Читать книгу THE HUNTER | Staffel 2 | Teil 1 & 2 - Katja Piel - Страница 3

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PROLOG

65 v. Chr – Rumänien – Karpaten

"Nur noch einmal." Rigo Paneli stand bereits der Schweiß auf der Stirn, obwohl eisiger Wind um seine Beine fuhr, der sich zu frisch für diese Jahreszeit anfühlte. Der Sommer war längst überfällig. Mit zitternden Fingern schrieb er die Formel um, wischte sich die Schweißperlen von der Oberlippe. Er hatte es sich angewöhnt, seine Zaubersprüche niederzuschreiben, so bildete er sich ein, dass ihre Wirkung intensiver sei. Ihm kam es vor, als würde er sich den Spruch in seinen Kopf schreiben, statt auf das Pergament. Zumindest glaubte er daran. Einfache Zauber hatten bislang wunderbar funktioniert. Warum nicht auch dieser?, grübelte er.

Ungeduldig strich er eine Haarsträhne aus seinem Gesicht, die an seinem Schweiß kleben geblieben war. Schließlich stellte er sich erneut in seinen magischen Kreis und breitete die Arme aus. Um das Ritual korrekt durchzuführen, musste er ihn komplett ausfüllen, zumindest hatte es ihm so einmal ein Hexer aus Rom erzählt. Dazu spreizte er die Beine, so dass die nackten Füße direkt an die feine Linie aus weißem Gebirgssand stießen. Ob es funktionierte, wusste er nicht; Rigo beschäftigte sich noch nicht lange mit der Beschwörung von übersinnlichen Wesen, wohl aber mit der Erforschung ungewöhnlicher Aufzeichnungen, die er von seinen Reisen aus Ägypten mitgebracht hatte. Ein freudig erregter Schauer kroch ihm den Rücken hinab. Wenn alles funktionieren würde, könnte er heute Abend mit Sonya einschlafen. Es wäre so, wie es sein soll. Wie es sich für Eheleute gehörte. Auch für Samara...

Rigo holte tief Luft, seinen Blick richtete er gen Norden, wie es ihm der alte Kauz aus Ägypten berichtet hatte.

„Von den vier Himmelsrichtungen kannst du Wesen beschwören. Aus dem Norden stammen die mächtigsten Dämonen. Jene Kreaturen, die selbst Tote zum Leben erwecken können. “ Der ägyptische Magier hatte dabei seine Hände erhoben und die Augen geschlossen. Seine Stimme klang ruhig, ohne Hektik. Fasziniert hatte Rigo damals auf die tiefen Furchen in seinem ausgemergelten Gesicht gestarrt.

„Im Westen lauern Hexen, die dir behilflich sein können, Menschen zu verzaubern.“ Rigo hatte jedes Wort des alten Mannes aufgesaugt, als seien sie Medizin.

„Im Osten warten böse Kobolde, die dir aber mehr schaden als nützen.“ Schließlich hatte der Ägypter tief Luft geholt, die Hände hinab gesenkt und ihn aus seinen wässrig blauen Augen angesehen. „Und aus dem Süden kommt der Teufel persönlich. Wenn du nicht einen guten Grund hast, ihn zu beschwören, lass ihn dort wo er ist. Denn für deinen Wunsch will er deine Seele.“

Für einen kurzen Augenblick musste Rigo an den alten Mann, seine Worte und seine Warnung denken. Doch die hatte er ja lediglich für den Teufel ausgesprochen. Und den hatte Rigo nicht vor, zu beschwören.

