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Kapitel 4: „Schwarzfahren im Wandel der Zeit“

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Das Schwarzfahren mit dem Zug hat eine lange Tradition. Es wurde um 1826 in Nordamerika erfunden, und zwar von den Hobos.

Die Hobos, auch Eisenbahn-Vagabunden genannt, waren Wanderarbeiter, die in großem Stil mit den Güterzügen der ersten landesweit verkehrenden Eisenbahn durchs gesamte amerikanische Staatsgebiet schwarzfuhren. Respekt!

Allerdings war Schwarzfahren damals noch viel gefährlicher als heute, denn die Hobos mussten auf die fahrenden Züge aufspringen. Dies taten sie gewöhnlich, wenn der Zug an Berghängen seine Geschwindigkeit verringern musste.

Hatte man als Hobo sehr viel Glück, fand man einen offenen Waggon vor, der eine weiche Fracht enthielt, wie beispielsweise Stroh. Zum Leidwesen der Hobos waren die Waggons aber in der Regel bis unter die Decke beladen und verschlossen. Daher mussten viele von ihnen ihre Schwarzfahrt außen auf den Achsen der schweren Güterzüge antreten. Hatte man als Hobo dann einen Platz auf einer dieser Achsen gefunden, musste man extrem gut aufpassen, denn wer abrutschte und herunterfiel, kam im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder. Der Vorteil an diesem Platz war eindeutig der, dass die Eisenbahnmitarbeiter einen dort zwar sehen konnten, es ihnen aber nicht möglich war, während der Fahrt etwas dagegen zu unternehmen.

Bedauerlicherweise entwickelten ein paar echt frustrierte Zugbegleiter als Reaktion darauf eine Methode, die sich der „Tanzende Schraubenschlüssel“ nannte. Dazu banden sie einen massiven eisernen Schraubenschlüssel an ein Seil und ließen ihn über die Gleise „tanzen“. Dies kostete im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert unzählige Hobos das Leben. An dieser Stelle möchte all den Opfern gedenken und den Hobos dafür danken, dass sie mit ihrer Pionierarbeit uns heutigen Schwarzfahrern den Weg geebnet haben.

Einer der berühmtesten Hobos war übrigens der Schriftsteller Jack London, der vielen unter euch sicherlich als Autor von Werken wie „Der Seewolf“ bekannt ist. Er bereiste um 1893/94 auf diese Weise die kompletten USA und weite Teile Kanadas. Zweifelsohne ein großes Vorbild für mich.

Aber nun zurück zur Deutschen Bahn:

Die beste Zeit für Schwarzfahrer in Deutschland waren die 1970er Jahre, in welchen meine Hippie-Eltern noch unbeschwert im Gepäcknetz von Bremen nach Paris reisten. Die Rede ist von den riesigen Hängematten-ähnlichen Gepäcknetzen, mit denen die Sechs-Personen-Abteile der Züge, der damals noch staatlichen „Deutschen Bundesbahn“ zu dieser Zeit bestückt waren. Im Gegensatz zu den mickrigen Gepäckablagen der heutigen DB-Züge, passten dort nicht nur wirklich große Gepäckstücke hinein, sondern sogar ganze Menschen.

Und ob ihr es glaubt oder nicht: Die Zugbegleiter schauten einfach nicht nach oben. Die damals zur Dienstkleidung gehörenden Schirmmützen versperrten ihnen den Blick in diese Region zusätzlich. Hinzu kommt, dass die Kontrolleure damals noch verbeamtet waren und ihren Job auch wie Beamte machten: Wenn alle sechs Sitzplätze belegt waren, konnten demzufolge keine weiteren Passagiere im Abteil sein, denn es kann ja nicht sein, was nicht sein darf.

Da es damals die Europäische Union noch nicht gab, kamen auf der Reise nach Paris in Aachen stets Zollbeamte in den Zug. Und die Zöllner schauten nach oben. Aber da auch sie Beamte waren, kontrollierten sie von allen Reisenden - im Gepäcknetz oder nicht - vorschriftsmäßig nur die Ausweis-Papiere. Fahrschein-Kontrollen gehörten nicht zu den Aufgaben des Zolls.

Heutzutage findet der Schwarzfahrer weniger paradiesische Zustände vor:

In den winzigen Gepäckfächern der modernen ICs und ICEs finden nicht einmal normalgroße Koffer Platz, von deren Besitzern ganz zu schweigen. Immerhin sind die Zugbegleiter heute wesentlich netter als zu Zeiten der Hobos und auf den „Tanzenden Schraubenschlüssel“ wird zumeist gänzlich verzichtet.

Bekenntnisse einer Schwarzfahrerin

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