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Оглавление1. Kapitel
Der Mensch – ein multidimensionales Wesen
Die individuelle Ebene
Bevor wir uns nun in die Gefilde der Weiblichkeit begeben, möchte ich zunächst klarstellen, dass Frauen und Männer erst einmal Menschen sind. Ein Mensch ist ein vielschichtiges Wesen. Dieses Wesen hat einen physischen Körper mit den unterschiedlichsten genetischen, sozial- und umweltbedingten Anlagen, diverse sogenannte feinstoffliche Körper *1, die in und um diesen physischen Körper liegen, eine Persönlichkeit, eine Seele und den Geist, der in diesem Zusammenhang nicht mit der mentalen Ebene oder dem Verstand gleichzusetzen ist.
Ich werde kurz auf die Begriffe Persönlichkeit, Seele und Geist eingehen. Sie werden in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder ein wenig unterschiedlich definiert, und deshalb erscheint es mir sinnvoll, eine gemeinsame Verständigungsgrundlage für uns zu schaffen. Auf die Ebene der feinstofflichen Körper werde ich im 2. Kapitel zurückkommen.
Die Persönlichkeit ist die Instanz in uns, die normalerweise „Ich“ sagt. Psychologisch könnte man sie definieren als die Konstellation aller individuellen Eigenschaften, die sich auf Denken, Fühlen und Handeln auswirken. Ihr Streben dient dem Überleben, dem Wachsen, der Anpassung und der Veränderung.
Unsere Persönlichkeit wird geprägt durch unsere physische und psychische Konstitution, soziale Prägungen und Umwelteinflüsse, kulturelle Normen und Werte und natürlich alle Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen. Besonders prägend sind dabei die Erfahrungen in unserer Kindheitsentwicklung, und in diesem Zusammenhang spielen wiederum die familiären Beziehungen eine herausragende Rolle.
Den Begriff Seele definiere ich hier auf folgende Weise: Sie ist ein individualisierter Ausdruck des Lebens, der nach Erfahrung und Wachstum strebt. Die Seele bewohnt den physischen Körper, in welchem sie bestimmte Erfahrungen macht, die zu ihrer Reifung und Entwicklung beitragen. Es ist wahrscheinlich, dass die Seele mehr als nur die momentane Erfahrung in diesem aktuellen Körper macht, der gerade diese Zeilen liest. Sie ist darüber hinaus auch eine Vermittlerinstanz zwischen der Ebene der Persönlichkeit und den überpersönlichen Aspekten (Geist) unseres Wesens. Und wenn wir tatsächlich davon ausgehen, dass wir mehrere Erfahrungen in verschiedenen physischen Körpern machen, so ist die Seele auch Informationsträger aller Erfahrungen, die die verschiedenen Personen gemacht haben, die wir einmal gewesen sind. So wirkt die Seele immer auch auf unsere Persönlichkeit und auf unseren Körper. Man könnte das einen „seelosomatischen“ Prozess nennen, in Anlehnung an den bekannten psychosomatischen Prozess, bei dem die psychische Verfassung Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden hat. Die Seele wird auf unserer Reise eine wichtige Rolle spielen.
Der Geist ist in unserem Zusammenhang als transpersonale, kausale Energie zu verstehen. Der Ursprung und die Ursache allen Seins. Der Atheist würde vielleicht sagen, die Urmaterie, aus der der Urknall entsprang, der Gläubige würde diese Kraft als Gott oder göttliche Energie bezeichnen.
Ich möchte mich hier keinem Lager verpflichten, nur bin ich der festen Überzeugung, dass diese Kraft mit einer sinnhaften und sinnstiftenden Intelligenz versehen ist, die auf einer Ebene wirkt, welche jenseits unseres begrenzten und rationalen Verstandes wirkt. Die Essenz unserer Seele ist untrennbar mit dem Geist verbunden.
