Читать книгу SEX EDUCATION. Der Roadtrip - Katy Birchall - Страница 7
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Оглавление»Wie willst du eigentlich beweisen, dass dein Bruder unschuldig ist?«, fragte Aimee, während sie auf einem kurvenreichen Feldweg in Richtung Hauptstraße fuhren.
»Keine Ahnung«, stieß Maeve hervor. Sie klammerte sich mit aller Kraft an den Türgriff, während Aimee um die Kurven raste.
Sämtlichen Passagieren entfuhr ein »Uff«, als der Wagen bei voller Geschwindigkeit ein Schlagloch traf. Aimee schien es gar nicht zu bemerken. Sie hatte eine Hand am Steuer, griff mit der anderen nach dem Lippenpflegestift, der im Getränkehalter neben dem Ganghebel lag, und machte ausgiebig Gebrauch davon.
»Beim Fahren bekomme ich immer so trockene Lippen.« Sie seufzte und steckte den Verschluss wieder auf. »Das ist so merkwürdig.«
»Aimes, ich glaube, das liegt an der Klimaanlage«, erklärte Maeve.
»Nein, das liegt am Fahren«, beharrte Aimee. »Wenn ich hinten sitze, passiert das nicht.«
»Maeve, was ist denn mit deinem Bruder?«, fragte Eric. Er brauchte dringend Ablenkung, weil er fürchtete, jeden Moment bei der nächsten Kurve ums Leben zu kommen.
»Oh, Mist, du weißt gar nichts davon?« Aimee verzog das Gesicht und sah Maeve zerknirscht an. »Tut mir leid, ich dachte, du hättest es ihnen gesagt.«
»Otis weiß Bescheid«, murmelte sie.
»Du brauchst es mir nicht zu sagen, wenn du nicht willst«, kam es von Eric, der vor Neugier fast platzte.
»Keine große Sache.« Maeve starrte aus dem Fenster. »Meinem Bruder wird ein Diebstahl vorgeworfen. Aber er schwört, dass er es nicht gewesen ist.«
»Du meine Güte.« Mit einer dramatischen Geste legte Eric die Hand aufs Herz. »Das ist ja eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.«
»Der Plan besteht darin herauszufinden, wer den Diebstahl wirklich begangen hat«, erklärte Otis, dem der Angstschweiß auf der Stirn stand, als sie in das nächste Schlagloch fuhren und gegen ihre Sicherheitsgurte geschleudert wurden.
»Tut mir leid!«, entschuldigte sich Aimee. »Diese Löcher in der Straße tauchen immer ganz plötzlich auf.«
»Du willst also zu Sean, um seine Unschuld zu beweisen«, folgerte Eric. »Das ist einfach unglaublich. Was hat er denn angeblich gestohlen?«
»Eine Diamantkette. Die offenbar sehr wertvoll ist«, murmelte Maeve.
»Wow!« Eric drehte sich zu Otis und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Das ist wie im Film!«
»Ja, genau«, stimmte Aimee zu. »Ein Rätsel aus dem richtigen Leben. Wie in einem Krimi. Ihr wisst schon, wie bei diesem berühmten Detektiv. Wie heißt er noch mal? Ach ja, Pharao!«
»Du meinst, Poirot?«, fragte Maeve leicht verwirrt.
