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4. KAPITEL

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Molly betrat das Haus durch die Küche. Wie gewöhnlich war Angel damit beschäftigt, aus Teig runde, flache Tortillas zu formen. Dabei bewegte sie ihre ausladend geformten Hüften und ihren prallen Busen im Takt. »Ola, Chica. Que pasa?«

»Nada interessante«, antwortete Molly, zupfte eine dampfende Tortilla aus dem Fladenberg, der unter einem Tuch lag, und stopfte sie in den Mund. »Heute bin ich deinem Freund Brannigan begegnet. Er hat mir geholfen, den alten Satan aus einer Schlammgrube in der Nähe des Live Oak-Kamms zu ziehen.«

»Ach, dann ist ja doch etwas Interessantes passiert, irgend etwas Interessantes passiert immer, wenn Señor Sam in der Nähe ist.« Sie grinste wissend und rührte dann ein Chili verde um, das auf dem Herd köchelte. Ihre groben Hände bewegten sich mit einer Grazie, die man bei einer Frau ihrer Statur nicht vermutet hätte. »Señor Sam ist ein gutaussehender hombre, nicht wahr?«

»Das ist er wirklich.« Molly versuchte sich wenig beeindruckt zu geben, hatte dabei aber alle Mühe, das Bild des großen, blonden Mannes mit den breiten Schultern und dem hungrigen Blick aus dem Kopf zu kriegen. Was hat er wohl gedacht, fragte sie sich zum zehnten Mal an diesem Tag. Doch dann riß sie sich am Riemen und lenkte ihre Gedanken in eine andere Richtung. »Wie bist du heute mit Onkel Jason zurechtgekommen?«

Angelina verdrehte die Augen und schaute an die Decke hoch, als flehe sie stumm um Beistand. »Dein Onkel, das ist ein seltsamer Mann. Hat den ganzen Morgen lang die Bibel gelesen. Und hat mich mindestens fünfmal gefragt, wann du nach Hause kommst. Ich glaube, daß er dich bekehren will.«

Molly lachte laut heraus. »Da sei Gott vor.« Die Tür ging auf und im Türrahmen stand plötzlich der große, dunkelhaarige Pfarrer. Molly verstummte. Sein Blick fiel sofort auf ihre verschwitzten, verdreckten Kleider, und er rümpfte verächtlich die Nase, bevor er sie mit einer Geste zum Nähertreten aufforderte.

»Molly, meine Liebe, ich denke, es ist an der Zeit, daß wir uns unterhalten.«

Jetzt verdrehte Molly die Augen. Bevor sie ihm folgte, zwinkerte sie noch Angelina zu.

»Bitte, nehmen Sie Platz«, forderte er sie auf und zeigte auf das Sofa. Molly tat, wie ihr geheißen. Die Bibel lag aufgeschlagen auf dem kniehohen Rosenholztisch. »Ich weiß, daß sich die Ereignisse in den letzten Wochen überstürzt haben. Daß Sie Ihren Vater und Ihre Tante Vera in relativ kurzer Zeit verloren haben. Aber Molly, meine Liebe, Sie müssen dennoch akzeptieren, was geschehen ist. Gott und ich stehen Ihnen zur Seite und helfen Ihnen, die schwere Last zu tragen.«

»Dafür bin ich dankbar, Onkel Jason, das bin ich wirklich, aber es geht mir gut. Ihren Tod nehme ich wohl hin, aber ich möchte die Trauer lieber hinter mir lassen.« Nervös spielte sie mit einer Strähne ihrer roten Haare herum. Insgeheim wünschte sie sich, daß sie sich über ein anderes Thema und nicht über die Trauerfälle in ihrer Familie unterhalten könnten. Sie wünschte sich auch, daß dieser seltsame und selbstgerechte Mann niemals in den Westen gekommen wäre. Dann richtete sie sich auf und blickte ihrem Onkel unverwandt in die Augen.

