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Kaiserliche Kindheit

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[1] Erzherzogin Sophie und Erzherzog Franz Karl, historische Fotografien aus dem Familienalbum des Kaisers

1 Franz Josephs Mutter, Erzherzogin Sophie, war eine außergewöhnliche Frau. Die Tochter des bayerischen Königs Maximilian Joseph I. war selbstbewusst, willensstark, hatte einen scharfen Verstand, sie war gebildet – und vor allem ehrgeizig. Ihre Schwestern hatten alle glänzende Partien gemacht und waren Königinnen von Sachsen und von Preußen geworden, ihre Halbschwester Karolina Augusta war als vierte Gemahlin Kaiser Franz’ I. sogar österreichische Kaiserin geworden. Sie war es auch, die ihre jüngere Schwester ins Gespräch brachte, als es darum ging, den zweiten Sohn des Kaisers, Erzherzog Franz Karl, zu verheiraten. Hochzeiten waren politische Geschäfte, man vergesse nicht den berühmten Ausspruch über die habsburgische Heiratspolitik: »Bella gerant alii – tu felix Austria nube« – »Andere mögen Kriege führen – Du, glückliches Österreich, heirate!« Diese Devise galt allerdings für alle Dynastien. Töchter waren Spielbälle der Politik, wurden dementsprechend erzogen und fügten sich meist widerspruchslos den Entscheidungen der Eltern. Die Erhaltung der Dynastie war oberstes Prinzip, oder wie es Staatskanzler Metternich formulierte: »Wir heiraten, um Kinder zu haben, und nicht, um die Sehnsüchte unserer Herzen zu stillen.«

Erzherzog Franz Karl war zwar nicht wie sein älterer Bruder, Kronprinz Ferdinand, schwer krank, aber dennoch geistig minderbegabt, unattraktiv und definitiv kein gleichwertiger Partner für Sophie. Das erste Zusammentreffen war für sie ein Schock und sie schrieb an ihre Mutter: »il est terrible [er ist schrecklich] … Mich würde er zu Tode langweilen!«2 Dennoch – der Thronfolger war krank, man sagte ihm ein kurzes Leben voraus und somit gab es für Sophie eine realistische Chance, durch diese Heirat selbst einmal Kaiserin zu werden. Im Jahr 1824 fand die Hochzeit des ungleichen Paares statt, 1830 wurde der ersehnte Sohn geboren. Ganz im Gegensatz zu ihrem Gemahl war die Erzherzogin politisch interessiert und verstand es, in kurzer Zeit wichtige Verbündete und Vertraute zu finden. Da sich zeigte, dass der Hof, und allen voran Kaiser Franz, ganz vernarrt in ihren kleinen »Franzi« war, verfolgte sie nun konsequent ein Ziel: Ihr Sohn sollte einmal Kaiser werden.

2 Sophie war zwar eine ehrgeizige Mutter, die ihr Ziel, ihren Sohn zum Kaiser zu machen, konsequent verfolgte, doch war sie auch eine fürsorgliche und stolze Mutter. »Franzi«, wie der kleine Erzherzog in der Familie genannt wurde, war ihr Ein und Alles, und Sophie war glücklich, dass ihr »le petit chou« – anders als seine Brüder – keine Probleme machte. Der zweitgeborene Sohn Ferdinand Max war überschwänglich, oft unkonzentriert und ausgelassen. Sophie behagte »Maxis« kindliches Naturell wenig und sie schrieb an ihre Mutter: »Maxi ist sehr faul und schwätzt zu viel, weil seine lebhafte Phantasie ihn wider seinen Willen mit sich reißt. Er wird häufig ausgezankt, aber es ist, als spräche man zu einer Kuh.« Vor allem aber ihr dritter Sohn, Karl Ludwig, machte Sophie große Sorgen: »Er macht den Eindruck eines dicken, kleinen Bauernbuben und wenn der Hofpfarrer nach Aufbietung seiner ganzen Geduld glaubt, ihm etwas begreiflich gemacht zu haben, da sagt er ein einziges Wort, aus dem erhellt, dass er aber schon gar nichts verstanden hat.«3

Im Unterschied zu Franz Joseph, der von frühester Kindheit an geradezu zum Kaiser dressiert wurde, wuchsen seine Brüder unbeschwert auf. Dennoch hatten die Brüder als Kinder ein sehr inniges Verhältnis und verbrachten viel Zeit miteinander.


[2] Die Erzherzoge Franz Joseph, Ferdinand Max und Karl Ludwig, Lithographie von Joseph Kriehuber, 1844


[3] »Allerhöchstes Handschreiben« des Kaisers mit eigenhändiger Unterschrift die Pensionierung seiner Kinderfrau Baronin Sturmfeder betreffend

