Читать книгу Gefesselt an die dunkle Seite meiner Affäre | Erotischer SM-Roman - Katy Kerry - Страница 6

Оглавление

Gefährliche Begierde kann tödlich sein

Nur wer es wagt, Grenzen zu überschreiten,

kann über sich hinauswachsen.

(Ralph Waldo Emerson)

Larry lenkte die luxuriöse Limousine am Hyde Park entlang, bis wir an meinem im viktorianischen Stil erbauten Stockhaus ankamen. Ich war in das zweistöckige Backsteinhaus vor etwa zwei Jahren gezogen und hatte es davor völlig umbauen lassen, nachdem ich es in einem äußerst desolaten Zustand vorgefunden hatte. Ich liebte dieses schmale, hohe Gebäude, das einem ein ganz anderes Raumgefühl gab, als wenn man ein Cottage in Irland bewohnen würde.

Nachdem ich in Limerick aufgewachsen war, hatte es mich nach der Highschool nach London gezogen, um dort Jura zu studieren. Zunächst hatte ich nahe der Londoner Universität gewohnt und neben meinem recht zeitintensiven Studium gejobbt, um mir den Lebensstil der britischen Kolonialmacht und Großstadt Londons überhaupt leisten zu können. Später, als ich im Namen der Krone in die Staatsanwaltschaft eingestiegen war, hatte ich meine Familie unterstützt, so gut es gegangen war, und so hatten sie sich mit zusätzlicher harter Arbeit bald ein Haus auf dem Land bauen können.

Noch heute besuchte ich sie gerne in Irland, wenn es mir die Zeit erlaubte. Dann saß ich in unserem Garten und blickte auf King John’s Castle und ließ dabei die Seele baumeln. Hier jedoch in London tickten die Uhren anders. Es war eine weitaus hektischere Metropole als Dublin, mit einem enormen Verkehrsaufkommen, von dem man in der Hauptstadt Irlands weit entfernt war, da sie noch immer ein ländliches Flair hatte.

Doch mit der Zeit war ich ein Stadtmensch geworden, genoss die vielen Vorzüge, die es hatte, hier in London zu leben. Obwohl ich im Zentrum lebte, war mein viktorianisches Domizil ein Ruhepol geworden.

Wenn ich abends nach getaner Arbeit heimkam, saß ich oft auf meiner kleinen Dachterrasse, um mich zu entspannen und die Ruhe zu genießen. Auch wenn schon die Sonne untergegangen war, weil ich wieder mal den ganzen Tag bis spät abends im Gericht zugebracht hatte.

Mein Haus lag gleich hinter Kensington Gardens, unweit des Palastes der britischen Königsfamilie. Das freizügige Gelände lud zu eindrucksvollen und ausgedehnten Spaziergängen ein, die ich immer dann genoss, wenn ich mal früher nach Hause kam. Ich liebte dieses Anwesen mit seiner großzügigen Parkanlage, seinem gepflegten Garten, dem eindrucksvollem See in der Mitte, der im Sonnenlicht glitzerte, als würde er der Großstadt trotzen wollen. Dutzende Schwäne glitten elegant über das ruhige Gewässer, das von Bäumen und Sträuchern gesäumt war. In den Kronen der Baumriesen hüpften grüne Papageien herum und zwitscherten freudig vor sich hin. Kurz gesagt, im Hyde Park Gate zu wohnen, war ein Genuss der Sonderklasse.

Jeremy musterte mein Domizil eingehend, das Stockhaus schien ihm zu gefallen, denn er stieg interessiert aus dem Luxuswagen aus und blieb unmittelbar davor stehen, um es zu bestaunen. Unauffällig folgte ich ihm. Larry stellte Jeremys Weekender – er führte offensichtlich immer eine perfekt gepackte Tasche mit sich, um sich wenn nötig umziehen zu können – an der Treppe vor dem Haus ab und verabschiedete sich.

»Ich werde Sie morgen gegen sieben Uhr abholen, wenn es Ihnen recht ist, Sir.« Jeremy lächelte ihm wohlwollend entgegen.

»Ich erwarte Sie morgen pünktlich und bitte packen Sie mir alles Nötige für die Reise ein.« Larry zog der Höflichkeit wegen seine Chauffeurmütze, stieg in die Limousine und fuhr davon.

Wie ich es schon von zu Hause gewohnt war, hob ich das Pflanzgefäß an, unter dem ich meinen Hausschlüssel sicher verwahrt vorfand, und sperrte die Eingangstür auf. Neugierig war ich, wie mein Heim auf Jeremy wohl wirken würde.

Als ich die Tür öffnete und den Lichtschalter im Vorraum betätigte, sah ich ihn erwartungsvoll an. Mein Säbelzahntiger sauste um die Ecke, um im Wohnzimmer zu verschwinden, dabei stieß er ein aufgebrachtes Miau aus. Jeremy beachtete ihn nicht weiter und folgte dem widerspenstigen Wollknäuel notgedrungen.

Über einen schmalen Gang am Ende des Flurs erreichten wir die Treppe, die in den oberen Bereich führte. Bestimmt hatte Jeremy nun einen kleinen Nebenraum erwartet, doch stattdessen stand er in einem weitläufigen Wohnbereich und sah sich erstaunt um. In der Mitte des Salons hatte ich die Küche angesiedelt. Sie war mein zentraler Punkt. Ihr gegenüber stand eine bequem gepolsterte cremefarbene Sitzgarnitur mit vier nicht ganz gleich großen runden Renaissance-Tischchen. An der Wand hatte ich Vaters Landschaftsbilder, die er selbst in Irland gemalt hatte und auf die ich besonders stolz war, aufgehängt.

Den Holzdielenboden hatte ich mit einem Öl nachdunkeln lassen, dies war ein optimaler und besonderer Kontrast zu dem gewachsten Betonfußboden und den alten Backsteinen.

Jeremy stellte sich vor den Kamin, dessen Kaminsims mit vielen mitgebrachten Nippsachen Irlands bestückt war. Daneben hatte ich einen Schrank aus Birkenholz in die Wand einbauen lassen, der mir als Stauraum diente.

»Sieht fühlbar gemütlich aus«, stellte er bewundernd fest. »Vor allem dein Stil, Altes mit Neuem zu kombinieren, gefällt mir sehr.«

»Danke für die Blumen«, bemerkte ich wohl gelaunt und zog mir unter seinem intensiven Blick mein Etuikleid aus, nachdem ich ihn darum gebeten hatte, mir den Reißverschluss zu öffnen. Auf dem Sofa lag ein schwarzes Stretchkleid, das bedeutend bequemer war. Ich schlüpfte hinein. Aus dem Schrank holte ich rasch einen Stringtanga und zog ihn an.

»Komm.« Dabei fasste ich nach seiner Hand und führte ihn an die wuchtige, bereits historische Treppe heran, deren gedrechselter Handlauf gut in der Hand lag. Unterhalb davon gab es eine kleine Nische, dort hatte ich einen alten Sekretär aus dem 18. Jahrhundert untergebracht, der mir als Aufbewahrung für meine Akten, die ich aus dem Gericht mit nach Hause schleppte, diente.

»Aha!«, bemerkte er scharfsinnig. »Du weißt aber schon, dass es nicht erlaubt ist, Akten aus dem Gerichtsgebäude zu entfernen.« Er hatte mich ertappt, Mist.

»Du verrätst mich doch nicht etwa, oder?« Dabei vergrub ich meine Zähne so fest in der Unterlippe, dass es bereits schmerzte. Sein Blick wirkte zunächst streng, dann entspannten sich seine Gesichtszüge allmählich und er brachte ein zaghaftes Lächeln hervor.