»Es tut mir leid, daß ich heute keine Zeit für Sie hatte, und hoffe, daß Sie das Leben hier auf der Ranch nicht als allzu langweilig empfinden. Aber ich muß die Ranch nun einmal leiten. Ich fürchte, daß das Vorrang vor allem anderen hat.«

»Aber genau darum geht es ja, meine Liebe.« Jason setzte sich zu ihr, nahm ihre Hand und tätschelte sie voller Sorge. »Eine Frau sollte sich über derlei Dinge nicht den Kopf zerbrechen. Eine Ranch zu leiten, ist die Aufgabe eines Mannes. Sie sollten an Heirat denken, an ein Heim und eine Familie.«

Molly erstarrte. Es irritierte sie, daß er so dicht neben ihr saß und ihre Hand tätschelte, als ob sie ein kleines Kind sei. Sie spürte, wie Wut in ihr aufkeimte, und hatte alle Mühe, ihre Erregung unter Kontrolle zu halten. Natürlich wußte sie, daß sie dem Mann ihrer Tante mit Respekt begegnen sollte, und außerdem war er ja auch noch ihr Vormund. »Ich möchte die Ranch leiten, Onkel Jason. Mir gefällt, was ich tue. Zum Heiraten bin ich noch nicht alt genug. Und außerdem bin ich mit meiner momentanen Lage zufrieden.«

Das Gesicht ihres Onkels lief rot an. »Ich versuche, mit Ihnen geduldig zu sein, Molly. Ich bemühe mich darum, Verständnis zu zeigen. Aber ich bin auch Ihr Vormund. Ihr Vater hat Sie in meine Obhut gegeben. Und ich kann einfach nicht zulassen, daß Sie sich zum Narren machen. Das verbiete ich Ihnen! Schauen Sie sich doch an!« Seine Augen fixierten sie, schienen einen dunkleren Farbton anzunehmen, während er sie taxierte. Da spürte Molly unterschwellig etwas, das sie nicht verstand.

»Sie sehen wie eine Heidin aus«, bellte er. »Ihr Haar hängt unordentlich herunter, und diese Kleider – sie sind nicht gebührlich. Das sind nicht die Kleider, die eine junge Frau tragen sollte. Man erwartet von Ihnen, daß Sie trauern. Was werden die Leute denken?«

Molly konnte sich kaum mehr beherrschen. »Es schert mich nicht, was die Leute denken. Ich habe einen Schrank voll ordentlicher Kleider. Aber in ihnen kann ich nicht Rindern das Brandzeichen einbrennen oder Holz in die Sägemühle bringen. Diese Ranch muß Profit abwerfen – das wissen Sie genauso gut wie ich. Bis mein Vater gestorben ist, war es jedenfalls immer so. Und was meine Trauerzeit anbelangt, ich habe seit jenem Tag, als meine Mutter gestorben ist, meinen Vater bedauert. Das ist, meiner Meinung nach, lang genug gewesen. Ich habe vor, mein Leben so zu gestalten, wie es mir richtig erscheint. Und ich werde auf gar keinen Fall zulassen, daß mich dumme Vorurteile daran hindern.«

»Molly, Sie werden lernen müssen, mir zu gehorchen. So oder so. Dieses Mal werde ich Ihren Ausbruch ungestraft hinnehmen, aber nächstes Mal müssen Sie sich schon beherrschen.«

Molly hielt an sich. Jason Foley konnte ihr in den nächsten zwei Jahren das Leben verdammt schwer machen – und selbst danach würde er noch ihr Partner sein. »In Ordnung, Onkel Jason. Wann immer ich mich im Haus aufhalte, werde ich ein Kleid tragen. Aber bei der Arbeit bin ich gezwungen, etwas Praktisches zu tragen. Mehr können Sie nicht verlangen.«

Jason warf ihr einen finsteren Blick zu. In seinen dunklen Augen glimmte ein gemeines Licht. »Ich denke, daß ich Ihren Vorschlag fürs Erste annehmen werde«, bot er ihr an. »Aber wir werden uns in Zukunft noch einmal über dieses Thema unterhalten.«

In diesem Augenblick kam Angelina in den Salon hereingeplatzt. Molly hätte sie vor Freude über diese Unterbrechung küssen können. Sie war sich nämlich gar nicht sicher, wie lange sie sich noch beherrschen konnte.

»Das Abendessen wird jeden Moment fertig sein, chica. Es ist besser, wenn du dich jetzt waschen gehst.«

Molly lächelte, weil sie wußte, daß die Frau gekommen war, um sie zu retten. Angel liebte Molly wie die Tochter, die sie nie gehabt hatte, und auch Molly brachte ihr eine ganz besonders tiefe Zuneigung entgegen. Und trotzdem war es nicht das gleiche, als wenn sie mit der Liebe einer Mutter aufgewachsen wäre.

