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Jonah

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Es war mitten in der Nacht, als ich durch das ohrenbetäubende Gebrüll meiner Tochter geweckt wurde. Seit über einer Woche schon schlief sie kaum noch. Und wenn, dann nur sehr kurz. Emilia und ich wussten mittlerweile keinen Rat, waren sogar schon bei einem Kinderarzt deswegen.

Der hatte allerdings nichts feststellen können. Zumindest nichts, was darauf hinwies, weswegen Gracey so schlecht schlief. Momentan zahnte sie nicht. Auch sonst gab es keine Anzeichen dafür, was sie wachhalten könnte. Koliken gab es auch keine.

Langsam aber sicher machte ich mir wirklich Sorgen um meine Prinzessin. Dass ich bereits übermorgen wieder abreiste und mit meiner Crew und Annie wegen der Tour nach Alaska flog, unendlich weit weg von Gracey, machte die Sache nicht besser.

Müde quälte ich mich aus dem Bett und ging zu meiner Tochter. Doch noch ehe ich ihr Zimmer betreten konnte, blieb ich verwundert vor der bereits offenen Tür stehen und starrte wie gebannt die Frau an, die noch vor wenigen Wochen keinen Sinn mehr in ihrem Leben sah.

Annabelle schien schneller als ich gewesen zu sein und hielt Gracey vorsichtig in ihren Armen, wiegte sie liebevoll in den Schlaf und erzählte ihr dabei die Geschichte von Arielle, der Meerjungfrau und ihren Freunden.

Ich musste unweigerlich lächeln, als ich mich daran erinnerte, dass die rothaarige Arielle einst Annies Heldin war und Ben und ich den Film mit ihr gefühlte tausend Mal angesehen hatten.

»Hat sie dich geweckt?«, fragte ich, als ich das Zimmer meiner Tochter betrat und den Anblick von Gracey in Annabelles Armen in mich aufsog und tief in meinem Gedächtnis abspeicherte.

Seit der Nacht in meinem Haus in den kanadischen Rockys hatte sich einiges zwischen uns geändert. Ich hatte mich entschuldigt – für alles, was ich ihr damals angetan hatte. Dafür, dass ich nicht da war, als sie mich brauchte und dass ich das Versprechen brach, immer bei ihr zu bleiben. Dass sie mir dennoch nicht verzeihen konnte, war nicht ihre Schuld. Ich verstand es allzu gut. Denn nicht einmal ich selbst konnte mir meine Fehler von vor sieben Jahren verzeihen und hasste mich für den fatalen Entschluss, den ich nach unserer Nacht im Baumhaus damals getroffen hatte. Ich hätte sie niemals gehen lassen sollen. Doch ich war schlichtweg zu feige. Zu feige, ihr meine Gefühle zu gestehen. Und vor allem war ich zu feige, mich gegen das aufzulehnen, was mein Dad – oder sein Verschwinden – aus mir gemacht hatte.

»Zittert sie nachts immer, wenn sie aufwacht?«, wollte Annie nachdenklich von mir wissen und riss mich damit aus meinen Gedanken.

Alarmiert blickte ich zu Gracey in ihren Armen. »Nicht dass ich wüsste. Zumindest hat mir Emilia bisher nichts davon erzählt«, meinte ich besorgt und hoffte, es war eine Ausnahme, dass sie heute Nacht zitterte. »Ist ihr vielleicht kalt? Oder hat sie Fieber?«

Annie schüttelte den Kopf. »Scheint alles okay soweit. Ihre Temperatur hab ich bereits überprüft.«

Ich war überrascht. Wie lange war sie schon wach und kümmerte sich um meine Prinzessin? Oder hatte ich so tief und fest geschlafen, dass ich durch das Schreien erst viel später aufgewacht war? »Irgendwas stimmt nicht mir ihr, glaube ich.«

Annabelle blickte zu mir auf und ich bemerkte, dass sie überhaupt nicht müde aussah. Ihre Augen wirkten hellwach und fokussiert. Anders als meine vermutlich. »Schläft sie die letzte Zeit häufiger so schlecht?«

Ich nickte. »Wir haben es bereits von einem Kinderarzt checken lassen. Es ist ungewöhnlich, dass sie ständig aufwacht und dann kaum noch zu beruhigen ist. Selbst als sie noch kleiner war, hatte sie weitaus länger durchgeschlafen.«

