Читать книгу Das Kombiticket - Kathrin Noreikat - Страница 6
Kapitel
ОглавлениеSie wurde von einem ohrenbetäubenden Krachen geweckt. Schlaftrunken stand sie in ihrem geblümten Nachthemd auf und schlurfte in ihren rosa Plüschpantoffeln über den schmalen Flur. Woher war an diesem frühen Morgen der Lärm hergekommen? Im Wohnzimmer fand sie die Quelle. “Guten Morgen”, sagte Ruth. Ihr beiden Neffen saßen in ihren bunten Schlafanzügen auf dem Fußboden und sortierten kleine Spielzeugautos nach Farben. Neben ihnen lag eine leere Kiste. Ruth kombinierte: Es war das Umstürzen der vielen kleinen Blechautos aus der Kiste gewesen, das sie aus dem Schlaf gerissen hatte.
Sie schlug die Hände über den Kopf. “Wie sieht es denn hier aus?”
Das Wohnzimmer sah aus, als ob eine Bombe eingeschlagen hätte: die Matratzen, auf denen die Kinder geschlafen hatten, lagen nicht mehr vor dem zweisitzigen Sofa, sondern lehnten an der Schrankwand. Die Schlafsäcke lagen zusammengeknüllt unter dem Fenster und zahlreiche Buntstifte waren im ganzen Zimmer verteilt.
“Wann gibt es eigentlich Frühstück? Ich habe Hunger”, fragte Theodor und boxte mit einem Spielzeugauto an ein anderes.
Über das Wochenende war ihr jüngerer Bruder mit seiner Frau in einem Wellness-Hotel ins Allgäu gefahren. Sie nahmen sich so eine kleine Auszeit von ihren Kindern. Seit Freitagabend waren der neunjährige Conrad und sein zwei Jahre jüngere Bruder Theodor bei ihrer Tante. Ruth Jakoby war im April 41 Jahre alt geworden, vor zwei Jahren hatte sie sich von ihrem langjährigen Freund getrennt und war kinderlos geblieben.
Sie verdiente ihr Geld als Floristin in einem Blumenladen in der Stuttgarter Innenstadt. Ihr Traum war es, eines Tages einen eigenen Blumenladen zu führen.
Die Tante gähnte, sie hätte gerne noch länger geschlafen. Jetzt war sie wach und konnte somit auch gleich das Frühstück vorbereiten. In der Küche kochte sie Kaffee und stellte Brettchen und Tassen auf den Tisch. Die Kinder wollten nur Toastbrot mit Nutella essen. Dabei hatte Ruth extra ein teures Schokoladenmüsli ohne Zuckerzusatz im Bioladen gekauft
“Was machen wir heute?”, wollte Conrad wissen und strich sich daumendick die braune Nussnougatcreme auf eine Toastscheibe. Genüsslich biss er hinein. Ruth schaute aus dem Fenster. Es war immer noch regnerisch und grau. Gestern waren sie schon bei Nieselregen in der Wilhelma, dem Stuttgarter Zoo, gewesen. Einen Ausflug zum Waldspielplatz wollte die Tante bei diesem Schmuddelwetter nicht vorschlagen. Nachdenklich rührte die Floristin in ihrer Schüssel mit Waldbeeren-Porridge. “Wie wäre es mit einem Besuch im Völkerkundemuseum? So weit ich weiß, gibt es dort eine Sonderausstellung zu den Azteken. Sie haben eine Hochkultur geschaffen und lebten zwischen dem 14. und dem frühen 16. Jahrhundert in Mexiko und ....”
Theodor, der einen Milchbart um seinen Mund trug, unterbrach seine Tante: “Wir wissen was die Azteken sind. Das wurde neulich in der `Sendung mit der Maus’ erklärt.”
“Aha. Habt ihr Interesse an der Ausstellung?”
Die Kinder schüttelten synchron die Köpfe. “Wir mögen Dinosaurier”, erklärte Conrad und nahm sich eine weitere Toastscheibe aus dem Brotkorb.
Ruth nickte und schlug deshalb einen Besuch im paläontologische Museum vor.
Diese Idee fanden die Kinder “sehr cool”.
Der Vorschlag, vor dem Museumsbesuch noch das Wohnzimmer aufzuräumen, wurde von den Jungs strikt abgelehnt.
An diesem regnerischen Sonntagvormittag hatten mehrere Familien die Idee ins Dinomuseum zu gehen. Die Schlange vor der Kasse war dementsprechend lang. Endlich stand Ruth mit ihren Neffen vor dem Ticketschalter.
“Grüß Gott. Ein Erwachsener und zwei Kinder, sieben und neun Jahre alt”, sagte Ruth.
“Wollen Sie normale Eintrittskarten oder drei Kombitickets?”, wollte die Kassiererin wissen.
“Kombiticket? Was ist das?”, erkundigte sich Ruth.
“Das Kombiticket beinhaltet den Eintrittspreis unseres paläontologischen Museums und zusätzlich noch das vom Planetarium. Sie sparen damit sagenhafte 20%.”
Die Kinder hörten aufmerksam zu. “Planetarium, au ja!”, jubelten sie.
Die Kassierin sprach weiter: “Die Vorstellung im Planetarium beginnt um 14.30 Uhr und heißt `Gibt es Leben im All?’. Sie ist wirklich sehenswert und wie gesagt, Sie sparen 20%.”
Ruth schaute in zwei verzückte Kindergesichter.
“Drei Kombitickets, bitte”, beschloss sie.
In der Ausstellung waren hauptsächlich ausgestorbene Lebewesen Baden-Württembergs ausgestellt. Dinosaurier aus der Triaszeit und Fisch- und Flugsaurier aus der Jurazeit. Die Kinder waren begeistert und rannten von Vitrine zu Vitrine. Eifrig füllten sie das Quiz aus, das ihnen die Kassiererin noch mitgegeben hatte. Sie beantworteten sämtliche Fragen richtig und erhielten jeder daraufhin einen kleinen Schokoladendinosaurier von einer Museumswärterin geschenkt.
Beim Hinausgehen des Dinosauriermuseums, regnete es immer noch. Obwohl den Kindern der Besuch Spaß gemacht hatte, bemängelte Theodor, dass es keinen Tyrannosaurus in der Ausstellung gegeben hätte und Conrad beklagte das Fehlen eines Megalodon.
Ruth verdrehte die Augen, schaute auf die Uhr, denn schließlich mussten sie pünktlich zur Vorstellung im Planetarium sein.
“Wie wäre es, wenn wir jetzt zu McDonalds gehen?”, schlug sie vor.
Das musste die Tante nicht zweimal sagen, denn die Jungs bekamen leuchtende Augen. Im Schnellrestaurant bestellte Ruth zweimal das Happy Meal Menü für die Neffen und für sich selbst einen Caesar Salat. Zum Nachtisch gab es noch ein McFlurry-Eis.