»Nein, natürlich nicht.« Unterdessen nahm er mich zärtlich in den Arm und sah mich bedeutsam an. »Meine gewissenhafte, verbissene, kleine Staatsanwältin.« Ich rümpfte die Nase.

»Klein, aber oho!«, entgegnete ich nachdrücklich. Er grinste und hielt seinen Kopf schief.

»Zeigst du mir jetzt dein Schlafzimmer?«, fragte er gespannt. Ich spitzte meine Lippen, setzte einen arroganten Blick auf und sah nach oben. Ohne eine Antwort abzuwarten, hob er mich mit einem Mal hoch und trug mich eilenden Schrittes die Treppe hinauf. Als er die Tür aufschlug, war er offenbar sehr erstaunt und ließ mich langsam wieder auf den Boden gleiten.

In sein Blickfeld war das außerordentlich große Fenster gerückt, das nun dank meiner Idee eine breite Sitzfläche darunter hatte und mit zwei weißen mit rosa Rosen bedruckten Polstern ausgestattet war, die zum Sitzen einluden, wobei man eine wunderschöne Aussicht auf den Garten hatte.

Davor stand mein imposantes Doppelbett. Es stammte aus der Renaissance, einer längst vergessenen Zeit, wie ich zunächst gedacht hatte, als ich es hier stehen gesehen hatte. Von Anfang an hatte ich mich nicht davon trennen können, also hatte ich es restaurieren und eine neue Matratze einsetzen lassen. Nun erstrahlte es in ganz neuem Glanz. Elegant und geschmackvoll stand es da. Weiß mit Blattgold verziert, vier gedrechselte Säulen ragten zur Decke empor, geschwungene Abschlüsse zierten die Enden derer und verbanden sie miteinander. Im vorderen Teil bewachten zwei Engel meinen wohlverdienten Schlaf. Das Kopfende war aus weißem gestepptem Leder gefertigt, in der Mitte war ein ovaler Spiegel angebracht. Am Fußende thronte ein weiterer eindrucksvoller Engel mit ausgebreiteten Flügeln. Selbst Jeremy schien beeindruckt zu sein.

Vor das Bett hatte ich einen Tisch gestellt, dessen Glasplatte von einer extravaganten, femininen, weißen Marmorfigur gehalten wurde, die sich ihrem Angebeteten hingebungsvoll entgegenrekelte. Es war ein imposantes Meisterwerk. Neben dem Bett hatte ich eine farblich dazu passende Kommode mit sechs kleinen Schubladen aufstellen lassen, auf der anderen Seite thronte eine prächtige Stehlampe. Sie stammte aus dem Jahre 1920 und hatte einen aus Nussbaum geschnitzten Fuß. Jeremy war sichtlich begeistert, denn er betrachtete sie eingehend.

»Wow, Sie haben Geschmack, Miss Cooper. Und erst das Bad, einfach Weltklasse.« Ich gluckste. Klar, wer hatte schon ein Schlafzimmer mit integriertem Bad?

»Die Badewanne stammt noch aus dem vorigen Jahrhundert und wurde mit einem Holz, das von einem alten englischen Bahnhof abgetragen wurde, verkleidet. Sie zählt zu meinen Lieblingsstücken in diesem Haus.«

»Ich bin beeindruckt. Da kann ich mich mit meinem Penthouse in Chelsea verstecken«, meinte er ironisch.

»Nun ja, bis auf deine merkwürdigen Bilder an der Wand und dem überdimensionalen Deckenschmuck im Wohnzimmer ist es ganz passabel eingerichtet«, bemerkte ich etwas hochnäsig. Meine Aussage verleitete Jeremy zum Lachen.

»Wohl nichts für abstrakte Kunst übrig«, lächelte er listig und drückte mich sachte in die Kissen meines imposanten Bettes. Wenig später lagen seine begierigen Lippen auf meinem Mund und arbeiteten sich lustvoll an meinem Hals voran. Zu gern hätte ich es zugelassen, aber ich hatte noch einen wichtigen Fall zu bearbeiten. Energisch schob ich ihn zur Seite.

»Bitte nicht! Ich muss noch arbeiten. Eigentlich wollte ich den Samstag für das Studium meines Falles nutzen, stattdessen habe ich mich mit dir in schwindelige Höhen gewagt. Das heißt jetzt nicht, dass ich es nicht genossen habe«, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen und trippelte aus dem Schlafzimmer. Bestimmt blieb ein verdutzter Jeremy zurück, als ich nach unten lief. Er ließ nicht lange auf sich warten und trottete die Treppe nach unten, stellte sich etwas beleidigt hinter mich, da ich schon auf meinem bequemen Chefsessel saß und mich meinem interessanten Fall widmete.

»Worum geht es?«, fragte er neugierig.

»Ein brisanter Fall. Einem Mitglied des Londoner Stock Exchange, vielleicht sogar dem Vorsitzenden selbst, wirft man vor, er hätte bei einer höchst zweifelhaften Party seine Hilfeleistung unterlassen. Die betroffene Frau ist ihren Verletzungen dabei erlegen. Die vollständige Akte landete vor einigen Wochen auf meinem Schreibtisch. Ich hatte nicht sofort Zeit gefunden, mich damit auseinanderzusetzen. Inzwischen hat sich jemand Zutritt zu meinem Büro verschafft und dem Dossier sämtliche Beweise entzogen. Es fehlen Protokolle der örtlichen Polizei und auch dort sind sie nicht mehr auffindbar. Jetzt frage ich mich, wer das getan hat und welche Veranlassung er dazu hatte. Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass ich keine Ahnung habe, wer der Kerl ist und in welchem Zusammenhang er zur Londoner Börse steht.« Jeremy stieß einen verächtlichen Laut aus.

»Das liegt doch klar auf der Hand! Wenn es eine höchst delikate Angelegenheit ist, kannst du dir sicher vorstellen, warum die Mitglieder und der Vorsitzende in die Sache nicht verwickelt werden möchten.« Angestrengt sah ich ihn an. »Weißt du, wer augenblicklich der Chairman des Londoner Stock Exchange ist?« Er schob den Hocker, der in der Nähe stand, herüber und setzte sich neben mich.

»Da muss ich passen«, sein Blick vermittelte mir beständige Gefühlskälte, fast schon brüsk kam er mir vor, bevor er fortfuhr und scheinbar wieder einlenkte. »Clark Anderson ist gerade eben in den Ruhestand versetzt worden, wer sein Nachfolger ist, weiß ich nicht.« Ich überlegte. »Nun, der alte Knacker wird es ja wohl nicht gewesen sein, denke ich.« Jeremy verzog seinen Mund und lächelte missbilligend.

»Mit Sicherheit nicht! Aber ich denke, den Fall wirst du heute auch nicht mehr lösen können. Also komm jetzt ins Bett«, forderte er mich noch immer kühl auf. Ich seufzte und klappte die Akte mit einem verhältnismäßig lauten Knall zu. Der Fall war nicht zu knacken. Jemand hatte wirklich gute Arbeit geleistet, sodass ich wahrscheinlich keine Anklage mehr erheben konnte. Ich hatte mich bei der örtlichen Polizei erkundigt, doch der Beamte, der das Verhör geführt hatte, war von der Bildfläche verschwunden, sonst wusste niemand Bescheid. Ich war verärgert. Es war wie verhext oder einfach gut eingefädelt.

Die Standuhr im Erdgeschoss schlug zur vollen Stunde, es war bereits neun Uhr. Jeremy gähnte.

»Elena, ich muss morgen früh raus und ein anstrengender Tag wartet auf mich. Kommst du jetzt?«, fragte er schon etwas genervt.