In der Ferne konnte er nur schwach die Gebirgsketten der Karpaten erkennen, die vom Mond angeleuchtet wurden. Gedämpft sprach er die Begriffe, die er eben umgestellt hatte, die Hände hielt er dabei schräg nach oben, die Arme weiter ausgestreckt, so dass er bereits Schmerzen verspürte und die Muskeln zitterten. Schon nach wenigen Minuten bemerkte er eine Veränderung, etwas Neues, was er die Male vorher weder gespürt, noch gesehen hatte. Die Härchen an seinen Unterarmen stellten sich auf, seine Füße wurden plötzlich heiß, so als stünde er auf glühenden Kohlen. Bald war die Hitze so unerträglich, dass er sein Bein anwinkelte. Doch immer weiter kroch die Gluthitze mittlerweile in seine Fesseln. Brannte er? Bislang wollte er nicht nachsehen, der Blick blieb fest auf die Karpaten gerichtet. Er hatte Angst, die Beschwörung würde unterbrochen. Schließlich hielt er den Schmerz nicht mehr aus, senkte den Kopf, aber er erblickte nur seine Füße. Kein loderndes Feuer. Verwirrt nahm er die ursprüngliche Haltung ein, richtete seine Aufmerksamkeit erneut gen Norden – und schrak zusammen. Ihm gegenüber war dichter, schwarzer Rauch aufgestiegen, hoch wie eine Wand. Er war eindeutig unnatürlich und waberte vor ihm, veränderte seine Form immer wieder … und er kam näher! Rigos Fingerspitzen wurden eiskalt, als er eine donnernde Stimme in seinem Kopf wahrnahm. „Wer bist du und wo bin ich?“ Während das tiefe Timbre in ihm widerhallte, hatte er gleichzeitig das Gefühl, als würden tausend dünne Nadeln gegen seine Schädeldecke stoßen. Jedoch nicht von außen, sondern von innen. Er presste sich die Hände an die Schläfen. Währenddessen stellte er fest, dass sich der feine, schwarze Nebel schneller bewegte. Wie eine Welle, bloß nicht aus Wasser. Jetzt begriff er, dass er wirklich etwas beschworen hatte.

„Ich habe dich gerufen“, sagte er bebend. Wie sollte er den Rauch ansprechen? „Mein … mein Meister.“ Rigo starrte auf die undurchsichtige, wabernde Masse, hielt weitehin die Hände an seine Schläfen. Angst packte ihn, da er nicht wusste, ob er es tatsächlich kontrollieren könnte.

„Was willst du?“ Die Stimme klang erzürnt, erfüllte seinen Kopf. Wieder die stechenden Schmerzen. Er kniff die Augen zusammen.

„Bitte, Meister. Ich habe dich gerufen, weil ich möchte, dass du meine Frau aus dem Totenreich zurückholst. Ich gebe dir alles, was du …“

Der Rauch umschlang ihn, wurde dichter, legte sich um seine Kehle, drückte zu. Rigo bekam kaum noch Luft.

