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Kapitel 2
ОглавлениеSamantha
Der Asphalt strahlte glühende Sommerhitze ab und mir lief der Schweiß die Schenkel hinab. Obwohl die Sonne vor Stunden untergegangen war, gab es kein Entkommen vor der Hitze. Eigentlich sollten mein schwarzes Spitzenbustier und der schwarze Minirock genug Kühlung bringen, doch ich fächerte mir mit der Hand Luft zu, in der Hoffnung, zu verhindern, dass mein Make-up dahinschmolz. Wie zur Hölle machten das so viele Frauen tagtäglich?
Ein Knistern des Kommunikationsgerätes in meinem Ohr alarmierte mich. „Der Verdächtige wurde im Zwölf-Block-Radius gesichtet. Alle Teams sind bereit.“
„Verstanden.“
Nachdem ich mich schnell in der Umgebung umgesehen hatte, knisterte es erneut in meinem Ohr. „Voraussichtliche Ankunftszeit bei Vargas in zwei Minuten, dreißig Sekunden.“
„Siehst scharf aus, Sammie-Lou-Nutte“, sagte eine andere Stimme in meinem Ohr.
Ich unterdrückte den Drang, zu dem Wagen über die Straße zu blicken. Darin wartete mein Partner Gavin McTavish mit einem dreckigen Grinsen. Da er drei Jahre älter war als ich, benahm er sich wie ein nerviger Bruder. Er war mehr als nur mein Partner. Er war auch mein bester Freund. Vor fünf Jahren hatten wir uns auf der Polizeiakademie kennengelernt und mit ihm hatte ich mehr Blut, Schweiß und Tränen geteilt als mit jeder anderen Person auf der Welt.
Auch ohne den Sprechfunk wusste ich genau, wann der Verdächtige, Chuck Sutton, ankam. Eine Ahnung summte in meinen Knochen und ich tauchte in die Rolle meiner Tarnperson ein. Schon seit seinen Teenagertagen hatte Chuck Waffen an die Atlanta-Straßenbanden verschoben. Nachdem er ein paarmal erwischt worden war, war er vorsichtiger geworden und hatte gelernt, unseren üblichen Methoden auszuweichen. Wir mussten ihn unbedingt wegen eines geringeren Delikts erwischen, um ihn für einen größeren Fall, an dem wir arbeiteten, benutzen zu können.
Da kam ich ins Spiel. Wenn Chuck eine Achillesferse hatte, dann waren es Frauen. Besonders solche, die er sich erkaufte. Etwas an dem Verbotenen daran schien ihn zu reizen.
Als ich ihn hinter mir hörte, drehte ich mich um und schenkte ihm mein bestes sexy Lächeln. „Hallo. Willst du dich heute Abend ein bisschen amüsieren?“
Er leckte sich über die Lippen, und ich bemühte mich, ihm nicht vor die Füße zu kotzen. „Vielleicht.“ Leicht unsicher sah er sich um. „Bist du heute hier ganz allein?“
Schnell nickte ich. „Ich arbeite nur für mich selbst.“
„Das gefällt mir. Ich mag keine Mittelsmänner.“
Ich streichelte über seinen Arm und drückte seine Schulter. „Das ist nur eine Sache, die wir gemeinsam haben.“ Um ihn hochzunehmen, musste ich ihn dazu bringen, dass er sich mit mir auf einen Preis einigte. So wie jetzt um den heißen Brei herumzuschleichen, reichte nicht, um ihn festzunehmen. „Wollen wir woanders hingehen, damit ich herausfinden kann, worauf du sonst noch stehst?“
Ein langsames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Klar, gern. Von wie viel Kohle reden wir hier?“
„Einem Hunderter pro Stunde, auch wenn du nicht so lange brauchst.“ Ich sah einen Schatten über seine Augen huschen und schnurrte: „Aber ich bin sicher, du hältst lange genug durch, um das meiste aus deinem Geld rauszuholen.“
Mein kleines Kompliment heizte seinem Feuer ein. „Ich bin dafür bekannt, ein großzügiges Trinkgeld zu geben, wenn du die Sache wert bist.“
„Natürlich bin ich das, Süßer.“ Ich nahm die Finger von seiner Schulter und griff nach seiner Hand. „Wäre dein Auto okay oder bist du spendabel und wir gehen in das Motel da hinten?“
„Mein Auto reicht völlig.“
Als er mich dorthin führte, traf einer der Agentenkollegen eine blöde Entscheidung, indem er mit seiner Knarre zu früh eingriff. Als er aus den Schatten trat und Chuck ihn sah, brach die Hölle los.