»Geh schon mal vor und mach es dir gemütlich, ich komme gleich nach«, versuchte ich ihn zu besänftigen. Der Fall ließ mich nicht los, er machte mich neugierig. Je weniger in der Akte zu finden war, desto mehr interessierte mich dieser Sachverhalt. Trotzdem würde ich erst morgen nach weiteren Erkenntnissen suchen, die Akte war umfangreich und ich hatte sie noch nicht ganz durchgearbeitet. Die Hoffnung, doch noch irgendein Indiz zu finden, war nicht ganz gestorben. Jeremy würde heute die letzte Nacht bei mir sein, bevor er nach Brüssel aufbrechen würde.

Entschlossen entledigte ich mich meines Stretchkleids, meiner High Heels sowie des Slips und warf alles achtlos in eine Ecke. Frustriert, dass ich zu keinem positiven Ergebnis gekommen war, nahm ich eine Stufe nach der anderen und erklomm somit den Weg zu meinem Schlafzimmer.

Der Präsident des Obersten Gerichtshofs saß in meiner Badewanne inmitten eines übermäßigen Schaumbads und zwinkerte mir zu.

»Willst du mir nicht Gesellschaft leisten, Honey?«, raunte er und setzte seinen verführerischen Blick auf. Dabei zog er seine Augenbrauen mehrmals hintereinander hoch, seine Stirn war deutlich in Falten gelegt, als hätte er sagen wollen: Hey, hübsche Lady! Ein Quickie gefällig?

Lachend warf ich meinen Lockenkopf in den Nacken und schlüpfte aus meinen Strümpfen. Nun stand ich splitternackt vor ihm und er riss seine Augen auf.

»Kein Slip mehr?«, keuchte er.

»Nein, kein Slip«, erwiderte ich kurz angebunden und rieb die Zähne an meiner Unterlippe.

Nicht eine Sekunde konnte er seinen Blick von mir abwenden und ich kniff meine Augen zusammen und versuchte, so betörend wie möglich auf ihn zu wirken. Und das schien mir auch zu gelingen, denn ich musste nicht einmal viel dazu beitragen. Er schluckte heftig und ich setzte meine weiblichen Waffen ein. Heute Nacht würde er nicht so ohne Weiteres davonkommen.

»Den brauche ich nur, um dich zu bezirzen. Nachdem ich das aber schon erfolgreich getan habe, erspare ich mir das unnötige Stück Wäsche auf meinem Körper und komme lieber gleich zur Sache«, stellte ich in einem kecken Tonfall fest und glitt dabei elegant in die Badewanne, sodass der Schaumberg meinen Körper fast vollständig unter sich begrub. Ich lehnte nun mit dem Rücken an seiner Brust. Gleich darauf spürte ich seine fordernden Hände auf mir und er begann, mich intensiv zu massieren. Entspannt stöhnte ich auf.

Nun lagen seine sanften Lippen auf meinem Hals und bewegten sich langsam vorwärts. Während seine linke Hand weiterhin mein Rückgrat massierte, wanderte seine rechte Hand zu meiner Scham, wo sich einer seiner Finger in mir versenkte. Ich ließ meinen Kopf rücklings auf seine Brust sinken und seufzte entspannt.

»Hast du es schon mal in der Badewanne getrieben?«, hauchte er mir ins Ohr, dabei drang er immer tiefer und heftiger in mich ein. Ich stöhnte auf und japste, denn zu mehr war ich im Moment nicht fähig.

»Noch nie! Du?« Seine Erregung war deutlich zu spüren, denn sein Prachtstück drückte prall gegen mein Steißbein.

»Nein, aber für alles gibt es ein erstes Mal«, rang er verzweifelt nach Luft. In dem Augenblick, als er mich hochheben wollte und mich sowohl eine Welle der Leidenschaft als auch eine Woge des Badewassers ergriff, klingelte sein Aster. Dank dieses dämlichen Tones war meine Begierde mit einem Mal vorbei. Er seufzte genervt und schielte auf sein Mobiltelefon.

»Larry!«, schnaubte er verächtlich und verdrehte seine Augen dabei. »Was will der denn jetzt, verdammt noch mal?«

Rasch griff er sich ein Handtuch, um seine Hand zu trocknen, bevor er das Aster nahm, um es an sein Ohr zu halten.

»Larry? Was gibt’s?« Er fühlte sich sichtlich belästigt. Ich änderte die Position und setzte mich nun ihm gegenüber. Während des Gesprächs wanderte sein Blick zuerst zu mir, dann steil bergab zu seinem Penis, der auf den Wogen des Badewassers trieb. Die Lust war ihm faktisch vergangen. Angespannt hörte er zu. Für einen Moment herrschte Stille. Sein Gesichtsausdruck hatte sich schlagartig verändert. Der gerade noch völlig gelöste Eindruck erstarrte nahezu. Die Augen schienen ausdruckslos zu sein.

Ich wartete ab. Das Einzige, das sich in seinem skulpturenartigen Gesicht bewegte, war der Mund, der sich nun öffnete.

»Das ist kein Problem, ich werde noch mal ins Büro fahren, um alle erforderlichen Unterlagen zu holen. Sie können mich in einer halben Stunde abholen.« Das verblüffte mich jetzt. Gerade hatte er so ein Drama daraus gemacht, dass ich nicht gleich zu ihm ins Bett gekommen war und jetzt wollte er schon wieder aufbrechen. Was war passiert?

Er legte auf. Seine Miene erhellte sich, wenn auch sehr widerwillig, wie ich feststellen musste. Gedankenversunken strich er über meine linke Wange und stieß einen hörbaren Seufzer aus.

»Es ist wirklich sehr bedauerlich Elena, aber ich fürchte, ich muss vorher ins Büro, um einige Unterlagen vorzubereiten, die ich mit nach Brüssel nehmen muss.« Er war sichtbar am Boden zerstört. Den Abend und die Nacht hatte er sich mit Sicherheit anders vorgestellt. Nun ja, wenn ich ehrlich war, ich auch.

Gezwungenermaßen stieg er aus der Wanne und wickelte sich ein Handtuch um seine Körpermitte. Mein Bademantel hing an einem der Haken an der Wand, er ergriff ihn und ließ mich hineinschlüpfen. Kurz umarmte er mich von hinten und küsste mich.

»Ich werde dich vermissen!« Unsere Blicke trafen sich. Es war deutlich erkennbar, dass ihn der Abschied schmerzte. Allmählich löste er sich aus unserer Umarmung, begann, sich abzutrocknen und glitt anschließend in seine Anzughose. Sein muskulöser Oberkörper verschwand unter seinem blütenweißen Hemd. Dann glitt er in sein Jackett. Professionell band er nun seine Krawatte. Zuletzt zog er seine schwarzen Socken an, stieg in die Schnürschuhe und band sie zu. Die umgekehrte Reihenfolge wäre mir offen gestanden lieber gewesen. Er war ein äußerst attraktiver Mann.

Als ich so jämmerlich vor ihm stand und mir beinahe die Tränen gekommen wären, strich er mir eine Locke hinters Ohr und küsste mich zärtlich auf den Mund. Das stimmte mich etwas versöhnlicher.

»Sobald ich im Hotel angekommen bin, melde ich mich bei dir.« Ich nickte betrübt, dabei ließ ich den Kopf hängen. »Mach es mir bitte nicht so schwer, Elena. Ich habe nun mal Verpflichtungen.«

»Ich weiß, Jeremy«, seufzte ich. »Ich klemme mich noch hinter meinen dubiosen Fall, denn schlafen kann ich jetzt sowieso nicht mehr«, stellte ich entschieden fest.

»Wenn du möchtest, sehe ich mir den Fall gerne während des Flugs an und führe die Akte auf legalem Weg wieder an Ort und Stelle zurück, wo sie hingehört«, lächelte er mich bedeutungsvoll an. Ich wollte ihm vertrauen.

