einer Schauspielerin entsprachen. Sie wählte einen maßgeschneiderten Rock und eine durchscheinende Bluse in satten Zimttönen.

Die Erwartung machte sie ungeschickt, als sie ihr Haar hochsteckte. So dauerte es länger als üblich, bis sie ihre wilden Locken zu einem vernünftigen Knoten auf dem Kopf gebändigt hatte. Die Bibliothek war ihr Ziel, und zu dieser frühen Stunde war sie verlassen, wie sie gehofft hatte. Sie trat ein, zog die Tür hinter sich zu und sah sich im morgendlichen Dämmerlicht die Bestände an.

Regal um Regal lockte sie, vollgestopft mit Büchern vom Boden bis zur Decke, ein ganzer Regenbogen aus Buchrücken. Aurora konnte sich nicht vorstellen, inmitten solcher Fülle zu leben, selbst der Geruch war berauschend. Altes Leder, Leim, schweres Papier...

Als sie jung war, waren Bücher ein seltenes und hoch geschätztes Gut gewesen. Das einzige Buch, das sie als Kind besessen hatte, war bei einem ihrer zahlreichen Umzüge verlorengegangen, sodass Aurora genötigt war, in einer Welt zu leben, die ihre eigene Erfindung war. Später, als sie Zugang zu mehr Büchern hatte, las Aurora so viel sie konnte, nutzte jede Chance, die sie bekam. Lesen goss Öl in das Feuer ihrer Einbildungskraft und machte ihr Appetit auf wirkliche Abenteuer.

Sie zündete das Feuerholz an, das bereits im Kamin aufgeschichtet war, und es verlieh dem Raum eine noch heimeligere Atmosphäre, als es prasselnd zu Leben erwachte. Nachdem Aurora ihre Entscheidung getroffen hatte – sie wollte Black Beauty lesen –, machte sie sich auf die Suche nach etwas Tee.

«Sie sind früh auf, meine Liebe», bemerkte die füllige und freundliche Frau in der Küche, die bis zu den Ellenbogen in Mehl und rohem Teig vergraben war.

«Ich hoffte, eine Tasse Tee erbitten zu können», sagte Aurora.

«Nichts leichter als das.» Die Frau streifte sich das Mehl von den pummeligen Armen und goss Aurora eine Tasse Tee aus der Emailkanne ein, die auf der Rückseite des Ofens stand. «Dürre Dinger, ihr Theaterleute. Ich mach Ihnen Toast, damit Sie bis zum Frühstück durchhalten.»

«Mir geht’s gut, wirklich.»

Die Köchin, die sich als Mrs Blossom vorstellte, überging Auroras Einwände und toastete ihr ein paar dicke Scheiben selbstgebackenes Scone-Brot, die sie großzügig mit Butter und Marmelade bestrich. Dann scheuchte sie Aurora aus der Küche.

Sie war versunken in eine andere Welt als ihre eigene, angenehm satt von dem Tee und dem Toast, kuschelig warm und halb eingenickt vor dem Feuer. Deshalb dauerte es einige Augenblicke, bis Aurora klar wurde, dass das Geräusch, das in ihr Bewusstsein eindrang, das Öffnen der Bibliothekstür war. Sie war nicht länger allein.

Aurora spannte sich an bei dem Klang energisch männlicher Schritte auf der anderen Seite des Raumes. Sie spürte seine Gegenwart so sicher, als hätte er sie gestreift. Ihre Haut kribbelte in diesem Bewusstsein, errötete vor Hitze und Erregung. Wie war das bloß möglich, nur davon, im gleichen Raum mit ihm zu sein?

Sie hörte das Geräusch raschelnder Papiere. Vielleicht fände er ja, was er suchte und ginge weg, ohne jemals zu wissen, dass sie hier war. Doch sicher hatte er bemerkt, dass das Feuer brannte. Sich vor Beachtung zu drücken, war noch nie Auroras Art gewesen. Also legte sie ihr Buch nieder, erhob sich aus dem Schutz ihres massigen Ohrensessels und drehte sich um, um ihrem Gastgeber gegenüberzustehen.