Viele Meister der unterschiedlichsten religiösen und spirituellen Traditionen sagen sinngemäß: Die Seele zieht hinein in das Spiel des Lebens, um sich zu erfahren, sich zu erkennen und am Ende bewusst in die Einheit mit dem reinen Sein des Geistes zurückzukehren.
Ein schönes und spannendes Spiel, könnte man meinen. Aber dazu später mehr.
In diesen grundsätzlichen Aspekten sind wir als Frauen oder Männer gleichermaßen bestückt und in derselben Mission unterwegs. Wie Novalis so treffend sagte: „Wohin gehen wir? Immer nach Hause.“
Die kollektive Ebene
Nun gibt es neben dieser individuellen Ausstattung aber noch eine andere wesentliche Dimension, die den Menschen und seine Erfahrungswelt beeinflusst. Auch dieses Phänomen betrifft beide Geschlechter. Der Mensch ist nämlich nicht nur ein individuelles, sondern auch ein kollektives Wesen. Das bedeutet, dass wir zu unserer individuellen Ausstattung und Erfahrung zusätzlich mit sogenannten kollektiven Feldern verbunden sind. In manchen Zusammenhängen werden sie auch morphische oder morphogenetische Felder genannt.*2
Den Begriff des Feldes kann man in diesem Zusammenhang mit einem Spielfeld vergleichen. Auf einem Fußballplatz ist das Feld so angelegt, dass man dort mit allen entsprechenden Regeln, Linien, Toren etc. Fußball spielen kann. Ein Ballettsaal braucht andere Voraussetzungen, zum Beispiel Stangen, einen Parkettboden und Spiegel. So ist es wahrscheinlich, dass auf dem Fußballplatz Menschen zusammenkommen, die Fußball spielen, und im Ballettsaal wird man diejenigen antreffen, die tanzen möchten. Das heißt, ein Feld bietet einen Raum, der durch entsprechende Voraussetzungen einen bestimmten Erfahrungsinhalt ermöglicht und in sich trägt.
Ein kollektives Feld im hier gemeinten Sinn ist nicht sichtbar. Die Voraussetzungen für kollektive Felder ergeben sich aus dem Gesetz der Resonanz. Dieses Gesetz ist ein physikalisches Prinzip und lässt sich gut anhand musikalischer Phänomene erklären. Sie können das selbst einmal ausprobieren: Wenn Sie in ein Musikgeschäft gehen, in dem verschiedene Instrumente in einem Raum stehen, dann können Sie zum Beispiel auf einem der Instrumente eine beliebige Saite in Schwingung versetzen. Alle anderen Instrumente, die eine Saite mit derselben Tonfrequenz haben, werden von allein mitschwingen und klingen. Das bezieht sich aber nicht nur auf Musikinstrumente. Als ich neulich Klavier spielte, fing die Metallschaufel an unserem Holzofen immer dann an zu klingen, wenn ich einen bestimmten Ton anschlug. Oder es kommt vor, dass eine Gitarrensaite klingt, wenn man laut niest.
Das Phänomen der kollektiven Felder wurde schon von C. G. Jung erforscht.*3 Man betrachtet sie als energetische Speicher, die irgendwo in der Atmosphäre herumwabern und sich mit bestimmten Erfahrungsinhalten menschlichen Lebens füllen. Es gibt die verschiedensten kollektiven Felder, und jeder Mensch (und jedes Lebewesen) ist spezifisch mit den kollektiven Feldern in Resonanz, die mit seiner Erfahrungswelt in Verbindung stehen. Das heißt, dass zum Beispiel ich, als Deutsche, Frau, Ehefrau, Mutter, unter anderem mit dem kollektiven Feld der Mütter, der Deutschen, der Ehefrauen usw. in Resonanz schwinge.