„Du kannst mir nichts geben, außer deinem Körper.“ Körper? Was meinte es damit? Der Druck auf seinem Hals ließ plötzlich nach. Diese Pause nutzte er, um Atem zu holen, jedoch nicht um die Flucht zu ergreifen. Er trat einige Schritte aus dem Kreis hinaus, schüttelte dabei die schmerzenden Arme und hechtete zu dem Stein, auf dem er seine Feder und Papier liegen gelassen hatte. Seine Gedanken wirbelten in seinem Kopf. Es fühlte sich nicht richtig an. Irgendetwas war schiefgegangen und Rigo ahnte, dass er nicht viel Zeit hatte. Er musste aufschreiben, was passiert war. Als Warnung, falls man Samara finden würde. Ohne ihren Vater. Der Rauch folgte ihm, hüllte ihn ein, presste seinen Brustkorb zusammen, raubte ihm fast die Luft. Er kniete sich nieder und mit seinen letzten Reserven tunkte er die Feder in die Tinte, kritzelte etwas auf das Papier. Er kämpfte um jedes Wort. Schließlich gab er auf. Die imposante Kraft, die ihm nicht mehr die Luft abdrückte, aber in seinen Mund, Nase und Ohren eindrang, war zu stark. Zuerst konnte Rigo nicht schlucken. Der Reflex hatte einfach ausgesetzt. Panik überfiel ihn. Dann legte sich ein bohrender Druck auf seine Eingeweide. Die Beschwerden, die dabei entstanden, waren unbeschreiblich, so als würde in ihm etwas auseinandergerissen. Er hörte noch sein Herz klopfen, aber der Schlag wurde langsamer und seine Angst und der Wille zu überleben, stärker. Trotz lähmender Schmerzen, versuchte er, sich gegen den Eindringling zu wehren, der sich wie ein Wurm durch seinen Körper schlängelte und ihn zu verschlingen drohte. Doch es war zu spät. Sternchen explodierten vor seinen Augen, sein Kopf schien auseinanderzubrechen. Rigo litt Höllenqualen, wünschte sich das Ende. Plötzlich legte sich Schwärze über seine Pupille und es war, als würde er fallen, langsam mit einem undefinierbaren Ziel. Ganz abrupt plagten ihn keine Qualen mehr. Erst spürte er seine Finger nicht, dann folgte der restliche Körper, der wie in Watte getunkt von der Außenwelt abgeschnitten wurde. Es war, als wäre Rigo niemals da gewesen.

***

Er erhob sich wankend. So schwach war er noch nie gewesen. Die Knie zitterten. Als er den Mund öffnete, hob sich seine Brust und die Lungen füllten sich mit Luft. Alles an ihm fühlte sich sonderbar an. Von innen zu weich, von außen zu hart, fast wie eingesperrt in einem viel zu kleinen Raum. Von fern erreichten ihn Geräusche. Hoch und schrill. Unangenehm. Er sah sich um. Wo war er? Er zwang sich, die Hände zu heben, sie anzusehen und zu bewegen. Als er sich verwirrt umsah, entdeckte er einen Stein in einer dunklen Lache. Ungelenk beugte er die Knie und führte den Finger zu der Flüssigkeit. Kalt, zäh, seltsam. Ein Tropfen lief über die Fingerknöchel nach unten. Vorsichtig leckte er daran. Wie plump die Zunge war. Der bittere Geschmack ließ ihn zusammenzucken. Das hatte er nicht erwartet. Ratlos sah er sich um. Von Fern blendete ihn ein Licht, das auf einem Berg flackerte. Von dort kam das Geräusch.

Er stand auf und hastete los, strauchelte. Wohl der ungewohnten Bewegung wegen. Stürzte. Schmerz war eine neue Erfahrung. Je näher er dem Felsen kam, umso mehr konnte er nun erkennen, woher die Lichtquelle stammte. Sie kam nicht von einem Berg, sondern aus einer Höhle, die direkt in Felsgestein geschlagen worden war. Vermutlich eine Behausung, vermutete der Dämon. Aus der Welt, aus der er kam, existierten ebenso Unterschlüpfe. Doch die waren wesentlich kleiner und befanden sich eher in der Erde. Langsam schlich er sich an, auch wenn seine Bewegungen noch ungelenk waren, fing er an, sich an diesen Körper zu gewöhnen. Zwar fühlte er sich eingeengt und mochte den weichen, fast labberigen Inhalt nicht, aber wenn Luft durch seine Nase und Mund strömte, empfand er sich erfrischt. Je näher er der Höhle kam, desto lauter und unangenehmer wurden die Geräusche. Seine Ohren rauschten und summten davon. Möglicherweise konnte er es abstellen, also schlich er sich in das Loch, näherte sich dem Ursprung und entdeckte ein kleines menschliches Wesen, das, eingehüllt in Tüchern, auf dem Boden lag. Der Dämon verglich die Größe des Körpers, den er nun besaß, mit dem Bündel. Die schrillen Schreie entwichen dem Mund des winzigen Gesichts, das hochrot angelaufen war. Plötzlich durchdrangen weitere Laute, die von draußen kamen, die Finsternis. Er beschloss kurzerhand, die Behausung zu verlassen, raste durch die Nacht. Der Unterschied zu seiner Welt war zu jeder Zeit spürbar. Ob es die klare Luft, die Geräusche, der Geruch und die Ordnung, die hier zu spüren war. In seiner Umgebung herrschte Chaos, alles in ständiger Veränderung, dunkel oder hell, oben oder unten. Nichts war beständig. Schwarze Schatten, die umherstreiften, ohne Ziel, Anfang oder Ende. Zeit war nicht mess- oder spürbar. In dieser Welt hatte der Dämon das Gefühl, er würde durch eine wabernde Masse gehen, die ihn aufhielt, ihn langsamer machte. Er fühlte sich eingeengt und doch ahnte er, dass er hier ohne Körper nicht überleben würde.

