Читать книгу Dünenvagabunden - Katrin Maren Schulz - Страница 8
Оглавление3. Kai. Anfang März.
Es ist Anfang März. Ich sitze tatsächlich in der Nord-Ostsee-Bahn Richtung Husum, mit Ziel St. Peter-Ording. Einfache Fahrt. Einfache Fahrt in die Pampa. Ich.
Ich? Der, der doch immer nur auf Abenteuer aus war all die letzten Jahre? Was mache ich hier?
Die Alternative zum Abenteuer suchen. Es gibt sie doch, oder? Irgendwie leben doch all diese anderen Menschen auch, die nicht so leben wie ich es getan habe die letzten Jahre?
Es war egal, wo ich war, überall ging es mir um das Abenteuer, um den Kick, um das Besondere im Leben. Ein Besonderes musste sich an das andere reihen, sonst wurde mir langweilig. Das Geld dafür habe ich mir mit unterschiedlichsten Jobs in Berlin verdient. Zuletzt stand ich Tag für Tag in einer Videothek.
„Nur abgeben? Das macht dann bitte zwei Euro.“
Es hat so genervt. Ich könnte viel mehr, das wurde mir in den letzten Monaten klar. Ich habe bislang nicht darüber nachgedacht, was ich mehr könnte. Ich wollte nur surfen, und irgendwie und schnellstmöglich an das Geld kommen, das ich dafür brauche. Für so etwas wie eine Ausbildung, oder ein Studium, für so etwas was geregelter Lebenslauf genannt wird, hatte ich weder Zeit noch Gedanken.
Dieser geregelte Lebenslauf hat mich nie gereizt. Im Gegenteil, er hat mich abgestoßen. Denn was ich an denen sah, die ihn lebten, das wollte ich selbst nicht leben. Vielleicht lag das daran, dass ich in einer Kleinstadt aufgewachsen bin. Dort ist alles viel enger als in der Großstadt, es fehlt die Anonymität, das nicht-beobachtet-werden, das tun-können-was-ich-will.
In dieser Kleinstadt war man wer, wenn man bestimmte Dinge hatte. Und diese Dinge hatten wiederum mit Geld zu tun, viel Geld, das man verdient, wenn man diesem geregelten Lebenslauf nachgeht. Dann hatte man ein eigenes Haus und ein eigenes Auto und fuhr mehrmals im Jahr in den Urlaub.
Aber lebte man so auch sein eigenes Leben?
So jedenfalls war meine Sicht auf meine kleine Welt damals. Und diese Sicht hat mich veranlasst, mein ganz anderes Leben auszuprobieren. Ich wollte eine Alternative dazu leben, eine selbstbestimmte Biografie entwickeln. Und ich weiß, dass ich den Mut dazu habe. Aber so, wie es jetzt ist, kann es dennoch nicht weitergehen.
Mein Leben der letzten Jahre hat viel Kraft gekostet. Kaum hatte ich ein paar Monate in Berlin Geld verdient, bin ich losgezogen zum Surfen, und habe alles, restlos alles, aufgebraucht. Nie Rücklagen, nie ein festes Zuhause. Größtmögliche Freiheit eben. So langsam geht mir die Kraft dafür aus. So langsam beginnt es mich zu langweilen. Jetzt, Mitte dreißig, beginnt offensichtlich die Suche nach dem Sinn in meinem Leben.
Es muss sich etwas verändern. Ich will sesshafter werden, und trotzdem meine lebensbejahende Achtsamkeit am Leben erhalten. Ich will mehr Stetigkeit, und habe Angst vor der Langeweile, die sich darin ausbreiten könnte. Ich bin es gewohnt, Wellen unter mir zu haben, unter meinem Brett. Ich blühe auf, wenn es unruhig ist um mich herum und stürmisch und ich mich auf meinem Brett von meinem Kite durch Wellen und Sturm treiben lassen kann.
Ich habe Angst vor der Sesshaftigkeit, weil ich Angst habe auf einem Boden zu stehen, der nicht wankt.
Immer wieder musste ich raus, in fremde Länder, an neue Küsten, auf all die Meere dieses Planeten. Ich weiß nicht wie das gehen soll, einen Boden für mich zu bereiten, auf den ich mich gerne stellen mag, für lange, womöglich für immer?