»Vielleicht ist es nur eine Phase. Solange alles andere in Ordnung ist, gibt es keinen Grund sich Sorgen zu machen, Jonah.« Das hatte Emilia auch schon mal gesagt. Sogar der Kinderarzt hatte erwähnt, dass es nur eine Phase sein könnte und es bald von allein wieder besser würde. Doch das war das erste Mal, dass mich diese Worte tatsächlich ein wenig beruhigten. Wahrscheinlich weil sie von Annabelle kamen und ich wusste, ich konnte ihr vertrauen. Bei Emilia war das nicht immer so. Aus gutem Grund. Doch diesen kannte Annie bisher nicht.

»Tut mir leid wegen vorhin«, flüsterte ich niedergeschlagen, als Gracey ruhiger wurde und ihr langsam müde die Augen zufielen, während sie in Annabelles Armen lag.

»Schon gut. Ehrlich gesagt, ich hätte mich nicht einmischen dürfen. Es ist dein Leben und deine Familie. Ich habe kein Recht, darüber zu urteilen. Und schon gar nicht habe ich das Recht, dir Ratschläge zu erteilen.« Annie versuchte zu lächeln. Doch man sah ihr an, wie schwer es ihr fiel.

»Ich finde, eine beste Freundin hat sehr wohl das Recht auf das alles«, widersprach ich leise und meinte meine Worte absolut ernst.

Annabelle aber schüttelte den Kopf. »Die bin ich aber nicht mehr, Jonah. Sieh es endlich ein.« Vorsichtig legte sie meine Tochter zurück in ihr Bettchen, nachdem sie endlich eingeschlafen war, und verschwand im Flur. Die Diskussion schien für sie offensichtlich beendet, daher ergriff sie die Flucht und wollte zurück in das Gästezimmer, in dem sie die Nächte hier in meinem Haus verbrachte, doch ich hielt sie auf.

Mit nur wenigen schnellen Schritten war ich bei ihr und griff nach ihrem Arm, damit sie stehen blieb. »Das sehe ich anders und das weißt du genau«, knurrte ich leise und durchbohrte sie mit meinem Blick. Ich konnte und wollte nicht daran glauben, dass wir nie wieder das sein würden, was wir einmal waren. Ganz egal, was sie sagte. »Nach all den Jahren bist es immer noch du, die mich am besten kennt.«

Annabelle schnaubte abfällig und riss sich von mir los. »Du meinst, jetzt, wo Ben nicht mehr da ist?«

Ich schluckte schwer. »Wir sind immer noch Freunde, Annie. Auch wenn es sich für dich nicht so anfühlt. Noch nicht zumindest.«

Stur blickte sie mir entgegen. »Von wegen! Wir sind Fremde, Jonah. Du hast keine Ahnung von meinem Leben und ich ebenso wenig von deinem. Bis vor kurzem wusste ich ja nicht mal, dass du bereits Vater bist!«

Überrascht hob ich eine Augenbraue. Ich wusste zwar, dass sie wütend war. Die ganze Zeit über hatte sie eine Unmenge an Wut im Bauch. Doch hatte ich bisher keinen Gedanken daran verschwendet, dass Gracey einer der Gründe dafür sein könnte.

»Bist du etwa deswegen so wütend?«, fragte ich nervös und versuchte die Wahrheit in ihren Augen zu finden.

Annie schien jedoch irritiert. »Du meinst, weil du Vater bist?« Ja. Nein. Wer weiß…

Ich schüttelte dennoch den Kopf. »Weil du es nicht wusstest, meine ich.«

Annabelle seufzte und senkte den Blick. Eine Weile schwieg sie, bis sie wieder zu mir aufsah und mit Tränen in den Augen ihren Kopf schüttelte. »Ich bin nur enttäuscht, dass Ben es mir nie gesagt hat. Ganz egal, ob du ihn darum gebeten hast, mir nichts zu erzählen. Ich dachte immer, mein großer Bruder würde mir immer alles sagen, würde niemals etwas vor mir geheim halten und mir alles erzählen.«