Als er aus seiner Umgebung durch einen Strudel bestehend aus Licht hinausgezogen worden war, spürte er den Übergang mit qualvollen Schmerzen. Etwas, das er als Dämon bisher nicht gekannt hatte. Mit aller Kraft hatte er versucht, sich zu wehren, doch es war zwecklos. Die fremde Luft, die Energie, die nun um ihn floss, all das hatte sich gefährlich angefühlt. Er hatte gespürt, dass er seine Gestalt aus Rauch nicht aufrecht halten konnte, und war in den Körper eingedrungen, der vor ihm gestanden hatte. Wie sollte er wieder zurückkommen, wenn er nicht mal wusste, warum er hier war?

Funkelnde Augen blitzten in der Dunkelheit auf. Der Dämon spürte keine Angst, Hunger oder Durst, aber der Leib wurde langsamer, schwächer und die Zunge in seinem Mund klebte bereits an seinem Gaumen. Könnte er die Gedanken seiner Hülle anzapfen? Er blieb stehen und schlängelte sich durch ihn, bis er die wichtigsten Instinkte übernommen hatte. Solange er nicht wusste, wie er zurück in seine Welt käme, müsste er sich arrangieren. Der Dämon wandte sich nach links, von wo aus ein plätscherndes Geräusch kam. Ein Fluss! Wasser! Mit wenigen Schritten war er am Ufer und tauchte den gesamten Schädel in das kühle Nass. Schließlich öffnete er den Mund und schluckte gierig. Dann zog er den Kopf hinaus, sah sich um und entdeckte eine weitere Behausung in seiner Reichweite. Langsam ging er näher, von den gleißend, erleuchtenden Körpern angezogen. Als er an dem Loch angekommen war, und hineinsah bemerkte er, dass einer anders war. Von innen heraus flackerte ein Licht. Zart, kaum wahrnehmbar. Mit Interesse trat er einen Schritt vor.

***

„Es ist mir egal, was du sagst. Ich kann hier nicht mehr leben. In der Abgeschiedenheit, weit weg von anderen Menschen. Lass uns doch bitte mit Andreij und seinen Leuten fort gehen.“ Danitza wickelte eine Schnur um ihre Haare und zog ihren Zopf glatt. Schmollend verschränkte sie die Arme vor der Brust, das Kinn herausfordernd erhoben. Oh, wie Gyula sie in solchen Momenten liebte! Im Kerzenschein sah seine Frau besonders hübsch aus, wenn dann auch noch die dunklen Augen funkelten und ihr Temperament verrieten.

„Comoara mea, mein Schatz. Andreij ist ein Verbrecher und Betrüger. Von einem Ort zum nächsten. Keinen festen Platz. Ich will so nicht leben, versteh doch.“ Schnaubend erhob sie sich, ging in der kleinen Höhle auf und ab, deutete mit der Hand auf ihre Behausung.