Mit seinem Vorschlag war ich einverstanden, konnte ich doch mit diesen an Beweismaterial fehlenden Unterlagen ohnehin nichts anfangen. Jeremy hingegen hatte viel mehr Erfahrung und vor allem die nötigen Kontakte, um eventuell wichtige Indizien, die auf den Rückschluss des Vorliegens gewisser Tatsachen zurückzuführen gewesen wären, herauszufinden. Also willigte ich ohne Zögern ein.

»Wenn du mir den Schuldigen und genügend Beweise lieferst, um den Kerl festzunageln«, meinte ich grinsend. Er tippte mit seinem Zeigefinger auf meine Nasenspitze und lächelte sanft.

»Immer zu Ihren Diensten, Miss Cooper.« Wir gingen nach unten. In weiterer Folge nahm er die Akte unter seinen Arm, schnappte seinen Weekender und ich begleitete ihn bis zur Tür. Zum Abschied nahm er mich in den Arm und gab mir einen intensiven Kuss. Als ich meinen Mund leicht öffnete, spürte ich seine Zunge, die meine umschmeichelte. Sogleich breiteten sich wieder unzählige Schmetterlinge in meinem Bauch aus, doch das Prickeln versiegte bald, denn Jeremy löste sich aus meiner Umarmung und schritt hinaus.

Ich war erstaunt. Mein Wagen stand bereits wieder vor der Tür. Ich hatte nichts davon bemerkt, dass er Larry den Schlüssel dafür gegeben hätte. Während Jeremy bei mir gewesen war, musste er ihn für mich geholt haben. Larry wartete draußen vor seinem Wagen, diesmal war er mit einem weniger auffälligeren Gefährt gekommen, dem Sportwagen. »Guten Abend, Mr White.«

»Larry.« Wie es sich für einen englischen Butler ziemte, hielt er ihm die Wagentüre auf und Jeremy stieg ein. Larry zog zur Begrüßung seine Chauffeurmütze und nickt mir höflich zu. Ich lächelte ihn dankbar an, dabei schlang ich den Bademantel noch enger um meinen Körper. In Folge dessen setzte er sich hinter das Steuer und fuhr los. Jeremy winkte zum Abschied. Ich sah dem Wagen nach, bis er außer Sichtweite gekommen war.

Nun war ich wieder allein, so wie ich es vor einem Tag noch gewesen war. Nur mit dem Unterschied, dass ich damals noch meine Freiheit in vollen Zügen genossen hatte, was mir heute relativ paradox vorkam. Ich dachte darüber nach und ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank, nahm Katzenfutter heraus, um es für Melody in eine Schüssel zu geben. Kurzerhand stellte ich es auf den Boden, sie würde schon kommen, wenn sie ihr Futter roch.

***

Ich stieg die Treppe zu meinem Schlafzimmer hoch und starrte auf den abgegrenzten Bereich, in dem die Badewanne stand, die noch immer mit dem Schaumbad gefüllt war. So schön hatte ich mir die gemeinsame Nacht ausgemalt und wie aus dem Nichts war sie wie eine Seifenblase zerplatzt.

In ein paar Stunden würde es hell werden, also beschloss ich, mich auf die Fensterbank zu setzen und die aufgehende Sonne abzuwarten. Ich schmiegte mich in das weiße, mit Rosen bedruckte Kissen und presste das andere an meinen Körper. Ich vergrub mich förmlich darin und stellte mir vor, Jeremy wäre bei mir, als sich plötzlich Melody zu mir gesellte. Ihr Kopf schmiegte sich an mein entblößtes Bein und rieb daran, dabei schnurrte sie wie aufgezogen. Mit einem Satz war sie auf meinen Schoß gesprungen und rollte sich auf dem Kissen, das ich augenblicklich im Arm hielt, zusammen.

Ich vermisste Jeremy schon, als er zur Tür hinausgegangen war. Nun stieß ich einen leisen, aber herzzerreißenden Seufzer aus. Wenn diese verdammte Sonne nicht bald aufgeht, werde ich noch verrückt.

»Ich werde dich jeden Tag vermissen und jede verdammte Nacht«, sagte ich leise zu mir selbst und fühlte mich dabei bedauernswert. Dieser attraktive Mann ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Sein Charisma fesselte mich richtig. Und trotzdem kam es mir so vor, als wäre er sich seiner starken Anziehungskraft nicht einmal bewusst. Seine Worte hallten noch immer in meinem Kopf nach, wo sich jetzt gähnende Leere erstreckte.

»Das war die schönste Nacht meines Lebens, Elena«, hatte er zu mir gesagt. »Ich möchte nicht, dass du gehst und diese Nacht nur ein Traum bleibt, der mit der Zeit verblassen würde.« Das will ich auch nicht und Trübsal zu blasen, hat jetzt wohl kaum einen Sinn. Ich war im Begriff aufzustehen, als Melody sich in ihrer Ruhe gestört fühlte und protestierend davonlief.

Ich zog meinen Bademantel aus und legte ihn auf die Fensterbank. Kurzerhand ließ ich das Badewasser ab und die vorangegangenen Stunden flossen durch den Abfluss. Jeremy würde wiederkommen. Das stand fest.

Auf mich wartete ein arbeitsreicher Tag und so war ich bestrebt, diesen auch mit meinem Tatendrang auszufüllen. Ich würde mich heute ausnahmsweise ins Central Criminal Court begeben und meine Staatsanwältinnenrobe anziehen, denn in diesem Aufzug fühlte ich mich in meinem Element, so als säße ich schon im Gerichtssaal, um das nächste Scheusal zu denunzieren. Ich würde mich ganz und gar meinem nächsten Fall verschreiben, den es vor Gericht zu lösen galt. Dazu hatte ich mir bereits eine geeignete Strategie überlegt. Ein Arschloch, das wieder einmal eine naive, junge Frau zu seiner Sub gemacht hatte und sie dann so lange gequält haben soll, dass diese schließlich nach seinem Vergewaltigungsszenario ihren inneren Verletzungen erlegen war.

Im Polizeiprotokoll hatte er angegeben, dass es ihm leidtun würde. Dieser Gedanke erzürnte mich nahezu. Dass es ihm leidtun würde! Was für eine armselige, jämmerliche Erklärung für eine abgrundtief verabscheuungswürdige Tat! Eher musste er sich nun selbst bei dem Gedanken leidtun, dass ich ihn nun für die nächsten Jahre wegsperren lassen würde und er seinem triebhaften Verhalten nicht mehr nachgehen könnte. Welch heimtückische und niederträchtige Art, einen anderen Menschen so sehr zu verletzen, dass er daran zugrunde ging. So ein Schwein.

In diesen Augenblicken wünschte ich mir die mittelalterlichen Methoden wieder zurück. Wo es hieß: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Schade, wenn ich in Texas oder Virginia leben würde, würde ich für die Todesstrafe plädieren.

Aus meinem Wandschrank nahm ich einen cremefarbenen Spitzenslip und zog ihn zügig an, hinterher schlüpfte ich in ein farblich dazu passendes, hauchdünnes Seidennegligé. Unter der Robe war es immer so heiß. Einerseits trug ich sie gerne, weil man in dieser ganz speziellen Kleidung jemanden darstellte. Wie sähe es denn aus, wenn man als Staatsanwältin im Gerichtssaal in Straßenkleidung herumlaufen würde? Andererseits war es auch ziemlich unbequem, weil sie einem kaum erlaubte, darunter sehr viel anzuziehen, da man in diesem Ding sonst beinahe umkam. Also hatte ich eines Tages beschlossen mich darunter nur mehr in Unterwäsche zu kleiden.