Kann das ein anderer Mensch für einen tun?
Kornelia hat es versucht, meine letzte Freundin. Sie zog mir hinterher nach Berlin, hat uns eine Wohnung gesucht, wollte uns ein Nest bereiten, und eine gemeinsame Zukunft. Bevor ich in die Wohnung einzog, habe ich mich von Kornelia getrennt, und bin nach Costa Rica geflohen, zu fantastischen Wellen, und einem Leben in den Tag hinein.
Und auch die Zeiten in Berlin habe ich oft surfend verbracht. Nicht auf Wasserwellen, sondern surfend durch die Nacht. Von einem Club in den anderen, lauter Parallelwelten, ich habe mich in sie gestürzt wie in die Fluten, Nachtfluten, regellos, unberechenbar wie viele Wellen, und ich habe diese Nächte abgeritten wie ich Wellen mit dem Surfbrett abreite, gierend nach Abenteuer, sehnsüchtig nach Kick.
War das ein wahres Leben? Oder war es nicht auch nur oberflächlich, ohne Tiefgang?
Ein Surfbrett gelangt nicht in die Tiefe. Es ist dafür gemacht, auf der Oberfläche zu gleiten.
Bahnhof Tönning. Hier fährt der Zug nicht geradeaus weiter, sondern rückwärts wieder aus dem Bahnhof hinaus. Von Husum bis Tönning saß ich gegen die Fahrtrichtung, fuhr rückwärts. Jetzt fahre ich vorwärts, sitze mit Blick in Richtung dessen, was mich erwartet. Das ist für mich in dieser meiner zweifelbeladenen Zeit wahrscheinlich auch besser so. Ich würde gerne meine neue Fahrtrichtung sehen.
Die Fahrt führt durch Felder und Weiden, kaum eine Straße, geschweige denn ein Auto, ist zu sehen. Keine Häuserwände, keine Werbetafeln, keine Plakate - nur Natur. Nur.
Der Zug fährt an dem Ort namens „Welt“ vorbei. Ob sie das wird, hier, meine neue Welt?
Viktoria wird mir dabei helfen, diese Fragen zu beantworten, die ich an mich und mein Leben habe. Das immerhin, das weiß ich. Viktoria ist meine einzige wirkliche Vertraute. Sie ist ausgestiegen aus dem Lebensmodell, in das ich nie eingestiegen bin.
Und auch die See ist meine Vertraute. An ihrem Strand, der auf den ersten Blick so karg und leer erscheint, spiegelt sich für mich die ganze Vielfalt des Lebens in Muscheln und Treibgut, Wellen und Gischt, und die See fordert auf, diese Vielfalt zu leben, indem sie mit ihrer Endlosigkeit bis zum Horizont die Grenzen ignoriert, die sich der Mensch gerne selbst auferlegt.
Viktoria sagt nichts, fragt nichts. Sie lächelt leise vor sich hin, ich sehe ihr an, dass sie sich darüber freut, dass ich da bin.
Sie werkelt in ihrer Küchenecke, macht uns Abendessen aus Kartoffeln, Weißkohl und Speck. Ja, stimmt, dieser Weißkohl, es gibt ihn überall hier in rauen Mengen, hier im Weißkohlland. Sogar Kohltage feiern sie hier.
Die Einrichtung ist spartanisch in Viktorias Backhaus. Das Allernötigste befindet sich in diesem einzigen ebenerdigen Raum, aber auch wirklich nicht mehr. Ein altes klappriges Sofa. Ein einfacher Holztisch, drei Stühle daran. Eine kleine Küchen-zeile, darunter unlackierte Holzregale, in denen ein paar Lebensmittel lagern. Ein Waschbecken. Ein eintüriger Kleiderschrank, kaum breiter als ich selbst. Viel Kleidung kann darin nicht sein. Nur in einer Ecke ein Regal, mit ein paar Kisten darin, Krimskrams wahrscheinlich, den jeder so hat.
Die Wände sind leer. An den beiden Fenstern befinden sich breite Fensterbretter, auf denen liegen Muscheln, Steine, Möwenfedern und allerlei Sammelsurium vom Strand. Über diesem Raum gibt es noch den Giebel, da liegt die Matratze auf dem Boden, auf der Viktoria schläft. Viktoria scheint nicht wirklich viel eigenen Besitz zu haben.