„Nichts, mein Schatz. Wir haben kaum Freunde, die nächsten Menschen leben zu weit weg. Als ich dir damals gefolgt bin, dachte ich nicht, dass wir hier daheim sein müssen“, mit den Händen machte sie eine ausschweifende Geste, „nachts lauern Wölfe und Bären. Glaubst du, das Leder am Eingang hält die fern? Ich will hier keine Kinder groß ziehen. Niemals.“ Kinder. Gyula seufzte und stand auch aus seinem Schneidersitz auf. „Bitte, frumoaso, meine Schönheit. Lass uns noch ein wenig warten und alleine aufbrechen, ja? Bitte nicht mit diesem Pack.“ Zärtlich strich er ihr eine gelöste Haarsträhne aus dem Gesicht, berührte mit dem Zeigefinger ihre Lippe und zog sie an sich. Ihr Körper gab ein wenig nach, doch er wusste, sie war noch nicht besänftigt. Sanft streichelte er ihren Hals, beugte seinen Kopf, um auch ihren Nacken mit seinen Lippen zu liebkosen. Danitza stahl sich aus seinen Armen, schubste ihn leicht. Er nahm sie am Arm und zog sie wieder zu sich, fuhr fort, ihren Mund zu küssen. Ihre Augen waren geschlossen. Gleich würde er sie lieben, auf dem Wolfsfell, am Feuer. Hitze durchströmte ihn, als ihr Busen seinen Arm streifte.

Zunächst spürte er plötzlich nur einen kurzen Druck an seinem Rücken, der sich langsam durch die Rippen und die Brust schob. Gyula drückte Danitza von sich weg und ihr gellender Schrei ließ ihn von einer Sekunde auf die andere verharren. Mit aufgerissenen Augen starrte sie ihm ins Gesicht, blickte an ihm hinab, strauchelte weiter rückwärts gegen die Höhlenmauer. Verwirrt packte er sich an die Brust, gurgelnd versuchte er Luft zu holen, doch es gelang ihm nicht, denn in seiner Mitte befand sich ein Loch, doppelt so groß wie eine Faust. Er hörte die Worte seiner Liebsten nicht mehr, das Blut rauschte in seinen Ohren und schließlich sackte er in die Knie, kippte zur Seite.

Danitza presste sich an die Wand, obschon sie ahnte, dass sie dem Tier nicht entfliehen konnte. Als sie in das Gesicht blickte, das hinter ihrem Geliebten zum Vorschein kam, schnappte sie ungläubig nach Luft. Panik breitete sich in ihr aus, die Angst, die sie überfiel, schnürte ihr fast den Hals zu, als sie an dem Mann, den sie als liebenswerten Menschen kennen gelernt hatte, hinunterblickte. Rigo! Seine Hand war immer noch zur Faust geballt, hielt etwas. Das Herz von Gyula. Blut tropfte auf den Höhlenboden, fiel in die Flammen und machte zischende Töne. Panisch suchte sie nach einem Ausweg, doch den gab es nicht. Die Höhle war klein und mit wenigen Schritten zu durchqueren. Sie stand bereits in der hintersten Ecke und zuckte zusammen, als er auf sie zu kam. Beim Näherkommen warf er achtlos das Organ ins Feuer, das knisternde, fast fauchende Geräusche von sich gab, legte seine Hand an ihren Hals und sprach mit fremden Worten auf sie ein. Seine Finger waren glühend heiß, sein Gesicht kam näher und Danitza roch fauligen Atem, so dass sie den Kopf zur Seite drehen musste. Ihr Körper war regungslos, wie gelähmt, doch ihre Gefühle, die Angst übertraf alles, was sie bisher erlebt hatte. Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln. Der Kummer um Gyula fraß sich durch ihre Eingeweide. Ihre Knie zitterten. Was würde er mit ihr tun? Sie ebenso abschlachten? Sie fühlte etwas Nasses an ihren Schenkeln hinablaufen. Vor Angst hatte sie ihre Blase entleert.