Chuck ließ nicht nur meine Hand los, sondern schubste mich, sodass ich auf den hohen Absätzen rückwärts taumelte und auf dem Hintern landete. Dann flüchtete er in die entgegengesetzte Richtung.
„Greenburg, du dämlicher Idiot!“, knurrte ich den Agenten an, als ich versuchte, mich zu sammeln.
„Wir hatten, was wir brauchten, um ihn hochzunehmen.“
Ich kam wieder auf die Beine und sah ihn finster an. „Ach, wirklich? Warum haben wir ihn dann jetzt nicht mehr?“ Ich wartete nicht auf eine Antwort. Ich hatte nicht die letzte halbe Stunde in diesem widerlichen Outfit verbracht, ganz zu schweigen von dem Mist, den ich hatte sagen müssen, um dann den Verdächtigen zu verlieren.
Zwar kannte ich mich hier nicht aus wie in meiner Westentasche, ich wusste aber, wie ich Chuck noch einholen konnte. So schnell wie möglich rannte ich auf diesen Absätzen los. Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir den Vier-Block-Radius vor, den ich tagelang vorher auf der Karte studiert hatte. Kurz entschlossen bog ich in eine Seitengasse ab.
Ich sah mich nach etwas um, was Chuck handlungsunfähig machen könnte. Dann erblickte ich einen alten Besen und schnappte ihn mir schnell. Ich rannte zum Ende der Gasse. Ich kam dort an, als Chuck gerade vorbeirannte. Ich schwang den Besen wie einen Baseballschläger in seine Kniekehlen, was Chuck herumwirbelte und über den Boden schlittern ließ. Ich warf den Besen weg und zog meine Waffe. „Denk nicht mal dran, dich zu bewegen!“ Ich zielte auf seinen Kopf.
Chuck ergab sich mit zittrig erhobenen Händen. Ich machte mir nicht die Mühe, das Team anzufunken, denn sie hatten mich auf dem GPS. Und nach nur ein paar Sekunden hörte ich die Sirenen, und ein Polizeiwagen stoppte mit quietschenden Reifen neben uns.
Als ich Greenburg sah, sagte ich: „Jetzt kannst du ihn mitnehmen.“
Er nickte verlegen und kümmerte sich um Chuck.
Ich steckte die Waffe zurück ins Halfter und spürte eine Hand auf meiner Schulter.
„Alles okay?“, fragte Gavin. Besorgnis stand in seinen blauen Augen.
„Alles super, jetzt, nachdem ich diese Ratte hochgenommen habe.“
Gavin schüttelte den Kopf. „Dich kann wirklich nichts umhauen, oder?“
„Nee. Nur Vollidioten, die mir in die Quere kommen“, antwortete ich mit Blick auf Greenburg.
„Du meinst Leute, die dir die Show stehlen wollen?“, gab Gavin zurück.
„Pass bloß auf, McTavish, oder ich lege dich auch mit dem Besen flach.“
Gavin schlang einen Arm um meine Schultern und wir gingen zu unserem Auto.
Mich in der Gluthitze Atlantas als Prostituierte zu verkleiden, war nur eine meiner vielen Masken, die ich als Agentin des ATF tragen musste. Als mein Vater in dem langen Krieg zwischen der Drogenbehörde und den Bikern erschossen worden war, verlor ich jedes Interesse daran, in seine Fußstapfen zu treten. Nach der Ausbildung zur Kriminalbeamtin führte mich mein Weg schließlich doch zur Drogenbehörde, wo ich seit vier Jahren arbeitete. Dort konnte ich meinen Kindheitstraum, Kriminelle einzubuchten, erfüllen, genau wie meinen Drang, einen Beruf auszuüben, der mich hellwach hielt.
Als wir am Auto ankamen, lehnte unser Leiter, Grant Peterson, daran.
„Guten Abend“, sagte er mit einem Lächeln.
„’n Abend“, antwortete Gavin.
„Hattest du Bock auf ein bisschen Slum-Luft? Wo du doch sonst nur in deinem gemütlichen Büro mit Klimaanlage sitzt“, sagte ich. Obwohl Peterson mein Boss war, hatten wir ein freundschaftliches Verhältnis.