»Wir kommen gleich, Angel«, sagte Molly zu ihr. Auf einmal fiel ihr ein, daß sich ihr Vater immer über Mollys enges Verhältnis zu Angel und Joaquin gewundert hatte.

Molly erhob sich vom Sofa und wandte sich an ihren Vormund. »Sie werden mich jetzt entschuldigen müssen, Onkel«, bat sie. »Ich möchte meine Arbeitskleidung gegen ein anständiges Kleid eintauschen.«

»Selbstverständlich, meine Liebe.« Seine Stimme klang vollkommen entspannt, so als habe es die Auseinandersetzung von eben nicht gegeben.

Um seiner Autorität Respekt zu zollen, senkte Molly den Kopf und verließ dann das Zimmer. Sie spürte, wie Jason Foleys unheimliche Augen sich in ihren Rücken bohrten, als sie den Flur hinunterschritt. Es fiel ihr nicht leicht zu verstehen, wieso ihre Tante Vera diesen Mann geheiratet hatte. Vielleicht war sie sehr einsam gewesen. Zwar sah er ganz gut aus, und er konnte sogar äußerst charmant sein, wenn er wollte, aber – mein Gott – was für ein Langweiler! Aber wie sie es auch betrachtete, die nächsten beiden Jahre mußte sie ihr Bestes geben, was gar nicht so einfach war, wenn man jemanden wie Jason Foley im Nacken hatte.

Sam Brannigan hatte gerade sein Frühstück, das aus Eiern, dicken Speckscheiben und selbstgemachten Brötchen bestand, verschlungen und erhob sich von dem schweren Eßzimmertisch.

»Möchten Sie noch etwas Kaffee, Mr. Sam?« fragte Lee Chin.

»Nein, vielen Dank, Lee.«

»Begleitest du uns, Sam?« rief Emmet, der in der Tür stand.

Sam warf seine Serviette auf den Tisch. »Ich komme gleich, Emmet. Werde mich später an die Bücher setzen. Der Tag ist viel zu schön, um am Schreibtisch zu sitzen.« Mit langen Schritten lief er zu seinem Bruder, der seinen Hut in Händen hielt.

»Da hast du aber verdammt recht«, stimmte Emmet ihm zu. Die beiden Brüder, die sich gut verstanden, marschierten zur Vordertür. In diesem Augenblick kam gerade ein Mann auf den Vorplatz geritten.

»Was meinst du, wer das ist?« fragte Emmet.

»Na, das werden wir gleich herausfinden«, erwiderte Sam.

Der Mann stieg von seinem Pferd, band das Tier am Pfosten fest und ging beinah verstohlen auf Sam zu. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, eine kleine, runde Brille und eine Melone, die ein wenig zu klein für seinen Kopf zu sein schien.

»Ich suche Samuel, Emmet oder Peter Brannigan«, klärte der Mann sie auf.

»Ich bin Sam Brannigan.«

»Dann sind die hier für Sie.« Der Mann händigte Sam einen Stapel Papiere aus, lüftete den Hut und kehrte wortlos zu seinem Pferd zurück.

Auch ohne die offiziell aussehenden Dokumente zu lesen, wußte Sam, worum es sich drehte. Er mußte sich schwer zusammenreißen, sie nicht zusammenzuknüllen und wegzuwerfen.

»Was ist das?« fragte Emmet.

»Sieht so aus, als ob unsere kleine Nachbarin zu ihrem Wort steht. Sie hat wohl doch nicht von der Klage um den James-Paß abgelassen.«

»Zum Teufel noch mal! Diese Jameses haben uns ein Leben lang nichts als Schwierigkeiten gemacht.«

»Laß uns gehen«, schlug Sam vor und lief zu seinem Pferd hinüber. Die beiden Männer schwangen sich in ihre Sättel, aber Sam schlug eine andere Richtung ein.