Ich versuchte meinen Mund zu halten. Das tat ich wirklich. Ich wusste, würde ich ihn jetzt öffnen, es würde nichts Gutes herauskommen. Es gelang mir trotzdem nicht. Zu schmerzhaft brannten die Worte auf meiner Zunge. »Dein Bruder hat dir so einiges nicht erzählt…«

Annabelle runzelte die Stirn und starrte mich fassungslos an. »Was?«

Ich hasste mich dafür, dass ich ihr die Wahrheit sagte. Gleichzeitig fühlte es sich befreiend an, unendlich befreiend sogar. Wie lange hielt ich dieses Geheimnis in meinem Herzen, um meinem besten Freund nicht zu schaden? Es waren Jahre. Und erst kurz vor Bens Tod hatte ich mich mit ihm über all die Missverständnisse ausgesprochen. Ich wusste von ihm, dass Annie keine Ahnung hatte, was damals wirklich vorgefallen war, wusste, wie sehr sich Ben dafür hasste, ihr das verschwiegen zu haben und wie feige er sich fühlte. Er hatte es dennoch nie übers Herz gebracht, die Wahrheit zu sagen. Er hatte es vor, das hatte er mir bei meinem letzten Besuch bei ihm noch erzählt. Doch der Krebs ließ es nicht mehr zu, er nahm ihm die Kraft und die Stimme, sich bei ihr zu entschuldigen. Es war nun also an mir, dies zu tun. Für ihn. Auch wenn seine dämliche Aktion damals dazu beigetragen hatte, dass ich den größten Fehler meines Lebens begann.

»Was zum Teufel willst du mir damit sagen, Jonah? Was hat mir mein Bruder sonst noch verheimlicht?«, fragte Annabelle ungeduldig und mit zitterndem Körper.

Plötzlich wusste ich, ich konnte es ihr nicht sagen. Nicht jetzt und nicht so. Sie würde es nicht verstehen. Vermutlich würde sie mir nicht einmal glauben und danach einfach abhauen und aus meinem Leben verschwinden. Wieder einmal.

Das konnte ich nicht zulassen. Die Wahrheit musste warten. Solange, bis sie mir endlich vertraute.

»Du solltest jetzt schlafen gehen, Schneewittchen«, sagte ich bestimmt und drehte mich um, um mich schnellstmöglich von ihr zu entfernen.

Annabelle schien jedoch schneller und schnitt mir den Weg ab. »Du kannst mich doch jetzt nicht einfach so stehenlassen«, zischte sie wütend.

»Es ist besser so, glaub mir.«


Sieben Jahre zuvor

»Jonah Reeves, du bist mir eine Erklärung schuldig«, hörte ich meinen besten Freund am Telefon sagen, noch ehe ich ihn begrüßen konnte. Ben und ich hatten schon ein paar Tage nicht mehr miteinander gesprochen. Daher verstand ich auch überhaupt nicht, was er damit meinte. Was für eine Erklärung war ich ihm schuldig? Seitdem er und Annie zu ihrer Tante nach Greenfield gezogen waren, hatte ich mit Sicherheit nichts angestellt, was eine Entschuldigung ihm gegenüber rechtfertigte. Dachte ich zumindest.

»Was hab ich getan?«, fragte ich irritiert und vielleicht ein wenig zu gereizt, um ihn damit nicht noch mehr zu provozieren.

Ben lachte verbittert. »Witzig, dass du das fragt. Dasselbe wollte ich nämlich von dir wissen.«

Jetzt stand ich vollends auf dem Schlauch. Was zur Hölle hatte er für ein Problem? Noch vor ein paar Tagen schien alles in Ordnung. »Ich weiß nicht, was du meinst, Ben. Was ist los? Ist irgendwas passiert?«

»Annie heult sich wegen dir die Augen aus dem Kopf, das ist passiert«, knurrte mein bester Freund und ich verstummte automatisch, während sich mein Herzschlag unweigerlich beschleunigte. Hatte sie es ihm erzählt? Hatte Annabelle mich verraten? »Was zur Hölle hast du getan, Reeves? Ich weiß genau, ihr habt euch nochmal gesehen in der Nacht, bevor wir aus Underwood weg sind.«

Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare und setzte mich langsam mit dem Handy am Ohr auf mein Bett. Ich hätte wissen müssen, dass es ihm auffallen würde. Er war schließlich mein bester Freund und Annies Bruder. Natürlich würde er es herausfinden. Früher oder später musste das einfach passieren.