»Ja.« Aimee nickte. »Das hab ich doch gesagt.«
»Warum sollte jemand Sean beschuldigen, eine Diamantkette gestohlen zu haben?«, wunderte sich Otis. »Und wem soll er sie eigentlich gestohlen haben?«
Maeve seufzte. »Mit den Details wird er vermutlich rausrücken, wenn wir da sind.«
»Wohnt er in der Stadt?«, erkundigte sich Eric aufgeregt. »Das ist so cool. Übernachten wir bei ihm?«
»Nein. So weit im Voraus hab ich nicht geplant.«
Eric starrte Otis an, der lediglich mit den Schultern zuckte. »Moment mal. Wir wissen nicht, wo wir übernachten werden? Otis. Du hast doch gesagt, du hast alles unter Kontrolle.«
»Ich sagte, wir kümmern uns um alles«, beruhigte ihn Otis. »Und das habe ich auch so gemeint. Sobald wir dort sind, werden wir –«
»Wie bitte? Wir tauchen einfach so irgendwo auf?« Eric schüttelte den Kopf und starrte aus dem Fenster. »So fängt praktisch jeder Krimi an, nur werden wir diejenigen sein, die ermordet werden.«
»Ich hab mal einen Dokumentarfilm gesehen«, warf Aimee ein, »über einen Typen, dem irgendwer einen großen Juwelenraub angehängt hat, und am Ende wurde er dann von den Leuten, die ihn reingelegt haben, mit einer Dampfwalze überfahren.«
Es wurde schlagartig still im Auto.
Nach einer Weile räusperte sich Eric. »Maeve, obwohl sich durchaus gewisse Ähnlichkeiten zu Seans derzeitiger Situation erkennen lassen, glaube ich nicht, dass ihm das passieren wird«, sagte er so einfühlend und behutsam wie möglich. »Ich bin sicher, dass er nicht mit einer Dampfwalze ermordet werden wird. Oder überhaupt ermordet wird. Ihm wird vermutlich überhaupt nichts passieren.«
Maeve starrte weiter aus dem Fenster und schwieg.
Otis sah Eric entgeistert an, der empört die Hände in die Luft warf und lautlos Was denn? mit den Lippen formte.
Otis schüttelte stumm den Kopf. Im selben Moment meldete sich Otis’ Handy und er zog es aus der Tasche. Als er sah, dass es seine Mutter war, legte er es auf den Mittelsitz und ließ es klingeln.
»Warum ignorierst du Jean?«, fragte Eric nach einem Blick auf das Display. »Habt ihr euch wieder gestritten?«
»Nein, sie ruft nur ständig an und will wissen, ob es mir gut geht. Ich bin noch nicht mal eine Stunde weg und habe schon drei verpasste Anrufe.«
Aimee lächelte. »Oooh, das ist aber süß.«
»Nee, das ist nicht süß«, widersprach Otis mit zusammengebissenen Zähnen, als sein Handy erneut anfing zu klingeln. Er schaltete es auf stumm. »Das ist zum Verrücktwerden. Meine Mum ist ein Albtraum.«
»Jean ist eine Göttin«, korrigierte Eric, der sich inzwischen nicht mehr ganz so viele Sorgen um sein Leben machte, da sie auf die Hauptstraße abgebogen waren, die weder Schlaglöcher noch uneinsehbare scharfe Kurven hatte.
»Meine Mum hat letzte Woche zu mir gesagt, ich soll nicht so viel lächeln, sonst bekäme ich Falten um den Mund«, erzählte Aimee unbekümmert. »Aber an Weihnachten meinte sie, ich soll nicht so oft die Augenbrauen zusammenziehen, weil das Falten auf der Stirn gibt. Anscheinend soll ich mir einen neutralen Gesichtsausdruck angewöhnen.«
»Aimee, ich finde nicht, dass du weniger lächeln solltest«, sagte Maeve.
»Der Meinung bin ich auch«, pflichtete Otis ihr bei. »Wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass beim Lächeln Endorphine und Serotonin freigesetzt werden. Das sind Hormone, die die Stimmung verbessern und den Körper entspannen.«
Maeves Blick fiel auf das Armaturenbrett. »Scheiße. Aimee, ich glaube, wir müssen bald tanken.«
Aimee schnappte erschrocken nach Luft. »Woher weißt du das?«
»Die Tankanzeige«, sagte Maeve langsam. »Der Zeiger ist im roten Bereich. Das bedeutet, dass der Tank schon fast leer ist. Wir sollten möglichst bald anhalten und tanken.«
»Gute Idee. Bei der Gelegenheit können wir auch gleich ein paar Tüten Werther’s Original kaufen«, erwiderte Aimee. »Es kann nie schaden, einen kleinen Vorrat dabeizuhaben, falls wir einen Notfall haben.«
»Du meinst, einen von diesen Notfällen, in dem nur noch Sahnebonbons helfen?« Otis lachte.