«Guten Morgen, Grayson.»

Sie hatte gedacht, ihn unvorbereitet zu erwischen, aber er hatte nicht einmal einen Blick für sie.

«Aurora. Wie ich sehe, haben Sie mein Lieblingszimmer gefunden.» Er sah an ihr vorbei auf das leere Geschirr. «Und meinen Lieblingstee und -toast.»

«Mrs Blossom befand mich für zu dünn.»

«Mrs Blossom befindet jeden für zu dünn. Außer Mr Blossom, den sie ständig wegen seiner korpulenten Formen schilt, obwohl sie es ist, die ihn viel zu gut füttert.»

«Dieser Raum ist wirklich phantastisch.»

«Bücher waren die Leidenschaft meines Großvaters. Oder seine Ausrede, um sich zurückzuziehen, sehr zum Ärger meiner Großmutter. Ich vermute, das ist der Grund dafür, dass das Gelände so verschwenderisch angelegt ist: Sie brauchte ebenfalls ein Hobby.»

«Sie haben auf jeden Fall ein großartiges Erbe für künftige Generationen hinterlassen.»

«Vorausgesetzt, es gibt künftige Generationen.»

Trachteten nicht alle Männer nach einem Erben? Sie zeigte auf ein Porträt auf der hinteren Wand, eine ernste und ältere Ausgabe von Grayson. «Ist das Ihr Großvater?»

«Ja.»

«Der Vater Ihres Vaters?»

«Meiner Mutter. Jeremy Grayson.»

Also war das Gut über seine Mutter auf ihn gekommen.

Angespanntes Schweigen erzeugte Unbehagen in ihr, als sie einander ansahen.

«Ich habe mir heute Morgen den Sonnenaufgang angesehen», sagte Aurora hastig, um das Schweigen zu brechen.

«Natürlich haben Sie das getan», sagte Grayson. «Aurora ist die römische Form von Eos. Morgendliche Mutter der Sonne. »

Aurora blieb vor Überraschung die Luft weg. «Woher wussten Sie das?»

«Ich halte es für das Beste, so viel wie möglich über Menschen zu wissen, mit denen ich in Kontakt treten werde.»

«Sie wussten doch nicht mit Sicherheit, dass wir uns jemals treffen würden.»

«Manche Dinge sind unausweichlich.»

Ermutigt fuhr Aurora fort. «Und der gestrige Sonnenuntergang, vom Sommerhaus aus betrachtet. War er nicht ebenso großartig?» Würde er zugeben, mit ihr dort gewesen zu sein?

«Ich fürchte, ich war viel zu ... beschäftigt gestern Abend, um den Sonnenuntergang zu genießen.»

«Welch ein Jammer», sagte Aurora. «Sie sollten versuchen, ihn heute Abend anzusehen.»

«Kommen Sie her. Erlauben Sie mir, Ihnen etwas zu zeigen, von dem ich glaube, dass Sie es interessant finden werden.»

Er führte sie zu einem Ecktisch, wo ein dickes Buch offen dalag. Beinahe so, als warte es darauf, dass sie sich ihm zuwandten. Seine unberührten, leeren weißen Seiten wirkten fehl am Platze in diesem Raum, wo Literatur und Familiengeschichte absolut regierten.

«Da sind keine Buchstaben», sagte Aurora. «Worin besteht der Sinn eines leeren Buches?»

«Von Natur aus impulsiv, urteilen Sie zu schnell. Sehen Sie noch einmal hin.»

Aurora gehorchte und fühlte sich töricht. «Oh.» Sie streckte die Hand aus, um es zu berühren, dann drehte sie sich um, um ihn um Erlaubnis zu bitten. «Darf ich?»

