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Kapitel 4

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Hohenfelsen bei Köln, Sommer 1588, zwei Jahre zuvor

Was für ein jämmerliches Leben. Seine Eltern kümmerten sich um einen Bauernhof, der ihnen nicht gehörte, weil sie zu arm waren. Mit drei Söhnen und fünf Töchtern hatte es die Mutter nicht leicht. Adam war lange schwächlich und kränklich gewesen. Die Pocken hatte er dennoch überlebt, im Gegensatz zu seinem Bruder Jakob, der immer so stark gewesen war, eine echte Hilfe für den Vater, nicht so wie er selbst, der dünne, nutzlose Adam. Seine Geschwister hänselten ihn, waren bösartig, schlugen und quälten ihn, doch er verriet sie nicht.

Sie taten alles, um ein gottgefälliges Leben zu führen. Jeden Sonntag wanderten sie brav zum Dorf und besuchten die Kirche. Zu den Mahlzeiten und vor dem Schlafengehen wurde gebetet, um demütig zu Bett zu gehen. Mutter war sehr streng. Die kleinste Abweichung ihrer Ordnung hatte eine Bestrafung zur Folge. Schlimmer als ihr Rohrstock war ihre Ablehnung. Er zog es vor, wenn sie ihn auf den nackten Rücken schlug, bis er das Blut hinab laufen spürte. Aber ihre Missachtung konnte er nicht ertragen.

Doch sie waren gläubig und sie betete zum Allmächtigen, dass er an ihrem missratenen Sohn ein Wunder geschehen lassen könnte.

Vielleicht betete sie auch, der Allmächtige möge ihr Jakob zurückgeben und dafür Adam nehmen.

Wenn er nüchtern darüber nachdachte, konnte Adam den Wunsch der Mutter nachvollziehen.

Der Tag, an dem sich alles ändern würde, war verlaufen wie jeder andere. Es war ein kühler Augusttag. Der Sommer verabschiedete sich langsam, es wurde früher dunkel, und die Grillen kaum noch zu hören. Adam brachte gerade die einzige Kuh, die ihnen noch geblieben war, in den Stall, als er ein leises Pfeifen vernahm. Es war Veit, sein Freund aus dem Dorf und einziger Lichtblick, Veit mit den struppigen blonden Haaren und den himmelblauen Augen.

Veit, von dessen vollen Lippen Adam manchmal träumte - Träume, die ihm der Teufel schickte und aus denen er verwirrt, schwitzend und mit geschwollenem Zinken erwachte.

An diesem Tag hieß Veit ihn, die Kuh anzubinden und ihm in die Scheune zu folgen.

„Ich habe ein Geschenk für dich.“

„Ein Geschenk?“, wunderte sich Adam, dem noch nie zuvor jemand etwas geschenkt hatte, doch Veit legte den Zeigefinger auf seine Lippen und bedeutete Adam, mitzukommen.

Die Scheune war voller duftender Heuballen, genug für den Winter. Die tief stehende Sonne warf lange Strahlen durchs Gebälk. Staub tanzte, und Veit begann, seine Kleider auszuziehen.

Adam schluckte trocken. Eine Hitze klumpte sich in seinem Unterleib zusammen, wie er sie nur aus seinen Träumen kannte.

Veit ließ sein Hemd ins Stroh fallen und beförderte die Hose hinterher.

Er stand ruhig, ließ die Hände an den Seiten herunterhängen und sah Adam an.

Sein Geschlecht lag ruhig und rosa in einem Nest blonder, gekräuselter Haare.

Adam schloss die Augen.

Als nächstes spürte er einen Mund, der sich auf seinen legte. Eine warme Zunge schob sich zwischen seine Lippen. Ein Körper presste sich gegen seinen, und schwielige Hände glitten unter sein Hemd und streichelten seinen Rücken. Hungrig erwiderte Adam die Liebkosungen und stöhnte in den Mund des anderen, als Veit ihm die Hose aufschnürte und über die Hüften hinunter schob. Begierig stieß er in die Hand des anderen. Sollte der Teufel ihn holen, dieses Gefühl war es wert.

„Auseinander! Der Teufel in euch! Gott im Himmel, steh uns bei!“

Die donnernde Stimme ließ die beiden jungen Männer auseinander fahren. Veit raffte sein Hemd aus dem Stroh und hielt es schützend vor sein aufgerichtetes Geschlecht. Adam krümmte sich und sah über die Schulter. Seine Mutter war flankiert von seinen Brüdern und dem Vater, der eine Mistgabel umklammert hielt.