Kaum zu glauben, dass so diese Frau lebt, die ich vor einigen Jahren im Hamburg kennengelernt habe, denke ich mir. Dass sie ihre Bedürfnisse einmal derartig herunterfahren würde, hätte ich ihr damals nicht zugetraut. Und sie auf diesen Weg zu bringen, war in dieser Intensität auch nicht mein Ansinnen damals. Aber sie hat es sich so ausgesucht.
Es zieht durch die einfachen Fensterrahmen aus Holz, das Glas darin scheint nicht sehr stark zu sein. Und überhaupt, diese unverputzten Wände!
„War es nicht sehr kalt hier im Winter, Viktoria?“ frage ich sie.
„Ja, das war es. Ich muss in diesem Jahr etwas ändern an meiner Wohnsituation, ich weiß noch nicht wie, aber es muss wärmer sein in meiner Behausung im nächsten Winter. Und du, was möchtest du verändern?“ fragt sie mich mit einem augenzwinkernden Blick über die Schulter zu mir am Holztisch sitzend.
„Vielleicht alles“, platzt es aus mir heraus.
Viktoria dreht sich um und sieht mich an: „Ich dachte mir schon, dass du deshalb hergekommen bist. Und ich staune über diese Wellenbewegungen unserer beider Leben, diese Aufs und Abs. Noch vor einigen Jahren brauchte ich deine Hilfe bei meiner Neuorientierung. Jetzt bist du hier und brauchst meine?“
„Ja, die brauche ich. Denn ich weiß nicht, wo ich anfangen soll mit dem Sortieren dessen, was war, was ich habe, und was werden soll, was ich haben will. Und wer ich überhaupt werden will, wahrscheinlich auch.“
„Lass uns erst einmal essen. Danach gehen wir mit dem Hund raus, dabei sprechen wir weiter.“
Viktorias Kohltopf ist nahrhaft und deftig, ich schlinge einige Teller davon in mich hinein. Es ist, als würde ich damit nicht nur Nahrung in mich aufnehmen, sondern auch das beruhigende Gefühl, dass eine gute Zeit vor mir liegt, die mich wieder auf die Beine und auf festen Grund stellen wird.
Es ist eine schon fast frühlingshafte Abendstimmung, als wir Richtung Dünenwald aufbrechen. Der Wind hat sich gelegt, die Vögel singen aufgeregt ihre Frühlingslieder in den Märzhimmel. Blohm, Viktorias riesiger zotteliger Hund, gibt den Weg vor, den wir gehen, und den er selbst sicherlich schon auswendig kennt. Er wirkt wie ein weiser, gebildeter älterer Herr. Schade, dass er nicht sprechen kann.
Viktoria greift mein Thema wieder auf:
„Du hast vorhin nur von der Vergangenheit und der Zukunft gesprochen. Wenn du wissen willst, wohin dein Weg gehen soll, dann beginne in der Gegenwart. Was hast du, was davon soll bleiben, was soll sich verändern, und was kann wegfallen? Mir scheint, du pendelst gerade gedanklich zwischen Vergangenheit und Zukunft, ohne zu wissen, wo du überhaupt stehst, und wohin es gehen könnte. Das ist zu haltlos. Was du als allererstes brauchst, ist ein Halt, auf dem du aufbauen kannst.“
„Meine Gegenwart ist hier, jetzt in diesem Moment. Es gibt kaum mehr etwas, was Kai ausmacht, außer ein paar weniger Umzugskisten, die ich bei Freunden in Berlin untergestellt habe.“
Viktoria sieht mich erstaunt von der Seite an.
„Heißt das, dass es keinen Kai mehr gibt, der den nächsten Surfspot ansteuert? Keinen Kai mehr, der auf das nächste Abenteuer lauert?“
„Ja, das heißt es“, antworte ich ihr in einer Inbrunst, die mich selbst erstaunt. „Es gibt diesen Kai nicht mehr, für den es das Größte ist, um die Welt zu tingeln. Aber ich weiß noch nicht, was der neue Kai machen wird, und vor allem wo - hast du eine Idee?“
„Ja, ich habe eine Idee“, deutet Viktoria an, „aber zunächst fordere ich dich auf, deine Gegenwart anzusehen. Was hast du, was bringst du mit ein dein neues Dasein?“
Viktoria kann manchmal auch nerven. Nein, sie nervt mich nicht, aber ich empfinde die Fragen, die sie mir stellt, als unangenehm. Und gleichzeitig spüre ich, dass die Fragen gut sind, und dass ich sie mir selbst viel zu selten, vielleicht sogar noch nie, gestellt habe.