»Kommst du nicht mit?«

»Ich werde später zu euch stoßen. Vorher muß ich mich noch mit Miss James unterhalten.«

Sam erkannte Mollys wohlgeformtes Hinterteil schon von weitem. Obwohl er stinkewütend war, hatte er alle Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken. Auch heute trug sie wieder ihre Reithosen. Im Augenblick beugte sie sich über einen Futtertrog und versuchte, den Rest Korn aufzuschaufeln. Wie sie so gebückt dastand, war sie ein bezaubernder Anblick. Sam stieg leise vom Pferd ab, das er auf der Wiese neben dem Schuppen grasen ließ, und stapfte dann in Mollys Richtung. Kaum, daß er ein paar Schritte zurückgelegt hatte, trat einer der Rancharbeiter an den Trog. Das schiefe Grinsen auf seinem Gesicht verriet Sam, daß auch er sich über den Anblick freute. Doch im Gegensatz zu dem Rancher tat der Arbeiter das, womit Sam nur in Gedanken spielte – er legte die Hand auf Mollys Hintern und zwickte vorsichtig eine Backe.

Molly schlug sich den Kopf am Futtertrog an, als sie sich wie von der Tarantel gestochen aufrichtete. Ihr Gesicht lief blutrot an, als sie sah, wie der Mann selbstgefällig in sich hineingrinste. Eine Minute lang blieb ihr die Sprache weg. Mit geballten Fäusten stand sie aufrecht da und atmete flach.

»Möchten Sie, daß ich Ihre Ehre verteidige?« fragte Sam mit leicht amüsiertem Ton.

Molly warf ihm einen kurzen Blick zu. Bis jetzt hatte sie seine Anwesenheit nicht registriert. »Sie scheinen auch immer gerade dann aufzutauchen, wenn ich wie ein Dummkopf dastehe, nicht wahr?« Ohne auf eine Antwort zu warten, holte sie aus und schlug dem Arbeiter ins Gesicht. Ein roter Händeabdruck zeichnete sich auf seiner Wange ab, und jeder konnte sehen, daß dem Mann das Lachen vergangen war.

»Ich bin auf Sie angewiesen, Stevens«, sagte Molly zu ihrem Arbeiter. »Wenn das nicht der Fall wäre, wären Sie jetzt Ihren Job los. Aber fassen Sie mich nie wieder an, sonst werde ich lernen, auch ohne Sie zurechtzukommen. Jetzt steigen Sie auf Ihr Pferd und reiten zum Live Oak-Kamm hoch. Ich bin sicher, daß Joaquin eine Arbeit für Sie finden wird, die Sie von Ihren lüsternen Begierden ablenken wird.«

Der Cowboy stürmte von dannen, stieg auf sein Pferd, galoppierte aus dem Pferch. Molly, die immer noch vor Wut schnaubte, schaute ihm hinterher.

»›Ihre lüsternen Begierden‹?« fragte Sam nach, um sie zu necken.

»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich hier raushalten würden, Mr. Brannigan.«

»Ich habe Sie ja davor gewarnt, diese Reithosen zu tragen.«

Molly errötete aufs Neue. »Was ich trage, geht Sie nichts an. Und was haben Sie hier überhaupt zu suchen?«

Jetzt, wo ihm wieder einfiel, weshalb er gekommen war, spürte er, wie die Wut in ihm hochkochte. »Heute Morgen ist mir Ihre Klage überstellt worden. Ich dachte, daß Sie sicherlich gern erfahren würden, daß Ihr kleiner Rachefeldzug wie geplant vonstatten geht.«

»Rachefeldzug würde ich es nicht nennen, Mr. Brannigan. Ich sehe es eher als überfällige Gerechtigkeit.«

»Gerechtigkeit, Miss James? Ist es gerecht, daß meine Familie für etwas bezahlen soll, das sich vor fast dreizehn Jahren ereignet hat? Ist es gerecht, daß Sie unschuldigen Leuten solche Schwierigkeiten machen?«

»Über diese Angelegenheit werde ich mich nicht mit Ihnen unterhalten, Mr. Brannigan. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt.«

»Und ich habe Ihnen schon einmal gesagt, Miss James, daß ich genau der Richtige bin, wenn es darum geht, daß Sie Probleme kriegen wollen. Ich warne Sie ein und für alle Mal, lassen Sie die Angelegenheit ruhen.«

Ohne ein Wort zu verlieren, machte Molly auf dem Absatz kehrt und spazierte in den Schuppen. Sams Augen klebten an ihren schwingenden Hüften, und ihm fiel auch wieder der reizende Anblick ihres Hinterteils ein, als sie sich vor ein paar Minuten über den Trog gebeugt hatte. Obwohl der Cowboy eine Ohrfeige gekriegt hatte, beneidete Sam den Mann ein wenig.