Seufzend versuchte ich mich trotz besserem Wissen und Gewissen herauszureden. »Ich habe nichts getan. Wir haben nur geredet, mehr nicht.«

»Glaube ich euch nicht.« Ben schien ruhig. Doch genau das beunruhigte mich.

»Euch?«

»Annie beharrt auch darauf, dass ihr nur geredet habt. Glaube ich aber nicht. Ich kenne euch zwei.«

Erneut seufzte ich tief. »Und was ist deiner Meinung nach dann passiert?«, wollte ich wissen, während ich glaubte, mein Herz würde vor Nervosität aus meiner Brust springen.

»Ihr habt gestritten!«, bellte Ben voller Überzeugung und überraschte mich damit ein weiteres Mal, während eine Flut der Erleichterung über mich schwappte. Annie hatte ihm also doch nichts über uns und die letzte gemeinsame Nacht erzählt. Sie hatte mich nicht verraten.

»Wie kommst du darauf?«, fragte ich kleinlaut und schluckte meinen Kloß im Hals herunter.

»Weswegen solltest du dich sonst nicht mehr bei ihr melden?« Berechtigte Frage! Nur konnte ich ihm unmöglich die Wahrheit sagen.

»Hat sie das gesagt? Dass ich mich nicht mehr bei ihr melde?«

Ben dachte gar nicht daran, meine Frage zu beantworten. Ich konnte es ihm nicht verübeln. »Was ist zwischen euch passiert, Jonah? Ich bin ihr Bruder verdammt nochmal!«

»Und mein bester Freund, ich weiß«, bestätigte ich verstehend und wurde wütend. Wütend auf mich selbst, weil ich zuließ, dass das alles geschieht. Und ebenso wütend auf Ben, weil er sich nicht mehr daran erinnerte, dass er der Auslöser für das alles war.

»Was soll das bedeuten?«

»Das bedeutet, du bist selbst schuld«, rutschte es mir unkontrolliert heraus und ich wusste, jetzt war es zu spät. Ich konnte die Wahrheit nicht länger vor ihm verbergen. Zumindest nicht den Teil, an dem er alles versaut hatte.

»Was hab ich denn jetzt damit zu tun? Ich war doch gar nicht bei euch«, beschwerte sich mein bester Freund.

Ich seufzte abermals und holte tief Luft. Ich musste es ihm jetzt sagen. »Erinnerst du dich an die letzte Geburtstagsparty von Kyle?«

»Nicht so richtig. Wieso, was war da?« Ben war ahnungslos wie eh und je.

»Du hattest zu viel getrunken. Viel zu viel.«

»Okay, das ist wohl das Einzige, woran ich mich von der Party erinnere. Und an die höllischen Kopfschmerzen am nächsten Tag werde ich mich wohl mein Leben lang erinnern können«, scherzte mein bester Freund, verstand er schließlich nicht, worauf ich hinaus wollte.

»Ich war auch dort. Weißt du das auch noch?«, fragte ich ruhig und dennoch voller Zorn.

»Nein. Ja. Keine Ahnung. Was hat das alles mit Annie zu tun, Jonah?« Ben wurde ungeduldig und mir wurde wieder einmal bewusst, dass es nichts an all dem ändern würde, wüsste er, was er mit der ganzen Sache zu tun hatte. Ben war nach wie vor mein bester Freund und ich wollte ihn nicht verlieren, auch wenn viele hunderte Meilen zwischen uns lagen. Er war alles, was ich noch hatte. Alles, was mir noch blieb. Ich wollte nicht auch das noch zerstören. Schon gar nicht wollte ich, dass er sich dafür schuldig fühlte und deswegen Ärger oder gar Streit mit Annabelle bekam. Es war besser, sie machte mich allein für alles verantwortlich. Auch wenn das bedeutete, dass sie mich hasste. »Jonah? Was hat Kyles Party mit meiner Schwester zu tun?«

»Nichts. Schon gut. Ich hatte mich gerade nur daran erinnert, wie betrunken du an diesem Abend warst.« …Und dass du mir dort zum ersten Mal die Wahrheit darüber gesagt hast, was du über mich denkst, dachte ich, sprach es aber nicht aus.