Das wusste natürlich keiner, außer meiner Sekretärin Tabitha. Im Laufe der Zeit waren wir Freundinnen geworden und vertrauten uns gegenseitig alles an. Sie hatte zumeist irgendwelche Männerprobleme, mal dies, mal das, mal den einen und dann wiederum jemand anderen. Bei dem Verschleiß an Männern, den sie hatte, glaubte ich manchmal, es bliebe ihr bis an ihr Lebensende kaum einer mehr übrig, den sie nicht ausprobiert hätte. Ihr Lebensstil amüsierte mich und ich bewunderte sie für ihre ungezügelte Art. Aber was täte ich bloß ohne Tabitha? Sie war die beste Sekretärin, die sich eine Staatsanwältin nur wünschen konnte.

Und die beste Freundin. Mit ihr konnte man durch dick und dünn gehen, in Nachbars Garten Äpfel stehlen, jeden Blödsinn anstellen, den diese verdammt engstirnige und konservative Welt zu bieten hatte. Sie war einfach umwerfend. Nie war sie schlecht gelaunt, bei jedem noch so widerwärtigen Scheusal fand sie etwas Gutes. Das erklärte auch ihren Männerverschleiß. Sie konnte sich über extrem dämliche Dinge kaputtlachen und trotzdem hatte sie Niveau. Ein ziemlich hohes sogar. Wir verstanden uns prima, hatten den selben Geschmack, was Kleidung betraf, legten viel Wert auf ein adrettes Aussehen und wenn wir Zeit fanden, gingen wir gemeinsam in die eine oder andere Ausstellung.

Rasch zog ich ein apricotfarbenes, figurbetontes Kleid an. Es hatte einen tiefen Ausschnitt, der fast meinen Bauchnabel erreichte. Unterhalb des Brustansatzes konnte man die beiden Seiten des Oberteils mit einem nicht sichtbaren Haken verbinden. Das erzeugte einen betörenden Anblick. Der Rock reichte bis knapp zum Knie und wirkte sehr ausladend, da er in große Falten gelegt war. Es war ein überaus teures Kleid, das ich bei Harrods erstanden hatte.

Die dazu passenden High Heels hatte ich in New York bestellt. Sie besaßen einen extravaganten Glitzerlook. Eine aufwendige Masche zierte den Abschluss. Mit diesen traumhaften Pumps konnte man sich der Blicke aller, besonders die der Männer, sicher sein. Sie sorgten für einen schönen Gang. Extrem hohe Absätze, so fand ich, waren einfach unschlagbar anmutig. Elegant glitt ich in diese kostbaren Schätze, die mich zweifellos ein Vermögen gekostet hatten.

Meine widerspenstigen blonden Locken versuchte ich mit einer Haarbürste zu bändigen. Hier eine kleine Spange, dort noch eine weitere und meine Frisur war perfekt. Eyeliner und Lippenstift durften natürlich nicht fehlen. Abschließend betrachtete ich mich von allen Seiten kritisch im Spiegel.

»Ab in die Schlacht«, sagte ich zu mir selbst, nahm meine weiße Glanzjacke vom Ankleidestuhl, der sich unmittelbar neben dem Wandschrank befand, warf sie mir über die Schulter und trippelte die Treppe hinunter. Schnell stellte ich Melody noch etwas Futter auf den Küchenboden und eilte ins Vorzimmer. Im Vorbeigehen warf ich nochmals einen Blick in den Spiegel, dann öffnete ich schwungvoll die Tür und zog sie sogleich wieder hinter mir zu.

Meinen Schlüssel legte ich auf seinen angestammten Platz, obwohl mich jeder für mein angeborenes Verhalten in London für verrückt gehalten hätte, aber in Irland war es typisch, seinen Schlüssel nicht überallhin mitzuschleppen. Ja gut, wir lebten hier in einer Großstadt, aber bisher gab es in unserer Straße keine kriminellen Handlungen. Meine Nachbarin meinte, das läge an mir und meinem strengen Blick.

Jetzt musste ich kichern, wenn ich daran dachte und stieg in meinen roten Sportwagen, um den Old Bailey anzusteuern, wo sich das Central Criminal Court befand.

Britischer Strafgerichtshof, Ort der bedeutendsten Kriminalfälle des Landes. Das erste Gerichtsgebäude wurde im Jahre 1539 errichtet. Genau an diesem Strafgerichtshof wurde 1953 der größte Justizirrtum der britischen Kriminalgeschichte geschrieben. Derek Bentley wurde damals wegen Mordes verurteilt und hingerichtet. Auch der Fall des Peter William Sutcliffe 1981, der als Yorkshire Ripper bezeichnet und für den Tod von dreizehn Frauen verantwortlich gemacht wurde, fand hier sein Ende.

Als ich in London zu studieren begonnen hatte, war es von Anfang an mein Ziel gewesen, hier am Central Criminal Court in den Dienst der Staatsanwaltschaft zu treten und für Recht und Ordnung zu kämpfen. Ich, Elena Cooper, gebürtige Irin. Immer wieder hatte ich während meiner Studienzeit bedeutende Fälle am Central Criminal Court mitverfolgt. Die Plädoyers der Staatsanwälte hatten mich dabei am meisten beeindruckt. Und so war das Ziel schnell klar gewesen.

Ich parkte den Sportwagen auf meinem Parkplatz und stellte den Motor ab. Zielstrebig steuerte ich auf das Gerichtsgebäude zu, um die weitläufige Steintreppe hochzugehen. Ich benutzte den Nebeneingang, steckte den dafür vorgesehenen Schlüssel ins Schloss, drehte ihn und entriegelte die Tür.

Ich lief die Treppe hoch, sperrte mein Büro auf und betrat es. Anschließend schlüpfte ich aus meinem Kleid, hing es auf den Kleiderständer und zog meine Staatsanwältinnenrobe über. Mit Elan setzte ich mich an meinen Schreibtisch und war auch schon in besagter Akte vertieft. Diesen Kerl werde ich bei der Verhandlung plattmachen, das steht hiermit fest! Ich überlegte mir eine geeignete Strategie, um ihn zur Strecke zu bringen.

An diesem Tag kam ich mit der Arbeit ziemlich gut voran, denn nichts und niemand störte mich dabei. Die Zeit verging wie im Flug und als ich auf die Uhr sah, war es fünf und ich entschloss mich, für heute Schluss zu machen, um nach Hause zu fahren. Kurzerhand wechselte ich wieder in mein Kleid und verließ das Büro. Ich war über den Fortschritt des Tages zufrieden.

***

Als ich am nächsten Tag das Central Criminal Court Londons abermals betrat, klackerte ich mit meinen roten High Heels über den Marmorboden, bis ich in meinem Büro ankam. Tabitha saß bereits an ihrem Arbeitsplatz in meinem Vorzimmer und tippte Protokolle in den Computer, die ich ihr gestern in ein Diktiergerät gesprochen hatte. Sie war nur zwei Jahre jünger als ich, hatte schulterlanges kastanienbraunes Haar, braune Augen und eine zierliche Figur.

»Guten Morgen, Tabitha«, begrüßte ich sie freudig.

»Hi, Ella. Dein Kaffee steht bereits wohl temperiert auf deinem Schreibtisch, ich habe dir ein Marmeladen-Croissant von der Primrose Bakery mitgebracht und die Akten für deine Verhandlung liegen vorbereitet auf deinem Platz«, empfing sie mich wie immer hervorragend aufgelegt.

Ihr gestriges Date muss also prima gelaufen sein, dachte ich im Geheimen und betrachtete sie neugierig. Sie wusste bereits, worauf ich hinauswollte, und lächelte mich keck an.