»Man kann nie wissen, Otis«, sagte Aimee, die ihn so lange im Rückspiegel anstarrte, bis er ihrem Blick auswich. »Man kann nie wissen.«
Glücklicherweise kamen sie nach kurzer Zeit an einer Tankstelle vorbei. Aimee riss das Steuer herum, lenkte den Wagen vor eine Zapfsäule und trat dann so heftig auf die Bremse, dass die anderen gegen ihre Sicherheitsgurte gedrückt wurden.
»Wir sind da!«, verkündete sie. Dann stieß sie die Tür auf und stieg aus.
»Ich muss auf die Toilette«, murmelte Eric. Er rieb sich den Hals, der bei Aimees Bremsmanöver eine kleine Schramme vom Sicherheitsgurt abbekommen hatte. »Und vielleicht brauche ich auch ein Beruhigungsmittel, damit ich den Rest der Fahrt überstehe.«
»Ich kaufe ein paar Snacks«, bot Otis an.
Während Aimee leise vor sich hin summend ihr Auto auftankte, folgte Maeve den beiden Jungs und half Otis bei der Auswahl der Snacks.
Sie schnaubte verächtlich, als er vier Tüten Haribo aus dem Regal zog. »Was soll das denn?«
»Was meinst du?«
»Warum nimmst du viermal dasselbe? Willst du nicht ein bisschen mischen?«
»Ähm … Haribo ist doch schon gemischt. Da sind in einer Packung ganz viele verschiedene Sorten drin.«
»Die schmecken alle gleich und haben alle dieselbe Gummikonsistenz.«
Er blinzelte verwirrt. »Sie schmecken nicht alle gleich.«
»Ich glaube, du solltest ein bisschen risikofreudiger bei der Auswahl sein.«
»Ach ja? Was würdest du denn nehmen, oh, du mein Süßwaren-Guru?«, fragte Otis, während er theatralisch mit den Händen vor Maeves Gesicht herumwedelte.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich hab keine besondere Vorliebe. Süßigkeiten sind nicht so meins. Mir egal.«
»Maeve Wiley, es ist dir nicht egal.« Otis nickte feierlich. »Sonst hättest du den Mund gehalten, als ich nach den Haribo-Tüten gegriffen habe. Ich wette, ich kann herausfinden, was du dir aussuchen würdest.«
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Na, dann los.«
»Brausestäbchen«, sagte Otis und zeigte mit dem Finger auf Maeve. »Du bist der Brausestäbchen-Typ.«
Ihr Blick durchbohrte ihn fast.