Jason Foley hatte sich auf den harten Schaukelstuhl gesetzt, von dem aus er einen guten Blick in das Foyer werfen konnte. Mit leicht zittriger Hand schlug er die Bibel in seinem Schoß auf. Jede Auseinandersetzung mit seiner Nichte war katastrophal verlaufen – sowohl für ihn als auch für das Mädchen. Und das nahm Jason stärker mit, als er sich selbst eingestehen wollte. Vera hatte ihm erzählt, daß Molly eine wilde und entwaffnende Schönheit sei, aber er hatte nicht damit gerechnet, daß sie ihn so durcheinander bringen konnte.

Obwohl er es vor sich zu leugnen versuchte, begehrte ein Teil von ihm eine Frau wie Molly. Vielleicht hatte das etwas mit seiner Kindheit zu tun. Sein Vater war immer solchen Frauen verfallen, teuflischen Frauen, die mit ihm schliefen, obwohl er verheiratet war.

Jasons Mutter war eine wunderschöne, fromme und gottesfürchtige Frau gewesen, die Jason über alles geliebt hatte. Ein paar Jahre nach ihrem Tod, als Jason erwachsen geworden war, hatte er eine Frau wie sie geheiratet. Er und seine erste Frau Elizabeth waren ziemlich glücklich miteinander gewesen – wenn man einmal vom Ehebett absah. Dort war Elizabeth ihren Pflichten nachgekommen, mehr aber auch nicht. Die körperliche Liebe war ihr verhaßt, weil sie sie als dreckig empfand. Und so hatte Jason quälende Tage und Nächte verbracht, in denen er von wilden, sündigen Weibsbildern träumte, von solchen Frauen wie seiner Nichte, die er jetzt zu bekehren suchte.

Als Elizabeth Foley starb, war Jason am Boden zerstört gewesen. Er vermißte sie sehr und fühlte sich wegen seiner treulosen Phantasien schuldig. Ein paar Jahre später war er dann Vera begegnet, die ebenfalls sehr fromm war. Sie hatte sich auch etwas mehr für das Ehebett interessiert, aber es hatte ihn dennoch nach einer leidenschaftlichen Frau gelüstet, nach einer Frau, die wilde und verbotene Dinge mit seinem Körper anstellte. Sechs Monate nach ihrer Hochzeit war Vera gestorben, und wieder nagten Schuldgefühle an ihm. Und jetzt war da Molly James.

Foley blätterte die Bibel durch, suchte nach vertrauten Worten, die ihm Kraft spendeten und seine aufgewühlten Sinne beschwichtigten. Schließlich fand er eine passende Stelle: ›… denn sie ist nicht meine Frau und ich nicht ihr Gatte. Sie soll die Unkeuschheit, die sich in ihrem Gesicht spiegelt, ablegen, die Sünde, die zwischen ihren Brüsten ruht, sonst muß ich ihr die Kleider vom Leib reißen, sie entblößen und zur Schau stellen‹.

Die Frauen besaßen in der Tat eine teuflische Natur. Molly gehörte zu der Sorte Frauen, die fromme Männer vom gottesfürchtigen Weg abbrachten. Ja, sie gehörte zu jenen Frauen, gegen deren Zauber er sein ganzes Leben lang gebetet hatte. Ihr ausgeprägter Wille machte ihn rasend. Ihre Kleider waren frevelhaft.

Jedes Mal, wenn er das Mädchen in ihren Arbeitskleidern sah, mußte er gegen das Bedürfnis ankämpfen, diese anstößigen Beinkleider von ihrem aufregenden Körper zu reißen. Wann immer er an ihre ungewöhnliche Schönheit, an ihre wilde Sinnlichkeit dachte, spürte er, wie sein Glied vor Verlangen hart wurde. Dann verfluchte er die Teufelin, weil sie Macht über ihn hatte.

Gott mußte ihm beistehen, denn es war seine Aufgabe, ihre sündige Seele zu retten. Er war sich sicher, daß ihm das gelänge – schließlich war er einer der Auserwählten Gottes. Schon seit jeher hatte er die Macht gehabt, andere zu überzeugen – mit dieser Fähigkeit hatte Gott ihn ausgestattet. Er mußte sich Molly James’ Starrköpfigkeit annehmen, ihr auf die eine oder andere Art den Weg der Besserung zeigen.