Diese Felder entstehen durch ähnliche Erfahrungen, die mehrere Individuen eines gemeinsamen Erfahrungsfeldes machen. Die Felder und die Individuen beeinflussen sich gegenseitig, das heißt, wir als Individuen speisen dieses Feld mit unseren Erfahrungen, und das Feld wiederum wirkt auf unsere individuellen Körper, wenn es eine gewisse spezifische Kraft durch Masse erreicht hat.
Es gibt in der Forschung einen interessanten Versuch, den Ken Keyes *4 überliefert hat: Auf der Insel Koshima in Japan wurde eine Affenkolonie über 30 Jahre lang beobachtet. Die Affen ernährten sich gerne von Süßkartoffeln. Im Jahre 1952 lernte eine junge Affendame namens Imo, dass sie den lästigen Sand, der immer an der Kartoffelschale haftete, an einem nahe gelegenen Fluss mit Wasser abwaschen konnte. Diese Erkenntnis gab sie an ihre Mutter weiter, und so entstand ein allmählicher Prozess, der bis zum Jahre 1958 andauerte, in dem immer mehr Affen lernten, diese Technik anzuwenden. Eines Tages gab es jedoch plötzlich einen markanten Umschwung, als von einem Tag auf den anderen plötzlich fast alle Affen auf dieser Insel ihre Kartoffeln im Wasser abwuschen. Damit jedoch nicht genug – an jenem bestimmten, kritischen Punkt, an dem die Erfahrung ausreichend Informationsmasse erzeugt hatte, wuschen plötzlich auch jene Affen, die auf der benachbarten Insel lebten und die noch nie angefangen hatten, sich mit diesem Thema zu befassen, ihre Kartoffeln ab. Man spricht seitdem vom 100-Affen-Prinzip, ohne dass es sich in Wirklichkeit um genau 100 Affen gehandelt haben muss. Die 100 Affen stehen stellvertretend für die Masse, die es braucht, um individuelle Bemühungen oder Erfahrungen dem Kollektiv zugänglich zu machen.
In der Geschichte der Menschheit hat es immer Phasen und Paradigmen gegeben, die dazu geführt haben, dass durch ähnliche Erfahrungen vieler Menschen ein starkes, kollektives Feld entstehen konnte. Um nur ein paar zu nennen: die Zeit der Inquisition, Kriege, verschiedene Wirtschaftslagen, Gesellschaftsformen sowie häufige Erfahrungen, die vom Stand der Wissenschaft beeinflusst wurden, zum Beispiel die Sterblichkeitsrate bei Geburten und vieles mehr. Diese Erfahrungen führen zu Überzeugungen über die Realität, und das Empfinden und Verhalten passt sich diesen Überzeugungen an.
Jene Erfahrungen resonieren in unserem individuellen Feld, bis eine neue, stärkere Informationsmasse ihre Zugkraft aufhebt. Dies kann geschehen, indem neue Erlebnisse in Bezug auf ein bestimmtes Thema ab einem konkreten Zeitpunkt überwiegen oder alte Energien bewusst aufgelöst werden. Vor längerer Zeit hatte ich eine Klientin, die mit ihrem Mann gemeinsam einen Bauernhof betrieb. Sie stand unter starker innerer Anspannung. In der Arbeit mit ihr kamen wir in Kontakt mit dem alten kollektiven Feld der Landwirte vergangener Zeit, wo die Natur und ungünstige Wetterbedingungen mit einem Handstreich eine ganze Existenz vernichten konnten. Ich will zwar nicht behaupten, dass eine Missernte in der heutigen Zeit keine Bedeutung für einen Landwirt hat, aber in unserer Gesellschaft sind die meisten Bauern für einen solchen Fall versichert, sodass keine akute Lebensgefahr besteht. Diese Erinnerungen aufzuspüren und zuzuordnen, kann sehr erleichternd und klärend für eine Person sein. Die Anspannung meiner Klientin löste sich nach unserer Arbeit komplett auf.