3 Mit dem vollendeten sechsten Lebensjahr folgte eine große Zäsur im Leben des kleinen Erzherzogs, der bis dahin zusammen mit seinen Brüdern in der sogenannten Kindskammer aufgewachsen und von seiner »Amie«, wie er seine Aja (Erzieherin) Louise Baronin Sturmfeder zärtlich nannte, betreut und erzogen worden war. Nun musste er ein eigenes Appartement beziehen und kam der Tradition entsprechend »zu den Männern«. Da seine Aja seine Hauptbezugsperson gewesen war, die er wie eine Mutter liebte, war diese Trennung sehr hart und auch Baronin Sturmfeder brach es das Herz, ihren Franzi hergeben zu müssen und von nun an, dem Protokoll entsprechend, auch keinen Kontakt mehr zu ihm haben zu dürfen. Sie blieb zunächst noch Aja seiner jüngeren Brüder, als aber auch diese schließlich der Kindskammer entwachsen waren, erhielt sie zwar eine kleine Wohnung in der Hofburg, sah »ihre Kinder« jedoch meist nur noch von Weitem. Der Überlieferung nach bestand ihr einziger Kontakt zu den Buben, die sie auch ihrerseits in ihrem neuen »Männerhaushalt« schmerzlich vermissten, darin, dass ihr die Kinder, die ein Stockwerk über ihr wohnten, geheime Botschaften und Geschenke, die sie an einem Bindfaden herabließen, schickten und sie auf demselben Wege mit kleinen Bildern und Briefen antwortete. In ihrem Tagebuch notierte sie verzweifelt: »Über meinem Kopfe trappen sie den ganzen Tag herum, ich bin also gezwungen an sie zu denken und im Garten seh ich sie und darf nicht zu ihnen, muss ihnen ausweichen. Es ist eine namenlose Pein. Habe ich sie denn nicht lieb genug gehabt? Wäre es nicht Glück für mich, hätte ich sie nie lieb gehabt?«4 Schließlich fand sich eine glückliche Lösung: Louise Sturmfeder wurde ins Gefolge der Kaiserinwitwe Caroline Auguste aufgenommen. Damit hatte sie wieder engen Kontakt zu »ihren Kindern«, da diese regelmäßig Besuch von ihrer Großmutter, zu der sie eine sehr innige Beziehung hatten, erhielten und diese nun von ihrer »Amie« begleitet wurde.

Um seine Ziehmutter gut versorgt zu wissen, wies ihr Franz Joseph schließlich in diesem Schreiben eine lebenslange Pension zu: »Besonders liebe Großmutter, Eure Majestät! Ich genehmige die von der Hofdame Louise Freyin von Sturmfeder mit Euerer Majestät Zustimmung angesuchte Dienstenthebung und bewillige derselben auf Lebensdauer den Fortgenuß aller bisherigen Bezüge mit Einschluß der Naturalwohnung, des Gebrauches einer Hofequipage und des Damendiners, in welcher Beziehung Ich unter Einem das erforderliche an Meine Obersten Hofämter erlaßen habe. Eurer Majestät treulich ergebener Enkel Franz Joseph, Schönbrunn am 15. Mai 1865.«


[4] Das »Wettrennen am 29. May 1842«, eigenhändige Zeichnung des zwölfjährigen Erzherzogs

4 Im Alter von zwölf Jahren hielt Erzherzog Franz ein »Wettrennen« fest, das am 29. Mai 1842 mit seinen Freunden auf einer Rennbahn im Burggarten veranstaltet worden war. Teilgenommen hatten die Söhne seines Kammervorstehers Carl (Charly) und Markus Bombelles, die Söhne des Staatskanzlers Richard und Paul Metternich, »Franzis« jüngerer Bruder Ferdinand Max, Franz Coronini, der Sohn seines Erziehers, und Dionys (Dénes) Széchényi, der ebenfalls zum engsten Umfeld des Erzherzogs zählte. Die Burschen trugen in sportlicher Kleidung offenbar auch ein Fechtturnier aus.

Die Zeichnung stellt einen der wenigen ausgelassenen Momente im Leben des jungen Erzherzogs dar, der von Kindheit an zum Kaiser gedrillt wurde. Im Jahr, als diese Zeichnung entstand, wurde sein Stundenplan auf fünfzig Wochenstunden erweitert. Er lernte neben Deutsch, Französisch, Ungarisch, Tschechisch und Latein Geschichte, Geographie, Rechtskunde, Politikwissenschaft, Physik, Chemie, Mathematik – und vor allem Religion. Dazu kam noch Tanzen, Reiten, Exerzieren. Sein Weltbild wurde konsequent klerikal und militärisch geprägt – Werte, die später seine gesamte Regierungszeit prägen sollten. Am Abend standen neben Verwandtenbesuchen – meist seiner Großmutter, Onkel und Tanten – auch Theateraufführungen oder Kinderbälle auf dem Programm, um den Erzherzog auf das gesellschaftliche Parkett vorzubereiten. Franz versuchte stets, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, und verrichtete verlässlich seine Pflicht – ausgelassene Stunden mit Gleichaltrigen waren eine absolute Seltenheit, unter anderem auch, um seine erhabene Stellung zu betonen. Umso mehr freute sich der Zwölfjährige über diese Ausnahme und hielt sie in einer Skizze fest. Sie zeugt auch vom zeichnerischen Talent, das Franz Joseph als Jugendlicher entwickelte. Während sich der spätere Kaiser bereits seit seiner frühesten Jugend vor allem für alles Militärische interessierte und sich als völlig unmusikalisch und wenig kunstbegeistert erwies, gehörte Zeichnen nicht nur zu seinen Lieblingsfächern, sondern war auch das einzige künstlerische Talent, über das er verfügte.

Franz Joseph

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