Jason dachte über die Umstände nach, die ihn auf die Lady Jay gebracht hatten, an Vera James, die er geheiratet hatte. Gott hatte ihm eine Möglichkeit beschert, seine mageren Finanzen aufzufrischen und mit seinem Lebenswerk fortzufahren. Und auf seine ganz besondere Weise hatte er Vera geliebt. Sie war eine gute Frau gewesen.

Aber der Herr wandelte auf seltsamen Wegen. Durch Veras Tod war er in die Lage gekommen, mit seiner Arbeit fortfahren zu können. Das Erbe seiner verblichenen Gattin sicherte ihm die Rückkehr in den Osten, wo er hingehörte. Auf Long Island wollte er eine Kirche gründen und das Wort Gottes verbreiten.

Geld war der Schlüssel zu diesem Ziel.

Jason mußte Molly davon überzeugen, daß sie die Lady Jay verkaufte. Und dazu war ihm jedes Mittel recht.

Dankbar für Gottes Weisheit, die ihn zu Vera geführt hatte, blätterte er durch die hauchdünnen Seiten seiner Bibel. Er las Vers um Vers, suchte nach einer Botschaft, die sein Handeln leiten konnte. Daran, daß sein Streben am Ende von Erfolg gekrönt war, zweifelte er nicht, denn der Herr stand ihm zur Seite.

Im vergangenen Monat war es Molly gelungen, wenigstens ein paar Rancharbeiter anzuheuern, mit denen sie im Augenblick – wenn auch mehr schlecht als recht – zu Rande kam. In Zukunft allerdings war sie auf mehr Männer angewiesen, ohne eine Ahnung zu haben, wo sie die auftreiben sollte. Doch darüber wollte sie sich jetzt noch nicht den Kopf zerbrechen.

Sam, dem mehr Arbeiter zur Verfügung standen, als er brauchte, hatte ein paar Männer zur Lady Jay hinübergeschickt, die auf der Cedar Creek Ranch um Arbeit nachgefragt hatten. Sein Verhalten erstaunte Molly. Wahrscheinlich wollte er sie damit nur soweit bringen, daß sie die Klage zurückzog. Seit ihrer letzten Begegnung wußte er, daß sie es ernst meinte. Oder hatte seine Hilfe noch einen anderen Grund?

Sie wünschte wirklich, daß sie sich nicht jedes Mal, wenn er in der Nähe war, so närrisch aufführte. Es ging ihr ganz und gar gegen den Strich, daß er mitbekommen hatte, wie einer ihrer Arbeiter sie gedemütigt hatte. Was, um Himmels willen, dachte er jetzt von ihr? Jedes Mal, wenn sie sich daran erinnerte, wie er sie mit seinen haselnußbraunen Augen verschlungen hatte, begann ihr Herz laut zu pochen. Laut seufzend schob sie den Gedanken beiseite. Schließlich hatte sie Wichtigeres zu tun, als ihre Zeit damit zu verschwenden, an Sam Brannigan zu denken!

Sie mußte sich voll und ganz darauf konzentrieren, mit der Lady Jay Profit zu erzielen – und auch das Problem, das ihr seltsamer Onkel darstellte, wollte gelöst werden.

Mit Jason Foley verbrachte Molly so wenig Zeit wie nur möglich. Wann immer sie mit ihm zusammen war, trug sie dunkle Kleider und gab sich unterwürfig. Doch es war unvermeidbar, daß sie ihm hin und wieder in ihren Arbeitskleidern über den Weg lief. Da verwandelte sich sein Mund in eine blasse, dünne Linie, und jenes befremdliche Glimmen tauchte in seinen Augen auf. Tief im Herzen wünschte sie, daß er seine Vormundschaft nicht so ernst nehmen und in den Osten zurückkehren würde. Aber ihm gehörten immerhin vierzig Prozent der Lady Jay, was ihm das Recht einräumte, sich auf ihrem Land aufzuhalten. Indessen konnte sie nicht leugnen, daß ihr seine Anwesenheit auf der Ranch zuwider war.