Man sollte die Bedeutung der kollektiven Ebene nicht unterschätzen. Vor allem, wenn man versucht zu verstehen, wie und warum es im normalen und modernen Leben gelegentlich zu merkwürdigen Reaktionen, körperlichen Erscheinungen und Empfindungen kommt. Um nur ein Beispiel zu nennen, haben viele Frauen heutzutage das unbestimmte Gefühl, ihr Leben, besonders auf der materiellen Ebene, nicht eigenständig bewältigen zu können. Dieses Gefühl kann entweder deutlich als Angst empfunden werden, oder es wirkt ganz subtil im Untergrund, zum Beispiel als Anspannung. Oft haben die betreffenden Frauen eine sichere Arbeitsstelle. Die Angst, die hier wirkt, kommt häufig aus dem kollektiven Feld, aus einer Zeit, in der Frauen tatsächlich materiell abhängig von ihren Männern waren.
Die historische Ebene
Diese Ebene wirkt sich im Erleben eines Menschen auf zweierlei Weise aus: Wenn wir annehmen, dass wir als seelische Wesen tatsächlich zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Körpern gelebt haben, dann nimmt unsere Seele, als Informationsträger, Erfahrungen aus der Vergangenheit mit in die Gegenwart und die Zukunft. Manche Erinnerungen sind neutral oder sogar stärkend für unser Selbst- und Lebensgefühl, andere dagegen schwächen und beeinträchtigen uns. Eine Klientin erinnerte sich in einer Sitzung an ein vergangenes Leben, wo sie bei einer Naturkatastrophe ihre Familie und ihre gesamte Lebensgrundlage verloren hatte. Sie war zu mir gekommen, weil sie eine tiefe Lebensangst verspürte, die sich fast vollständig auflöste, nachdem wir dieses alte Trauma in ihrer Seele bearbeitet hatten.
Der zweite Wirkungsbereich unserer geschichtlichen Entwicklung liegt im kollektiven Feld. Selbst wenn ich nicht persönlich eine bestimmte schmerzhafte Erfahrung gemacht habe, zum Beispiel bei der Geburt eines Kindes gestorben bin, so ist diese Erfahrung aus vergangenen Zeiten so tief im Feld des Kollektiven verankert, dass ich vielleicht trotzdem so etwas wie Todesangst spüre, wenn ich erfahre, dass ich schwanger bin. Natürlich sind Schwangerschaft und Geburt immer lebensverändernde Ereignisse und ambivalente Empfindungen dabei ganz normal, aber wenn eine Frau in Panik ausbricht, dann kann es manchmal eine große Hilfe sein, diese Aspekte zu untersuchen, um sie zu entlasten.
Es gibt eine unendliche Vielfalt an Themen, die aus der historischen Vergangenheit relevant für unser derzeitiges Leben sein können. Ich möchte für unseren Zusammenhang auf zwei wesentliche eingehen, die im zweiten Teil des Buches immer wieder zur Sprache kommen werden:
Das Patriarchat ist eine Gesellschaftsform, die einen sehr großen und überwiegend negativen Einfluss auf die Frau und ihre Weiblichkeit hat. Ich bin keine Historikerin und kann deshalb nicht genau datieren, wann und unter welchen Umständen sich diese Gesellschaftsform entwickelt hat. Das Patriarchat zeichnet sich dadurch aus, dass es dem Mann eine Übermachtstellung gegenüber der Frau einräumt. Die Frau wird als ein Wesen zweiter Klasse betrachtet und behandelt. In den Blütezeiten des Patriarchats, galt eine Frau als unmündig und dumm. Es war selbstverständlich, dass ein Mann das Recht hatte, nach Belieben über sie zu verfügen. In diesen Gesellschaftsformen hat eine Frau nicht die Möglichkeit, ein materiell eigenständiges Leben zu führen, und ist für ihr Überleben gewissermaßen von der Gnade des Mannes abhängig – von einem Anrecht auf Glück, Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung ganz abgesehen. Im Patriarchat erfahren Frauen sehr häufig körperliche und sexuelle Gewalt und werden dadurch traumatisiert.