Grayson stand direkt hinter ihr. Seine Hände auf den ihren, führten sie ihre zögernden Finger über die Seite vor ihr. Graysons Nähe ließ sie erschauern, als sie die Erhebungen der Brailleschrift unter ihren Fingerspitzen spürte. Graysons leichteste Berührung erregte sie, schon die Liebkosung seines Blickes entfesselte eine mächtige Woge des Begehrens.

Er stand so nah hinter ihr, dass sie spürte, wie sein warmer Atem ihre winzigen Löckchen in Bewegung versetzte und ihren Nacken kitzelte. Seine Arme umschlangen sie in einer Umarmung, die gleichzeitig intim und vorsichtig war. Er beugte sich vor, als seine Hände ihre Finger über die Seite führten, seine Lippen streiften beim Sprechen beinahe ihre Ohren.

Es dauerte einen Moment, bis ihr klar wurde, dass er aus dem Text unter ihren Fingern vorlas. Eine poetische Beschreibung des ersten Blickes, den ein Mann von einer schönen Frau erhascht.

«Sie können Braille lesen?»

«Leider nein. Meine Großmutter lernte es, als ihr Augenlicht schwand. Aber als ich jung war, schaffte ich es, diese Passage auswendig zu lernen. Endlich meine ich wirklich verstanden zu haben, wie der junge Mann sich gefühlt haben muss.» Während er sprach, glitt Graysons Hand hoch zu ihren Handgelenken. Dann, langsam, sehnsüchtig traten sie die Reise zu ihrem Ellenbogen an. Der dünne Stoff ihrer Bluse setzte weder der Wärme seiner Haut auf ihrer etwas entgegen noch der Hitze, die durch seine Nähe hervorgerufen wurde.

Als sie spürte, dass er von ihr wegtreten wollte, fasste Aurora seine Hände mit ihren und hob sie zu ihrer Taille. Jetzt war sie an der Reihe, die Bewegung zu dirigieren, als sie langsam, in voller Absicht, seine Hände ihren Brustkorb hinauf zu den weichen und wartenden Rundungen ihrer Brüste führte.

Sie spürte die Schärfe seines eingezogenen Atems, als er die Entschlossenheit erkannte, mit der sie ihn ermutigte. Die Unverfrorenheit ihres Handelns schockierte sie beide.

Sie wandte ihren Kopf leicht zur Seite und legte ihren empfindlichen Hals an seine Lippen. «Stell dir vor, ich wäre Braille.»

«So war Braille-Lesen noch nie.» Seine Handflächen umschlossen ihre schweren, bedürftigen Brüste, und als Antwort richteten sich ihre Nippel auf.

Aurora seufzte sanft vor Erleichterung. Wie verzweifelt hatte sie seine Berührung gebraucht. Die Hitzewelle aus ihren Lenden intensivierte sich, als seine Lippen leicht ihren Hals berührten und er den empfindlichen Bogen vom Ohr zur Schulter entlangzüngelte.

Aurora bebte. Seine Hände rutschten mit einer langsamen, provozierenden Bewegung von ihren Brüsten auf ihre Hüften, ihre Form modulierend und ihr Becken zu seinem zurückziehend.

Sie ließ sich zurückfallen, genoss die Fülle schwerer Glieder, die Art, wie ihre zwei Körper zu einem zerflossen. Seinen offensichtlichen Erregungszustand, den er nicht zu verbergen versuchte.

Mit einer provozierenden Bewegung rieb sie ihr Hinterteil an ihm und freute sich, als sie ein plötzliches Stocken seines Atems hörte. Sie fasste hinter sich, um mit ihren Fingern durch sein dickes dunkles Haar zu zausen, bevor sie die Konturen seiner markanten männlichen Gesichtszüge nachzeichnete. Wangenknochen. Kiefer. Heiße, hungrige Lippen.

Sie drehte sich in seinen Armen um, und als sie ihm ihren Kopf einladend zuwandte, fanden diese heißen und hungrigen Lippen die ihren. Sie stöhnte laut bei der schieren Wollust seines Kusses. Seine gierige Zunge entflammte ihre, involvierte sie in ein Paarungsritual so alt wie die Zeit. Aurora schmiegte sich an ihn, unfähig, genug von ihm zu bekommen. Jemals.