»Oder … Lollis?« Otis kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Lakritzschnecken vielleicht?« Er schnipste mit den Fingern. »Nein, warte, ich hab’s: Smarties. Du stehst auf Smarties. Kann gar nicht anders sein.«
Maeve versuchte, nicht zu lachen. Dann entriss sie ihm eine der Haribo-Tüten und schlug sie ihm auf den Kopf. »Halt den Mund, du Idiot!«
»Aua! Du kannst mich doch nicht mit Haribo verprügeln!« Er lachte, als sie noch einmal zuschlug. »Maeve! Finger weg vom Haribo! Sonst werde ich mich rächen.«
»Das will ich sehen.«
»Du weckst die Bestie in mir!«, warnte Otis, woraufhin Maeve schallend lachte. »Du weißt nicht, wozu ich fähig bin!«
Plötzlich kam Eric völlig aufgelöst zu ihnen gerannt. »Ich hasse öffentliche Toiletten! Ich hab meine Hände jetzt achthundertmal gewaschen und immer noch das Gefühl, dass sie schmutzig sind.« Erst jetzt fiel ihm auf, was Otis in der Hand hielt. »Warum kaufst du nur Haribo?«
»Du magst doch Haribo!«
»Ja, aber es gibt doch noch so viele andere Sachen, Otis.« Eric schüttelte missbilligend den Kopf und riss Otis eine der Packungen aus der Hand. Er öffnete sie und steckte sich ein paar Gummitiere in den Mund. »Du solltest wenigstens ein Mal die Gelegenheit nutzen und deinen Horizont erweitern. Stimmt’s oder hab ich recht, Maeve?«
Maeve nickte zustimmend, während Eric die Tankstelle verließ. Sie sahen durch die Glasfront, wie er auf Aimee zuging und ihr die Tüte hinhielt. Sie lehnte ab. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, die Zapfpistole anzustarren, die sie gerade an die Säule gehängt hatte.
»Die sind noch nicht bezahlt!«, rief Otis seinem Freund nach und verdrehte die Augen, als Eric ihn ignorierte. »Das muss ich dann wohl an der Kasse klären.«
»Wir treffen uns draußen«, sagte Maeve mit einem zerstreuten Blick auf Aimee. »Und kauf auch noch was anderes, ja?«
»Aber was denn?«, fragte Otis leicht panisch, doch da war sie bereits weg. Er seufzte, starrte das Regal mit den vielen bunten Packungen vor sich an und flüsterte: »Für so viel Verantwortung bin ich definitiv noch zu jung.«
Maeve erreichte Aimee in dem Moment, als diese etwas zu Eric sagte, der entsetzt den Mund aufriss.
»Was ist los?«, fragte Maeve ohne Umschweife.
»Ich habe Benzin getankt«, erwiderte Aimee.
»Das ist doch gut.«
»Nein, ist es nicht«, widersprach ihr Aimee. »Mein Auto läuft mit Diesel.«
»Wie bitte?«
»Diesel«, wiederholte Aimee, während sie auf den Wagen zeigte. »Ich habe die Zapfpistole für Benzin genommen. Was ziemlich merkwürdig ist, weil ich neulich genau davon geträumt habe, allerdings war es kein Auto, sondern ein Kamel.«
»Du hast ein Kamel mit Benzin betankt?«, erkundigte sich Eric, der angewidert die Nase rümpfte.
»Nein, ich wollte das Kamel besteigen, aber als ich es mir genauer angesehen habe, war es gar kein Kamel, sondern ein Känguru. Könnte es sein, dass ich einer dieser Menschen bin, die übernatürliche Kräfte haben und die Zukunft voraussagen können? Ein Spiritus!«
»Ich glaube, es heißt Spiritist«, sagte Eric mit einem Blick auf Maeve, die irgendwie angespannt aussah.
»Das hab ich doch gesagt.«
»Aimee, das ist nicht gut«, warf Maeve ein. »Wir müssen das klären. Du kannst den Wagen nicht fahren, wenn Benzin im Tank ist. Dann geht der Motor kaputt.«
»Mach dir keine Sorgen, ich bin Premiummitglied beim Automobilclub«, verkündete Aimee unbeeindruckt. »Ich rufe dort an und dann sind sie bestimmt gleich da. Aber ich muss erst die Karte mit der Telefonnummer suchen. Ich glaube, sie ist irgendwo im Wagen oder vielleicht zu Hause in meinem Schminktisch. Dort bewahre ich alles Wichtige auf.«
Während Aimee sich auf die Suche nach der Mitgliedskarte machte und im Handschuhfach kramte, schloss Maeve vor lauter Verzweiflung kurz die Augen.