Das Patriarchat ist bis heute lebendig; in manchen Kulturen sehr deutlich in der oben beschriebenen Weise, in anderen eher als subtiles Relikt, so wie in unserer westlichen Gesellschaft. Hier in Deutschland hat eine Frau zwar grundsätzlich kein Problem, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, aber es ist zum Beispiel immer noch weitgehend normal, dass sie für die gleiche Arbeit erheblich weniger Geld verdient als ein Mann.
Während das Patriarchat für viele Menschen bekannt und sichtbar ist, verhält es sich mit dem Matriarchat ganz anders. Zum einen ist es viel weniger bekannt als das Patriarchat. Aber in Kreisen, in denen sich Menschen und besonders Frauen mit alternativen Gesellschaftsstrukturen befassen, wird das Matriarchat häufig als eine Gesellschaftsform idealisiert, in der Gleichheit und Gerechtigkeit herrschen. Das mag für manche dieser Lebensformen zutreffen. Was jedoch wenig bekannt ist: In der Menschheitsgeschichte hat es matriarchalische Gesellschaftsformen gegeben, die in ihrer Geringschätzung und Unterdrückung des anderen Geschlechts dem Patriarchat in nichts nachstanden. Obwohl wir in unserer heutigen westlichen Kultur weit davon entfernt sind, ist diese Information für die innere Arbeit sehr wichtig, da Erfahrungen aus beiden extremen Gesellschaftsformen unser Lebensgefühl und vor allem die Beziehung zum jeweils anderen Geschlecht sehr wesentlich mitbeeinflussen.
Schöpfer oder Geschöpf? Ein metaphysischer Exkurs
Was hat es mit all diesen Ebenen auf sich? Worum geht es in diesem seltsamen Spiel, welches „das Leben“ genannt wird? Wer sind wir darin?
Ich möchte zunächst ein kleines Gedankenspiel mit Ihnen machen *5: Wenn es tatsächlich so ist, dass alles, was existiert, aus einer Art Urkraft entstanden ist – nennen Sie es Gott oder schöpferische kosmische Energie oder nennen Sie es den Urknall – so wäre es letztendlich so, dass in allem, was ist, das Eine enthalten ist. Dieses Eine ist die lebendige Essenz des Lebens, auf die alles, was existiert, zurückzuführen ist, und was dort, also in allem, was existiert, ein und dasselbe ist.
Stellen wir uns jetzt vor, reines schöpferisches Sein – jene Essenz – ergießt sich in verschiedene Formen, um sich im Spiegel dieser Formen bewusst zu erkennen. Stellen wir uns weiterhin vor, diese Uressenz des Lebens ist selbsterfüllt, frei, unbegrenzt kreativ und ihrem Wesen nach liebend. Und dann fällt dieser Kraft auf einmal ein, ausprobieren zu wollen, wie es wäre, wenn man eine Realität erschafft, in der die Erfahrung des Begrenztseins die Grundlage der Realitätserfahrung ist. Ziel des Spiels ist es, in einem Raum von Kontrasten, das eigene schöpferische Potenzial durch Erfahrungen, Wünsche und Vorlieben zu entfalten und dadurch die Vielfalt des Lebens zu erweitern. Es ginge darum, viele Abenteuer zu erleben und am Ende zu erkennen, wer ich in Wahrheit bin, nämlich frei, selbsterfüllt, unbegrenzt kreativ und meinem Wesen nach liebend.
Die größte Herausforderung besteht zunächst einmal darin, absolut glaubwürdige und geniale Umstände zu erschaffen, die die Protagonisten dieses Spiels davon überzeugen, dass sie und ihre Realität tatsächlich begrenzt sind. Ein unglaublich geniales Unterfangen, wenn es gelingt. Und ich glaube: Es ist tatsächlich wirklich gut gelungen! Ein sehr interessanter Film, der diese Thematik auf eine etwas nihilistische Weise aufgreift ist „Matrix“. Umgekehrt bedeutet das, dass alles Erleben, welches weniger als frei, selbsterfüllt, kreativ und liebend ist, nicht der Wahrheit dessen entspricht, was wir unserem Wesen nach sind.