Er brach den Kuss als Erster ab und lehnte sich an sie, seine Hände umfassten ihr Gesicht, seine Stirn ruhte leicht an ihrer. Sein Atem ging schnell und wild, als er um Selbstbeherrschung rang.

«Letzte Nacht. Im Gartenpavillon. Das warst du», sagte sie.

«Nehmen Sie nichts, was an diesem Wochenende geschieht, für bare Münze. Beim Rose and Thorn Club dreht sich alles um Anonymität. Gesichtslose Fleischeslust. Daher die Masken.»

«Die Maske enthüllt ebenso viel, wie sie verbirgt.»

Grayson zuckte bei ihren Worten so zusammen, dass Aurora sich fragte, was er wohl zu verbergen suchte. Versteckte er sich vor ihr? Oder vor sich selbst? «Vielleicht bin ich der Spiegel, der das zurückwirft, was Sie sich selbst nicht eingestehen wollen? »

«Tiefe Gedanken für jemanden, der so jung ist», sagte er leichthin.

«Manche von uns sind alt geboren. Geboren in Weisheit. Oder in Scham.»

«Erlauben Sie mir, Sie daran zu erinnern, dass dieses Wochenende eine lange Party ist. Heute Nacht wird jeder Gast seine Partnerin oder ihren Partner gehüllt in einen Umhang derselben Farbe finden.»

Sie neigte den Kopf. «Dann stellen Sie sicher, dass Sie und ich gleich gewandet sind.»

«Sie wagen es zu befehlen?»

«Sie wagen es zu kontrollieren.» Sie spürte, wie er sich anschickte, sie loszulassen, und eine Gleichgültigkeit vorgab, von der sie wusste, dass er sie bei weitem nicht fühlte.

«Sie sind frei zu gehen, wann immer Ihnen die Spiele zu viel werden.»

«Sie haben mich zum Bleiben aufgefordert.»

«Und nun fordere ich Sie zum Spielen auf.»

«Ich nehme Ihre Forderung an. Und pariere Sie mit einer von mir.» Mit ihrer Kühnheit hatte sie ihn wieder überrascht. Das fühlte sich gut an.

«Und welche?»

«Ich möchte mein Zusammentreffen mit Ihnen.»

«Es soll Ihnen gewährt sein – vorausgesetzt, Sie bleiben das Wochenende über hier.»

«Warum tun Sie das? Warum geben Sie sich mit diesem Club, diesen Leuten ab? Ihren Mantel-und-Degen-Spielchen in der Dunkelheit? Was kann es nur sein, das Sie an ihrer Phantasiewelt interessiert?»

Er trat zurück, in seiner Art so distanziert, als wären sie nicht gerade in einer leidenschaftlichen Umarmung gefangen gewesen. «Ich habe meine eigenen Interessen. Nichts, das Sie etwas anginge.»

Darin irrt Grayson gewaltig, dachte Aurora, als sie ihn dabei beobachtete, wie er wegging. Alles, was Grayson Thorne betraf, war zu ihrem Belang geworden.

«Es scheint, als sei alles hier und am rechten Ort, Gray», sagte Randall, während er sich bei Toast und Kaffee bediente und sich dann zu Grayson an den massiven Esstisch aus Walnussholz setzte. «Ich muss sagen, diese Clubmitglieder schleppen mehr mit sich herum, als die Schauspielerinnen für ihre Aufführungen mitgebracht haben.»

«Vergiss nicht, dass alles, was du hier an diesem Wochenende siehst, Teil einer Inszenierung ist. Jede noch so kleine, unwichtig wirkende Nuance. Nichts ist wirklich.»

«Erklär mir noch einmal, warum genau du dein wohlgeordnetes Leben auf diese Weise durcheinanderbringst.»

«Ich richte dieses Fest im Gedenken an meinen Vater aus.»