»Das kommt bestimmt wieder in Ordnung«, sagte Eric mit einem breiten Lächeln. Er versuchte, optimistisch zu wirken. »Meinem Vater ist das auch schon mal passiert.«
»Ach ja?« Maeve hob das Kinn. »Ist es schnell gegangen?«
»Ähm …« Eric starrte auf seine Füße. »Nein. Es hat ziemlich lange gedauert. Das weiß ich deshalb noch so genau, weil meine Schwester und ich zwei Stunden lang Himmel und Hölle gespielt haben, während wir gewartet haben. Irgendwann haben mir die Beine so richtig wehgetan. Seitdem habe ich nie wieder Himmel und Hölle gespielt. Und dann hat auch noch jemand im Vorbeifahren einen halb aufgegessenen Burger aus dem Fenster geworfen und mich getroffen, mitten im Gesicht.«
Maeve sah ihn an. »Was für eine wertvolle Erinnerung.«
»Ich fand es eher traumatisch.« Eric runzelte die Stirn.
»Ich hab sie!«, rief Aimee und schwenkte triumphierend die Karte. »Ich rufe sofort an!«
»Was ist denn los?«, wunderte sich Otis, der mit zwei vollen Einkaufstüten zum Wagen kam.
»Otis, hast du den ganzen Laden leer gekauft?«, fragte Eric lachend.
»Ich konnte mich einfach nicht entscheiden!« Otis stellte die Tüten ab. »Du und Maeve habt mich ganz verrückt gemacht. Alles, was ich nehmen wollte, kam mir entweder zu langweilig oder zu ausgefallen vor. Ich musste das richtige Gleichgewicht finden. Deshalb habe ich eine größere Auswahl mitgebracht, für jeden etwas.«
»Sie sind unterwegs!« Aimee strahlte und beendete ihr Telefongespräch. »Jetzt müssen wir nur noch ein bisschen warten.«
»Und auf wen warten wir?«, erkundigte sich Otis.
»Kleines Durcheinander mit Benzin und Diesel«, erklärte Eric mit einem Nicken in Aimees Richtung. »Aber sie hat schon den Automobilclub angerufen.«
»Ah. Verstehe.«
»Ich geh jetzt aufs Klo«, verkündete Aimee gut gelaunt. »Soll ich jemandem was mitbringen?«
»Ich glaube, es gibt nichts mehr. Otis hat den Laden leer gekauft«, meinte Eric und zeigte auf ein paar Schokoriegel, die aus den prall gefüllten Tüten herausgefallen waren.
»Aimee, haben sie gesagt, wie lange sie brauchen, bis sie hier sind?«, fragte Maeve.
»Höchstens eine halbe Stunde. Glaube ich zumindest. Vielleicht hat er auch eine Stunde gesagt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls bald. Aber ich muss jetzt ganz dringend aufs Klo.«
Als sie weg war, lehnte sich Maeve an den Wagen und seufzte.
»Alles okay?«, fragte Otis. Er stellte sich neben sie, während Eric in den Einkaufstüten wühlte.
»Ich wollte doch nur so schnell wie möglich zu Sean«, antwortete Maeve. Sie knabberte an ihrem Daumennagel und starrte die Autos an, die neben der Tankstelle an ihnen vorbeifuhren.
»Ich weiß. Aber das wird schon. Und vielleicht ist es ja ganz gut, wenn wir deinen Bruder erst morgen und nicht schon heute Abend sehen«, meinte er. »Kühler Kopf und so. Du weißt schon.«
»Du hast vermutlich recht. Aber wir müssen uns noch irgendwo was zum Übernachten suchen.«
»Wir finden schon was.«
»Es muss billig sein. Ich hab nicht viel Geld dabei.« Maeve versuchte, nicht daran zu denken, dass sie Cynthia versprochen hatte, die Miete pünktlich zu zahlen. Sie hatte ihr gesamtes Bargeld mitgenommen, für den Fall, dass sie es für Sean brauchte. Wenn sie wieder zu Hause waren, würde sie sich etwas einfallen lassen müssen, um ihre Schulden bei Cynthia zu begleichen.