Wir sind in unserem Körper, in dieser Erfahrungswelt gleichermaßen Schöpfer und Geschöpf. Es gibt die Anteile in uns, die in der Trance leben, dass diese Welt, die uns umgibt, die unumstößliche Realität ist – inklusive aller Gesetzmäßigkeiten, die darin existieren. Und es geht sogar so weit, dass es Anteile von uns gibt, die ausschließlich in dieser Realitätsebene überhaupt existieren. Aber es gibt auch einen Seins-Aspekt in uns, den manche zum Beispiel das wahre Selbst oder das höhere Bewusstsein nennen. Unser wahres Selbst ist die ganze Zeit Beobachter in diesem Spiel des Lebens, immer eins mit der wahren Essenz unserer schöpferischen Freiheit und am schöpferischen Prozess unserer „Geschichte“ maßgeblich beteiligt.
Was im Laufe dieses Spiels geschieht, ist, dass sich die meisten Menschen in dem „begrenzten“ Teil ihres Selbst verloren und den Zugang zu ihrer Essenz oder dem wahren Selbst vergessen haben. Dieser Vorgang führt dazu, dass wir uns mit dem persönlichen Drama unseres Lebens identifizieren. Das ist aber kein Problem, denn irgendwann wird jeder aus diesem Spiel erwachen – und Zeit spielt dabei keine Rolle, denn letztendlich ist sie auch nur ein Konstrukt dieser Realitätsebene. Wie Maharishi, der Begründer der Transzendentalen Meditation, es einmal so lapidar ausgedrückte: „An der Erleuchtung kommt am Ende keiner vorbei.“ Es ist ja auch so, dass dieses Spiel seine Reize hat.
Es gibt Anteile in uns, die wir aufgeben müssten, wenn wir uns „entschließen“ sollten, aus dem Spiel auszusteigen. Die meisten von uns identifizieren sich aber genau mit diesen Anteilen, sodass es buchstäblich Todesängste auslöst, wenn die Auflösung dieser Anteile zur Debatte steht.
Es geht unter anderem um unseren Körper und unser Ego, welches wiederum unmittelbar mit unserer Persönlichkeit verbunden ist. Das Ego ist die Instanz in uns, die uns das Gefühl gibt, ein abgetrennter Teil vom Ganzen zu sein. Nur zum Vergleich: Individualität ist auch einzigartig, aber nicht unbedingt abgespalten vom Ganzen. Sowohl unser Körper als auch das Ego sind mit Todesängsten ausgestattet – logischerweise, denn sie sind tatsächlich sterblich. Und wir identifizieren uns mit diesen Anteilen und Ängsten. Wir tun alles, um sie am Leben zu halten. Lieber leiden wir, als zu sterben. Solange wir jedoch auf der Ebene unseres Egos verhaftet bleiben, sind wir auch zum größten Teil mit der „Geschöpf-Ebene“ in uns identifiziert. Die Geschöpf-Ebene steht in Relation zur Ego-Ebene. Hier erleben wir uns von Gott, dem Leben oder dem Schicksal in die Welt geworfen – unter Umständen, die uns scheinbar einfach so widerfahren. Daraus entsteht das Gefühl, Opfer zu sein und das Leben als etwas wahrzunehmen, das von uns getrennt ist und dem wir ausgeliefert sind, mit dem wir ringen und kämpfen müssen und im Zweifelsfall meistens den Kürzeren ziehen.