„Er war's“, stammelte Veit mit blassen Lippen und zeigte auf Adam. „Er hat mich behext! Einen üblen Zauber hat er auf mich gelegt. Ich war nicht ... ich konnte nicht ...“

„Verräter“, flüsterte Adam und bückte sich nach seiner Kleidung. Plötzlich war ihm kalt.

„Ich wusste schon immer, dass mit der Missgeburt etwas nicht stimmt“, tönte der älteste Bruder.

„Wahrscheinlich hat er auch den Jakob verflucht, dass er gestorben ist.“

Heißkalte Wut wallte in Adam auf.

„Sprich mir nicht vom Jakob!“, brüllte er seinen Bruder an, der erschrocken zurückzuckte.

„Einmal des Teufels, immer des Teufels“, knurrte der Vater und schwenkte die Mistgabel in Adams Richtung. „Sieh zu, dass du dich vom Hof machst. Und komm nie wieder! Sehe ich dich einmal in der Nähe meines Hauses, geh ich zum Büttel, und du wirst auf dem Scheiterhaufen brennen.“

„Aber er hat mich verführt! Er hat sich vor mir ausgezogen!“

„Hexer!“ Veit spie vor Adams Füße ins Stroh. „Du hast mich bezaubert. Warum sollte ich dich verführen? Die Unzucht wohnt nicht in meiner Seele.“

„Bis die Sonne untergegangen ist“, verfügte die Mutter mit eisiger Stimme. „Danach treiben wir dich mit Spieß und Knüppel vom Hof.“

Adam dachte nicht mehr oft an sein früheres Leben. Kein Platz für Selbstmitleid. Immerhin war er seinen Weg gegangen. Er war längst nicht mehr nur deshalb des Teufels, weil es ihn nach Männern gelüstete. Der Damm war gebrochen. Er brauchte dieses Gefühl der Macht. Nur wenn andere starben, fühlte er sich wirklich lebendig.

Die Fährte hatte ihn einmal mehr an den Waldrand geführt. Nun verließ er den schützenden Schatten des dunklen Waldes. Die Dunkelheit umhüllte ihn, er durchquerte langsam ein Weizenfeld, strich mit seinen Fingern über die Stängel, spürte in jedem Korn das Leben und riss alle ab, die er fassen konnte. In der Ferne erkannte er mehrere Häuser, aus deren Schornsteinen Rauch emporstieg.

Vermutlich saßen sie am gemütlichen Feuer, erzählten sich Geschichten, tranken warmes Bier. Hass glomm in ihm auf. Es sollte sein Leben sein.

Eine Familie, Nachfahren, die zu ihm aufschauten, eine Frau, die es nicht erwarten konnte, dass die Kinder schliefen, um sich ihm hinzugeben. Er, ein Mann, der Lust aus einem weiblichen Körper gewinnen konnte. Dennoch waren ihm Männer lieber, wenn er tötete. Sie schrien nicht so schrill.

Die Krallen des Wolfs schlugen von innen gegen seine Haut, als er seinen Körper an ihn übergab und sich nach vorne krümmte. Seine Hände gruben sich in die feste Erde, seine Muskeln dehnten sich über den neu entstandenen Knochen. Mit einem Knurren schüttelte er sich.

In geduckter Haltung näherte er sich dem ersten Haus, schnupperte. Gut. Eine größere Familie, das Mädchen gerade alt genug, um zum Wechsel zur Frau zu stehen. Geifer lief ihm aus dem Maul. Vielleicht erwischte er sie, noch bevor sie zu schreien begann. Er nahm Anlauf und warf sich mit Wucht gegen die Tür. Der kümmerliche Riegel zersprang in tausend Stücke, und der Schwung trug Adam bis mitten in den Wohnraum. Er blieb stehen und fletschte die Zähne, als plötzlich alles drunter und drüber ging. Das Mädchen wurde von mehreren Armen durch ein Fenster gezogen.

„Schnell. Bringt sie in Sicherheit!“, rief ein bärtiger Mann. Adams Blick fiel auf ein blutiges Stück Fleisch, das auf dem Tisch lag. Unter dem Tisch hatte sich eine Lache gebildet. Blut tropfte hinab. Es wirkte lächerlich, denn Adam würde sich niemals durch Tierblut anlocken lassen. Mit wilden Augen sah sich Adam um.