Peterson lachte. „Ein guter General ist auch immer mit im Schützengraben.“
„Verstehe.“
„Gute Arbeit, wie immer, Vargas.“
„Danke, Sir.“ Ich balancierte auf einem Bein und zog die High Heels aus. Ich stöhnte erleichtert auf, als meine Füße endlich aus dem Stiletto-Gefängnis freikamen.
Peterson sah zwischen uns beiden hin und her. „Habt ihr zwei heute noch was anderes zu tun?“
Gavin schüttelte den Kopf. „Wir dachten, wir machen die Nachbesprechung morgen Früh. Wenn das okay ist?“
Peterson nickte. „Da ihr frei habt, würde ich euch gern zum Abendessen einladen.“
Gavin und ich hoben gemeinsam die Augenbrauen.
„Du hast wohl etwas Wichtiges zu erzählen, wenn du uns zum Essen einlädst“, antwortete ich.
Peterson lachte in sich hinein. „Du kennst mich einfach zu gut.“
Ich war zwar erschöpft und mein Bett rief nach mir, doch mein Magen knurrte zustimmend bei Petersons Einladung. „Klingt gut.“
Gavin lachte. „Meinst du, ich werde je eine Einladung des Büros ablehnen?“
„Erwarte bloß kein Fine-Dining-Erlebnis. Ich sehe ein Waffel-Haus vor meinem geistigen Auge“, sagte ich neckend.
„Oh, ich habe doch mehr Klasse als so was“, wandte Peterson ein.
„Dann IHOP?“
Er grinste. „Ganz genau. Wie wär’s mit dem an der Ausfahrt 243 in zehn Minuten?“
„Okay. Bis gleich.“
Peterson betrachtete skeptisch mein Outfit.
Ehe er etwas sagen konnte, hielt ich eine Hand hoch. „Ich habe etwas zum Umziehen im Auto.“
„Gut. Ich möchte keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns lenken.“
Ich klimperte mit den Wimpern. „Willst du damit sagen, dass ich die Blicke auf mich ziehe?“
Er grinste. „Sagen wir mal so, ich glaube nicht, dass ich dir gegenübersitzen und eine ernsthafte Unterhaltung führen könnte, ohne dass meine Gedanken abschweifen würden.“
Freundschaftlich schlug ich ihm gegen den Arm. „Du alter Perversling, du.“
„Du kennst mich zu gut. Bis gleich.“ Er machte sich auf den Weg die Straße entlang.
Wir stiegen in unser Auto. „Was meinst du, worum es geht?“
Gavin startete den Wagen und wirkte nachdenklich. „Muss was Großes sein, wenn er es beim Essen besprechen will und nicht einfach morgen Früh beim Kaffee im Büro.“
„Denke ich auch. Ich glaube nicht, dass wir je außerhalb des Büros über einen Fall informiert wurden.“ Ich nahm ein T-Shirt aus meiner Tasche und zog es über das Bustier. „Solange ich nicht wieder so was wie das hier anziehen muss, bin ich dabei.“
Gavin lachte und bog auf die Straße ein. „Weißt du was, Vargas? Du wärst vielleicht nachts nicht so allein, wenn du so was öfter mal anziehen würdest.“
Ich bedachte ihn mit einem tödlichen Blick. Dann zog ich den Minirock aus und dachte über seine Worte nach. Zwar hatte er nur Spaß gemacht, doch war viel Wahres dran. Ich verbrachte die meisten Nächte allein. Meine letzte längere Beziehung war über ein Jahr her. Sie alle endeten aus demselben Grund: Ich war mit meinem Job verheiratet.
Die meisten Männer fanden meinen Beruf zunächst sexy. Doch schnell wurden sie abgetörnt, weil sie immer an zweiter Stelle standen. Letztendlich konnte ich es ihnen nicht verübeln. Wer wollte schon eine Beziehung mit einem risikobereiten Workaholic?
Ich verdrängte diese Gedanken und zog mir eine Yogahose über. Das Prostituierten-Outfit rollte ich zusammen und stopfte es in meine Tasche.
Das IHOP, das Peterson ausgesucht hatte, befand sich in einer besseren Gegend als die, in der wir gerade gewesen waren. Gleichzeitig lag es etwas außerhalb und es waren nicht viele Gäste da. Am Empfang bat Peterson um einen Tisch ganz hinten, weit fort von den anderen Gästen.