Die Menschen haben im Laufe der Jahrhunderte immer wieder versucht, sich aus diesem Elend zu befreien. Das Problem war, dass sie die Befreiung auf der Geschöpf-Ebene gesucht haben. Denken Sie an all die Anweisungen verschiedener Religionen, in denen mit Mitteln von Gewalt versucht wurde, den Menschen ihre Liebe zum Körper und dem irdischen Leben auszutreiben. Man hat versucht, durch Zerstörung zu befreien. All das hat aber leider in den allermeisten Fällen nicht zum ersehnten Ziel geführt. Eher zu viel Schmerz und noch mehr Angst und Hader mit dem Leben, als sowieso schon da waren.
Es ist schon eine Gratwanderung. Wenn an diesem Gedankenexperiment etwas dran ist, geht es ja am Ende darum, die ganze Illusion unserer persönlichen Geschichte und dem Dasein als getrennte Wesen aufzugeben. Aber diese Illusion ist das, was wir in unserem Körper und unserer Persönlichkeit als Realität erleben. Und nicht nur das: All unsere Wünsche sind an diese Realität geknüpft. Reichtum, Erfolg, Liebe, alles findet im Rahmen des Spielfeldes und seiner Gegebenheiten statt. Dadurch hängt unsere ganze Aufmerksamkeit daran, mit aller Kraft und Energie wenigstens ein bisschen von dem zu bekommen, was wir so gerne haben oder sein möchten.
Die eigentliche Lösung liegt jedoch auf einer ganz anderen Ebene. Man kann es auch viel sanfter und natürlicher haben, indem man nach und nach anfängt, seine Aufmerksamkeit immer wieder auf diese liebende und ruhige Instanz in sich auszurichten, die unser wahres Selbst ist. Dies wird zu einer allmählichen Verschiebung in unserer Identifikation führen. Im Kontakt mit unserem wahren Selbst hat alles seinen Platz, das Freie und das Begrenzte. Das Spiel wird immer heiterer, je mehr wir die Illusion durchschauen. Das Überleben hängt immer weniger vom Überleben des Egos oder unseres Körpers ab, denn wir sind in Kontakt mit dem in uns, was nie geboren wurde und deshalb auch niemals sterben wird. Wir dürfen uns Zeit lassen. Vielleicht macht das Spiel jetzt erst richtig Spaß, wer weiß?
Führen wir diesen Gedankengang bis zum Ende, bedeutet das zweierlei: Zunächst sind wir in der letzten Instanz, also auf der Ebene unseres höheren Selbst, auch Schöpfer unseres Schicksals. Auf dieser Ebene kann man sagen, dass alles, was ich erfahre, von mir (also dieser Instanz in mir) erschaffen wurde. Und wer aufhört, sich über die grausamen Wendungen des Schicksals zu beklagen und tiefer schaut, wird feststellen, dass alles, was wir erfahren, entweder ein reines Geschenk der Fülle des Lebens ist (quasi von sich selbst an sich selbst) oder wenn es zwickt und hakt, eine Erfahrung ist, die uns helfen kann, wach zu werden und aus der Trance der Begrenztheit zu erwachen. Je mehr wir uns bewusst mit unserem wahren Selbst verbinden, desto häufiger werden wir die Erfahrung machen, aktiv an unserem Schicksal mitzuwirken, und Sinn in dem erkennen, was uns im Leben begegnet. Dann wird aus dem „Drama des Lebens“ nach und nach eine „gelungene Inszenierung“ und ein Weg des Erwachens.
Und zweitens: Wenn Sie sich noch einmal vergegenwärtigen, dass die Essenz von allem, was ist, ein und dasselbe ist, stellt sich die Frage: Wer ist dann da draußen?*6 Wer ist ein Anderer? An diesem Punkt der Erwägungen kann man sagen: Wenn die Essenz überall dieselbe ist, dann gibt es am Ende nur das Eine, und nichts und niemand ist getrennt von mir. Dann ist alles, was ich erlebe, ein kosmisches Bewusstseinsspiel oder eine Projektion meines Bewusstseins in die scheinbar äußere Realität.