»Mein Date war großartig, Michael ist der Oberhammer im Bett und ich habe schon seit Langem keinen so guten Sex mehr gehabt«, berichtete sie zufrieden. Ihre direkte Art, ohne Umschweife auf den Punkt zu kommen, machte sie geradezu einzigartig und genau deswegen mochte ich sie so gern.

»Warum sollte es dir schlechter gehen als mir?«, ließ ich eine Randbemerkung im Raum stehen. Meine Andeutung machte sie neugierig. Mit einem Mal war ihr Interesse geweckt und sie funkelte mich an, als würden ihr jeden Moment die Augen herausfallen.

»Erzähl! Wie ist er? Hat er’s mit dir auf dem Waschtisch getrieben? Von hinten oder in der Missionarsstellung?« Wenn Tabitha erst mal in Fahrt war, gab es kein Entrinnen mehr. Dann wollte sie es ganz genau wissen. Innerlich musste ich schmunzeln. Auf dem Waschtisch! Und dann noch in der Missionarsstellung? Pff! Die hatte vielleicht Nerven!

»Frag mich lieber, wer er ist, bevor du Details wissen möchtest«, forderte ich ihre Neugier nur noch mehr heraus. Energisch nahm sie ihre schwarze Nerdbrille von Miu Miu ab und verzog ihre knallrot geschminkten Lippen zu einem hinterlistigen Lächeln.

»Wer?«, stieß sie aufgeregt aus und zappelte nervös auf ihrem Stuhl herum. »Jetzt sag schon, spann mich nicht auf die Folter. Wer ist er?«

»Darauf wirst du nie kommen«, erwiderte ich forsch und stolzierte in mein Arbeitszimmer. Sie lief mir unbeirrt hinterher und starrte mich wissbegierig an, während ich auf meinem Chefsessel Platz nahm.

»Also?«, fragte sie verbissen nach und trommelte dabei mit ihren übermäßig langen, roten Fingernägeln auf meine Tischplatte. Wie sie mit diesen Dingern tippen konnte, war mir sowieso ein Rätsel.

»Jeremy White, der Präsident des Obersten Gerichtshofs«, ließ ich die Bombe platzen. Tabitha blieb der Mund im wahrsten Sinne des Wortes offen stehen, sicher wäre ihr die Kinnlade heruntergefallen, wenn sie nicht angewachsen wäre.

»Je-Jeremy W-White?«, stotterte sie, als könnte sie es nicht glauben.

»Jepp! Kein Geringerer als er.«

»Wo hast du denn den aufgetrieben?«, fragte sie erstaunt.

»An der Tankstelle«, kicherte ich.

»An der Tankstelle?«, erkundigte sie sich ungläubig und lachte sich halb schief dabei. »Bleibt nur zu wünschen, dass er auch bei dir kräftig getankt hat.« Blitzschnell strich sie meine blonden Locken zur Seite. »Hast du einen Knutschfleck?« Sie stierte mich neugierig an.

»Hey, nein!«, wehrte ich ab.

»Und? Wie ist der Präsident des Obersten Gerichtshofs im Bett?« Ich verdrehte die Augen.

»Also, du stellst vielleicht Fragen, Tabitha. Aber wenn du es unbedingt wissen möchtest, es war eine der heißesten Nächte, die ich je erlebt habe. So! Und jetzt lass mich bitte arbeiten, ich habe in zwei Stunden eine wichtige Verhandlung«, entgegnete ich streng. Mit diesen Worten vergrub ich mich in meine Akten.

Tabitha stemmte ihre Arme in die Hüften und inspizierte mich angriffslustig. »Nun gut, wie du meinst. Aber du musst mir später unbedingt mehr von ihm erzählen.«

Daraufhin zog sie sich wieder in ihre Schreibstube zurück und wenig später hörte ich sie schon tippen. Da mir bis zur Verhandlung noch genügend Zeit blieb, wollte ich die Akte noch einmal durchblättern. Es war eindeutig. Der Fall lag klar auf der Hand. Entziehung der persönlichen Freiheit durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, Nötigung zu einer geschlechtlichen Handlung, Beischlaf, Versetzen in einen qualvollen Zustand, schwere Körperverletzung mit Todesfolge. Darauf standen mehrere Jährchen Haft. Und dafür würde ich auch plädieren.

Ich erinnerte mich an den Spanner Case, einen Präzedenzfall in den Neunzigerjahren, der mir schon während meines Studiums begegnet war. Mein Dozent hatte ihn nicht oft genug erwähnen können. Dieser Kerl, dem ich gleich im Gerichtssaal begegnen werde, kann sich schon mal warm anziehen, das ist sicher.

Konzentriert ging ich die Polizeiprotokolle nochmals durch. Blackford hatte sich immer wieder in Widersprüche verwickelt, was zur Folge gehabt hatte, dass er die Tat letztendlich zugegeben hatte. Und zwar alle Vorwürfe, die man gegen ihn erhoben hatte.

Nachdenklich betrachtete ich das Fahndungsfoto, das den Unterlagen beigelegt worden war. Schon sein Aussehen fand ich widerlich. Sein hochnäsiger Gesichtsausdruck war zum Kotzen. Was diese junge Frau an dem Kerl nur gefunden haben könnte, dass sie sich ihm unterworfen hatte? »Unsympathische Visage«, dachte ich laut.

In Gedanken legte ich mir schon einige Fragen zurecht, die ich ihm an den Kopf werfen würde. Diese spezielle Sexualpräferenz konnte ich nicht nachvollziehen. Den merkwürdigen Neigungen und Fantasien konnte ich nichts abgewinnen. Und verstehen erst recht nicht. Weder die eine noch die andere Seite, stellte ich entschieden fest.

Eins war mir klar, es handelte sich in dem Fall um eine äußerst krankhafte und gestörte Persönlichkeit. Schmerz und Demütigung, die auf klinische Weise mit ziemlicher Sicherheit eine auf Dauer schlimme Beeinträchtigung des Opfers hervorgerufen hatte, bis sie letztendlich zum Tod geführt hatten.

Während ich mich ausgiebig mit dem Fall beschäftigte, aß ich mein Croissant und trank meinen mittlerweile kalten Kaffee, aber wie es bekanntlich hieß, machte kalter Kaffee noch schöner, also beließ ich es dabei.

Mein Blick schweifte zur Wanduhr. In einer halben Stunde würde man mich im Gerichtssaal erwarten. Zu meiner Begeisterung würde Jayson die Verteidigung des Angeklagten übernehmen. Wir würden also wieder einmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen vor dem Richter veranstalten, denn Jayson war unberechenbar, man konnte nie wissen, mit welchen Geschützen er auffahren würde, doch am Ende würde sich herausstellen, wer gewonnen hätte.

Ich seufzte. Mein bester Freund suchte sich immer die kniffligsten Fälle aus und das konnte er, denn er war einer der begehrtesten Anwälte in London. In letzter Zeit hatte er sich oft die Zähne daran ausgebissen, aber er kämpfte bis zum bitteren Ende und teilweise gewann er auch gegen mich. Kaum zu glauben, dass wir während unserer Studienzeit mal ein Paar gewesen waren. Wir hatten eine wirklich schöne Zeit gehabt, doch wir waren immer schon beruflich so sehr verflochten gewesen, dass das auf Dauer nicht gut gehen konnte. Also beschlossen wir, einfach nur Freunde zu bleiben, was uns anfangs nicht immer gelungen war, doch inzwischen verstanden wir uns wieder prima und waren füreinander da, wenn es mal brannte. Wer aber heute als Sieger aus dem Gerichtssaal hervorgehen würde, war noch nicht ganz klar. Obwohl ich mir meiner Sache fast sicher war, doch im Gerichtssaal wusste man nie, was sonst noch alles aufgedeckt werden würde.