„Bitte“, jammerte sie. „Bitte, lass mich leben.“ Rigos Worte wurden lauter, erfüllten bald ihren Kopf. Mit der blutbesudelten Hand drückte er sie auf den Boden, die heißen Finger wanderten vom Hals zu ihrer Stirn. Gleißender Kopfschmerz breitete sich aus, vor ihren Augen flackerte es, als sie den kalten Steinboden an ihrem Rücken spürte. Mittlerweile weitete sich die Panik in ihr so weit aus, dass ihr ganzer Körper zitterte. Letztlich ahnte sie, was er vorhatte. Mit seinem Knie schob er ihre Schenkel auseinander, mit der Hand schlug er das Kleid zurück. Danitza versuche wie wild, ihre Beine zu bewegen, doch ihr eigener Leib gehorchte ihr nicht mehr. Ihr Herzschlag pochte in ihren Ohren, so laut, dass sie dachte, er müsse es auch hören. Schließlich stieß er mit brutaler Härte in sie, ein teuflisches Grinsen auf den Lippen, so tief, dass sie glaubte, er würde bei ihrem Bauchnabel austreten. Lautlose Schreie entkamen ihrem Mund, die qualvollen Schmerzen ließen sie nicht klar denken. Immer wieder hämmerte er seinen riesigen Penis in den Leib. Warme Flüssigkeit lief ihr an den Schenkeln hinab. Blut! Es musste Blut sein. Die schwarzen Augen blickten sie an, das Gesicht erinnerte sie an einen Stein, ohne Regung. Seinen letzten Stoß jedoch hieb er mit aller Kraft in sie und verströmte seinen heißen, dicken Saft in sie. Das Leiden legte sich über sie, und als er aus ihr herauskam, spürte sie ein unangenehmes Brennen zwischen ihren Beinen. Endlich löste er seine Finger von ihrer Stirn, erhob sich und gab ihr einen Tritt mit dem Fuß. Danitza rutschte zur Seite, doch so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich immer noch nicht bewegen. Schließlich beugte Rigo sich zu ihr, öffnete den Mund und zog ihren Kopf an den Haaren näher zu sich. Etwas dunkles, Böses entwich seinen Lippen und glitt in sie. Wenige Augenblicke später legte sich Trostlosigkeit über sie, sie spürte nichts mehr, sah nur noch verschwommen die Umrisse von ihm. Alles um sie herum war bedeutungslos.

Die darauf folgenden Monate verbrachte Danitza in einem Dämmerzustand. Schon als sie mit Gyula damals diese Behausung bezogen hatte, war der Kontakt zu anderen Menschen abgebrochen. Nur Andreij hatte immer wieder versucht, sie zu überreden, mit ihm, seiner Familie und einigen anderen eine neue Heimat zu finden. Und seit jener Nacht war die Höhle umgeben vom Bösen. Etwas, das von Rigo ausging und die Welt um sie herum vergiftete. Manchmal fühlte sie sich wacher. Das waren die Momente, wenn Rigo sie fütterte und ihr Wasser gab. Doch gleich darauf verfiel sie in Lethargie, die sie in die Ecke der Felswände zwang. Ein Platz, wo sie einfach nur sitzen konnte, auf den Ausgang starrte oder auf die Feuerstelle, in der schon lange keine wärmenden Flammen mehr brannten. Ein Wolfspelz lag um ihre Schultern, um sie zu wärmen.

Was hatte Rigo ihr angetan? Was war mit ihm passiert? Immer noch konnte sie sich nicht bewegen, nicht klar denken, oder die Zeit abschätzen, die sie dort saß. Nur, wenn er kam, um sie zu füttern, schien der Zauber für einen kurzen Augenblick gebrochen. In diesen Momenten spürte sie das Kribbeln in ihren Beinen, doch bevor sie diese auch bewegen konnte, legte er seine Finger auf ihre Stirn. Dann kam der Kopfschmerz und schließlich setzte die Lähmung ein. Sie war wieder alleine, weinte und wünschte sich, er würde sie erlösen.