Im Augenblick hatte die Wiederaufnahme der Holzfällerarbeiten Vorrang vor allem anderen, und das war bei Gott keine leichte Aufgabe. Holzfäller waren eine ganz besondere Brut. Einen Großteil von ihnen konnte man ohne Übertreibung als wilde, rücksichtslose Vagabunden beschreiben. Die meisten hatten keine Ehefrauen, keine Kinder, kein Heim. Für die Gefahr und Aufregung, die zur Arbeit in den Wäldern gehörte, lebten sie. Diese furchtlosen Brüder genossen es, mit dem Tod auf du und du zu stehen. Die Wälder in Kalifornien und im Nordwesten der Vereinigten Staaten forderten jeden Tag ein Menschenleben, aber Holz war ein kostbares Gut, und sowohl die Holzfäller wie auch die Waldbesitzer konnten sich eine goldene Nase in diesem Geschäft verdienen. Molly hatte vor, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden.

Allerdings gab es da ein Problem: Die meisten Männer waren nicht bereit, für eine Frau zu arbeiten. Sie hatte schon mit dem Gedanken gespielt, sie unter dem Namen ihres Onkels anzuheuern, glaubte aber, daß sein frömmelndes Auftreten eher abschreckend wirkte. Wenn sie wenigstens einen Vorarbeiter und einen Ochsenführer mit eigenem Gespann kriegen könnte, würden die anderen auf die Dauer ihre Bedenken ablegen und auch für sie arbeiten.

Im Truckee Republican war ihr ein kurzer Artikel aufgefallen, der ein Holzfällertreffen in der Nähe von Sierraville ankündigte. Natürlich wußte sie, daß bei einem solchen Treffen unzählige Wettbewerbe durchgeführt wurden. Da wurde um die Wette gefällt, Masten hochgeklettert, gesägt und vieles mehr. Auf diesen feuchtfröhlichen Festen ging es immer ziemlich rüpelhaft zu, aber Molly war entschlossen, dorthin zu gehen, um eine Mannschaft anzuheuern.

Das Holzfällertreffen sollte am kommenden Tag stattfinden, und Molly hoffte, daß sie bis zum Abend genug Männer eingestellt hatte, um die Lady Jay in den kommenden zwei Jahren zu einem rentablen Unternehmen zu machen.

Sam Brannigan schwang seine langen, muskulösen Beine über den Bettrand. In dem Schlafzimmer war ein farbenfroher, geknüpfter Teppich ausgelegt.

»Sam«, hauchte Lillian Rose. In der Dunkelheit klang ihre kristallklare Stimme verlockend und beschwörend. »Komm doch ins Bett zurück, es ist noch früh.«

»Nach Sierraville ist es ein ganz schönes Stück zu reiten, und ich möchte nicht zu spät kommen.«

»Willst du wirklich nicht, daß ich dich begleite?« Sam spürte, wie sie mit ihrem Finger über sein Rückgrat fuhr. Eine blonde Haarsträhne liebkoste seine Schulter, als sie sich vorbeugte.

»Wir wissen doch beide, daß es dir dort nicht gefallen würde, Lilly. Feste unter freiem Himmel sind nicht gerade deine Sache.«

Lilly seufzte. »Nein. Ich denke, du hast recht.«

Sam spürte ihre sanften Lippen auf seinem Hals. Gestern Abend war sie überraschenderweise zu ihm auf die Ranch hinausgekommen, anstatt bei sich zu Hause in Truckee auf ihn zu warten. Sie hatte ihm erzählt, daß sie sich einsam gefühlt hatte. Und Sam war außerordentlich froh gewesen, sie zu sehen, denn er brauchte dringend weibliche Gesellschaft, um seine Not zu lindern. Das Bild des knackigen kleinen Rotschopfs, dem die Lady Jay gehörte, war ihm nicht aus dem Kopf gegangen, und hatte seine gereizten Nerven strapaziert.

»Werde ich dich am Samstag sehen?« fragte Lilly, die ihn immer noch mit ihren Lippen liebkoste.

Sam kicherte leise. »Wenn du so weitermachst, wirst du mich jetzt gleich noch mal sehen.« Obwohl es im Zimmer dunkel war, wußte Sam, daß sie lächelte. Doch sie wollte bestimmt nicht, daß er sie nochmal liebte, denn im Vergleich zu seinem Hunger konnte ihr sexueller Appetit nicht mithalten. Als sie gestern Abend zu ihm gekommen war, hatte er sie ohnehin schon überfordert. Andererseits wollte sie Kontrolle ausüben und genoß die Macht, die sie über Männer hatte.