»Vielleicht können wir in einer Karaokebar singen, gegen Bezahlung«, schlug Eric vor, der sich wieder in ihre Unterhaltung einklinkte. »So wie Britney Spears in Not a Girl. Sie bekam so viel Trinkgeld, dass sie in der Suite eines Luxushotels übernachten konnte.«
»Das wäre eine Möglichkeit.« Otis musste grinsen.
»Was Singen angeht, bin ich eine Niete.« Eric seufzte dramatisch.
»Ich dachte, du bist musikalisch«, meinte Maeve.
»Ah, danke, dass du das sagst, Maeve!« Er lächelte sie selig an. »Ich spiele Waldhorn in der Swingband. Du erinnerst dich vielleicht noch an meinen Auftritt bei der Schulversammlung?« Er zögerte und sein Blick huschte zu Otis, der aussah, als wollte er etwas sagen. »OTIS, SAG ES NICHT.«
»Er hat auf der Bühne eine Erektion bekommen.«
»Ach ja.« Maeve nickte langsam. »Jetzt fällt es mir wieder ein.«
»Es war nur eine halbe!«, protestierte Eric, der Otis verärgert anstarrte. »Und eine Erektion ist etwas ganz Normales! Das sagst du doch auch immer, Otis, habe ich recht? Wenn deiner im Supermarkt beim Anblick einer Ananas steif wird?«
Otis wurde tiefrot. »Ich bekomme keine –«
»Jedenfalls, ja, Maeve, ich bin musikalisch«, behauptete Eric selbstbewusst, während sich Maeve ein Grinsen nicht verkneifen konnte. »Kannst du singen? Wenn man dir ein Mikrofon in die Hand drückt, bist du bestimmt der Hammer.«
»Das da drüben könnte der Mechaniker vom Automobilclub sein!«, rief Otis plötzlich. »Das ging aber schnell.«
»Selbstverständlich ging das schnell«, meinte Eric und winkte das Fahrzeug heran. »Für Aimees Familie ist sicher nur der beste Service gut genug.«
»Ich bin hier!«, rief Aimee, die zu ihnen gerannt kam, während der Mann vom Automobilclub das Fahrzeug zum Stehen brachte. »Was meint ihr – soll ich zu ihm gehen und ihn ansprechen? Oder warten, bis er zu mir kommt?«
»Aimee, das ist doch kein Typ in einer Bar«, meinte Maeve.
»Du hast vermutlich recht. Hallo!« Aimee winkte, als der Mann auf sie zukam. »Ich bin Aimee und das hier ist das Auto, das repariert werden muss.«
Die anderen gingen zu einer kleinen Grünfläche neben dem Parkplatz und setzten sich auf den Bordstein.
Nach einem kurzen Gespräch mit dem Mechaniker gesellte sich Aimee zu ihnen. Während der Mann ihr Auto zur Seite schob und anfing, den Tank leer zu pumpen, machten sie sich über die Süßigkeiten her.
Als Aimee in einer der beiden Einkaufstüten eine Rolle Polo-Pfefferminzdrops fand, strahlte sie bis über beide Ohren. »Ich weiß, was wir machen können, während wir warten!«
»Dafür sorgen, dass wir alle frischen Atem haben?«, riet Eric und starrte Aimee verwirrt an, die triumphierend die Bonbons in die Höhe hielt.
»Wir können das Polo-Spiel spielen!«, erklärte sie begeistert, während sie die Rolle ein Stück aufwickelte und den anderen unter die Nase hielt. »Ihr müsst an dem Polo lutschen und der, dessen Pfefferminz am längsten hält und den dünnsten Ring bildet, hat gewonnen. Aber der Ring muss noch ganz sein!«
»Von diesem Spiel hab ich noch nie gehört«, wunderte sich Maeve, während sie einen der Drops nahm.