Ich erhob mich aus meinem Chefsessel und steuerte auf den Kleiderständer zu, an dem meine Staatsanwaltsrobe sorgfältig aufgehängt war. Kurzerhand zog ich mir mein elegantes Kleid über den Kopf, schlüpfte in meinen schwarzen Talar und knöpfte ihn zu.

Es war zehn Minuten vor zehn, also höchste Zeit, mich in den Gerichtssaal zu begeben. Schnell schnappte ich meine Akte und klemmte sie unter den Arm. Tabitha hatte die Kopfhörer auf und tippte in einem rasanten Tempo die Protokolle herunter. Sie streckte mir zwei aufstrebende Daumen entgegen, was so viel wie toi, toi, toi bedeuten sollte. Das machte sie vor jeder Verhandlung. Ich zwinkerte und zog die Tür hinter mir zu.

Mein Schritt war selbstbewusst und meine High Heels klackerten über den Steinboden, bis ich die doppelflügelige Eichentür erreicht hatte. Energisch drückte ich die Klinke hinunter und trat ein. Freundlich, aber bestimmt begrüßte ich das Richterkollegium und nahm meinen angestammten Platz an der Fensterseite ein. Jayson nickte mir zu, er hatte sich bereits auf der gegenüberliegenden Seite eingefunden und wartete vermutlich schon darauf, dass man den Gefangenen hereinbrachte. Die Schöffen saßen neben dem Richter.

Wenig später wurde der Angeklagte in Handschellen vorgeführt. Unsere Blicke trafen sich sofort. Sein Gesichtsausdruck war starr, verriet keinerlei Gefühlsregung. Also kein Anschein von Reue, dachte ich zänkisch und war bereit, in die Offensive zu gehen. Richter Berkley eröffnete die Verhandlung und stellte die Personalien des Angeklagten fest.

»Mr John Blackford, Sie sind Mitglied des Londoner Stock Exchange?« Er bejahte. »Was verdienen Sie monatlich?« Blackford kniff die Augen zusammen und setzte ein schiefes Lächeln auf.

»Zweitausend Pfund pro Telefonanruf, das ist ein üblicher Fünf-Minuten-Lohn«, entgegnete er sarkastisch.

»Sind Sie vorbestraft, Mr Blackford?«, fragte Berkley unbeirrt weiter, dabei ließ er ihn nicht aus den Augen.

»Nein«, erwiderte Blackford mit einem Hang zum Hohn und schniefte einmal kräftig durch seine Nase, als wolle er sich seinem Kokainkonsum hingeben. Unsympathischer, widerwärtiger, ekelhafter und verhasster Kerl, dachte ich. Der glaubt wohl, er hat die Welt erfunden. Dir werde ich heute mal zeigen, wer hier der Top ist. Richter Berkley war auch nicht besonders angetan von ihm und wandte sich nun mir zu.

»Die Anklageschrift bitte, Miss Cooper.« Mit herablassendem Blick stand ich auf und verlas die Anklageschrift. »Dem Angeklagten John Blackford wird Folgendes zur Last gelegt: Am 28. März 2017 besuchte der Angeklagte eine geschlossene Gesellschaft, um sich an einer Orgie zu beteiligen.« Kurz sah ich von meinen Unterlagen auf und blickte einem widerlichen Grinsen entgegen. Arschloch, dachte ich und las weiter. »Dabei lernte er die dreiundzwanzigjährige Sarah Woods kennen, mit der er eine sexuelle Handlung vollzog.« Das war noch milde ausgedrückt. »Das Opfer wurde seitens des Angeklagten so schwer misshandelt, dass es wenig später den Verletzungen erlag. Wäre das Opfer rechtzeitig einer ärztlichen Behandlung unterzogen worden, hätte man vielleicht das Schlimmste verhindern können. Da diese Hilfeleistung seitens des Angeklagten und der anderen Beteiligten unterlassen wurde, verstarb das Opfer an den Folgen der schweren Misshandlung noch an Ort und Stelle. John Blackford wird daher wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge sowie unterlassener Hilfeleistung angeklagt.«

Verächtlich schob ich die Akte zur Seite und setzte mich. Ich würdigte ihn keines Blickes mehr. Richter Berkley begann mit der Befragung und rief den Angeklagten dazu in den Zeugenstand. Tiefe Abgründe eröffneten sich uns und am liebsten hätte ich ihm dafür ins Gesicht geschlagen.

Auf das Abnehmen der Handschellen hatte man aufgrund der Fluchtgefahr verzichtet und als ich ihn so dasitzen sah und ihm nun doch wieder ins Gesicht blickte, wurde mir mit einem Mal bewusst, wie sich diese junge Frau wohl gefühlt haben musste. Als sie ebenfalls mit Handschellen an eine Eisenstange gefesselt gewesen war, sich nicht hatte wehren können, die Augen verbunden, einen Mundknebel erhalten und absolut keinen Handlungsspielraum mehr gehabt hatte. Gnadenlos seinem Willen ausgesetzt, wenn anfangs vielleicht auch ganz freiwillig, doch sterben hatte sie mit Sicherheit nicht gewollt.

Ihn jetzt in Handschellen vor mir sitzen zu sehen, sodass er nun am eigenen Leib spüren musste, wie es war, wenn man sich seiner Haut nicht mehr erwehren konnte, weil man seiner Freiheit beraubt worden war, war mir ein Genuss. Der einzige Unterschied war, dass er keinerlei Schmerzen ausgesetzt war. Und wenn im Vereinigten Königreich die Folter noch erlaubt gewesen wäre, hätte ich sie garantiert anordnen lassen! Es widerte mich an, wenn ich daran dachte, wie sehr er die Demut seiner Sub ausgenutzt hatte. Sie hatte sich ihm vertrauensvoll hingegeben und er sich ihrer schändlich bedient. Richter Berkley war sichtlich erleichtert, als er an mich abgeben konnte.

»Ihr Zeuge, Miss Cooper.«

»Danke, Euer Ehren.« Hocherhobenen Hauptes schritt ich auf den Angeklagten zu, baute mich vor ihm auf und verschränkte meine Arme. Selbstsicherer hätte ich nicht wirken können. »Sie geben also zu, an dem besagten Tag Gast dieser zwielichtigen Party gewesen zu sein?« Der Typ war dermaßen eingebildet und überheblich, das konnte ich schon an seiner Visage sehen, dass mir das Kotzen kam.

»Ja, Miss Cooper.« An seinem hochnäsigen Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass Frauen seiner Ansicht nach keine Rechte hatten und dass ihn nun eine Frau in der Verkörperung der Staatsanwaltschaft befragte, ging ihm vermutlich völlig gegen den Strich. Ich fuhr fort.

»Ist es richtig, dass Sie an diesem Abend die Bekanntschaft mit dem Opfer Sarah Woods gemacht haben?«

»Ja, Miss Cooper.« Er wackelte ein paarmal mit den Augenbrauen. Mistkerl. Ich beugte mich jetzt nach vorn, lehnte mich herablassend auf das Pult des Zeugenstandes und begutachtete ihn in einer siegessicheren Manier.

»Und ist es auch richtig, dass Sie mit dem Opfer an diesem besagten Abend den Geschlechtsverkehr vollzogen haben?« Er atmete tief aus und sah mich unbeirrt an.

»Jaaa, Miss Cooper.«

»Und ist es ebenfalls richtig, dass Sie das Opfer so misshandelt haben, dass sie am Ende daran sterben musste?« Nun funkelte ich ihn an und wartete fieberhaft auf seine Antwort.

»Nein! Miss Cooper, ich habe sie nicht gegen ihren Willen misshandelt! Sie wollte es so!« Ich warf ihm ein schändliches Lächeln zu.