Sam gefiel die lockere Beziehung, die zwischen ihnen bestand, und liebte es, sie zu lieben, ohne gleich Pflichten übernehmen zu müssen. Das Verhältnis, das sie inzwischen schon seit zwei Jahren hatten, kam beiden zupaß.

Er drehte sich um und küßte sie sanft auf den Mund. Seine große Hand umfing ihre weiche, leicht aufgerichtete Brust, während er mit dem Daumen ihre harte Knospe liebkoste. »Wenn du aufgestanden und angezogen bist, wird Lee Chin dir das Frühstück machen.«

»Du bist immer sehr aufmerksam, Liebling.«

»Und du, Lilly, bist immer so entgegenkommend.« Als Lilly sich wieder in die Decke kuschelte, hatte Sam schon seine Hosen und Stiefel angezogen. Nach einer Liebesnacht war er immer entspannt und in bester Stimmung. Und jetzt freute er sich schon auf den Tag, der vor ihm lag.

Molly stand an diesem Morgen sogar noch vor Angel auf. Sie sattelte True und ein Pferd für Torger Johnson und ritt zum Lager hinüber. Murrend hatte der alte Torger eingewilligt, Molly auf das Holzfällerfest zu begleiten. Außerdem wollte er ihr dabei behilflich sein, ein paar Arbeiter anzuheuern. Sie ritt über eine Anhöhe und dann auf einen Zedernhain zu. Vom Pferd aus konnte sie das menschenleere Lager und Torger ausmachen, der nur in lange Unterhosen gehüllt vor der Tränke stand und sich Wasser ins unrasierte Gesicht spritzte. Als er sie kommen sah, lief er verschämt ins Haus. Nur ein paar Minuten später kam er in Reithosen und einem roten Flanellhemd herausgetreten.

»Sie sollten sich schämen, Miss Molly«, rügte er sie mit seinem leichten norwegischen Akzent. »Man besucht doch keinen Mann, der noch nicht angezogen ist. Sie können sich wirklich nicht benehmen.«

Molly lachte nur.

»Nicht einmal ein paar Minuten Ruhe sind einem vergönnt«, knurrte Torger. »Sie sollten noch schlafen, so wie das andere Fräuleins in Ihrem Alter tun.«

»Aber Sie kennen mich doch, Torger.« Zu seinem Leidwesen lächelte sie ihn an.

»Ich brauche noch etwas Zeit, um mich zu rasieren, aber dann können wir uns auf den Weg machen.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, lief er wieder zur Tränke hinüber, zog eine blinde Spiegelscherbe aus der Hosentasche und klappte sein Rasiermesser auf. Nachdem er sich rasiert hatte, tauchte er seinen ungekämmten, sandfarbenen Haarschopf ins Wasser und spülte gurgelnd die Seife ab.

Torgers Eltern waren aus Norwegen eingewandert und hatten in den Pinienwäldern von Maine Arbeit gefunden. Als die Wälder schließlich karger wurden, war Torger nach Westen gezogen. Seine Geschichte unterschied sich kaum von denen der anderen Holzfäller. Wo auch immer Wälder standen, da zogen die Männer hin. Nachdem Mollys Vater gestorben war, war Torger nur Mollys wegen geblieben. Doch die Holzfäller waren ein geselliger Menschenschlag, der die rüpelhafte Kameradschaft anderer zu schätzen wußte. Molly war sich wohl darüber im klaren, daß Torger nicht mehr lange bleiben würde, es sei denn, es gelang ihr, eine Mannschaft zu verpflichten.

Mollys Blick schweifte durch das stille, verlassen wirkende Lager. Normalerweise ging es hier laut und hektisch zu, doch jetzt drang kein Laut nach draußen. Molly seufzte. Irgendwie mußte sie es schaffen, ein paar Männer auf dem Fest zu überreden, für sie zu arbeiten. Der Gedanke, mit ihrem Onkel in den Osten zu ziehen, machte sie rasend. Lieber würde sie sich als Wäscherin verdingen! Voller Entschlossenheit schwang sie sich aufs Pferd und ritt durch den Pinienwald bis zu der Straße, die nach Sierraville führte.

Duell der Herzen

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