Rigo brachte ihr Fleisch, das er ihr in großen Stücken in den Mund schob. Es füllte ihre Backen aus und sie schaffte es kaum, den großen Brocken mit den Zähnen zu zerkleinern, da spürte sie etwas. In ihrem Bauch. Ein Zittern, wie ein Flügelschlag eines Schmetterlings, der von innen gegen ihren Unterleib schlug. Die Erkenntnis traf sie wie ein Donnerschlag, fast vergaß sie, weiter zu essen, doch Rigo stopfte ihr noch mehr Fleisch in den Mund, der schon offen stand. Hastig kaute sie, schluckte große Stücke hinunter.

In ihr wuchs ein Baby! Und es musste bereits groß genug sein, dass sie es fühlen konnte. Tiefe Trauer erfasste sie. Es war der Samen des Teufels, der in ihr heranwuchs. Nicht ein aus Liebe gezeugtes Kind mit Gyula. Dennoch hielt sie der Gedanke an ihr Kind am Leben. Die Vorfreude, es wieder zu spüren, wenn sie aus ihrer Lethargie erwachen würde. Die Momente währten nur kurz, denn kaum hatte sie die Nahrung verschlungen, versetzte Rigo sie in den Dämmerzustand.

Qualvolle Schmerzen durchzogen Danitzas Unterleib, schossen wie Pfeile in ihren Rücken. Weckten sie auf. Holten sie aus ihrer verschwommenen Welt, in der sie die letzten Monate gelebt hatte. Über die beweglichen Gliedmaßen konnte sie sich nicht freuen, an Flucht war nicht zu denken. Einzig und allein die Krämpfe und der Druck, der sich in ihrem Leib ausbreitete, waren wichtig. Angstvoll blickte sie an ihrem Körper hinab. Der Bauch wölbte sich wie eine große Steinkugel unter ihrem schmutzigen Kleid hervor. Das Baby! Obwohl es die Zeugung des Teufels war, hatte sie es lieb gewonnen, war es ihre einzige Rettung während ihrer wachen Momente. Ihr Anker. Ein weiterer Krampf durchzog ihren Unterleib, der Druck auf den Schoss wuchs, so dass Danitza keuchend und bald schreiend an der Wand auf dem Boden saß. Sie hob die Knie an, spreizte die Beine und stützte die Hände darauf. Den Kopf beugte sie nach vorne, in der Hoffnung, der Schmerz im Rücken würde gelindert. Doch die Haltung machte es nicht besser. Als sie von einer neuen Schmerzattacke überfallen wurde, schnappte sie nach Luft, hielt den Atem an, biss sich stöhnend auf die Zähne. Schweiß lief über ihr Gesicht und rann ihre Achseln hinab. Dann spürte sie, dass etwas Warmes, feuchtes unter ihren Po rann. Da es zu dunkel in der Höhle war und von draußen nur spärlich Licht hineinfiel, tunkte sie ihren Zeigefinger in die Flüssigkeit.