In der gegenüberliegenden Ecke des Raumes standen Bogenschützen und hielten Pfeile auf ihn gerichtet. Jetzt hatte er die Gewissheit, dass es sich um eine Falle handeln musste.

Er wich zurück, um Schwung zu holen, dann stieß er sich ab und sprang auf den Bogenschützen, der ihm am nächsten stand. Ein brennender Schmerz schoss durch seine Schulter. Er jaulte auf und ging zusammen mit seinem Opfer zu Boden. Hinter ihm war wildes Geschrei.

„Schießt! Schießt!“

Adam drehte sich mit seinem Opfer und brachte es vor sich wie einen Schild. Der Mann war schreckensstarr. Einige der Bogenschützen senkten die Bögen.

„Nicht ...“, presste das Opfer heraus. Seine Angst stank. Sein Puls dröhnte in Adams Ohren. Er riss das Maul auf, versenkte die Zähne in der narbigen Haut des Mannes und riss ihm die Kehle heraus. Das Blut sprudelte ihm ins Maul. Er schüttelte sein Opfer, bis es sich nicht mehr bewegte, und dann noch so lange, bis der Kopf abriss. Mit einem feuchten, hohlen Geräusch schlug der Schädel auf dem Boden auf und rollte den anderen Männern vor die Füße.

„So schießt doch!“, schrie einer verzweifelt. Ein Pfeil wurde abgeschossen und landete neben Adam in der Wand.

Einige andere trafen ihn und durchbrachen sein Fleisch. Er nahm den Schmerz und fügte ihn seiner Raserei hinzu. Auf zwei Beinen, das enthauptete Opfer wie eine leblose Puppe hinter sich her schleifend, näherte er sich den Männern.

„Ins Herz!“, schrie einer. „Ins Herz!“

„Heilige Maria Mutter Gottes, steh uns bei ...“

„Weiche, Teufel!“

Die Männer riefen panisch durcheinander, einer war aus dem Fenster gehechtet und floh, übrig blieben nur noch drei, die auf ihn zielten. Schweißgeruch lag in der Luft. Einer schickte einen Pfeil los, der Adam an der Schulter traf. Adam zerrte an dem Pfeil, doch der steckte fest und riss nur umso stärker an seinem Fleisch. Wütend packte er einen massigen Kerl und hob ihn von den Füßen, während die anderen ziellos Pfeile in seine Richtung schickten. Gegen seinen Rücken, auf die Hinterläufe. Adam biss den Oberschenkelknochen des Mannes durch und riss ihm das Bein ab. Blut spritzte, als der Mann brüllend zu Boden ging.

„Jesus, Maria, Mutter Gottes ...“ Bis zu den Heiligen kam er nicht mehr, Adam war bereits auf ihm, zerfetzte sein Hemd und blickte auf ein großes, hölzernes Kreuz, das auf seiner Brust lag. Der Mann zitterte unter ihm, versuchte, ihn von sich herunter zu schieben, aber Adam war wie erstarrt, sah hinunter auf das Kreuz, bis ihn ein Pfeil aus nächster Nähe traf und zur Seite warf.

Es wurde dunkel, dann wieder hell. Ein Licht tat sich über ihm auf. Er war umgeben von einem Schwarm aus Kreuzen, an allen hing Jesus, der ihn mit flehenden Augen ansah.

„Bin ich umsonst gestorben? Lass es nicht zu … lass es nicht zu.“ Immer und immer wieder. Adam wollte sich verkriechen, doch schließlich stieg Jesus von seinem Kreuz zu ihm hinab, setzte sich auf seinen Bauch, tippte mit dem Zeigefinger auf seine Brust. „Soll es so enden? Bin ich umsonst gestorben?“ Adam kniff die Augen zusammen, der Körper, der auf ihm saß, fühlte sich real an.

Das Gesicht des Gottessohnes war schön und ebenmäßig, sein Haar blond und lockig. Warmes Blut tropfte von der Dornenkrone auf Adam hinunter. Warm und voller Hoffnung.

„Verstehst du mich nicht? Warum bin ich gestorben? Umsonst? Lass es nicht zu, Adam…“

Die Stimme wurde leiser. Adam schloss die Augen. Als er sie erneut öffnete, war das Licht verschwunden, aber auf ihm saß noch immer jemand. Jemand, der einen Pfeil auf ihn richtete ...

Kuss der Wölfin - Die Suche (Band 2)

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