Ich setzte mich auf die Sitzbank neben Gavin, und Peterson nahm uns gegenüber Platz. Nachdem eine Kellnerin unsere Bestellung entgegengenommen hatte, öffnete Peterson seine Aktentasche und kam gleich zur Sache.
„Was wisst ihr über den MC der Hells Raiders?“
Allein bei dem Namen wollte sich mir der Magen umdrehen. Plötzlich war ich nicht mehr die selbstbewusste dreißigjährige ATF-Agentin. Sondern das achtjährige Kind, das durch das Autofenster blickte und einen Mann in Lederweste sah, der meinen Vater umbrachte und meine bis dahin perfekte Existenz zerstörte. Allein der Klang eines Motorrades löste das Trauma wieder aus. Natürlich wusste die Agency das nicht. Wenn man Fälle bearbeiten wollte, konnte man sich keine emotionalen Defizite leisten.
„Nie wirklich von denen gehört“, sagte Gavin und ich stimmte ihm nickend zu.
„Was das kriminelle Element von den One-Percentern angeht, hat deren Club in Georgia eine relativ kleine Mitgliederzahl. Die letzten zwei Jahrzehnte sind sie unter dem Radar geflogen. Verglichen mit vielen anderen Clubs bleiben sie ziemlich sauber, machen nur kleinere Waffengeschäfte ohne schweres Geschütz, ein bisschen Glücksspiel und betreiben einen Stripclub ohne Prostitution.“
„Wie löblich“, sinnierte ich.
Peterson lächelte leicht. „Wegen der Drogen und schweren Waffen, mit denen die Nordic Knights und Gangbangers aus Techwood handeln, lag unsere Aufmerksamkeit anderswo und die Raiders waren unsere Zeit nicht wert. Bis vor Kurzem.“
„Was hat sich geändert?“, fragte ich.
Peterson machte eine Pause, als die Kellnerin unsere Getränke brachte. Als sie gegangen war, sprach er weiter. „Es sieht so aus, als ob die Raiders eine Allianz mit dem Rodriguez-Kartell eingegangen wären.“
„Heilige Scheiße“, murmelte Gavin.
Ich stützte mich mit den Ellbogen auf dem Tisch auf. „Moment mal. Habe ich da nicht vor ein paar Monaten was flüstern gehört, dass das ATF mit Bikern zu tun hatte, als jemand hochgenommen wurde?“
Peterson nickte. „Ein früherer Lieutenant vom Rodriguez-Kartell ist überflüssig geworden. Ein Kerl namens Mendoza. Ein Krieg mit dem Präsident der Raiders, Nathaniel Rev Malloy, führte zu einer Entführung. Rev wurde von Mendoza gefoltert und angeschossen, hat sich aber wieder erholt. Zwischen den Zeilen der Berichte, die jetzt als streng geheim geschwärzt sind, habe ich gelesen, dass das alles auf der Entführung von Annabel Percy beruhte, die von den Raiders befreit wurde.“
Erstaunt hob ich die Augenbrauen. „Befreit? Sag nicht, dass die Raiders etwas auch nur annähernd Heldenhaftes getan haben.“
„Sie haben ihr Leben und den Club riskiert, indem sie die Tochter eines Clubmitglieds befreien wollten. Zwar kam die Tochter unglücklicherweise dabei um, aber sie konnten Annabel da rausholen.“
„Und in ihrer Zeit bei den Raiders kam sie ungeschoren davon?“, fragte ich skeptisch.
Peterson lachte in sich hinein. „Sie ist jetzt mit Rev verheiratet.“
Langsam schüttelte ich den Kopf. „Du sagst also, eine ehemalige Debütantin wie die Percy hat diesen MC-Abschaum geheiratet? Das muss ja ein enormes umgekehrtes Stockholm-Syndrom gewesen sein.“
Gavin sah mich skeptisch an. „Seit wann hasst du MC-Gangs derartig?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Das sind Kriminelle, die Frauen erniedrigen und ihre Gewalttaten mit ihrer angeblichen Liebe zu Motorrädern verschleiern.“
Ich wandte mich von Gavins Verhörton ab und widmete mich meinem Bacon-Cheeseburger, der inzwischen gebracht worden war. Zwar war Gavin mein bester Freund und kannte ein paar Details über den Mord an meinem Vater, doch ich hatte nie zugegeben, dass der Mörder ein Biker gewesen war.