„Bitte, kein Blut. Bitte, kein Blut“, flüsterte sie und hob den Finger an ihre Nase. Es roch nicht, also leckte sie vorsichtig darüber. Salzig. So schmeckte kein Blut. Mit dem nächsten Krampf, zuckte sie zusammen, streckte die Beine aus und krallte sich in den Wolfspelz. Er hielt an, gab ihr keine Aussicht zu verschnaufen. Der Druck auf ihre Scham wurde größer. Sie hatte das Gefühl, sie müsste dringend ihre Notdurft erledigen und so presste sie mit aller Kraft, soweit es ihr möglich war. Erneut pustete sie die Luft aus und das Baby rutschte langsam aus ihr heraus. Mit den Händen griff sie nach unten, fühlte etwas Nasses, rundes und zwang sich, weiter zu drücken. Gleichzeitig hatten ihre Finger den Kopf umschlossen und sie zog vorsichtig an ihm. Endlich konnte sie die Schultern fühlen und schließlich flutschte es aus ihr. Erleichterung machte sich in ihr breit, doch die quälenden Schmerzen waren nicht vorbei. Durch den winzigen Körper, den sie sofort zu sich hob, kamen ihr diese nicht mehr so schlimm vor. Sie wollte es nur einmal kurz im Arm halten, bevor Rigo kommen würde. Tränen liefen ihre Wangen hinab. Sie griff nach dem Wolfspelz und legte ihn um sich und das Baby. Das Schreien störte sie nicht. Immer wieder wiegte sie sich selbst vor und zurück, beruhigte sich und ihr Kind. „Psch psch. Alles wird gut. Mama ist hier.“

Er stand im Höhleneingang mit einem teuflischen Grinsen im Gesicht. Mit wenigen Schritten war er bei ihr, streckte die Hände nach dem winzigen Menschenkind aus. Doch Danitza drückte es behutsam an sich. Der nächste Krampf kam völlig überraschend. Zwar kannte sie den Schmerz bereits, sie hatte nicht damit gerechnet, ihn sofort wieder zu spüren. Angst machte sich in ihr breit. Sie wollte es beschützen und nun wurde sie erneut von Krämpfen durchgeschüttelt. Angestrengt versuchte sie sich, auf den Druck zu konzentrieren, zu pressen und gleichzeitig das Baby im Arm zu halten. Diesmal ging jedoch alles ganz schnell, auch ohne ihre Hände. Mit einem schmatzenden Geräusch glitt ein weiteres Neugeborenes auf den Boden. Sein Schrei war schriller, schmerzte in ihren Ohren und hörte erst auf, als Rigos Schatten sich danach bückte und es aufhob. Danitza konnte nicht erkennen, was er machte, sie sah nur schemenhaft, dass er seine Hand hob und wieder senkte und die Höhle verließ. Angestrengt lauschte sie in die Dunkelheit, hielt den Atem an. Alles, was sie vernahm, waren Grillen und eine Eule. Während sie ganz still auf dem Boden saß, glitt etwas aus ihr. Es nahm die Schmerzen mit sich. Mit wackeligen Knien stand sie auf, legte das Baby vorsichtig mit dem Wolfspelz auf den Boden und kramte in einer Ecke nach einem Kleid. Fast blind konnte sie schließlich etwas aus dem Bündel herausziehen, drehte sich um und kniete sich zu dem Säugling, das sie behutsam hochnahm. Dabei bemerkte sie, dass irgendetwas an ihm hinabhing. Die Nabelschnur. Mit einer Hand tastete sie auf der Erde nach einem Messer. Behutsam genug, damit es nicht versehentlich herunterfiel. Sie war zu schwach. Schwindel überkam sie und sie ging erschöpft in die Knie. Tief einatmend nahm sie ihre letzte Kraft zusammen und als sie endlich den Griff eines Messers an ihren Fingern spürte, zog sie es zu sich, nahm es in die Hand und durchtrennte die Nabelschnur. Vor Anstrengung laut keuchend steckte sie es zwischen die Schnur um ihre Taille, band das Kleid über ihre Schulter, so dass eine Schlaufe entstand, und legte das Baby hinein. Mit dem Wolfspelz um ihren Schultern verließ sie die Höhle und holte tief Luft. Sie war frei. Für den Moment und da sie nicht wusste, ob Rigo wieder kommen würde, ging sie in die Richtung, in der Andreij lebte. Zunächst langsam, da sie sich immer noch zu schwach fühlte. Doch sie trug nun Verantwortung. Für ihren Jungen. Für Marcus!

Hoffentlich ist er noch nicht fort.

THE HUNTER | Staffel 2 | Teil 1 & 2

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