»Sie wollte es so. Natürlich!« Mit Schwung holte ich aus und ließ meine Hand auf den Tisch sausen, sodass es im Gerichtssaal ordentlich nachhallte. Unwillkürlich zuckte er zusammen. Na also, geht doch, dachte ich ironisch und freute mich, dass ich ihn wenigstens etwas in die Schranken weisen konnte. Nun wurde ich lauter und schrie ihn förmlich an. »Das wollte sie sicher nicht! Und sterben wollte sie sicher auch nicht! Existiert im BDSM nicht die goldene Kardinalsregel, ein Codewort zu benutzen, um den sofortigen Abbruch einer sexuellen Handlung zu garantieren, wenn etwas aus dem Ruder läuft?«, trieb ich ihn weiter in die Enge.

»Ja, Miss Cooper, das ist völlig richtig. Sie hat es aber nicht gesagt!«, stieß er ziemlich energisch und aufgebracht hervor. Arschloch. Ich lachte hysterisch, dann fuhr ich in ruhiger Lautstärke fort.

»Sie konnte es auch nicht sagen, Mr Blackford, weil Sie ihr einen Mundknebel verpasst haben und diesen so eng gezogen hatten, dass sie niemals irgendetwas hätte sagen können. Sie hätte nicht einmal abklopfen können, weil sie ja unglücklicherweise mit ihren Händen an eine Eisenstange gefesselt war!«, warf ich ihm die entscheidenden Worte entgegen und der Gerichtssaal erbebte unter den aufgebrachten Zuhörern. Richter Berkley schlug mit seinem Hammer auf die Tischplatte, um zur Ordnung zu rufen.

»Ruhe im Gerichtssaal oder ich lasse ihn räumen! Fahren Sie fort, Miss Cooper«, forderte er mich nachdrücklich auf, meine Befragung wiederaufzunehmen.

»Hohes Gericht, ich möchte darauf hinweisen, dass auch hier«, und das wollte ich nochmals betonen, denn es war haarsträubend, welche Dreistigkeit sich in der letzten Zeit in der SM-Szene abgespielt hatte, »sämtliche Beweise aus diesem Fall zweifelsohne entfernt wurden. Diese Akte liest sich wie ein mittelalterliches Buch, dem man nach und nach die Seiten herausgerissen hat. Nur eben nicht gut genug!« Ich setzte vor dem Angeklagten ein schiefes Lächeln auf. »Die Mitglieder der Stock Exchange sind ja berüchtigt dafür, sämtliche sachdienliche Beweise gegen sich zu vernichten, nur dieser hier war zu dämlich dazu, es richtig zu machen.« Nun war mein Mund wieder schneller, als mein Verstand es erlaubte. Das würde Folgen haben. Jayson sprang auf.

»Einspruch! Wieso sollte das relevant sein? Reine Spekulation, ich beantrage, das aus dem Protokoll zu streichen!« Wie bitte? Ich starrte ihn wütend an. Das durfte doch nicht wahr sein. War Jayson jetzt völlig durchgeknallt? Wie konnte das nicht relevant sein, wenn man Beweise entfernte! Richter Berkley verzog den Mund, würdigte mich keines Blickes, sondern schaute nur zu Boden.

»Stattgegeben.« Erzürnt schürzte ich die Lippen und warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Voll in Fahrt, wandte ich mich wieder diesem Scheusal zu, das mir mit seiner widerlichen Visage kaltschnäuzig ins Gesicht lächelte.

»Müsste sich der Angeklagte mit seiner langjährigen BDSM-Erfahrung dieser Maxime nicht sehr wohl bewusst sein? Sind diese Regeln nicht unumstößlich, Mr Blackford? Heißt Stopp nicht Stopp, ohne Wenn und Aber?«, warf ich ihm nun selbstbewusst entgegen.

»Ja, verdammt noch mal!«, herrschte er mich an.

»Hätten Sie dann Ihre Session nicht einfach beenden müssen? Aber ich kann Ihnen schon sagen, Ladys and Gentlemen, warum er es nicht getan hat.« Mit zusammengekniffenen Augen sah ich ihn an. »Weil Sie ein geiler Bock sind!« Der Gerichtssaal tobte, Richter Berkleys Hammer sauste wieder verhältnismäßig rasant auf die Tischplatte.

»Ruhe! Ruhe im Gerichtssaal! Reißen Sie sich zusammen, Miss Cooper!«

»Verzeihung, Euer Ehren!« Ich räusperte mich und wandte mich, einigermaßen wieder im Griff, dem Publikum zu. »Sehen Sie sich Mr Blackford einmal genauer an. Was fällt Ihnen auf?« Dabei machte ich eine abwertende Geste. Mein Blick schweifte über die Köpfe der Zuhörer im Gerichtssaal hinweg und blieb letztendlich beim Angeklagten haften. »Nun? Ich sage Ihnen, was Sie in ihm sehen sollten! Eine von Trieben gesteuerte, brutale, gewissenlose Kreatur, die nichts anderes im Sinne hatte, als sein Opfer vorsätzlich zu verletzen und daran zugrunde gehen zu lassen.« Meine Wortwahl löste bei den Zuschauern im Saal Entsetzen aus. Ihre Blicke wirkten fassungslos. Und wieder erhielt ich Beifall in Form von stillschweigendem Nicken, weil Richter Berkley schon zum zweiten Mal zur Ruhe aufgerufen hatte.

Wutentbrannt entnahm ich der Akte einige Beweisfotos. Sie zeigten die Utensilien, die bei der Orgie Verwendung gefunden hatten. Wie beispielsweise der Mundknebel, die Handschellen und die Eisenstange. Wie Marterwerkzeuge aus dem Mittelalter erschienen sie. Wortlos zeigte ich die beiden Bilder den Schöffen sowie den Zuhörern im Gerichtssaal. Einige stießen erschrockene Laute aus, andere hielten sich die Hand vor den Mund und andere wiederum murmelten ein Oh mein Gott.

»Sehen Sie sich die Beweisfotos mal genauer an, Ladys and Gentlemen, und halten Sie sich vor Augen, wie das Opfer damit gefesselt und geknebelt wurde, bevor sie von dem Angeklagten mutwillig zu Tode gequält wurde.« Ich wollte damit die Vorstellungskraft der Zuschauer im Gerichtssaal anregen. Dabei deutete ich mit meinem Zeigefinger auf Blackford.

Manche der Zuhörer und Schöffen schüttelten verständnislos den Kopf, andere wandten sich noch immer angewidert von den Fotos ab. Ich war mit meiner Beweisführung am Ende angelangt. »Ich plädiere auf fünfzehn Jahre Haft«, schloss ich mein Plädoyer. »Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.« Triumphierend setzte ich mich auf meinen Platz.

Jayson, der die Verteidigung übernommen hatte, hatte längst resigniert. Schon allein meine Ausführungen hatten ihm vermittelt, dass sein Angeklagter kaum Chancen auf Bewährung gehabt hätte. »Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.« Seine Miene verriet, dass er ziemlich sauer war. Im Normalfall hätte sich Jayson wie eine Würgeschlange um seinen Gegner geschlungen, um für seinen Mandanten eine milde Strafe zu erwirken, aber dieses Mal, musste ich verwundert feststellen, hatte er nichts dergleichen getan. Er durfte von Blackford also auch ziemlich angewidert gewesen sein.

***

Die Verhandlung wurde eine Zeit lang unterbrochen und erst dann wieder fortgesetzt, als die Schöffen zu einer Einigung gekommen waren.

»Schuldig in allen Anklagepunkten«, hieß es und ich triumphierte innerlich. Fünfzehn Jahre Haft für John Blackford, Mitglied der Londoner Stock Exchange.

Gefesselt an die dunkle Seite meiner Affäre | Erotischer SM-Roman

Подняться наверх