Peterson räusperte sich. „Es geht darum, dass wir vor dem größten Waffenschieberfall meiner Laufbahn stehen könnten. Es handelt sich nicht um einen kleinen Deal mit niederen Kreaturen und Kriminellen. Sondern es geht darum, das Kartell mit Waffen zu versorgen, und zwar direkt vor unserer Haustür.“
„Ich nehme an, die Agency ist mit den üblichen Methoden wie Telefone abhören und Überwachungen nicht weitergekommen und will Agenten einschleusen. Stimmt’s?“, fragte Gavin.
Peterson nickte. „Diese Biker mögen nur kleine Gangster sein, aber sie sind schlau. Alles zwischen ihnen und dem Kartell passiert nur entweder persönlich oder per Wegwerfhandys.“
„Und wie kommen wir da ins Spiel?“, wollte ich wissen.
„Gavin, du bist in der Werkstatt deines Vaters aufgewachsen, oder?“
Bei der Erwähnung seiner Arbeiterherkunft verzog Gavin leicht das Gesicht. „Ja, mein Vater und mein Großvater waren Mechaniker. Ich habe immer ein bisschen mitgeholfen und kann ein paar Werkzeuge auseinanderhalten.“ Er trank einen Schluck Kaffee. „Aber ich weiß nicht, wie mir das in diesem Fall weiterhelfen sollte.“
Peterson blätterte durch die Akte und hielt dann inne. Er nahm ein Foto heraus und legte es auf den Tisch. „Das ist der Sergeant at Arms der Raiders. Benjamin Bishop Malloy.“
„Ui, eine Augenweide“, sinnierte Gavin und rieb sich die Stoppeln am Kinn.
Ich stieß ihn unter dem Tisch an. „Ich bin sicher, er spielt nicht in deinem Team.“
„Schade.“
Peterson rollte mit den Augen wegen uns. „Darf ich weitermachen?“
„Ja“, antwortete Gavin.
„Bishop hat gerade eine Lehre in einer örtlichen Werkstatt angefangen, die nichts mit den Raiders zu tun hat.“ Gavin und ich mussten verblüfft ausgesehen haben, denn er fügte hinzu: „Anscheinend möchte er lieber ganz legal Karriere machen, ohne die Beziehungen der Raiders.“
Gavin richtete sich auf der Sitzbank auf. „Ihr wollt mich also als Arbeiter in die Werkstatt einschleusen?“
Peterson nickte. „Wir hoffen, dass du sein Vertrauen gewinnen kannst und als Gast mit in den Club darfst. Dich vielleicht sogar als Anwärter bewerben kannst.“
„Kann ich machen. Aber ich brauche eventuell eine oder zwei Wochen, um mich wieder in den Mechaniker-Kram einzuarbeiten.“
„Dafür haben wir dich in einer anderen Werkstatt untergebracht, gleich morgen. Erst danach stecken wir dich in die, in der Bishop arbeitet.“
Gavin erstickte fast an einem Stück Pommes. „Morgen schon? Verdammt, Peterson, ihr habt wohl drauf gewettet, dass ich Ja sage.“
„Du bist der Einzige, der die Fähigkeiten hat, das zu übernehmen. In diesem Fall brauchen wir nicht einfach jemanden, der sich mit Autos auskennt. Sondern auch mit Motorrädern. Korrigiere mich, wenn ich falschliege, aber in deiner Akte steht, dass du, wann immer du die Gelegenheit hast, deine Harley fährst.“
Ich konnte ein amüsiertes Schnauben nicht zurückhalten. „Er ist höchstens ein Sonntagsfahrer.“
Gavin sah mich an. „Hey, ich bin besser, als du denkst!“
Ich nahm das Foto von Bishop und wedelte damit vor Gavins Gesicht herum. „Du willst mir erzählen, dass du dich mit diesem Typ befreunden könntest und als harter Biker überzeugen kannst?“ Gavin hob trotzig das Kinn. Ich lächelte Peterson an. „Damit er überhaupt die geringste Chance hat, musst du ihm erst mal ein totales Make-over buchen. Das Beste, was die Agency in Bezug auf Undercover auf Lager hat. Ich würde oben anfangen, erst mal das Haargel auswaschen, und mich dann nach unten vorarbeiten.“
„Bitch“, murmelte Gavin, zwinkerte mir aber zu.