»Das haben meine Eltern immer mit mir gespielt, wenn wir im Auto unterwegs waren«, sagte Aimee. »Ich glaube, sie haben das eigentlich nur gemacht, damit ich nicht so viel rede, aber es ist auch richtig lustig. Alle bereit? Steckt euch euer Polo in den Mund!«
Jeder von ihnen legte sich das Pfefferminz mit dem Loch in der Mitte auf die Zunge.
Nach einer Weile wurde Maeve klar, warum es so ein gutes Spiel für eine Autofahrt war – keiner von ihnen sagte etwas und konzentrierte sich darauf, vorsichtig an dem Bonbon zu lutschen, damit es dünner wurde, aber nicht zerbrach.
»Mist!«, rief Eric und biss auf sein Pfefferminz. »Meins ist auseinandergebrochen.«
Maeve gab mit einem Schulterzucken auf und zerkaute ihres. »Meins auch.«
Otis schnappte plötzlich nach Luft und begann zu husten. »Ich habe meins aus Versehen runtergeschluckt«, stieß er schließlich hervor.
Aimee streckte die Zunge heraus und zeigte ihnen den dünnen, immer noch intakten Ring ihres Pfefferminzbonbons, bevor sie es mit einem breiten Grinsen zerbiss. »Ich hab gewonnen! Bei solchen Spielen gewinne ich irgendwie immer.«
»Gibt es noch andere Spiele in diesem … Genre?«, fragte Otis, der Maeve einen vielsagenden Blick zuwarf und lächelte.
»Aber ja!«, versicherte Aimee. »Man kann es auch mit Polo-Fruits spielen, aber das ist ziemlich schwierig, weil sie nicht ganz so pulverartig sind, daher muss man länger lutschen. Es funktioniert auch mit Polo-Spearmint, mit den zuckerfreien Polos, mit –«
»Entschuldigung«, unterbrach sie der Mechaniker vom Automobilclub, der auf sie zukam. »Ihr Auto ist fertig.«
»Gott sei Dank«, murmelte Maeve.
Sie rappelten sich auf und alle waren heilfroh, dass ihnen stundenlanges Polo-Spielen erspart blieb.
»Alles wieder in Ordnung?«, erkundigte sich Aimee.
»Ja«, antwortete er. »Ich habe den Tank leer gepumpt und wieder befüllt, alles andere sieht gut aus, Sie können also weiterfahren. Allerdings … na ja … im Tank war Diesel.«
Maeve blinzelte überrascht. »Wie bitte?«
»Ich bin ziemlich sicher, dass es gar nicht notwendig gewesen wäre, den Tank leer zu pumpen«, informierte er sie und stemmte die Hände in die Hüften. »Es war Diesel drin. Was für dieses Auto völlig richtig ist.«
Otis schlug die Hände vors Gesicht. Maeve schloss die Augen und atmete tief durch, während sie versuchte, ruhig zu bleiben. Eric, dem die Kinnlade herunterfiel, starrte Aimee entgeistert an.
»Aber das ist doch großartig!« Aimee klatschte in die Hände. »Habt ihr das gehört? Ich habe gar nicht das Falsche getankt! Ich habe Diesel getankt! Wir können weiter!«
Aimee ging gut gelaunt zum Auto. Eric folgte ihr mit den Einkaufstüten und murmelte vor sich hin, dass sie lieber noch ein paar Süßigkeiten kaufen sollten. Otis legte Maeve tröstend die Hand auf die Schulter.
»Ich weiß, dass es im Moment noch nicht danach aussieht, aber ich verspreche dir«, sagte er leise, während Aimee mit dem Mann vom Automobilclub plauderte, als würden sie sich schon seit Ewigkeiten kennen, »eines Tages – vielleicht nicht heute, vielleicht auch nicht morgen, aber irgendwann in der Zukunft – werden wir uns an diesen Moment erinnern und vor Lachen nicht mehr einkriegen.«