Читать книгу Ausgeliefert - Katrin Fölck - Страница 3
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ОглавлениеSie wissen bereits, dass er kommen wird und wann er ankommt. Schon als er die Flughafenhalle betritt, nachdem sein Flieger gelandet ist, fällt er ihnen auf. Schließlich hebt er sich von allen anderen Passagieren durch sein Surfboard hervor. Nigel hat ihn zuerst entdeckt. Jetzt sitzt er seit einigen Minuten wieder neben Bwana, dem schwarzen Fahrer, den sie aber der Einfachheit wegen Bob nennen. „Da! Das ist er!“ ruft er aus, während er ihm seinen Ellenbogen in die Seite stößt. Prüfend blickt er noch einmal auf das Foto, welches er in seiner Hand hält. „Eindeutig. Los. Schnappen wir ihn uns!“
Doch bevor sie die Chance haben, irgendetwas zu unternehmen, sehen sie, wie ein Mini-Bus vor ihrer Beute hält. Das Taxi ist aus der entgegen gesetzten Richtung gekommen und hat nur kurz angehalten, um den Fahrgast einsteigen zu lassen. Der Fahrer ist zügig ausgestiegen, um das Surfboard und den Rucksack zu verstauen und hat sich sofort wieder in Bewegung gesetzt.
Bob wendet und versucht, sich an das Taxi dranzuhängen. Kein einfaches Unterfangen bei dem Verkehr. Dann haben sie es ganz aus den Augen verloren. Als sie es endlich wieder finden, ist der Beifahrersitz leer. „Scheiße! Dieser gottverdammte Scheißverkehr!“ flucht Nigel jetzt aufgebracht. Sie wenden wieder und fahren noch mehrmals die Straße hoch und runter. Weit kann der Surfer noch nicht gekommen sein. Und zu übersehen ist er schließlich auch nicht. Nichts. Er ist weg. Spurlos verschwunden. Sie müssen sich wohl oder übel eingestehen, dass sie ihn verloren haben. Für heute. Ihr Auftraggeber wird stinksauer sein…
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Er lässt sich direkt bis zu seinem Hotel fahren, nimmt sein Gepäck und sein Brett entgegen, zahlt und betritt die Lobby. Das Hotel kennt er schon. Hier ist er bei seinem ersten Besuch auch abgestiegen. Und hier würde er die nächsten vier Tage verbringen, bevor er dann Richtung Blouberg weiterziehen würde, wo er sich mit seinen Freunden verabredet hat. Sein Zimmer ist eher spartanisch eingerichtet, das stört ihn nicht. Er ist nicht auf Luxus aus, kann ihn sich auch gar nicht leisten. Während seiner Abwesenheit hatte sich hier nicht das Geringste verändert, weder in den Zimmern, noch im Hotel selbst. Dafür ist es wenigstens sauber. Jedes der Zimmer hat Klimaanlage und ist mit einem kleinen Kühlschrank, einem Fernseher und einem winzigen Bad mit Dusche ausgestattet. Er wirft seinen Rucksack in die Ecke, stellt sein Board an die Wand und lässt sich aufs Bett fallen. In voller Montur. Er ist erledigt und schläft sofort ein.
Als er munter wird, ist es bereits dunkel. Fahrgeräusche, Hupen, Stimmen und Gelächter dringen durch das offene Fenster zu ihm hoch. Und Essengerüche. Sein Magen grummelt. Er hat Hunger. Bevor er jedoch aufbricht, geht er unter die Dusche. Das Wasser läuft spärlich. Aber was hat er auch anderes erwartet? Er kann schon froh sein, dass es überhaupt läuft.
Kurzzeitig erfrischt, tritt er auf die Straße und blickt erst einmal nach rechts und links, um sich nicht wieder in Lebensgefahr zu bringen.
Er läuft los und schlendert durch einige Gassen und auf Fußgängerwegen entlang Richtung Green Market. Er erinnert sich an das Lokal, wo er schon bei seinem letzten Besuch in Kapstadt gut gegessen hat. Dort will er hin. Als er es gefunden hat, setzt er sich draußen auf einen Holzstuhl und sieht in die Speisekarte. Nach kurzer Rücksprache mit dem Kellner bestellt er Antilopensteak, dazu Reis mit afrikanischer Soße und ein kaltes Amstel-Bier. Gesättigt läuft er über das Kopfsteinpflaster des Green Market Square ungefähr fünfzig Meter weiter zur Long Street. Von da hört er Musik. Er hat die Partymeile der Stadt erreicht. Hier scheint an jeder Ecke eine Bar oder ein Klub zu sein. Er steht zögernd vor der Tür, ihm ist heute eigentlich nicht mehr nach Party, dann geht er doch hinein.
Schummriges, spärliches Licht begrüßt ihn. Er sucht den Weg zur Bar und bestellt sich einen Tequila Sunrise. Er lässt seinen Blick über die Tanzenden schweifen. Eine rassige Schönheit mit Afralocken und endlos langen Beinen scheint auf ihn aufmerksam geworden zu sein. Er muss einfach auffallen und weiß, dass er hervorsticht mit seiner blassen Hautfarbe, die noch nicht mal eine Spur winziger Rotfärbung erreicht hatte. Er ist sich seines Aussehens bewusst. Jeder kann sofort sehen, dass er Ausländer, Tourist oder Urlauber ist. Er muss sehr vorsichtig sein, denn schließlich ist er alleine hier. Sie sieht jedenfalls nicht so aus, als wäre sie nur an einem Drink, den er ihr ausgibt, interessiert. Vielleicht will sie sich ihm für eine Nacht anbieten oder doch lieber sein Geld, oder aber ihr Macker würde irgendwann dazukommen und ihm beibringen, dass er die Finger von ihr zu lassen habe, ihn in eine Schlägerei verwickeln. Er hat genug solcher Geschichten und Warnungen von seinen Freunden gehört und wirklich keine Lust, in einem südafrikanischen Knast zu landen. Nicht mal für eine Nacht. Er entscheidet sich zum Rückzug.
Sie setzt sich in Bewegung, kommt jetzt auf ihn zu und lächelt ihn mit einem breiten strahlendweißen Lächeln an. Im letzten Moment schiebt er sich zur Tür hinaus und findet sich auf der Straße wieder.
„He Süßer“, hört er ihre Stimme lockend im Rücken.
Er geht zum Hafen hinunter und blickt aufs Meer, wo die Boote hin- und herschaukeln und die Wellen klatschende Geräusche machen, wenn sie die Bootswände treffen. Dann lässt er sich rücklings in den Sand fallen und sieht in den Sternenhimmel. Zurück am Kap. Einfach ein Traum!