Peterson wischte sich mit einer Serviette den Mund ab. „Du brauchst auch einen anderen Nachnamen. Nichts darf auf deine wahre Identität hindeuten.“
Gavin neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. Nach ein paar Sekunden hatte er einen Einfall. „Marley.“
Ich rümpfte die Nase. „Wieso denn Marley?“
„Weil ich Bob Marley liebe. Ich nenne mich einfach Greg Marley, dann ändern sich meine Initialen nicht, falls ich mal unter Gedächtnisschwund leiden sollte.“
Ich verdrehte die Augen, musste aber trotzdem lachen. Ich deutete mit dem Kinn auf Peterson. „Klingt, als ob du Gavin gut eingeplant hast. Und jetzt muss ich leider fragen, wie ich da reinpasse.“
Peterson bewegte sich unruhig auf seinem Platz hin und her und sah wieder Gavin an. „Einer der letzten Orte, wo du dich outen kannst, ist in der Biker-Welt. Und als attraktiver Mann wirst du sofort den Clubhuren und Bikerliebchen auffallen.“
Gavin legte eine Hand auf seine Brust. „Danke für das Kompliment.“
Peterson schüttelte den Kopf. „Aber sobald dir eine ihre Titten ins Gesicht drückt und ihren Hintern an deinem Schritt reibt und da rührt sich nix, sitzt du in der Scheiße.“
„Ich könnte es faken“, widersprach Gavin.
„Der Fall ist zu wichtig, um dich in so eine Lage zu bringen.“ Sein Ausdruck wurde ernst. „Wir wissen zwar nicht, ob die Raiders so etwas auch veranstalten, aber in anderen Clubs wurden Anwärter schon gezwungen, bei Gruppenvergewaltigungen mitzumachen.“
„Großer Gott“, murmelte Gavin.
„Auf keinen Fall können wir einem Agenten zumuten, sich an derartigen Gewalttaten zu beteiligen, und wenn du ablehnst, könnte es deinen Tod bedeuten.“ Sein Blick wanderte zu mir. „Deshalb schicken wir dich als seine Freundin mit rein.“
Bei der Spannung in der Luft entkam mir ein nervöses Lachen. „Nicht dein Ernst.“
„Ich meine es todernst. Mit dir an seiner Seite oder auf seinem Schoß muss sich Gavin keine Sorgen über die Anmache der Frauen machen, und man wird auch nicht von ihm erwarten, an irgendwelchen illegalen Aktivitäten mit Frauen teilzunehmen. Und so kannst du als Frau auch unter dem Radar der MC-ler fliegen. Sollte Gavin den Eindruck machen, herumzuschnüffeln, kriegt er den Arsch versohlt. Aber keiner verdächtigt eine Frau, die einfach nur so mit herumhängt.“
Ich nickte. „Verstehe.“
Gavin tätschelte unter dem Tisch meinen Oberschenkel. „Das bedeutet wohl, dass du deine Schlampen-Outfits für mich anziehen musst, Babe.“
Als ich begriff, was er meinte, stöhnte ich auf. „Ich werde Latex mit rausquellenden Brüsten anziehen müssen, oder?“
Peterson lachte. „Ich fürchte, ja. Auch wenn Gavin kein Clubmitglied ist, solltest du anziehen, was die anderen Frauen im Club so tragen.“
„Ich bezweifle allerdings, dass die Frau des Präsidenten und frühere Debütantin wie eine Nutte herumläuft.“
„Tja, du bist aber keine frühere Debütantin. Du bist nur die simple Freundin eines Mechanikers“, wandte Gavin grinsend ein.
„Ich Glückspilz“, murmelte ich.
Während ich zuhörte, wie Peterson über das schriftliche Material und die Videos, in die wir uns versenken sollten, sprach, versuchte ich, mich zu sammeln.
Es gab wenig, wovor ich mich fürchtete. Die Jahre in der Strafverfolgung hatten mich abgehärtet. Aber Biker waren für mich das Gegenstück zum schwarzen Mann der Kindheit und dem Sensenmann der Erwachsenen.
Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich mir vorstellen können, wie sehr sich mein Leben ändern würde wegen eines Bikers namens Bishop Malloy.