Es ist jedoch wichtig, die verschiedenen Ebenen unterscheiden zu lernen. Viele der heutigen „New Age“- oder Coachingtechniken drehen sich um das große Paradigma: „Ich kreiere mir alles selbst“. Das klingt gut, stimmt aber nur sehr bedingt, wenn wir uns damit auf die Ego- oder die Persönlichkeitsebene begeben. Die meisten von uns haben bisher keinen voll bewussten Zugang zur eigentlichen schöpferischen Instanz in uns selbst. Gleichzeitig erschaffen wir die ganze Zeit. Das Problem an dieser Stelle ist, dass das Reservoir unseres Unterbewusstseins riesig ist. Viele unserer Motive sind von unbewussten Erwartungen, Ängsten und Programmierungen gesteuert, ohne dass unser Wachbewusstsein irgendetwas davon ahnt. Darüber hinaus haben die allerwenigsten von uns die Wachheit, sich pausenlos ihrer Gedanken bewusst zu sein und diese zu steuern. Ständig wiederholte (auch unbewusste) Gedanken wirken wie Affirmationen und entwickeln dadurch Manifestationspotenzial. Wenn man einmal anfängt, sich dabei zu beobachten, welche Gespräche man innerlich mit sich selbst führt, dann kann einem manchmal angst und bange werden.
Natürlich sind die meisten von uns auch auf der Persönlichkeitsebene bestrebt, bewusst Dinge zu erschaffen. Und das gelingt auch oft. Nehmen wir das Beispiel der Berufswahl. Wenn ich einen bestimmten Beruf erlernen möchte, habe ich die Möglichkeit, eine entsprechende Ausbildung zu wählen und später eine Arbeitsstelle zu suchen, die diesem Wunsch entspricht. Nur ist die Persönlichkeitsebene den Spielregeln unterworfen, die hier herrschen. Den Gegebenheiten unserer psychosexuellen Entwicklung, den Umweltbedingungen, dem sozialen Umfeld, in dem wir leben, unseren daraus resultierenden Überzeugungen über uns und das Leben sowie vieles mehr. Es kommt darüber hinaus auch vor, dass das, was unser Ego möchte, nicht unbedingt mit dem übereinstimmt, was unser wahres Selbst im Sinn hat. Dann sieht es immer wieder so aus, als hätte sich das Leben gegen uns verschworen.
Wir können aber etwas dafür tun, dass sich die verschiedenen Ebenen in uns einander annähern. Wir können lernen, mit den verschiedenen Aspekten in uns zu kommunizieren. Wir können uns auf der einen Seite als „begrenzte“ Persönlichkeit mit unserem höheren Selbst verbinden und mitteilen, was wir uns wünschen, und auf der anderen Seite lauschen, was das höhere Selbst aus seiner Warte und Liebe mit uns und unserem Wachstum im Sinn hat. Das zu sehen und zu verstehen, kann wesentliche Entlastung und Entspannung in unser Leben und unser System bringen. Große Vorsicht ist jedoch geboten, wenn wir meinen, unser höheres Selbst will uns etwas „verweigern“. Wenn ich zum Beispiel glaube, ich kann keinen Partner finden, weil mein höheres Selbst der Ansicht ist, ich sollte den Weg der Entsagung gehen. Etwas plakativ, aber gehen wir einfach mal davon aus, es wäre so. Das kann natürlich theoretisch möglich sein, aber viel wahrscheinlicher ist es, dass wir alte Verbote oder Ängste in uns tragen, die in unserer Realität verhindern, dass wir auf dieser Ebene Erfüllung finden. Ein guter Seismograf ist in solchen Fragen immer ein Empfinden von Kraft und Stimmigkeit sowie Ruhe und Fülle im Herzen. Sobald ich das Gefühl habe, ein Opfer oder Märtyrer zu sein, kann ich davon ausgehen, dass es sich nicht um die letzte Wahrheit handelt.