Was soll ich schon mitbringen? Pfff. Einen Rucksack voll Klamotten, und einen Kitesurf-Grundschein.
Aber Viktoria meint das nicht, das weiß ich. Das Materielle ist nur die eine Seite. Die andere Seite kommt von innen. Und genau dieses Innen ist gerade mein Fragezeichen. Oder doch nicht?
„Einen müden Abenteurer, der bislang viel auf Hedonismus gegeben hat, habe ich mit hierher gebracht“, platzt es aus mir heraus. Ich bin selbst überrascht. Viktoria offensichtlich nicht.
„Was bedeutet dir Hedonismus?“ hakt sie nach.
Hm. Wo ich diesen Begriff erklären soll, wird mir bewusst, wie nahe er dem Egoismus, oder der Egozentrik, ist.
War ich das, bin ich das - egozentrisch?
Unsicher wage ich eine Antwort:
„Klingt es sehr egoistisch, wenn ich damit meine, Lebenslust zu verspüren, Spaß zu haben, glückliche Momente zu sammeln, dem Genuss zu frönen, und Abenteuer zu erleben? Das ist schon das, was ich gerne erlebt habe, und auch gerne weiterhin erleben würde.“
„Das sollst du ja auch gerne, wenn du magst. Jeder Mensch sollte das tun, ein glückliches und frohes Leben führen, das hat sogar etwas mit Eigenverantwortlichkeit zu tun. Denn der Hedonismus fragt nach dem, was das Leben schön macht, das Leben zu etwas Besonderem macht, und das eigene Leben einzigartig. Er fragt nach Müßiggang, also der Zeit für sich und die schönen Dinge des Lebens, und er fragt nach Genuss und Lust. Auf dem Weg in die Eigenverantwortlichkeit zeigt keiner so deutlich, wozu dieser Weg gut ist, wie der Hedonismus, beziehungsweise das, was aus einer hedonistischen Lebenshaltung resultiert. Schwierig wird es dann, wenn du mit dem Ausleben dessen anderen schadest, womöglich über andere, die dich mögen, hinweglebst. Oder wenn du dabei derart in Saus und Braus lebst, dass du die Umwelt schädigst und ihre Ressourcen verschwendest.
Wenn du nun eine Alternative zum reinen Abenteuer suchst, dann ist das ein großer Schritt in Richtung Eigenverantwortlichkeit, wie ich finde. Beglückwünsche dich doch einfach dazu! Aber was ist es denn eigentlich, was den Abenteurer in dir müde gemacht hat?“
„Die jahrelange Unstetigkeit, vermute ich. Darüber und dessen, nie zu wissen was in ein paar Monaten sein wird, bin ich müde geworden. Es ging jahrelang gut, und plötzlich fühle ich mich ausgelaugt bezüglich dieses Lebenswandels. Ganz ungeahnte Bedürfnisse tauchen in mir auf. Bedürfnisse nach einem konstanten Ort, an dem ich lebe, nach einer eigenen Wohnung, nach ein bisschen materieller und finanzieller Sicherheit. Und gleichzeitig machen mir diese Bedürfnisse Angst. Was ist, wenn ich mich nun um diese Stetigkeit bemühe, und wenn ich sie habe, sie nicht ertragen würde?“
„Das kannst du nur herausfinden, indem du es ausprobierst. Deine Ängste zeigen dir deine Schwachstellen auf, nichts weiter“, antwortet Viktoria trocken. „Für ein paar Wochen jedenfalls kannst du bei mir wohnen, dann wird es uns vermutlich zu eng miteinander.“
In diesem Moment sind wir oben auf dem Deich angelangt. Mir wird bewusst, dass ich so sehr in meine eigenen Gedanken und in dieses Gespräch mit Viktoria verstrickt war, dass ich jeglichen Gedanken an die See vergessen hatte!
Eigentlich ist sie doch mein erstes Ziel, wenn ich an die Küste fahre. Diesmal hatte ich sie vergessen. Nun liegt sie da in der Ferne vor mir, weit weg.