Das jedoch machte Ben nur noch ungeduldiger. »Jonah, verdammt! Hör auf in Rätseln zu quatschen und sag mir, was los ist.«

»Ich glaube, Annie hat Gefühle für mich.« Das war nicht gelogen. Und dennoch nicht die volle Wahrheit, allerdings ein Teil des Problems.

»Okay.« Ben schien offensichtlich nicht zu wissen, was er dazu sagen sollte. Kein Wunder, schließlich wusste ich nicht einmal, was ich mir davon versprach, es ihm zu sagen. »Und weiter?«, fragte er seelenruhig, während ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand.

»Und die kann und werde ich nicht erwidern können!« Jetzt war sie raus. Die nächste Lüge, nur um Annabelle vor mir zu schützen.

»Warte, was?« Ben war verwirrt. Weshalb, verstand ich allerdings nicht.

»Deswegen hab ich mich dazu entschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen. Damit ich sie nicht weiter mit meinem Verhalten verletze und sie ihr Leben weiterleben und einen anderen Jungen finden kann. Einen, der sie genauso liebt und nicht jede Woche mit einer anderen in der Gegend umhervögelt. Das ist der Grund, warum ich mich nicht mehr bei ihr melde.«

»Du…« Mein bester Freund schien sprachlos.

»Du kennst sie, Ben. Solange sie Hoffnung hat, gibt sie niemals auf«, versuchte ich ihn auf meine Seite zu holen, auch wenn er nicht die ganze Wahrheit darüber kannte. Ich musste es tun, ich hatte keine Wahl.

Ben schien es ähnlich zu sehen. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, ehrlich gesagt«, meinte er nach einer Weile der Stille. Vermutlich musste er all das erst einmal sacken lassen.

»Aber du verstehst, warum ich das tun muss, oder?«, fragte ich mit Nachdruck und hoffte auf seine Vernunft. Er kannte seine Schwester schließlich genauso gut wie ich. »Solange Annie weiter mit mir Kontakt hat, vor allem jetzt, da wir uns ohnehin nicht mehr so oft oder gar nicht mehr sehen werden, wird sie sich an ihre Hoffnung klammern und ihre Gefühle für mich nicht ziehen lassen. Das muss sie aber! Sie lebt jetzt mit dir in Greenfield und muss sich dort ein neues Leben aufbauen, neue Freunde finden. Vor allem aber einen anderen Jungen, dem sie ihr Herz schenken kann. Ich will es nicht. Und ich verdiene es auch nicht. Ich würde ihr nur wehtun, sobald ich mit der nächstbesten ins Bett steige. Ich möchte ihr aber nicht ständig wehtun, Ben. Dafür ist sie mir zu wichtig.«

Wieder war es eine ganze Weile still am anderen Ende, bis ein verzweifeltes Seufzen die Ruhe durchschnitt. »Bist du sicher, dass sie Gefühle für dich hat?«

»Sie hat es ziemlich deutlich gezeigt in dieser Nacht im Baumhaus. Vertrau mir, Ben. Bitte! Ich muss das tun. Sonst wird Annie nicht glücklich in Greenfield.«

Erneut Stille. Dann ein unüberhörbar hartes Schlucken. »Ich vertraue dir, Jonah.« Das überraschte mich jetzt doch. Oder aber er sagte das nur, weil es ihm ohnehin recht war, dass ich mich fern von ihr hielt. »Ich weiß nur nicht, was ich ihr sagen soll, weswegen du dich zwar weiterhin bei mir meldest, jedoch zu ihr keinen Kontakt mehr haben willst.«

»Sag ihr die Wahrheit. Sag ihr, ich kann ihre Gefühle nicht erwidern.«

Ben zögerte. »Das wird sie zerstören, das ist dir klar, oder?«

»Aber nur vorübergehend. Danach hat sie die Chance, endlich glücklich zu werden«, versuchte ich meinen besten Freund zu überzeugen.

Ben zögerte dennoch. »Bist du dir wirklich sicher, dass du das willst, Jonah?« Nein!

»Ich bin mir sicher, ja.«

Breathe Harder

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