Randall schüttelte den Kopf. «Du sprichst mit mir, Gray. Ich weiß, dass dein Vater den Club begründet hat, auf Julians Drängen, vermute ich.»

Gray schwieg. Er wusste genau, warum sein Vater den Club gegründet hatte. Was er noch nicht wusste, war, was sein Vater im Gaslight Theater getan hatte – an dem Abend, als er starb. Obwohl kleine Stückchen von seinem Vater schon über die Jahre gestorben waren. Jedes Mal, wenn Celeste sich vor seinen Augen mit einem ihrer zahlreichen Liebhaber gebrüstet hatte. Gray wusste, dass sein Vater niemals den Freitod gewählt hätte.

Der andauernde Streit seiner Eltern war über die Jahre ermüdend geworden. Celeste glaubte wahrhaftig, dass ihre Untreue nicht ihre Schuld war. Männer sahen sie auf der Bühne und begehrten sie, und sie hatte nicht die Stärke, sie zurückzuweisen. Sein Vater hatte ihr zahllose Male vergeben und sie zurückgenommen. Aber Gray sah die wahren Kosten und hatte sich geschworen, sich niemals zu verlieben, kein Opfer des Charmes und der Schönheit einer Frau zu werden.

Er verstand auch genau, welche Motive Jonathan zur Gründung des Clubs bewogen hatten. Es war seine Vergeltung für Celeste. Der Club bot vermögenden, älteren Theaterpatronen die Möglichkeit, mit einer Vielzahl jüngerer, attraktiver Partnerinnen zu verkehren. Alles unter dem Deckmantel der Kreativität. Ein lebendiges Theaterstück, in dem sie alle Hauptrollen spielten.

«Entschuldigen Sie, Sir.»

Gray blickte auf und sah seinen Butler händeringend vor sich stehen. «Was ist, Hudson?»

«Die junge Frau mit den roten Haaren, Sir. Sie wurde dabei gesehen, als sie sich in Richtung des Teiches aufmachte.»

«Verdammter Mist», fluchte Grayson, als er aufstand. Er hatte sein Gleichgewicht seit dem frühmorgendlichen Zusammentreffen mit Aurora in der Bücherei noch immer nicht ganz wiederhergestellt. Sie war vollkommen unvorhersehbar. «Warum kann sie den Tag nicht verschlafen, so wie die anderen Gäste?»

«Jawohl, Sir. Aber die Bediensteten, Sir.»

«Was ist mit den Bediensteten?»

«Sie sind sich unsicher über ihre Rolle in den Festivitäten dieses Wochenendes, Mr. Thorne.»

«Die Gäste sollten mehr als in der Lage sein, sich selbst zu amüsieren. Weisen Sie die Bediensteten an, dass sie sich zurückhalten sollen, nur eingreifen, wenn sie gefragt werden, und ansonsten sicherstellen, dass sich alle wohl fühlen. Noch etwas?»

Hudson rang schon wieder mit seinen Händen, und Gray wurde weicher. «Ich weiß, es ist störend, diesen Haufen um sich zu haben. Aber es ist nur für drei Tage.»

«Trotzdem», sagte Hudson, «es sind einfach seltsame Dinge, die da geschehen.»

«Ja, Hudson. Also, geben Sie einfach Ihr Bestes», sagte Gray.

Randall lachte laut, als der gute Mann weg war. «Du bist der einzige Dienstherr, den ich kenne, der seinen Dienern erlaubt, ihm zu sagen, wie sie meinen, dass man mit den Dingen umgehen sollte.»

«Gute Hilfe ist schwer zu finden. Und ich würde meine Zunge im Zaum halten, wenn ich du wäre, sonst kannst du dir nachher noch eine neue Anstellung suchen.»

Randall erhob sich träge. «Ob du es dir eingestehst oder nicht, Gray, du brauchst mich. Kein anderer könnte es mit dir aufnehmen.»

«Ich fürchte, da könntest du recht haben. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich kümmere mich besser mal um die Sicherheit unseres verirrten Gastes.»

Hüllenlos

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