„Läuft das Wasser gerade auf, oder läuft es ab?“ frage ich Viktoria, noch nicht angekommen im Strom der Gezeiten, die hier mit jedem Tag mehr zu getreuen Begleitern werden.
„Es läuft ab, bald tritt die Ebbe ein, und mit ihr die Ruhe. Der Wind hat ja auch schon nachgelassen.“
Ja, es stimmt. Es ist schon viel friedlicher geworden, als es noch bei meiner Ankunft war. Ich bin schon viel friedlicher geworden, als ich es noch bei meiner Ankunft war.
In meiner Unruhe setzt die Ebbe ein.
In den kommenden Tagen mache ich mich daran, Viktorias Backhaus zu isolieren. Nach ein wenig Sträuben hat sie doch eingesehen, dass die schönen unverputzten Wände zu kältedurchlässig sind, und hat mir freie Hand gegeben, daran etwas zu ändern.
Auf der Suche nach den nötigen Materialien durchstreife ich den Baumarkt. In der Holzabteilung grüßt mich jemand. Es ist Piet, der Besitzer der Surfschule. Erstaunlich, dass er mich wiedererkennt. Wir hatten doch nur ein paar wenige Worte gewechselt im letzten Jahr, als ich mir in seiner Station eine Surfausrüstung geliehen hatte, um für ein paar Stunden aufs Wasser zu gehen.
„Na, bist du auch dabei, dein Haus zu isolieren, wie ich es für eine Freundin tue?“ frage ich ihn.
Er lacht. „Nicht ganz, aber so ähnlich. Wir werden in einer Woche damit beginnen, die Surfstation wieder aufzubauen, dafür brauche ich noch Material. Und übrigens auch helfende Hände. Hättest du Lust mitzumachen, gegen ein Taschengeld?“
Stimmt, hier in der nordfriesischen Wattenlandschaft ist ja vieles recht anders als im Rest der Welt. Sie bauen ihre Pfahlbauten am Strand ganz oder teilweise ab vor dem Winter, weil dann die See den Strand stark überspült - oft nicht nur mit Wasser, sondern auch mit Eisschollen. Da wäre es viel zu gefährlich, die aus Holzplatten zusammengezimmerte Surfschule einfach so darin stehen zu lassen. Vermutlich wäre am Ende des Winters nicht mehr viel von ihr übrig.
Und noch etwas, fällt mir auf, ist hier anders: Piet fragt gar nicht, was ich hier mache, ob ich hier lebe, wer genau ich bin. Als würde für ihn nur das Jetzt existieren, nur die Gegenwart. Und in dieser Gegenwart trifft er mich, benötigt helfende Hände, und spricht mich genau darauf an. Nicht mehr, und nicht weniger. Nordfriesisch trocken und klar. Besinnung auf die Gegenwart. Genau das, was Viktoria mir bei meiner Ankunft auch geraten hatte.
„Ja natürlich, ich helfe gerne mit!“ höre ich mich sagen und registriere dabei, dass ich gerade eben einen kleinen bezahlten Job angenommen habe. „Eine Wohnung könnte ich übrigens auch noch gebrauchen, falls du etwas weißt, gib mir doch bitte Bescheid?“
„Da lässt sich bestimmt etwas organisieren“, antwortet er. „Erst vor ein paar Tagen habe ich gehört, dass noch nicht alle Wohnungen für Saisonkräfte vermietet sind für dieses Jahr. Ich frage da mal nach.“
Ich gebe Piet meine Handynummer, damit er mir sagen kann, wann genau es losgehen wird mit dem Aufbau der Surfstation. Wie so vieles hier ist natürlich auch das: abhängig vom Wetter, und von den Gezeiten. Und wenn ich tatsächlich über ihn auch an eine möblierte Wohnung käme, wäre erst einmal einiges perfekt. Womit ich dann später mein Geld verdienen werde, wird sich zeigen.
Plötzlich geht alles so schnell, scheint es mir. Alles fällt mir entgegen, kommt auf mich zu, ich muss gar nichts tun, es geschieht einfach.
Es geschieht einfach so, dass ich eine Wohnung in Aussicht habe, und einen, wenn auch kurzzeitigen, Job.
Es fühlt sich so leicht an. Dann wird es wohl auch richtig sein?